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König Balduin II hatte, beim Mangel an Söhnen, keinen sehnlicheren Wunsch gehegt, als seine älteste Tochter Melisende an einen mächtigen und würdigen Mann zu verheirathen, der ihm einst auf dem Throne folgen könne. Zu diesem Zwecke ließ er sie durch Wilhelm von Buris, dem kühnen, mächtigen und nicht ungebildeten Grafen Fulko von Anjou antragenFulco comes Andegavensium, Turonensium et Coenomanensium, ließ seinem Sohne Gottfried diese Besitzungen. Dieser heirathete Mathilde, die Wittwe Kaiser Heinrichs V, und war der Vater König Heinrichs II von England. Alber. 264. Guil. Nang. chr. zu 1128. Zwischen Fulko und König Ludwig VI war mannigfacher Streit, besonders über die Würde eines Seneschalls von Frankreich, gewesen. (Hugo de Cleriis 329). Doch hatte dieser zu Fulkos Wahl gerathen. Liber de Castro Ambasiae in Dachery spicileg. III, 282. Bouquet XII, 522. Funk Gemälde I, 215.; welcher auch mit zahlreicher Begleitung und königlicher Pracht nach Jerusalem kam, Melisenden heirathete, und als Herr von Tyrus und Ptolemais seinem Schwiegervater bis zu dessen Tode sehr treue Dienste leistete. {1131} Jetzt bestieg Fulko ohne Widerspruch den Thron; durch sein hohes Alter war er jedoch nicht allein milder, sondern selbst körperlich schwächer geworden, und er machte sich manchen zum Feinde, indem er Lehen nach Willkür vertheilte, Schmeichler hörte und seine oft verdienstlosen 501 {1131} Landsleute allen übrigen vorzog. Diese Mißgriffe, die allgemeine Abneigung gegen eine jede königliche Oberleitung, und die Unzufriedenheit, daß ein neu angekommener Fremder durch Weiberrecht Herr geworden sey, führten zu einem Bunde zwischen Joscelin von Edessa, Pontius von Tripolis und der so verschlagenen als boshaften Elise von Antiochien. Aber der König besiegte den Grafen von Tripolis in einer offenen Feldschlacht bei Rugia, ward in Antiochien, gegen den Willen und die Hoffnung Elisens, von dem größeren Theile der Bürger und der Edelen günstig aufgenommen und ernannte daselbst Rainold Mansver, einen treuen thätigen Ritter, zum Statthalter.
Solche freiwillige oder erzwungene Ordnung und Einigkeit war itzt doppelt nöthig, da sich der zertheilten christlichen Macht gegenüber, eine größere türkische bildete. Nach dem Tode seines VatersDer Vater Zenkis ward 1126 von Assassinen umgebracht. und seines älteren Bruders, war nämlich Emadeddin Zenki durch Sultan Mahmud mit Aleppo, Syrien, Mesopotamien und allen abendlichen Ländern in der Hoffnung belehnt worden, daß diese neue große Macht, nicht gegen den muhamedanischen OberherrenAbulf. zu 1126–1128. Abulfar. erzählt, der Beherrscher Antiochiens habe dem Sohne Aksonkors über den bevorstehenden Mord seines Vaters warnend Nachricht gegeben. Kundschafteten die Franken so genau? Oliv. Schol. hist. reg. 1369; siehe aber Wilken II, 575, der viele Berichtigungen über Zenkis Geschichte enthält., sondern gegen die Christen wirken werde. Und hiezu hatte niemand mehr Neigung als Zenki, weil sein Eifer für den Islam so unbegränzt war, als seine HerrschlustZenki kam z. B. in den Besitz von Hama, indem er Sunedsch, Buzis Sohn, arglistig betrog. Abulf. zu 1129.. Er scheute weder List, noch Härte, noch Grausamkeit, um jene Zwecke zu erreichen; aber für seine Unterthanen war er ein ununterbrochen thätiger, lobenswerther Fürst. Er unterdrückte die Anmaaßungen der Großen, schützte die Geringen, führte Ordnung in der Rechtspflege, Uneigennützigkeit 502 {1131} bei der Steuererhebung ein: lauter Verbesserungen von denen während so viel unruhiger Jahre, zum größten Unheile dieser Länder, fast nicht die Rede gewesen war. Einem so kühnen, gewaltigen, und doch so besonnen und durchaus planmäßig verfahrenden Manne zu widerstehen, war die schwere Aufgabe, welche zu lösen den Christen durch mancherlei ungünstige Nebenumstände noch erschwert wurde.
