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Zu der Zeit als König Balduin II starb, erstreckte sich die christliche Herrschaft mit geringen Unterbrechungen von Tarsus und Edessa bis Elarisch an der Gränze Ägyptens, über Länder von sehr verschiedener Beschaffenheit. Da wo Quellen von den Bergen herabflossen, oder wo enge Thäler die Strahlen der Sonne abhielten, zeigte sich die größte Fruchtbarkeit und Lieblichkeit; streng hingegen war die Kälte auf den höchsten Berggipfeln; in den wasserlosen Ebenen endlich, brannte die Sonne alles zu einer todten Wüste. Regen und Gewitter fehlten im Sommer ganz, und waren selbst im Winter nur selten, aber heftig. Dann sammelte man, besonders in den, nach Arabien hin belegenen Gegenden, mit höchster Sorgfalt das Wasser und verwahrte es in Lehmgruben; so wie auf der anderen Seite der Schnee des Libanons, durch künstliche Mittel erhalten, weit verführt und im Sommer zur Kühlung unter den Wein gemischt wurdeVitriac. hist. hier. 1069, 1075, 1097, 1119. Hist. orient. 279. Wilh. Tyr. 1031. Dapper I, 33, 62. Vinisauf V, 26. Wer sich vollständig unterrichten will, lese die, hieher gehörigen Abschnitte im zweiten Theile von Ritters Erdkunde; hier mußten Andeutungen in wenigen Worten genügen.. Nächst dem Libanon galt der, zwischen Akkon, Nazareth, Cäsarea und dem Meere sich erhebende Berg Karmel für den höchsten: er war fruchtbar und quellenreich. Gesundbrunnen fehlten dem Lande nicht ganz; Erdbeben 473 und Stürme thaten bisweilen sehr bedeutenden Schaden. Kein Fluß (auch der Jordan nicht) war schiffbar, das todte Meer bitter und salzig, der galiläische See dagegen süß, trinkbar und reich an Fischen. Außer den zahmen Thieren fanden sich auch wohl Bären, Parder und andere Thiere der Wüste ein. Zu den vorzüglichsten Erzeugnissen des Pflanzenreichs gehörten: Cedern, Palmen, Ölbäume, Baumwollenstauden, Feigen, Getreide, Gurken, Kürbisse, Paradiesäpfel, Limonien, Melonen, Wein, Orangen und Zuckerrohr; aber mannigfaltiger fast als Thiere und Pflanzen, erscheinen die verschiedenen Arten der Einwohner dieser LandschaftenVitriac. hist. hier. 1062, 1094-1097. Brocardi descriptio 23. Sunt in ea habitatores ex omni natione, ut credo, quae sub coelo est, et vivit quilibet secundum ritum suum. Descript. terrae sanctae, Mscr. in Bern, wahrscheinlich aus dem 13ten Jahrhundert..
Auf der niedrigsten Stufe der Bildung standen die Höhlenbewohner jenseit des Jordans; am wenigsten wurden die alten Ureinwohner, die Juden, geachtet. Unter diesen fanden sich Essäer, welche die Unsterblichkeit behaupteten, Sadducäer, welche sie läugneten; Samariter endlich, welche außer den fünf Büchern Mosis fast keine Schrift des alten Testaments für heilig hielten. Mit Ägyptern, Türken aller Art, Beduinen u. s. w. kam man in die mannigfachste Berührung. Die letzten, arabischen Stammes, hielten es für unanständig jemanden mit dem Bogen, nicht aber ihn mit Lanze und Schwerte zu tödten; sie verriethen um des Gewinnes willen, auf gleiche Weise Christen und Saracenen, und zeigten sich stets demjenigen feindlich, welcher am leichtesten zu plündern war. Während die Männer so auf Raub zogen, pflegten die Weiber der Heerden.
Fast nicht geringer als die Verschiedenheit nach den Stämmen, war unter den Muhamedanern die Verschiedenheit nach den Glaubenslehren, und am bekanntesten die Sonderung in Schiiten und Sunniten. Jene verfluchten, wie schon anderwärts bemerkt wordenBuch I, S. 198., die drei ersten 474 Chalifen, welche den rechten Stamm Muhameds verdrängten, glaubten an zwölf Imans, welche hätten Chalifen seyn sollen, und setzten zu dem Glaubensbekenntnisse hinzu: daß Ali der Statthalter Gottes seyNiebuhrs Reise II, 272––280. Abulfar. 104 sq.. Unter den Sunniten selbst waren wiederum mehre Abtheilungen entstanden, je nachdem sie bei Entscheidung der Fragen über die Glaubens- und Sitten-Lehre mehr oder weniger Rücksicht nahmen: auf den Koran, die Sunnah oder die Überlieferungen von welchen der Koran schweigt, die Einstimmung der für rechtgläubig gehaltenen Väter, und die Vernunft. Die Schafeiten zuvörderst verwarfen jeden Gebrauch der Vernunft; die Malekiten und Hanbaliten gaben selbst beschränkten Zeugnissen und Entscheidungen von Gottesgelehrten den Vorrang vor den Aussprüchen der Vernunft; die HanifeitenDiese vier großen Abtheilungen galten jedoch, im Gegensatze vieler ketzerischen Sekten, sämmtlich für rechtgläubig. Muradgea I, 21. dagegen erhoben ihren Gebrauch, und wagten nur nicht ganz allgemeine und unbezweifelt feststehende Entscheidungen anzugreifen. Außer diesen großen Abtheilungen, welche sich theils auf den Staat und die Regierung, theils auf die Quellen der Erkenntniß bezogen, gab es nicht allein über siebenzig minder erhebliche Spaltungen, die wir übergehen; sondern auch Grundverschiedenheiten in Hinsicht der, aus jenen Erkenntnißquellen abgeleiteten Lehren. Die Sephatier z. B. stellten Weisheit, Macht, Leben, ja Hören, Sehen u. s. w. als Eigenschaftszeichen Gottes auf und erklärten die, von ihm im Koran gebrauchten Ausdrücke, nach dem Buchstaben; die Motazalen hingegen lehrten Einheit des göttlichen Wesens ohne Bezeichnung und Sonderung von einzelnen Eigenschaften. Die Jabarier behaupteten eine unbedingte Leitung des Menschen durch göttliche Macht; wogegen die Kadarier diese Verhängnißlehre verwarfen und Freiheit und Zurechnung im gewöhnlichen Sinne annahmen. 475 Die Morjier lehrten, unbekümmert um gute und schlechte Handlungen, den unbedingten Werth des Glaubens; wogegen die Waidier nur zugaben, daß Ungläubige härter als Gläubige bestraft würden, große Verbrechen aber dem Mangel des Glaubens gleich gälten.