Graf Hugo von PuisetWilh. Tyr. 861., ein sehr angesehener Mann aus der Gegend von Orleans, kam nach Palästina und erhielt vom Könige Balduin I die Grafschaft Joppe als ein Erblehn. Sein Sohn Hugo heirathete die Nichte des Patriarchen Arnulf Amelotte, welche ihrem ersten Gemahle Eustachius Greiner schon zwei Söhne geboren hatte: Eustathius, den Herrn von Sidon und Walter, den Beherrscher von Cäsarea. Von allen ward jener Hugo der jüngere geehrt und geliebt, als der schönste Mann im ganzen Lande und der edelste Ritter unter den Christen; nur Fulko haßte ihn, entweder aus Neid über seinen Ruhm, oder weil er den königlichen Anmaaßungen zu kühn entgegentrat, oder aus Eifersucht weil er, vielleicht nicht ohne Grund, fürchtete daß Melisende den jüngeren Grafen auf eine sträfliche Weise liebe und dieser, um einer Königinn willen, gern seiner schon ältlichen Frau untreu werde. Genug, Hugo ward auf Anstiften Fulkos von seinem eigenen Stiefsohne Walter von Cäsarea des Verraths gegen den König angeklagt, und der Lehnshof erkannte auf den Zweikampf. Der Graf erschien aber nicht an dem bestimmten Tage, es sey nun daß er den Spruch für ungerecht und unnatürlich hielt, oder das Gefühl seiner Schuld ihn drückte. Deshalb verurtheilt, suchte er Hülfe bei den Bewohnern von Askalon; ward aber, als der König ihn förmlich befehdete, von seinen Anhängern, im Gefühl ihrer Lehnspflicht, verlassen und sah sich genöthigt unter Vermittelung des Patriarchen Wilhelm einen Vertrag abzuschließen, wonach er drei Jahr 503 {1131} das Land meiden mußte, und seine Schulden von den Einkünften der Grafschaft bezahlt werden sollten. Nach Ablauf jener Frist stehe ihm, ohne weiteren Vorwurf oder Strafe, die Rückkehr frei. So hielt man alle Mißhelligkeiten für ausgeglichen, und schon erwartete Hugo in Jerusalem die Zeit zur Überfahrt nach Europa, als er, in einer Kaufmannsbude Würfel spielend, plötzlich und unerwartet von einem Ritter aus Bretagne an mehren Stellen verwundet wurde. Sogleich bezeichneten Hugos Freunde den König als Urheber dieses Frevels und sprachen jenen nun auch von aller früheren Schuld frei: weil aber Fulko den Thäter ergreifen und verstümmeln ließ, ohne daß dieser ihn je öffentlich oder insgeheim des Mitwissens beschuldigte, so darf man keinesweges jene Behauptung als erwiesen betrachten. Im Gegentheil bezeugte der Bretagner, dem vorsätzlich, damit er reden könne, die Zunge nicht verstümmelt worden: er habe für sich allein die That unternommen, aber freilich Belohnungen und nicht Strafe erwartet. Sobald Hugo geheilt war schiffte er nach Apulien, erhielt vom Könige Roger die Grafschaft Gargana und starb vor Ablauf der Verbanungsfrist. Die Königinn Melisende aber, erzürnt über die Befleckung ihres Rufs, vielleicht auch gebeugt durch die Trennung von ihrem Buhler, wußte mit solchem Nachdrucke dessen Feinde zu verfolgen und selbst den König zu schrecken, daß dieser ihr durchaus unterthan ward und in seiner Altersschwäche nichts ohne ihren Willen unternahm.
Im Jahre 1132 eroberten die Türken Paneas, und würden die Schwäche der christlichen Reiche noch weit mehr benutzt haben, wenn nicht unerwartet große innere Kriege ihre Macht ebenfalls getheilt hätten. Selbst der, sonst so mächtige Zenki sah sich hiedurch eine Zeit lang bedrängt, und in Damaskus befehdeten sich Ismael und Muhammed, nachdem ihr Vater Buzi von Assassinen ermordet warAbulf. zu 1134–1135.. Ismael siegte, befreite seinen Bruder Sunedsch aus Zenkis 504 Gefangenschaft, tödtete ihn aber dann mit eigener Hand um eines ungenügenden Verdachtes willen, und herrschte nunmehr wild und grausam bis er durch Verschworene auf Anstiften seiner eigenen Mutter, im Jahre 1135 umgebracht ward.
Im Vergleich mit diesen Freveln, erscheinen die Bewegungen in Antiochien fast mild und gemäßigt. Hier war nach dem Tode des Patriarchen Bernhard, Rudolf aus der NormandieRudolf sollte, nach dem Befehl Innocenz II, dem Erzbischof von Tyrus alle die Bischöfe überlassen, welche früher dahin gehört hatten. Concil. XII, 1411, epist. 4-8. erwählt worden, und zwar mehr durch die Gunst der Ritter und des Volkes, als durch die Geistlichen; weshalb ihm manche von diesen den Gehorsam verweigerten. Vielleicht hätte sie Rudolf mit Güte gewonnen; allein seiner Natur gemäß zog er strenge Mittel vor, ließ einige gefangen setzen, ihre Güter einziehen und hoffte, im Einverständnisse mit der verwittweten Fürstinn Elise, die höchste Gewalt in Antiochien zu erlangen. Ganz entgegengesetzte Absichten hegten die Freunde Konstanzens, der Erbtochter Boemunds und Elisens. Nachdem der griechische Kaiser Johannes, man weiß nicht weshalb, den Antrag abgelehnt hatte daß sein Sohn Emanuel sie eheliche; so hatte man ihre Hand dem Grafen Raimund von Poitou, einem Neffen des Königs Fulko, durch Gesandte antragen lassen. Raimund begab sich auf den Weg nach Syrien, und entging nur mit Mühe den Nachstellungen Roberts von Sicilien und der Griechen, {1136} welche beide auf Antiochien Ansprüche machten: jener als ein naher Verwandter Boemunds, diese der Lehnsherrschaft halben. Es war aber RaimundConnamus VII, 56. Wilh. Tyr. 864. Wilh. Neubr. I, 21. Raimund war ein Sohn Wilhelms von Poitou, welcher am unglücklichen Kreuzzuge des Grafen von Nevers Theil genommen hatte. Acta. Sanct. 10te Februar, S. 433. einerseits schön, ritterlich, tapfer, mäßig, keusch, ein Freund 505 {1136} der Gelehrten seiner Zeit und ein fleißiger Hörer des göttlichen Wortes; andererseits leichtsinnig im Versprechen und Halten, heftig und aufbrausend, und dem Würfelspiel ergeben. Eine ähnliche Mischung guter und böser Eigenschaften fand sich bei seinem Gegner, dem Patriarchen Rudolf. Dessen Schönheit erweckte ein günstiges Vorurtheil, seine Beredsamkeit verbarg selbst dem Geübteren den Mangel tieferer Wissenschaft und ward, mit Freigebigkeit verbunden, für Volk und Soldaten ganz unwiderstehlich. Gern duldeten diese seinen Stolz, denn er traf nur die Höheren; und bewunderten seine Prachtliebe, denn sie verschaffte manchem Gewinn. Jene, so oft mit großer Wichtigkeit verhandelte Frage: ob Tyrus dem Patriarchen von Jerusalem oder von Antiochien zugehöre, verlor fast ihre Bedeutung vor dem größeren Plane Rudolfs: die Oberherrschaft Roms in diesen Zeiten der Spaltung zwischen Innocenz II und Anaklet, ganz abzuschütteln, weil die Kirche von Antiochien früher durch den heiligen Petrus gestiftet sey, als die römische. Was sich aber gegen den höher stehenden Papst als Kühnheit darstellte, ward gegen Untergebene zur Härte, und bei aller Begeisterung für seine Plane, war Rudolf um so weniger im Stande Mittel und Zwecke zu würdigen und in ein gehöriges Verhältniß zu setzen, als er seiner geistigen, von keiner Tugend gestützten Überlegenheit, zu viel vertrauete.
Graf Raimund sah bald ein, daß er gegen den Willen Elisens und des Patriarchen nie seine Absichten erreichen könne, und nahm deshalb Antiochien von diesem für das Versprechen zu Lehne, daß er ihn bei der Aufnahme in der Stadt und der Verehelichung mit Konstanzen unterstützen wolle. Um dieß Versprechen erfüllen zu können, mußte Rudolph gegen Elisen wortbrüchig seyn; worüber er nicht allein gar kein Bedenken trug, sondern Spott zum Betruge gesellend, diese auch überredete: Graf Raimund wolle keinesweges ihre Tochter, sondern sie selbst heirathen. In so freudiger Hoffnung ging Elise zur Kirche, gewahrte den 506 {1136} Betrug erst in dem Augenblicke, wo der Graf Konstanzens Hand ergriff um sie zum Altar zu führen, und eilte nun nach ihrem Wittwensitze Laodicea zurück, voll Haß gegen Raimund und Rudolf. Die, zwischen beiden nach Entfernung der Fürstinn sogleich eintretende Spannung, würde viel schneller in offenbare Feindschaft übergegangen seyn, wenn nicht äußere Bedrängnisse mächtiger dazwischen getreten und die Griechen unerwartet als Feinde vor Antiochien erschienen wären.
{1110 bis 1118} Nach der glücklichen Beendigung des Krieges gegen BoemundAnna Comn. Buch 15., hatte Kaiser Alexius zwar noch manche Fehde mit den Türken zu bestehen, aber keine ward entscheidend gefährlich, und die Bekehrung der ketzerischen Bogomilen durch milde oder grausame Mittel, so wie die Frage über die künftige Thronfolge, beschäftigte ihn und den Hof mehr als alles andere. Die Kaiserinn Irene bemühte sich nämlich sehr, dem Gemahl ihrer Tochter Anna, dem Cäsar Bryennius, mit Übergehung ihres Sohnes Johannes die Krone zuzuwenden; aber Alexius bezog sich, ihr widersprechend, auf das Verfahren aller früheren Kaiser und nannte es thöricht, wenn er die Herrschaft nicht in seiner Familie erhalten solle, nachdem er so viel Sträfliches gethan habe, sie darin zu begründen. Auf dem Todtenbette gab er seinen Ring an JohannesNach Nicet. Chon. 5 nahm Johannes den Ring, aber bei dem Stande der Parteien läßt sich schwer denken, daß Alexius nicht eingewilligt habe, sondern gezwungen worden sey., welcher schnell manche Anhänger um sich sammelte und schon beim Leben seines Vaters als Kaiser begrüßt wurde. Den heftigen Vorwürfen der herbeieilenden Irene entgegnete Alexius: »es sey nicht Zeit ihn mit irdischen Dingen zu behelligen, da er sein Gemüth zum Himmel richten müsse.« Jene soll ihm indessen erwiedert haben: »so wie während seines ganzen Lebens, verstelle er sich auch noch auf dem Todtenbette.« Am 15ten 507 August des Jahres 1118, wenige Monate nach König Balduins I Tode, endete Alexius im 73sten Lebensjahre seine lange, mit Gewalt begonnene, mühselig durchkämpfte Laufbahn. Rastlos thätig, für das Beste des Reiches aus allen Kräften wirkend, hatte er unzählige Gefahren abgehalten, zurückgeschlagen, umgangen: aber dennoch war weniges gesichert, der Rückblick zwar beruhigend, aber nicht rein erfreulich und die Aussicht bedenklich. Jeder Augenblick der Gegenwart trat damals im oströmischen Reiche mit so unendlichen Bedürfnissen hervor, daß alle Anstrengungen an ihn gewandt werden mußten und von ihm so verzehrt wurden, daß für die Nachwelt keine Schätze, keine Früchte übrig blieben. Wen das Geschick beruft ein veraltetes Reich zu verjüngen, oder wer in die Stürme einer neu sich gebährenden Weit hineingeworfen wird, damit er, ein einzelner, sie beschwöre und ordne, dem ist eine überaus schwierige ja unlösbare Aufgabe auferlegt. Doch wird ein wahrhaft edles Gemüth selbst in solchen Zeiten sich nicht zu den Täuschungen und Künsteleien herablassen, welche dem Griechen bisweilen als der Triumph seiner Größe und Eigenthümlichkeit erschienen.