Untersuchungen von dieser Tiefe und natürlichen Wichtigkeit sehen wir in allen bedeutenden Religionen hervortreten; aber freilich fehlte es den Muhamedanern auch nicht an lächerlichen und verwerflichen Auswüchsen. Während nämlich platter Aberglaube und niedrige Possen auf der einen Seite hervortraten, fragten auf der anderen Gottesgelehrte gar spitzfindig: »wenn Gott alles geschaffen hat durch sein allmächtiges Wort: es werde, und diese Worte im Koran, erschaffen sind, so ist ja die Welt durch ein erschaffenes Ding erschaffen worden?« – Es gab Eiferer, die nach Maaßgabe ihrer eigenen Ansicht, diejenigen fast todt prügeln ließen, welche die Erschaffung des Korans behaupteten oder leugnetenAbulfar. 164, 173. Abulfeda II, 385; III, 43., und die manchen am Leben straften, der neue Lehren ausbreitete: aber freilich, wenn sich die Christen sogar in Bagdad bannten und gegenseitig wegen Ketzereien ihre Häuser einrissen, so gaben sie den Muhamedanern kein besseres Beispiel. Dessen ungeachtet errichtete ein Chalif duldsam Lehrstühle in BagdadAbulfeda IV, 177, und zum Jahre 1221, 1225, 1235, 1260. Abulfar. 295, 304. für die Bekenner der verschiedenen Ansichten, und wies den Schülern jeder Abtheilung freie Wohnungen an; und während heftige Geistliche alle Wissenschaft verachteten und die Verbrennung trefflicher Werke durchsetzten, erzeugte manches Geschlecht muhamedanischer Herrscher, z. B. die Ejubiden, selbst viele ausgezeichnete Dichter und Schriftsteller. In späterer Zeit erklärten muhamedanische GelehrteSchaich el-Allama, Camaleddin Musa. Abulf. zu 1241. sogar den Juden und Christen das alte und neue Testament mit Beifall, und 476 viele von ihnen behaupteten laut: ihre Ansichten von Christus wären richtiger, als die der Christen selbst, und sie ehrten den großen Gottgesandten mehr, als seine eigensten BekennerArnold. Lüb. VII, 10. Math. Paris 478., die ihn laut irriger Nachrichten kreuzigen, sterben und begraben ließen. Eine umfassendere Kenntniß der verschiedenen Religionen brachte einzelne Muhamedaner zu der Behauptung: »jedes Volk hege und pflege in der seinigen manches verkehrte Vorurtheil. So wasche der Perser sein Gesicht mit dem Harn der Kühe; der Jude wähne, Blut und Opferduft sey Gott angenehm; der Christ glaube, einem Gotte könne Unrecht geschehen, er könne gequält und getödtet werdenAbulf. III, 164.; der Muhamedaner endlich ziehe von fernen Gegenden herbei um in Mekka Steine zu werfen und Steine zu küssen!« Wir wissen nicht, ob diese Freiheit der Ansicht eingetreten sey, ohne Verlust für die Tiefe des Gemüthes; gewiß war aber damit kein Eifer für den religiösen Krieg gegen die Christen vereinbar, oder der Glaube verträglich: jeder Muhamedaner, der in diesem Kriege sein Leben verliere, erhalte täglich im Paradiese auf sein Theil zwölf JungfrauenArnold. Liib. VII, 10.. Diejenigen welche einem Gesandten Friedrichs II diese Lehre reizend vortrugen, geriethen über die Frage des zweifelnden Freidenkers anderer Art in Verlegenheit: »was wird denn aus den vielen Weibern, und woher kommen denn alle neue Jungfrauen?«
Bei den größten Verschiedenheiten der christlichen und muhamedanischen Ansichten, zeigen sich indessen auch Ähnlichkeiten im Guten und Bösen, welche aus der menschlichen Natur bei einer gewissen Bildungsstufe überall hervortreten: Eifer für die Lehren, Scheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, spitzfindige Untersuchungen, Reichthum an theologischen WerkenAbulf. II, 133. III, 202, 224, 304, 697., Heiligengeschichten und 477 kirchlichen Übungen, Überzahl der Mönche, Aberglauben und Frömmigkeit, Rittersinn und Wildheit in sonderbarer Mischung. Der Islam kann aus einem rohen und verderbten Zustande kaum bis auf einen mittleren der Bildung und Sittlichkeit heben, und schneller als im Christenthume ist bisher überall der Stillstand und der Rückschritt eingetreten. Er scheint dem Menschen mehr Festigkeit und Einheit des Charakters einzuprägen; aber diese stolze und kalte Größe wurde bei der Anwendung nicht selten finster und gefährlich: es fehlte ihr Demuth, Milde, Liebe und der tiefere Frieden Gottes.
Nirgends fanden sich auf so kleinem Raume so viel Arten von Bekennern des Christenthums, als in diesen morgenländischen Gegenden, wo keine herrschende Kirche zur Einheit zwang und die Noth den Ketzerhaß oft milderteVitriac. hist. hier. 1086, 1089. Sanut. 181. Stäudlin kirchliche Geographie I. 50–65. Haithon 14.. Wir führen, mit Übergehung von unwichtigeren Abtheilungen, folgende an.
1) Die Surianer (Syrer), galten für die eigentlichen Ureinwohner des Landes, waren aber nur eine Mischung von alten Stämmen, mit Römern, Griechen und Saracenen. Dem Namen nach Christen, hatten sie doch viele Gebräuche der Muhamedaner angenommen, und die griechische Sprache, in welcher der Gottesdienst gehalten wurde, war ihnen größtentheils so unverständlich, als den Abendländern das Lateinische. Sie fanden sich zurückgesetzt, daß sie ihren Gottesdienst so oft später als die, von ihnen für Ketzer geachteten Franken halten mußtenUrsperg. chr. zu 1101., und zeigten sich, ohne Rücksicht auf Religion und Recht, arglistig, lügenhaft und um geringen Gewinnes willen, verrätherisch. Die Beschäftigung mit dem Landbau hatte weder ihren Muth erhöht, noch ihre Sitten gereinigt. Weiber und Mädchen hielten sie nach morgenländischer Weise verborgen. 478
2) Die NestorianerVitriac. hist. hier. 1093. Olio. Dam. 1432. Vincent. spec. XXX, 97. Henke I, 340., welche weit verbreitet im Morgenlande wohntenStäudlin kirchl. Geogr. I, 55–60., hatten darüber abweichende Ansichten, wie in Christus zwei Naturen, oder vielmehr Personen zu einer sichtbaren Person mit einer Kraft und Wirkung vereinigt seyen. Ihr Gottesdienst war weniger zusammengesetzt als der griechische, und sie nahmen nur drei Sakramente an, Taufe, Abendmahl und Priesterweihe, nur drei Abstufungen geistlicher Würden, HelferDie Diakoni heißen noch jetzt in manchen Gegenden Deutschlands, Helfer., Priester, Bischöfe. Allen verstatteten sie, sich zu verheirathen, und an ihrer Spitze stand gewöhnlich ein Patriarch. Nur die heilige Schrift galt ihnen als Erkenntniß- und Entscheidungs-Grund ihrer Lehren.