Eine Verschwörung gegen seinen Sohn und Nachfolger Johannes, zum Besten des Bryennius unternommen, mißlang, weil dieser zu unthätig und unentschlossen war; weshalb auch seine geistreichere und muthigere Gemahlinn Anna laut klagte, daß Gott sie zum Weibe, ihn zum Mann erschaffen habeΑὐτῃ μεν ἐνδιαχουσαν το ἀρϑρον και ἐγκοιλανουσαν, τῳ δε Βρυεννιῳ το μοριον ἀποτεινασαν και σφαιρωσασαν Nic. Chron. 8.. Der, von Natur so tapfere als mild gesinnte Kaiser, strafte indeß keinen von den Verschwornen am Leben und gab ihnen sogar ihre Güter, welche er schon dem Domestikus Axiuchos geschenkt hatte, nach dessen uneigennützigem Rathe, wieder zurück. Als so die Ruhe im Inneren gesichert war, vertrieb er die Türken aus Phrygien und Pamphylien, besiegte die Petschenegen an der 508 Donau, bedrängte die bundbrüchigen Servier und erwehrte sich der Ungern, welche ihn anfielen, weil er Almus, den vertriebenen Bruder König Stephans, freundlich aufgenommen hatte. Nunmehr konnte er seine Aufmerksamkeit auch auf Cilicien und Syrien richten. Denn nachdem die Ehe zwischen seinem Sohne Emanuel und Konstanzen nicht zur Vollziehung gekommen war, hatten die Antiochier jene, schon so oft erwähnten Ansprüche der Griechen auf Lehnsoberherrschaft wiederholt zurückgewiesen und mit dem Könige Leo von Armenien ein Bündniß geschlossen, welcher auch mehre griechische Städte angriff und einnahm. Schneller jedoch als alle irgend erwarteten, drang Kaiser Johannes im Jahre 1137 mit einem mächtigen Heere durch die cilicischen Thore, eroberte Tarsus, Adana, Anazarbus, kurz ganz Cilicien und bedrohete AntiochienCinnamus I, 7. Dandolo 274. Wilh. Tyr. 866. Nicet. Chon. 18-21.. Graf Raimund sandte sogleich um Hülfe an den König Fulko und den Grafen Raimund von Tripolis, welcher seinem, von den Türken erschlagenen Vater Pontius, gefolgt war. Statt dieser Hülfe traf die Botschaft ein: beide seyen mit Zenki in Fehde gerathen und von ihm auf ungünstigem Boden, zwischen Bergen und engen Thälern unerwartet angegriffen, besiegt und Raimund von Tripolis gefangen, der König hingegen in der Burg Monsferrandus bei Akkon eingeschlossen worden. Ehe, trotz aller Anstrengungen, Mannschaft von Jerusalem und Antiochien zum Entsatz herbeieilen konnte, bot Zenki dem Könige freien Abzug und die Auslösung des Grafen von Tripolis, sobald man ihm die Burg Monsferrandus übergebe und 50,000 Goldstücke zahleAbulf. zu 1132, 1136–37. Orderic. Vital. 912. Du Fresne ad Cinnam. 141. Kemaleddin bei Wilken 658.. Fulko, von der Annäherung der Christen nicht unterrichtet und von Hungersnoth aufs äußerste bedrängt, ging den Vertrag ein, und wurde nun mit den seinen von Zenki so freundschaftlich als ehrenvoll behandelt.
509 {1137} Nach Beseitigung dieser Gefahren bat Graf Raimund wiederholt: der König möge ihm nach Antiochien folgen und die Lehnsherrschaft des Königreichs Jerusalem gegen die Griechen vertheidigen helfen; allein Fulko antwortete, er müsse sein eigenes Besitzthum wider Askalon und Damaskus schützen und der Graf möge mit dem Kaiser, der auch ein Christ sey, auf so gute Bedingungen abschließen als irgend möglich. Dennoch vertheidigten sich die Antiochier, ihrem Muthe und den starken Befestigungen ihrer Stadt vertrauend, und erst als die Gärten mit der umliegenden Gegend ausgezehrt, verwüstet und alle Hoffnungen auf Entsatz abgeschnitten, als mehre bei den Ausfällen umgekommen waren, suchte Raimund den Frieden, welcher lange verweigert und endlich nur unter der Bedingung zugestanden wurde: daß Raimund dem Kaiser als seinem Oberherren schwöre, ja ganz Antiochien zurückgebe, sobald ihm Aleppo, Cäsarea, Hama und Emesa eingeräumt würden. Diese Städte hoffte Johannes den Türken abzunehmen, und wirklich mochte Zenki, welcher dessen freundschaftlichen Versprechungen und dem mit Raimund abgeschlossenen Waffenstillstande wohl zu viel vertrauete, durch den Einfall in seine Besitzungen im Frühjahre 1138, einigermaaßen überrascht seyn. Die Griechen eroberten, ungeachtet tapferen Widerstandes, Buzaa in der Gegend des Euphrats und überließen es dem Grafen Joscelin; dann zogen sie, nach dessen und Raimunds Wünschen gen AleppoEbn et Athir, in den Notices et Extraits I, 552.. Aber die Stärke der Besatzung, die Festigkeit des Ortes und der Mangel an Wasser und Lebensmitteln zwangen sie die Belagerung aufzuheben, wogegen sich Atsareb ergab und Cäsarea eingeschlossen wurde.