3) Die Jakobiten, – so genannt von Jakob BaradäusMosheims vollständige Kirchengeschichte I, 2. p. 825. Epitome bellorum sacrorum 433. Thomassinus lib. I, cap. 24. Helyot Th. 1 c. 7. Jakob starb 578. Henke I, 411. Brocardi descriptio p. 22., der im sechsten Jahrhunderte mit rastlosem Eifer die Streitigkeiten unter den Monophysiten beilegte und ihnen eine Verfassung gab –, fanden sich nicht nur in mehren Ländern Asiens, sondern auch in Nubien und Äthiopien. Zwar verehrten sie Bilder und Heilige, besonders Maria; waren aber doch längst, wegen der Annahme einer Natur in Christus, von der griechischen Kirche ausgeschlossen. Sie sollen die Kinder beiderlei Geschlechts beschnitten, und einer Äußerung der Bibel über die Feuertaufe zufolge, ihnen ein Zeichen auf die Stirn oder den Arm eingebrannt habenDiese Nachricht ist indeß nicht hinreichend beglaubigt.. 479
4) Die ArmenierAugusti Alterth. IV, 349. Vitriac. l. c. 1094-1095. Otton. Fris. chr. VII, 32. Nicetas p. 258., welche nördlich von Antiochien wohnten, zeichneten sich aus durch eine eigenthümliche Sprache und Schrift, durch sehr abweichende Sitten und durch manche selbständige Religionsgebräuche. Sie nahmen in Christus nur eine Natur an, mischten den Nachtmahlswein mit Wasser, leugneten das Fegefeuer, aßen in den großen Fasten durchaus nichts als Früchte und Gemüse, verehrten Bilder, achteten die Fürbitten der Heiligen, stellten die Bibel weit höher als alle Überlieferungen, ließen ihre Priester heirathen und hatten einen eigenen, hochangesehenen ersten Geistlichen, welchen sie Katholikus nannten.
5) Die MaronitenSanut. 183. Oliv. Dam. 1432. de la Roque voyage Vol. II. Alberic. 552 und zu 1234, wo er neun Arten Christen aufzählt, die am heiligen Grabe Gottesdienst hielten, nämlich außer den genannten: Lateiner, Griechen, Georgianer, nubische Christen und Christen aus den Ländern des Priesters Johannes. Helyot I, 4. Henke I, 469., erhielten ihren Namen wahrscheinlich von einem im fünften Jahrhunderte lebenden Abte Maron und wohnten auf dem Libanon unfern Byblus. Beim Abendmahle gebrauchten sie Brot, nicht Hostien und nahmen es unter beiderlei Gestalt. Privatmessen und Priesterehen wurden von ihnen verworfen, und behauptet, daß in Christus nur ein Wille sey. Ihre Sprache war unrein arabisch, ihre Schrift fast ganz chaldäisch.
Was nun die abendländischen, nach dem gelobten Lande pilgernden Völker anbetrifft, so sind den Beobachtern mehre Verschiedenheiten als nicht weniger merkwürdig aufgefallen. An den Genuesern, Venetianern und Pisanern rühmte man die Tapferkeit zur See und die Gewandtheit im HandelVitriac. 1086, 1088. Radulph. Cadom. 152. Giul. Neubr. III, 15.; an ihnen und den übrigen Italienern, den Gehorsam gegen ihre Anführer, ihre Mäßigkeit, Vorsicht und Beredsamkeit; 480 die Provenzalen galten für mäßig, arbeitsam und für sorgfältige Pfleger ihrer Rosse und Maulthiere; die Franzosen für stolzer, verschwenderischer, aber auch für kriegerischer, als die Provenzalen. Den Deutschen und überalpischen Männern wird das Zeugniß der größten Tapferkeit, Mildthätigkeit und Frömmigkeit zu Theil; aber gleich einstimmig als dies Lob, ist die Klage über ihre Heftigkeit in Worten, Entschlüssen und Thaten, und über ihre Unmäßigkeit beim Essen und Trinken.
Sehr strenge und dennoch wohl nicht ungerechte Urtheile finden wir über die Pullanen, oder die in Syrien geborenen Kinder und Nachkommen der ersten Kreuzfahrer. Sie heißen ausgeartet, weichlich, furchtsam, den Vergnügungen ergeben, zanksüchtig. Je enger sie aus Eifersucht ihre Weiber einschlossen, desto listiger und verschlagener wurden diese um sie zu betrügen. Die Unternehmungen und der Eifer der späteren Kreuzfahrer erschienen ihnen thöricht, und zu ihrem Spotte gesellte sich oft Verrath. Lieber wollten sie in Frieden leben mit den Saracenen, oder von ihnen abhängen, als sich großen und oft fruchtlosen Anstrengungen unterwerfen.
Aus all dem Gesagten geht hervor, daß es nirgends nöthiger war als in den morgenländisch christlichen Staaten, die bunte Willkür durch eine tüchtige Gesetzgebung zu regeln; und in der That ist dafür mehr geschehen, als man unter so mannigfaltigen Verwirrungen erwarten durfte. Schon Gottfried von Bouillon ließ, der Angabe nach, von kundigen Pilgern die Rechtsgewohnheiten der verschiedenen Völker sammeln, welche am ersten Kreuzzuge Theil genommen hatten, und das, was hievon den geistlichen und weltlichen Großen zweckmäßig dünkte, erhielt für das Reich Jerusalem Gesetzeskraft. Es war also hiebei weit mehr vom Verpflanzen und Anpassen des Alten und Einheimischen, als vom Entwerfen durchaus neuer Einrichtungen die Rede; natürlich aber fand sich im Ablaufe der Zeit bald dieses, bald jenes Bedürfniß, woran sich neue Vorschriften 481 anreihen mußten, und so ist schwer zu entscheiden, wann die auf uns gekommene Sammlung von GesetzenSiehe über die Sammlung Schlossers Weltgeschichte III, 155, Wilken I, 17 den Anhang und den reichen Auszug Cap. 13. Die Gesetze sind aber außer der Ausgabe von Thaumasière, in einer sehr alten italienischen Übersetzung noch abgedruckt bei Canciani leges Barbarorum Vol. II und V, welcher Abdruck mir allein zur Hand war. für den Staat und die Einzelnen entstanden, was älter, was jünger, was allgemein und was nur für das Königreich Jerusalem gültig sey. Gewiß rührt manches schon aus Gottfrieds Zeit her, allein das reiche Ganze ist wahrscheinlich erst zusammengesetzt worden, als das jerusalemische Reich schon sank; und bei dieser Ungewißheit über Art und Zeit der Entstehung, mögen einige kurze Andeutungen des Inhaltes hier, in der Mitte der Geschichte jener Staaten, ihre Stelle finden.
Allen Einrichtungen lag das Lehnswesen zum Grunde, und in dem Könige, als dem obersten Lehnsherren, fand sich der Mittelpunkt der höchsten GewaltUghelli III, 423.; obschon bald der Patriarch, bald der Papst für die geistliche Seite den größten Anspruch darauf machten. Hingegen war die Frage über das Erbrecht der Krone anfangs nicht bestimmt entschieden, und für die späteren Zeiten erscheint es wohl als ein Unglück, daß man es in den vier größeren christlichen Staaten des Morgenlandes auch auf die weiblichen Nachkommen ausdehnte. Der König schwur: »daß er, mit der ihm gesetzlich übertragenen Gewalt, die heilige Kirche, Wittwen und Waisen in allen Rechten beschirmen, die Gesetze und Gewohnheiten aufrecht erhalten und Streitigkeiten mit Zuziehung der Lehnsmannen entscheiden wolleVitriac. hist. hier. 280. Wilh. Tyr. 585..« Nun erst ward er vom Patriarchen gekrönt und empfing die Krone, das Schwert, den Ring, den Zepter und den Reichsapfel; als Zeichen der Würde, der Pflicht die Gläubigen 482 zu schützen, der Treue, der Strafgewalt und der Regierung des Landes. Auf die Krönung folgte ein großes Fest im Tempel Salomons, oder im königlichen Palaste, wo die Ritter mit aßen, die Einwohner Jerusalems aber aufwarteten. Dem Könige zunächst standen die vier höchsten KronbeamtenCanciani V, 256-259. pag. 147.: der Seneschall oder Landeshauptmann, der Konnetable oder Kronfeldherr, der Marschall und der Oberkammerherr. Ihre Geschäftskreise waren nicht genau abgegränzt, doch wird der erste als Vorgesetzter aller Amtleute und Schreiber des Königs genannt. Er hatte ferner die oberrichterliche Gewalt, die Verwaltung der königlichen Einkünfte und die Aufsicht über Schlösser und Festungen; er zahlte den Sold aus, vertrat in der Abwesenheit des Königes seine Stelle und trug ihm an festlichen Tagen die Krone vor. Der Konnetable hingegen trug ihm die Fahne vor, hatte die erste Stelle im Gerichtshofe der Großen des Reiches und die höchste Gewalt im Heere, nächst dem Könige. Er bot in seiner Abwesenheit die Mannen auf und entschied alle Klagen wegen nicht bezahlten Soldes. Der Marschall schlichtete Streitigkeiten zwischen den Herren und den Waffenknechten, empfing den Eid derjenigen welche im Solde des Königes blieben, theilte die Beute, sorgte für die Wohnungen und Nachtlager, stand aber, bei allem großen Ansehn, doch in einem abhängigen Verhältnisse zum Kronfeldherren. Weit weniger innere Wichtigkeit hatten endlich die Geschäfte des Oberkammerherrn, welcher an feierlichen Tagen, bei Huldigungen, Aufzügen u. s. w. für die äußere Würde und Ordnung Sorge tragen mußte.
Die Gesetze unterschieden drei Abtheilungen von Lehnsmannen: unmittelbare des Königs, mittelbare, und solche, die erst von mittelbaren ihre Lehn empfangen hatten. Sie genossen in ihren Bezirken Rechte, welche denen, das Ganze umfassenden, des Königs glichen; aber selbst die mittelbaren Mannen waren ihm unbedingt zur Treue 483 verpflichtet und niemand durfte, ohne seine Zustimmung, Lehne verkaufen oder anderweit verleihen. Diese gingen bald nur auf unmittelbare Nachkommen, bald auch auf die Seitenverwandten über. Kamen verschiedene Lehen in eine Hand, so theilte man sie, um mehr tüchtige Kämpfer zu erhalten, unter die Erben, womit aber der Grundsatz im Widerspruche zu stehen schien: daß auch weibliche Nachkommen Ansprüche hätten, so lange noch Theile übrig blieben von welchen ein Reisiger gestellt werden mußte. Weil jedoch diese weiblichen Erben unter gewissen näheren Vorschriften zum Heiraten angehalten wurden, so wirkte auch dies Verfahren heilsam für den Hauptzweck, die Zahl der Streiter in Palästina möglichst zu vermehren. Eben deshalb sollte keiner ein Lehen in Anspruch nehmen, der in Europa abwesend war; eben deshalb verjährte der Besitz von Grundstücken binnen Jahr und Tag, und man konnte seinen natürlichen Nachkommen mit Beistimmung der ächten Kinder, Kindestheil, ja wenn diese fehlten, sein ganzes Erbe hinterlassenCanciani II, 158; V, 4.. Niemand durfte sich, bei Gefahr des Verlustes, ohne Erlaubniß des Königs von seinem Lehne entfernen. Ein höherer Gerichtshof urtelte über die Streitigkeiten der unmittelbaren Lehnsmannen, und sie durften oder mußten vielmehr daselbst als Beisitzer erscheinen. Für die Niederen bestanden ähnliche Gerichte und die Bürger fanden in Bürgersitzungen durch Schöppen das Urtheil, welches hierauf der königliche Graf aussprach; ja selbst die Syrer wurden nach ihren eigenen Gesetzen gerichtet, nur mit Ausnahme der, dem königlichen Hofe vorbehaltenen, Untersuchungen über schwere Verbrechen. Leugnete ein Syrer oder Saracene eine Schuld, und der Franke hatte keine Beweise, so ließ man jenen zum Reinigungseide; leugnete der Franke, so brauchte er, wenn jenem ebenfalls die Beweise fehlten, nicht zu schwörenCanciani II, 54, 56, 57.. Wegen Schulden durfte man 484 sich nur an die Güter, nicht an die Person des Ritters halten; eine Begünstigung, welche aber den niederen Ständen nicht zu Theil ward. Ja diese schmachteten, ein Hauptübel jener Zeiten, großentheils in drückender Leibeigenschaft. Mithin kamen die Grundlehren der christlichen Religion hierüber nicht einmal im heiligen Lande zur Anwendung, und niemandem fiel ein, daß da wo allen Erlösung und Freiheit verkündigt wurde, Sklaverei die erste Sünde sey. Das Gesetz wies, sonderbar genug, Processe abCanciani II, 22.: über die Größe des Himmels, die Erschaffung des Firmaments, die Tiefe des Meeres, den Lauf der Flüsse u. s. w. und hielt sie also doch für möglich; aber die Klage des Leibeigenen auf menschliche Freiheit, mußte damals noch unnatürlicher erscheinen, denn ihre Möglichkeit ward (wie das Schweigen des Gesetzgebers zeigt) auch nicht einmal vorausgesetzt.