Raimund von Antiochien und Joscelin von Edessa, welche sich an den tüchtigen und wohlgesinnten Kaiser hätten anschließen und ihn aus allen Kräften unterstützen sollen, damit die Macht der Türken auf lange Zeit gebrochen 510 {1138} werde und ein fester Zusammenhang der christlichen Reiche von Nicäa bis zum Euphrat entstehe; gedachten nur alter Vorurtheile und kleinlicher Leidenschaften, blieben den ganzen Tag unangekleidet in ihren Zelten und verdarben, des Krieges vorsätzlich vergessend, sorglos ihre Zeit durch WürfelspielWilh. Tyr. 872. Dandolo 274. Andererseits fehlten auch die Griechen, welche immer nur nach unmittelbarer Herrschaft in den Morgenländern trachteten; statt sich durch freiere und freiwillige Verhältnisse zu stärken.. Hierüber zürnte Kaiser Johannes mit Recht und hob die, während des Winters nur langsam vorrückende Belagerung von Cäsarea um so eher auf, da Zenki mit einem Heere nahete und die Einwohner große Geschenke boten. Es schien ihm räthlicher, sich selbst in den Besitz von Antiochien zu setzen, als andere Orte für Raimund zu erobern. Mit großen Ehren, wenn auch nicht mit aufrichtiger Anhänglichkeit, ward Johannes in der Stadt aufgenommen, weil der Graf ihn nicht mit Gewalt abhalten oder sich aus dem griechischen Lager entfernen konnte: aber die, auf den ersten Vertrag gegründeten Forderungen des Kaisers, daß man eine Besatzung auch in der Burg aufnehme und dem griechischen Heere einen freien Durchzug gestatte, erschienen dem Grafen höchst drückend und seine Herrschaft vernichtend. Auch konnten des Kaisers feierliche Zusagen und seine Behauptung, daß Antiochien der allein taugliche Waffenplatz in allen künftigen, gemeinsam zu führenden Kriegen sey, keinesweges die, theils argwöhnischen, theils ihrer eigenen Macht vertrauenden Franken gewinnen. In dieser Verlegenheit fand Graf Joscelin den Ausweg: es lasse sich hierüber ohne Berathung mit den Baronen, nichts Verpflichtendes festsetzen; und während der, hiezu vom Kaiser bewilligten Frist, wurden nun durch des Grafen Mitwirkung listig Gerüchte verbreitet: Antiochien solle an die Griechen verrathen und jeder Franke vertrieben werden. Aufgeregt griff itzt das Volk, wie man wünschte, zu den 511 {1138} Waffen, tödtete einige griechische Söldner und drang zum Palaste. Der Graf von Edessa eilte aber voran und erzählte dem Kaiser mit scheinbar großer Theilnahme, wie drohend die Gefahr sey; worauf dieser übereilt seinen früheren Forderungen entsagte und versprach, am anderen Tage die Stadt zu verlassen. Leicht wurde nun die Ruhe wieder hergestellt; allein nicht mit Unrecht fürchteten die Besonnenern, der Kaiser möge den Hergang der Sache bald durchschauen und vielleicht Rache nehmen. Deshalb ging eine Gesandtschaft in sein Lager und stellte ihm vor: die Menge handele immer ohne Überlegung und ihre Einwirkung sey stets gewaltsam; dennoch werde ihr gewöhnlich die übergroße Begünstigung zu Theil, daß man nur die Besseren und Geachtetern für Frevel strafe, welche sie selbst gemißbilliget hätten. Der Kaiser möge sich solche Härte nicht zu Schulden kommen lassen, sondern die Fürsten und Edelen günstig aufnehmen. Johannes, der im Begriff war, aus anderen Gründen nach Konstantinopel zurückzukehren, verbarg seine Unzufriedenheit und versprach baldige und kräftige Unterstützung; jene dagegen waren sehr bereit dem Abziehenden Beweise ihrer höchsten Willfährigkeit zu geben, damit er nicht etwa des Bleibens gedenkeCinnam. I, 9. Nicet. Chon. 21..
Auf dem Rückwege verjagte der Kaiser die Seldschuken von Ikonium nicht allein aus den römischen Besitzungen, welche sie angegriffen hatten, sondern nahm ihnen auch einige Burgen; dann beschäftigten ihn Streitigkeiten mit seinem zu den Türken übergegangenen Bruder Isaak, Fehden mit den Beherrschern von Trapezunt, von Neucäsarea und mehren anderen.
Seit dem Abzuge der Griechen traten die inneren Parteiungen und Streitigkeiten in Antiochien mit neuer Lebhaftigkeit hervor. Sobald nämlich die Geistlichen, welche früher der Erhebung Rudolfs widersprochen hatten, gewahr wurden, daß Raimund ihn nicht mehr begünstigte; so 512 {1138} beriefen sie sich auf die Entscheidung des Papstes, und Arnulf, des Patriarchen thätigster Gegner, eilte zum Könige Roger von Sicilien und nach Rom, jenem überall im voraus Feinde erweckend. Deshalb wurde Rudolf, welcher um sich zu vertheidigen die Reise nach Rom ebenfalls antrat, in Apulien unerwartet gefangen genommen und Arnulfs harter Willkür so lange überlassen, bis er Gelegenheit fand Roger zu sehen und ihn wahrscheinlich durch die Versicherung einzunehmen: er wolle Raimund durch seinen Einfluß zum Besten des Königes eben so leicht stürzen, als er ihn früher erhoben habeWilh. Tyr. 880.. Gleich ungünstig war Rudolfs erste Aufnahme in Rom und Papst Innocenz II verweigerte ihm jede Gunst, weil er das Pallium nicht gesucht, Antiochien dem römischen Stuhle gleichgestellt und Geistliche unbillig gestraft, ja in Ketten und Banden gehalten habe. Bald wußte es jedoch Rudolf auch hier durch List und Gewandtheit dahin zu bringen, daß man ihn ehrenvoll behandelte und einen Bevollmächtigten zur Untersuchung seiner Angelegenheiten nach Syrien absandte. Schon vor diesem langte der Patriarch bei der Mündung des Orontes an; allein Raimund, der außer den älteren Gründen der Abneigung, auch Nachricht von den bedenklichen Verhandlungen mit dem Könige Roger erhalten hatte, verweigerte ihm, von der Geistlichkeit unterstützt, die Aufnahme in Antiochien. Rudolf verweilte deshalb in einem benachbarten Kloster bis ihn Joscelin, hauptsächlich wohl aus Abneigung gegen Raimund, nach Edessa berief. Da schien es dem Fürsten doch räthlicher, daß der Patriarch in Antiochien unter seiner Aufsicht, als daß er in der Nachbarschaft geehrt und mächtig sey; und aus diesem Grunde erfolgte nach scheinbarer Versöhnung, eine glänzende Aufnahme Rudolfs von Seiten Raimunds, der Geistlichen, der Ritter und des Volkes.