Dieser, allen Staaten damals gemeinsame Fehler, tritt jedoch im einzelnen weniger folgenreich und bedeutsam hervor, als ein zweiter: daß nämlich der Lehnsverband zwischen den vier größeren christlichen Staaten zu lose war, und bald durch üblen Wechsel der Erbfolge, bald durch bösen Willen, bald durch Ansprüche der Griechen u. s. w. gestört ward. Die Zahl von Rittern und FußgängernSanutus 174 giebt die einfache Gestellung auf 518 Ritter und 4775 Fußgänger an, die Assisen nach Wilken I Anhang p. 37 auf 666 Ritter und 5075 Fußgänger; Canciani V, Art. 271-72 p. 152 auf 676 Ritter und 5175 Fußgänger; aber wenn man die einzelnen Sätze zusammenzählt, so stimmen alle diese Summen nicht. Die Geistlichen, der Patriarch u. s. w. waren stark angezogen. Wilh. Tyr. 909., welche das Königreich Jerusalem zu einem einfachen Aufgebote stellen sollte, war ansehnlich genug, und ward in größerer Gefahr sehr erhöht; so daß, wenn die drei übrigen Staaten stets in gleichem Verhältnisse unweigerlich beigetragen hätten, das christliche Heer gewiß mächtiger 485 gewesen wäre, als das eines einzelnen muhamedanischen Herrschers. Aber abgesehen von allen, möglicher Weise zu hebenden Mängeln, war die Macht und der Umfang der christlichen Staaten nur kurze Zeit so groß, wie bei dem Tode König Balduins II. Das Königreich Jerusalem erstreckte sich von Ibelin bis Paneas oder von Dan bis Berseba, und nur Askalon stand noch unter der schwachen ägyptischen Herrschaft; Tripolis reichte vom Hundeflusse zwischen Byblus und Berytus, bis zu dem Flusse bei den Burgen Margath und Valenia; Antiochien begriff das Land von hier bis Tarsus; und Edessa endlich umfaßte alle Besitzungen vom Walde Marith bis gen Maredin in Mesopotamien. In kirchlicher Hinsicht zerfielen die Länder in die Sprengel der Patriarchen von Jerusalem und Antiochien; dann folgten Erzbisthümer, Bisthümer. Abteien, Klöster, Stifter u. s. w. nach den, damals in der ganzen Christenheit gewöhnlichen Abstufungen und AbhängigkeitsverhältnissenEpitome bell. sacr. 436..
Den, später sowohl über die geistlichen als weltlichen Einrichtungen hereinbrechenden, Verfall hemmten lange Zeit hindurch die großen Ritterorden der Johanniter und Templer. Von dem Ritterwesen im Mittelalter überhaupt, wird an anderer Stelle gesprochen werden: bei diesen Orden ist aber außerdem die eigenthümliche Weise höchst merkwürdig, wie die Pflichten des Ritters, des Christen und des Mönches verkettet und in einander geschmolzen sind; wie neben der persönlichen Bedeutung des Einzelnen die Verfassung der Körperschaft in reicher Ordnung heraustritt, und endlich die Macht des Ganzen, von den geringsten Anfängen, durch freie Entwickelung zu der Wichtigkeit von Königreichen hinanwächst und in die Geschichte mit entscheidendem Nachdrucke eingreift.
Kaufleute aus Amalfi, welche im elften Jahrhunderte großen Handel nach Palästina trieben, errichteten zu 486 Jerusalem, nahe bei der Auferstehungskirche, ein Mönchskloster zu Ehren der Jungfrau Maria, wo Benediktiner nach lateinischem Kirchenbrauche Gottesdienst hielten. Bald nachher entstand, mit Erlaubniß des ägyptischen Chalifen Mostanser Billah, ein Nonnenkloster zur heiligen Maria Magdalena; endlich erbauten der Abt und die Mönche jenes Klosters ein Haus für die Aufnahme und Pflege der Pilger und nannten es nach dem Patriarchen Johannes dem MildthätigenWilh. Tyr. 933-934. Alberic. 213. Epitome bell. sacri 435. Iperius 626 nennen Johannes Eleemosynarius; wogegen Bosio in seiner Geschichte des Johanniterordens I, 10–15 behauptet, daß, laut der ältesten Urkunden, Johannes der Täufer von Anfang an der Schutzheilige gewesen sey. Auch findet sich dieser schon in einer Urkunde Kalixtus II von 1120 erwähnt (Paoli codice I, 269); weshalb die Meinung Paolis (del origine del ordine 12, 47, 59): daß zwischen dem Orden und dem alten Benediktinerhospital, anfangs gar kein Zusammenhang gewesen sey, nicht unwahrscheinlich ist, wo dann beide Johannes als Schutzpatrone genannt werden können. Vergl. noch Chron. ordin. teuton. 664 u. 680. – Pagi zu 1099 c. 14 entscheidet, daß Johannes der Täufer immer als Schutzpatron des Ordens anerkannt worden., oder, was noch wahrscheinlicher ist, nach Johannes dem Täufer, das Hospital zum heiligen Johannes. Hier wurden mit größter Duldsamkeit (sehr abweichend von den späteren Ansichten) Pilger, Kranke und Hülfsbedürftige der verschiedensten Religionsparteien gepflegt und unterstützt; und so wohlthätig fand Gottfried von Bouillon diese Einrichtungen, daß er ihr Daseyn nicht von der ungewissen Freigebigkeit der benachbarten Einwohner, oder der Amalfier abhängig lassen wollte, sondern ihnen beträchtliche Grundbesitzungen schenkte. Nunmehr trennten sich unter Gerhard, ihrem Führer, die Pfleger des Hospitals von jenem Kloster, nahmen die Regel und die Kleidung der geregelten Augustiner Chorherren an und hefteten ein weißes Kreuz mit acht Spitzen auf die linke Seite ihres schwarzen MantelsKreuz und Kleidung litten Abänderungen. Nach Giustin. hist. d. Ord. I, 209 wäre Gerhard aus Scala, am Busen von Amalfi, nach Paoli del orig. del ordine 455 dagegen, Gerhard von Avesnes der Stifter des Ordens gewesen.. So streng war die Zucht der 487 Hospitaliter, so heilsam ihre Thätigkeit, daß sie schnell Reichthum und Ansehn gewannen, und Papst Paschalis II schon im Jahre 1113 ihre Einrichtungen, ihre gegenwärtigen und künftigen Besitzungen bestätigte, sie von dem Zehnten an den Patriarchen frei sprach und ihnen das Recht ertheilte, sich selbst einen Vorsteher zu wählenUrk. bei Vertot I, 578..