Unterdeß waren der Erzpriester Lambert und der schon erwähnte Arnulf in Akkon angekommen und mit ihnen der 513 {1139} päpstliche Gesandte, Erzbischof Peter von Lyon, ein redlicher verständiger Mann, dessen baldiger Tod aber alle Hoffnungen der Feinde des Patriarchen für den Augenblick vernichtete. Lambert unterwarf sich und wurde von Rudolf in seine Pfründen wieder eingesetzt, wogegen er Arnulfen jede Gunst versagte. Dieser eilte deshalb zum zweiten Male nach Rom und der Papst schickte einen zweiten Gesandten, Alberich von Beauvais, Bischof von Ostia, nach SyrienCardella I, 109.. Auf der von ihm berufenen Kirchenversammlung erschienen in Antiochien die meisten Bischöfe aus den asiatischen Ländern der Christen; dreimal wurde der Patriarch vorgeladen und dreimal weigerte er sich zu gehorchen. Und dies nicht ohne allen Grund: denn die Feindschaft Raimunds war durch die eigennützigen Anreizungen des Burghauptmanns Armoin noch erhöht, welcher seinen Neffen Aimerich an Rudolfs Stelle zu erheben dachte; der päpstliche Gesandte zeigte sich offenbar parteiisch gegen den Patriarchen und aus angeblichen Freunden und Verehrern wurden plötzlich Feinde und Undankbare. Ob seines ungehorsamen Außenbleibens nahm man ihn nunmehr gefangen; aber er entkam, eilte nach Rom, erhielt das günstige Versprechen einer zweiten genügendern Untersuchung seiner Angelegenheiten, und war schon auf dem Rückwege nach Syrien als er, man weiß nicht durch wessen Hand, Gift bekam und in der Mitte einer Laufbahn starb, die ihn unter neuen Unruhen zur Herrschaft, oder zum Untergange führen mußte. Freilich entging die antiochische Kirche diesen zu besorgenden Unruhen: allein der neue Patriarch Aimerich, der seinem Wohlthäter Rudolf von dem Tage an untreu geworden war als dieser ihn zum Dechanten erhoben hatte, und dessen Unwissenheit und Unanständigkeit gleich groß erschien, brachte dem Christenthum in jenen Gegenden ebenfalls keinen Gewinn. Doch freute man sich wenigstens der Ruhe, bis auch diese plötzlich gestört wurde.
514 {1142} Nachdem Kaiser Johannes alle anderen, sein Reich bedrohenden Gefahren beseitigt hatte, zog erNicet. Chon. 26. Wilh. Tyr. 884. Alberic. 307. Otton. Fris. chron. VII, 28. im Jahre 1142 unter dem Vorwande nach Isaurien, er wolle seine Eroberungen in Armenien sichern und dies Land ordnen: seine wahre Absicht ging aber dahin, sich Antiochiens mit Güte oder Gewalt zu bemächtigen und wo möglich bis Jerusalem vorzudringen. Unvermuthet wandte er sich daher nach Tellbascher und zwang den Grafen Joscelin ihm seine Tochter Isabelle zur Geißel zu geben; dann eilte er mit gleicher Schnelligkeit gen Antiochien und verlangte, den Verträgen gemäß, die Einräumung der Stadt als eines Waffenplatzes gegen die Türken. Raimund der dies versprochen, ja, nach einigen, den Kaiser selbst berufen und ihm für große Summen die Oberherrschaft zugesichert hatte, suchte itzt einen Ausweg, welcher seine Wortbrüchigkeit verdecken und ihm den Schein der Schuldlosigkeit verschaffen sollte. Der Bischof von Gabala und mehre Barone begaben sich nämlich zum Kaiser und jener bewies, daß die Stadt dem Papste unterworfen sey und zum römischen Reiche gehöre: diese behaupteten, Raimund dürfe auch nicht ein Lehngut nach Willkür vergeben, wie viel weniger die ganze Erbschaft der Tochter Boemunds an irgend jemand überlassen. Zur Verhinderung eines solchen Unrechtes würden sie aus allen Kräften wirken und selbst Raimund verjagen, wenn er nicht den Anträgen des Kaisers beharrlich widerspreche. Hiedurch wurde dieser gezwungen Winterlager in Cilicien zu nehmen; und aus Zorn behandelte er die Gegend wohl noch härter, als es seine bedrängte Lage erforderte.
Bald nachher ließ Johannes durch Boten dem König Fulko verkünden, er sey geneigt Jerusalem zu besuchen und mit den seinen für das Beste der Christenheit zu fechten. Der König aber, besorgt über die Ankunft eines so mächtigen Heeres, antwortete im Einverständnisse mit den 515 {1142} Fürsten und vielleicht der Wahrheit gemäß: nur in Begleitung von 10.000 Mann, für welche man höchstens die nöthigen Lebensmittel herbeischaffen könne, möge der Kaiser zu allgemeiner Freude nach Jerusalem ziehen. Diesem mißfiel eine so beschränkende Vorschrift, und er bereitete alles um im nächsten Jahre mit überwiegender Macht in Syrien auftreten zu können. Allein diese Plane fielen ganz dahin, als er sich auf einer Jagd mit einem vergifteten Pfeile verwundete und im Frühlinge des Jahres 1143 starb. Johannes war ein Mann dessen Äußeres unangenehm auffiel: anstatt es aber deshalb zu vernachlässigen, wandte er nur desto mehr Aufmerksamkeit auf Kleidung und Darstellung; so daß er es nicht für gleichgültig hielt, wie die Haare geschnitten und die Schuhe gestaltet seyenNicetas Chon. 27. Robert. de Monte zu 1141. Cinnamus 10-16. Anna Comn. 134.. – Statura mediocris, carne et capillo niger, facie despicabili, sed moribus conspicuus et actibus insignis militaribus. Wilh. Tyr. XV, 23. Die Nachrichten über seinen Tod, stimmen nicht ganz überein; siehe Wilken II, 715.. Diese kleine Schwäche erschien aber unbedeutend bei seiner sonstigen Mäßigung, Selbstbeherrschung, Tapferkeit und einem tadellosen Wandel.
Aller Furcht ledig, schickten nunmehr die Antiochier eine Gesandtschaft an Johanns Sohn und Nachfolger Emanuel, mit der Weisung: er möge das Gebiet der Stadt verlassen, welches ihnen gehöre und dessen sich sein Vater mit Unrecht bemächtigt habe. Der Kaiser gab ihnen zur Antwort: »es ist bekannt, daß den Antiochiern keine Gewalt angethan worden, daß sie aber weder die alten noch die neuen Verträge gehalten haben. Nirgends ist festgesetzt, daß nur wir, nicht sie verbunden wären das Gewonnene zurückzugeben. Sie mögen sich also des fremden Gutes enthalten, damit nicht größerer Verlust sie treffe.« – Um diese Drohungen kümmerte sich jedoch niemand in Antiochien, weil man glaubte, Emanuel müsse innerer Unruhen wegen nach Konstantinopel zurückeilen: unerwartet aber eroberten dessen 516 {1143} Söldner die neugewonnenen fränkischen Besitzungen in Cilicien, und auch von der Seeseite ward Antiochien so eng eingeschlossen, daß Raimund aus Furcht seine Herrschaft ganz zu verlieren, nach Konstantinopel eilte und dem Kaiser den Lehnseid leistete.
Während Antiochien durch die erzählten Unruhen litt, suchte Moineddin Anar, welcher in Damaskus nach manchem Wechsel die höchste Gewalt ausübte, Hülfe bei dem Könige von Jerusalem gegen die Angriffe Zenkis, dessen Macht sich täglich mehrte, und im Jahre 1139 kam ein Bündniß zu Stande, wonach die Christen für jeden Monat geleisteter Hülfsdienste, 20,000 Goldstücke und beim glücklichen Ausgange des Krieges auch Paneas erhalten sollten. Diese Stadt hatte sich aber an Zenki ergebenWilh. Tyr. 876., und mußte erst erobert werden. Es gelang, nachdem die Hoffnung des Entsatzes verschwunden, Hülfsmannschaft dagegen aus Tripolis und Antiochien angekommen war und das Versprechen der Sicherheit für die Personen und das Eigenthum, die Furcht gemindert hatte.
Auf diesen glücklichen Feldzug folgten einige ruhige Jahre. Burgen die an den Gränzen erbaut waren, schützten gegen räuberische Einfälle und den früher gefährlichen Askaloniten wurde fast alle Gemeinschaft mit dem festen Lande abgeschnitten. Die hieraus entstehende Hoffnung einer glücklichen Zukunft, litt jedoch sehr durch den Tod König Fulkos, der, einem Hasen nachsetzend, mit dem Pferde stürzte und sich so schwer am Haupte verwundete, daß er, nach drei schmerzlich hingebrachten Tagen, im November des Jahres 1143Über den Todestag finden sich Abweichungen vom 9ten bis 13ten November; auch haben einige Stellen, obschon wohl mit Unrecht, das Jahr 1142. Wilh. Tyr. 888. Vitriac. hist. hieros. 1116. Oliv. Schol. hist. reg. 1372. Robert. de Monte u. Guil. Nang. zu 1143. Alberic. 295., etwa sechs Monate nach dem Kaiser Johannes, starb. Er hinterließ zwei unmündige Söhne, 517 Balduin den dritten von dreizehn, und Amalrich von sieben Jahren. Jener der sich durch Schönheit des Körpers auszeichnete und durch Lebhaftigkeit des Geistes die größten Hoffnungen erregte, ward gekrönt und seine Mutter Melisende stand mit männlichem Sinne der Regierung vor, bis er selbst im Stande war sie zu übernehmen. {1144} Aber freilich vermied der junge, von unbesonnenen Rathgebern aufgereizte König, nicht alle Mißgriffe. So suchte Tuntasch, ein Emir, welchen Anar von Damaskus wegen Ungehorsam vertrieben hatte, Hülfe bei ihm und versprach dafür Bostra, die Hauptstadt des nördlichen Arabiens. Durch diese Aussicht verführt, ließ der König im Jahre 1147 dem Anar verkündenWilh. Tyr. 893-898. Wilken III, 209.: man sey gesonnen die Vertriebenen in Bostra wieder einzusetzen, jedoch unbeschadet der bisherigen Freundschaft mit Damaskus; worauf jener indeß mit Recht antwortete: einen widerspenstigen Unterthan mit Gewalt einsetzen und zu Damaskus gehörige Länder mit einem Heere überziehen, sey offenbare Feindseligkeit und Übertretung der Verträge. Balduin möge von dem Vorhaben abstehen, wogegen man ihm die bereits verwendeten Kosten ersetzen wolle. Als diese Antwort ankam, war das Heer bereits von Tiberias, dem Sammelplatze aufgebrochen; dennoch wollten alle Verständigere diesen billigen Anträgen Gehör geben. Nur die übermüthige und beutesüchtige Menge nannte jede kluge und gerechte Rücksicht auf frühere Versprechen einen Verrath an der Christenheit, und um dieser nichtigen Einreden willen setzte Balduin den Zug gen Bostra fort. In der Gegend von Adratum umringten zuerst türkische leichte Reiter das Heer und thaten ihm durch ihre eigenthümliche Kriegesweise so großen Schaden, daß viele der unbesonnene Entschluß schon gereute, und nur die Aussicht auf die nahe Einnahme von Bostra ihren Muth einigermaaßen aufrecht erhielt. Aber auch diese Hoffnung schlug fehl: denn des Tuntasch Gemahlinn hatte sich bereits mit ihren Feinden ausgesöhnt und 518 {1147} eine starke Besatzung in der Stadt aufgenommen; es nahte ein türkisches Heer um die etwanige Belagerung zu vereiteln. Bei diesen Umständen blieb den Christen nichts übrig als den Rückzug anzutreten; allein unerträgliche Hitze, brennender Durst, stete Angriffe der Feinde und erstickender Dampf der von diesen angezündeten trockenen Sträuche und Kräuter, stürzte die meisten ins Verderben. So furchtbar war noch keine Schlacht gewesen, als dieser RückzugIm Junius 1147. Abu Schamah bei Wilken l. c.!