Der, nach Gerhards TodeNach Paoli del orig. del ordine 18, 191 starb Gerhard erst 1120. gewählte Vorsteher Raymund Dupuy, gab im Jahre 1118 der Genossenschaft die ersten vollständigeren GrundgesetzeHolstenii codex II, 444. Lünig Reichsarch. Cont. I. Forts. 3. Suppl. v. Johanniterorden. Urk. 16, p. 114. Vertot 579. Helyot III, 12.. Zufolge derselben sollte der Aufzunehmende von christlichen Ältern, ehelich geboren, wenigstens dreizehn Jahr alt, nicht in einem anderen Orden, nicht leibeigen oder verheiratet seyn. Er leistete die Gelübde der Keuschheit, des Gehorsams und der Armuth, versprach Bescheidenheit und Maaß in Bewegungen, Worten und Handlungen, getreue Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten, und Liebe und Milde nicht bloß gegen seine Genossen, sondern auch gegen seine Diener und die zu pflegenden Christen. Auf Streit und Hader, auf Verletzung der Keuschheit, auf Verheimlichung des Eigenthums, standen, nach Maaßgabe des Vergehens, größere oder geringere Strafen.
Um dieselbe ZeitPagi c. 22 setzt den Ursprung auf 1119, nicht wie gewöhnlich auf 1118. Histoire des Templiers I, 5. Nach dem Cluniac. chr. msc. 20 und Aldimari memor. 668 war der Stifter des Tempelordens aus einer neapolitanischen Familie., als Raymund Dupuy den Hospitalitern Gesetze gab, bildete sich ein neuer Ordensverein durch Hugo von Payens, Gottfried von St. Omer und sieben andere Edlen. Aber die drei großen Mönchsgelübde dünkten 488 ihnen nicht alles zu erschöpfen, was ein christlicher Ritter in jenen Zeiten der Unsicherheit und Gefahr zu unternehmen verpflichtet und zu vollbringen im Stande sey; deshalb fügten sie das vierte Gelübde hinzu: Vertheidigung der Pilger und Krieg gegen die Ungläubigen. Ein solcher Beschluß mußte dem Könige Balduin I, dem Patriarchen, ja allen Christen höchst willkommen seyn, und so erhielten die armen Ritter theils augenblickliche Beisteuern, theils Anweisungen auf wiederkehrende Einnahmen, endlich, weil ihnen eine Wohnung und Kirche fehlte, vom König einen Theil seines Palastes und einen freien Platz nahe beim Tempel SalomonsWilh. Tyr. 820. S. Bernard. de laude militiae templi in oper. II, 547. Sicardi chr. zu 1119. Vitr. hist. hier. 1083. Richard. Clun. 1097.: hievon entstand der Name Templer oder Tempelherren. Neun Jahre nach ihrer Entstehung hatten die Ritter nicht allein manches Gut, sondern auch einen so großen Ruf erworben, daß sie König Balduin dem Papste Honorius II empfahl und der, überall thätige Bernhard von Clairvaux, ihr lauter Vertheidiger und Lobredner ward. Ohne Schwierigkeit erhielten sie daher auf der Kirchenversammlung von Troyes 1128 die Bestätigung ihres Ordens und eine geistliche KleidungAnfänglich trugen sie die Kleidung der Augustiner Chorherren. Corner 666. Alberic. 224. Vitae Pontif. 422. Iperius 627. Vergl. Histoire des Templiers I, 7 u. 19. Um 1136 starb der erste Großmeister der Templer, Hugo von Payens, und es folgte Robert von Craon. Histoire des Templiers I, 30., welcher Papst Eugenius III später einen weißen, mit einem einfachen rothen Kreuze bezeichneten Mantel, hinzufügte. Die weiße Farbe deutete ihre eigene Unschuld an und ihre Milde für die Christen, die rothe hingegen den blutigen Märtyrertod und die Feindschaft gegen die Ungläubigen. Das Siegel des Ordens, zwei Ritter auf einem Pferde, erinnerte wohl an die 489 anfängliche Armuth und Einigkeit; und die Inschrift des schwarz und weiß getheilten Banners, forderte zur Demuth auf: »nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gebührt die Ehre!« – Die den Benediktinern verwandte Ordensregel der Tempelherren, zu deren Entwerfung Bernhard von Clairvaux sehr wahrscheinlich beitrugSo wie die Ordensregel bei Holst. codex II, 429 und Dumont corps dipl. I, 68, Urk. 122 lautet, ist sie gewiß nicht ganz von Bernhard entworfen. Siehe hauptsächlich Münters Statutenbuch und Grouvelle 36. Concil. XII, 1375. Für die größere Theilnahme Bernhards finden sich Beweise in den Antichità Longob. Milan. II, Diss. 14, und Maurique I, 185., litt allmählich mehre Veränderungen und wuchs zu einem sehr umständlichen und wichtigen Gesetzbuch an, aus welchem hier wenigstens einige Hauptzüge aufgenommen werden müssen.
Außer den Bedingungen, welche schon die Johanniter bei einer Aufnahme in den Orden vorschrieben, mußte der Ansuchende feierlich versichern, daß er sich keiner Bestechung schuldig gemacht habe und daß er gesund sey, so wie es die Erfüllung des vierten Gelübdes, die Kriegführung erfordere. Verschuldete wies man in der Regel zurück, damit der Orden nicht etwa für sie haften müßte, oder jene außer Stand gesetzt würden ihren Pflichten Genüge zu leisten. Die Dauer der Prüfungszeit stand nicht fest, sondern der Großmeister durfte sie abkürzen, ja erlassen, wenn er von der Tüchtigkeit des Ansuchenden überzeugt war, oder das heilige Land der schnellsten Hülfe bedurfte.
An der Spitze der Ritterschaft des Tempels stand der Großmeister, aber keineswegs mit so unbedingten Rechten, als in der Regel der Abt eines Klosters, oder der Obere eines Mönchsordens: im Gegentheil zieht sich durch alle Abstufungen und Bezirkungen der Körperschaft auf sehr merkwürdige Weise eine vielherrische Regierungsverfassung hindurch, und bei der höchsten Bestimmtheit und Strenge der Gesetze, war das Recht sie zu geben nicht in einer Hand, 490 ja nicht einmal das Recht sie zu vollziehen. So wie dem Großmeister der höchste Rath des Ordens oder das Generalkapitel zur Seite stand, so den Vorstehern der einzelnen Landschaften, Ämter und Güter, kleinere zum Rathgeben und Mitsprechen berechtigte Versammlungen von Rittern, Geistlichen oder selbst von dienenden Brüdern. Die Templer waren dem Großmeister zwar Gehorsam schuldig, aber die Mehrheit der Stimmen im Rathe entschied auch gegen ihn. Er durfte ohne dessen Zuziehung keine hohen Ordensbeamten ernennen, keine Grundstücke veräußern, nicht über Krieg oder Frieden beschließen, nicht große Summen anleihen, oder ähnliche wichtige Dinge vornehmen. Dennoch blieb ihm sehr großer Einfluß: er hatte den äußeren Rang eines Fürsten, vertheilte die Pferde und Waffen, besetzte die niederen Würden und Ordenspfründen, wählte die, außer den höheren Ordensbeamten in den Rath aufzunehmenden Ritter, entband in manchen Fällen von den Gesetzen, übte, sofern nicht die Bischofsweihe dazu erforderlich schien, eine sehr große Gerichtsbarkeit über die, zum Orden gehörigen Geistlichen, war Bevollmächtigter des Papstes in Beziehung auf die Templer, hatte die Aufsicht des Schatzes u. s. w. Starb der Großmeister, so ernannten die Komthure und Beamten (Baillifs) einen Großkomthur, welcher nicht allein den Geschäften einstweilen vorstand, sondern auch die Wahlversammlung aus den genannten Personen und den vorzüglichsten, jedoch nicht aus allen, Rittern bildete. Diese Versammlung erkor einen Wahlkomthur und gesellte ihm einen Gehülfen zu. Beide erwählten zwei andere, diese vier noch zwei, und so stieg man durch wiederholte Hinzufügung von zwei Wählern bis zwölf beisammen waren, welche man den zwölf Aposteln verglich und einen Bruder Kapellan, gleichsam als Stellvertreter Christi, an ihre Spitze stellte. Diese dreizehn wählten durch die Mehrheit der Stimmen den Großmeister.