Noch größeres Unglück traf schon früher die Grafschaft Edessa. Graf Joscelin II hatte seinen Sitz in die mehr sichere und fruchtbare Gegend von Tellbascher verlegt, wodurch aber die Besitzungen jenseit des Euphrats den Angriffen der Feinde desto mehr ausgesetzt wurden. Hiezu kam, daß der Graf die Mittel zur Vertheidigung des Landes vernachlässigte, mit Raimund von Antiochien in Zwist lebte und aus dem entfernten Jerusalem nicht auf Beistand rechnen konnte. Als daher Zenki im November 1144 unerwartet Edessa mit einem großen Heer umlagerte, waren die Kräfte der Christen so ungenügend als ihr Muth. Doch hätte man die Gefahr noch überwinden können, obgleich die Mauer an einer Stelle bereits untergraben und niedergestürzt war; da ließ ein Armenier (gegen dessen Tochter Graf Joscelin angeblich Gewalt gebraucht hatte) die Türken durch sein an die Stadtmauer stoßendes Haus, heimlich in der Nacht ein und während die Belagerten, jeder nöthigen Sorgfalt vergessend, noch das Weihnachtsfest feierten, war die Stadt schon erobertAbulfeda zu 1144. Abulfar. 255. Vitriac. hist. hier. 1115. Auctar. Gemblac. zu 1145. Otton. Fris. chr. VII, 20. Über Tag und Jahr finden sich Abweichungen. Die Erzählung vom Weihnachtsfeste beruht auf Dodechin, Roger Hoved. 489, und Alberic zu 1145, siehe Pagi zu 1144, c. 14: die vom Armenier auf Guil. Neubr. I, 18; aber beide sind freilich nicht über alle Zweifel erhaben.. Sehr viele von den Bewohnern kamen ums Leben, die übrigen flohen zu den Burgen, wobei jedoch einzelne im Gedränge erstickten und auch der 519 {1144} Erzbischof Hugo nebst mehren Geistlichen den Tod fand. Solch Ende, behauptete man laut, habe der letzte verdient, da er aus Geiz den Kriegern Unterstützungen vorenthalten und so zum Untergange der Stadt beigetragen habe. Zenki wehrte dem Gemetzel sobald als möglich, ordnete das Nöthige in Edessa, und eroberte dann alle Besitzungen der Franken auf dem linken Ufer des Euphrats. {1145} Im folgenden Jahre konnte er seine Thätigkeit nicht gegen das vordere Asien wenden, weil sein Statthalter von Mosul, der Seldschuke Alp Arslan, sich gegen ihn empört hatte; sobald aber dieser besiegt und Mosul beruhigt war, zog er gegen DschabarWilken II, 720 hat die abweichenden Nachrichten zusammengestellt.. eine Burg in welcher ein kurdischer Emir befehligte, und man sah im voraus, er werde bald auf das rechte Ufer des Euphrats übersetzen. Da ward Zenki am 14ten September 1146, im sechzigsten Jahre seines Alters meuchlings im Bette von einem Sklaven ermordet, den er Tages zuvor hart bedroht hatte. Sein Heer ging nach den inneren Landschaften zurück, damit man erst die Erbtheilung zwischen seinen Söhnen zu Stande bringe. Saifeddin bekam Mosul, Nureddin die abendlichen Besitzungen.
Seit Zenkis Tode hielten die Franken in größter Freude jede Gefahr für verschwunden, und zogen sogleich unter Joscelins Anführung nach Edessa. Einige erstiegen in der Nacht mit Leitern die Mauern, andere öffneten ein Thor; und so war die Stadt wirklich gewonnen und man hoffte, auch die Burgen würden nächstens fallen. Aber schon am sechsten Tage nach diesem glücklichen Ereigniß, erschien Nureddin unerwartet mit einem Heere und schloß die Stadt ein; worauf die Christen, beim Mangel aller Aussicht auf einen Entsatz, beschlossen sich durch die Feinde hindurchzuschlagen, ehe ihre, ohnedies geringen Kräfte, durch eine lange Belagerung ganz erschöpft wären. Mit Recht fürchteten die abtrünnig gewordenen Bewohner das schrecklichste Schicksal, 520 {1146} wenn sie verlassen zurückblieben; deshalb gesellten sich Unbewaffnete, Greise, Weiber und Kinder zu der ausziehenden Mannschaft. Ein Theil derselben war schon glücklich durch das Thor gedrungen als die, aus den Burgen hervorbrechenden Türken, die Hintersten heftig angriffen, als Nureddins hinzueilende Söldner die Vorausgezogenen von jenen Nachfolgenden abschnitten, und nun unter diesen von allen Seiten Umringten ein entsetzliches Gemetzel anrichteten. Nicht besser erging es jenen Vorauseilenden: denn stete Angriffe lösten alle Ordnung unter ihnen auf, und indem jeder durch eilige Flucht das Leben zu retten hoffte, fand er den Tod oder harte Gefangenschaft. Nachdem an 46,000 Einwohner so umgekommen, gefangen oder zerstreut, nachdem alle Besitzthümer rein ausgeplündert waren, ward Edessa zerstört und die alte hochberühmte, der Sage nach von Christus selbst zuerst für seine Lehre gewonnene Stadt, zeigte nur einen Haufen von wüsten Trümmern, unter denen sich scheu und furchtsam kaum einzelne anzusiedeln wagten!
In diesen Zeiten der Noth und Verzweiflung horchte man gern den Gerüchten von einem großen ReicheOtton. Fris. chron. VII, 33. Alber. zu 1145. nestorianischer Christen im inneren Asien, dessen Beherrscher, der Priester Johannes, zur Rettung seiner Glaubensgenossen herbeieile: aber die Gerüchte täuschten nur, man durfte und sollte dem Abendlande mehr vertrauen. 521