Außer den Rittern gehörten zum Orden die Geistlichen und Kapelläne, und die dienenden Brüder. Jene wurden 491 in dem Maaße unentbehrlicher als sich die Templer von der Gerichtsbarkeit des Patriarchen und der geistlichen Oberen befreiten: doch war ihre Zahl wohl nie so groß, daß sie allein alle geistlichen Geschäfte in den vielen Besitzungen des Ordens übernehmen konnten; und deshalb finden wir, daß die Ritter bisweilen bei Mönchen beichteten, und viele Versammlungen ohne Zuziehung von Kapellänen gehalten wurden. Auch waren diese so sehr in die Gewalt des Ordens gegeben, daß man sie ohne viele Umstände aus demselben entfernen und sogar mit Ketten und Banden strafen durfte; wogegen der Papst ihr Recht von Sünden loszusprechen, sehr weit ausgedehnt und es nur für wenige große Verbrechen sich selbst vorbehalten hatte. Der enge Rock und einige andere Abzeichen unterschieden die Kapelläne in Hinsicht der Kleidung von den Rittern, und den weißen Mantel trugen sie nur, wenn sie Bischöfe oder Erzbischöfe waren.
Unadelige konnten nicht RitterHistoire des Templiers I, I, 19., wollten nicht immer Kapelläne werden: deshalb errichtete man die Abtheilung der dienenden Brüder, welche es Bürgern, Kaufleuten und überhaupt Personen des dritten Standes möglich machte, an den Pflichten, dem Ruhme und später auch an den irdischen Vorzügen und mannigfachen geistlichen Vorrechten des Ordens Theil zu nehmen. Die dienenden Brüder zerfielen aber selbst wiederum in zwo Unterabtheilungen, die geehrteren Waffenbrüder und die Handwerksbrüder. Jene bildeten eigene Schaaren im Kriege, erhielten mehre niedere Ämter, selbst Priorate, und hatten dann Sitz und Stimme in der allgemeinen Ordensversammlung; ja vier der Wähler des Großmeisters mußten aus ihrer Mitte genommen seyn. Die Handwerksbrüder welche die Gewerbe und häuslichen Geschäfte des Ordens trieben, standen natürlich in geringerem Ansehen, erhielten aber doch, durch das Anschließen an eine so großartige und großgesinnte Körperschaft, eine solche 492 Stellung und Bedeutung, wie sie der Einzelne in jenen Zeiten sonst zu erwerben nicht im Stande war. Schwarze oder braune Mäntel, unterschieden die dienenden Brüder äußerlich von den Rittern. Verheiratete wurden später nur ausnahmsweise als Ritter angenommen, wenn sie einen Theil ihres Vermögens dem Orden vermachten und dem Tragen des weißen Mantels entsagten; Ordensschwestern konnten um so weniger geduldet werden, da kein Ritter, der Regel zufolge, irgend ein Weib, ja nicht einmal seine Mutter, Tante oder Schwester küssen durfte.
Die hohen Würden im Orden waren, mit Ausnahme der Visitatoren, wohl lebenswierig: der Seneschall genoß großer Vorrechte und vertrat in der Abwesenheit des Meisters seine Stelle; der Marschall stand an der Spitze des Kriegswesens; der Komthur des Königreichs Jerusalem war Schatzmeister, vertheilte die Wohnungen und hatte die Aufsicht über die Güter und Meiereien; der Drapier verwahrte die Kleider und alle dahin gehörigen Vorräthe; die Hauskomthure führten mehr die innere Verwaltung, die Kriegskomthure dagegen Abtheilungen des Heeres; der Turkopilier war Befehlshaber der leichten ReitereiVon Turcos pellere, sagt die Nuova raccolta I, 39; andere Ableitungen siehe bei du Fresne. u. s. w. Alle Besitzungen des Ordens wurden nach Landschaften mit besonderen Vorstehern abgetheilt; als solche finden wir erwähnt: Jerusalem, Antiochien, Tripolis, Cypern, Portugal, Kastilien und Leon, Arragonien, Frankreich und Auvergne, Normandie, Aquitanien oder Poitou, Provence, England, DeutschlandÜber die Besitzungen in Ungern s. Histoire des Templiers I, 253., Ober- und Mittel-Italien, Apulien und Sicilien.
Bei einer so großen Verbreitung des Ordens konnte man natürlich die Ritter nicht zu jedem, ja nicht einmal zu den wichtigsten Geschäften an einem Orte versammeln; und wenn auch die Entfernung nicht hindernd, die Kosten nicht 493 zu groß erschienen wären, wie hätte eine so zahlreiche Versammlung, ohne Stellvertreter, die gesetzgebende Gewalt ausüben können? Daher ward diese der Ordensversammlung zu Jerusalem anvertraut, in welcher, außer dem Großmeister und den Großwürden, die Landschaftsmeister saßen und gleich den ersten berechtigt waren, die vornehmsten Brüder zu den Sitzungen mitzubringen. Aber selbst diese letzte Einrichtung fand ihre Schwierigkeiten, und wenn der Großmeister seinerseits die Ordensversammlungen oft so wenig liebte, als der Papst die Kirchenversammlungen; so mußten andererseits neben seiner Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern leicht abweichende Ansichten und Gewohnheiten entstehen, welche bisweilen in sich nothwendig und naturgemäß waren, nicht selten aber auch Ordnung und Sittlichkeit verminderten. Die Versammlungen, von welchen billiger Weise alle Fremden ausgeschlossen warenMit Unrecht ward ihnen hieraus später ein Vorwurf gemacht., begannen mit einem Gebete und der Anmahnung, Gott vor Augen zu haben und ohne Vorliebe, Haß oder andere Nebengründe, nach seinem Gewissen zu reden und zu handeln. Ein Bruder sollte den andern mit Milde zurechtweisen und an seine Vergehen erinnern; und erst wenn diese sämmtlich bekannt, und jedem die verhältnißmäßigen Büßungen aufgelegt warenMünter Statuten 243., sprach der vorsitzende Obere: »lieben Brüder, ihr wisset, daß diejenigen weder an der Verzeihung unserer Versammlung, noch an den übrigen guten Werken des Ordens Theil haben, welche leben, wie sie nicht sollen, der Gerechtigkeit ausweichen, ihre Fehler nicht bekennen, nicht nach der, im Orden vorgeschriebenen Art Buße thun, die Almosen des Ordens als ihr Eigenthum oder sonst gesetzwidrig verwalten und sie auf eine unrechtmäßige, sündliche und unvernünftige Art verschwenden. Diejenigen aber welche ihre Fehler redlich bekennen und nicht aus falscher Schaam, oder aus Furcht vor der Strafe verschweigen, und Reue über ihre Vergehen fühlen, haben Antheil an der Verzeihung unserer Versammlung und an allen guten Werken, die im Orden geschehen. Und solchen ertheile ich, in Kraft meiner Gewalt, Verzeihung im Namen Gottes und unserer lieben Frauen, im Namen der Apostel Petrus und Paulus und unseres Vaters des Papstes, und in euer aller Namen, die ihr mir die Gewalt gegeben habt; und bitte Gott, daß er nach seiner Barmherzigkeit, um Christi, seiner Mutter und aller Heiligen willen, euch eure Sünden verzeihen wolle, wie er sie der preiswürdigen heiligen Maria Magdalena verziehen hat. Und ich, ihr lieben Herren, bitte euch alle und jeden insbesondere um Verzeihung, so ich etwas Unrechtes wider euch gesagt, oder euch von ungefähr durch irgend etwas vielleicht erzürnt habe, daß ihr, um Gottes und seiner lieben Mutter willen, mir und einer auch dem anderen, um unseres Herren willen, verzeihet, damit kein Zorn noch Haß unter euch wohnen möge. Solches wolle unser Herr uns um seiner Barmherzigkeit willen gewähren!« Nachdem die Brüder jene Bitte erfüllt hatten, ward gebetet: für den Frieden, die Kirche, das heilige Königreich Jerusalem, für den Tempelorden und alle andere Orden und Ordensleute, für alle Mitbrüder, Mitschwestern, lebende und verstorbene Wohlthäter des Ordens, für Väter und Mütter, für die, auf den Gottesäckern der Tempelherren Beerdigten, zuletzt für alle die aus dieser Zeitlichkeit geschieden sind und auf die Barmherzigkeit des Heilandes harren.
Überhaupt trat die geistliche Seite des Ordens keineswegs geringer hervor als die kriegerische; der Gehorsam nicht minder als die Bedeutsamkeit des Einzelnen. Jeder mußte täglich Messe hören, oder wenn dies nicht möglich war, außer den gewöhnlichen sechzig Vaterunser, noch viele als Ersatz beten. Von andern gottesdienstlichen Übungen, Aufzügen, Fasten, sollte sich niemand ausschließen; bei den gemeinschaftlichen sparsamen Mahlzeiten, ward das zehnte Brot den Armen übergeben und, zur Vermeidung vieler und unnützer Gespräche, aus heiligen Schriften etwas vorgelesen. 495 Keiner durfte länger sitzen bleiben oder früher aufstehen, als die übrigen; keiner durfte ohne Erlaubniß baden, zur Ader lassen, Arznei nehmen, in die Stadt gehen, Wettrennen halten, Knappen verschicken, Briefe schreiben oder empfangen. Es war untersagt Haare und Bart übermäßig wachsen zu lassen, seine Kleidung zu schmücken, oder an dem Reitzeuge und den Sporen Gold und Silber zu tragen. Wer das letzte alt geschenkt erhielt, sollte es mit bescheidener Farbe überziehen; neues ward dem Meister überliefert. Ja so strenge hielt man auf den Grundsatz, alles sey im Orden gemeinschaftlich und kein Einzelner besitze etwas eigenthümlich, daß der Ritter nicht einmal Eßwaaren ausschließlich für sich geschenkt nehmen durfte und der welcher auch nur einen Heller an Gelde hatte, als keinen Heller werth bezeichnet ward. Jagd mit Falken und Stoßvögeln sollte kein Ritter treiben, denn sie erscheine zu sehr als eine bloß eitle Lust: aber Löwen zu jagen, sey ein würdiges Geschäft. Die meisten Spiele, selbst Schach und Bretspiel, waren verboten: denn es fehle den Kämpfern Christi nicht an Gelegenheit ihre Zeit nützlicher und heiliger auszufüllen.
Gleich vollständig und genau waren die Vorschriften über die Ordnungen und Maaßregeln im Kriege. Kein Gefecht begann ehe Gottesdienst gehalten worden, und damit weder Feigheit noch Tollkühnheit vorwalte, setzte man als das Maaß eines möglichen Widerstandes fest: daß kein Templer vor drei Feinden fliehen solle. Die Strafen für die verschiedenen Vergehungen, stiegen von der Buße des Essens ohne Tischtuch an der Erde, bis zur Ausstoßung aus dem Orden. Diese trat ein für Pfründenkauf, Mord, Verrath, widernatürliche Unzucht, feige Flucht, Irrglauben, Übertritt zu den Saracenen, Diebstahl, Meineid. Das Kleid wurde dem Ritter genommen bei Ungehorsam, Schlagen eines Bruders, verbotenem Umgange mit Weibern u. s. w. Im Ganzen strafte man gelinder und menschlicher, als in vielen Mönchsorden; so wie die Ritter schon wegen der doppelten, 496 der geistlichen und weltlichen Richtung, gewöhnlich gebildeter waren, als die Mönche.
Diese glückliche Mischung geistlicher und kriegerischer Pflichten, entsprach ganz den Ansichten und Gesinnungen des ZeitaltersRoger Hoved. zu 1129, p. 479. Henric. Huntind. 384. Guill. Nang. zu 1132. Epitome bellorum sacrorum. Die Histoire des Templiers, I, 23 u. 34 zählt viele der frühesten Schenkungen an den Orden auf; über die des Königs Alfons von Arragonien siehe Schlossers Weltgesch. III, 1, 183., und der Großmeister Hugo, welcher gleich nach der Kirchenversammlung von Troyes, einen Theil von England und Frankreich durchreiste, gewann so viele Ritter für seinen Orden, ihr wohlverdienter Ruhm stieg so schnell und ungewöhnlich, daß die Johanniter, deren bloß mildthätige Geschäfte weniger ansprachen, eine Abänderung ihrer ersten Gesetze vornehmen mußten. Denn die Templer, welche in ihrer anfangs ärmlichen Zeit manche Unterstützung von den Johannitern empfingenIllud autem est mirabile, quod ordo militiae templi coepit de eleemosyna fratrum hospitalitatis. Alberic. 224. Templarii secundum quosdam ex infimis Hospitaliorum congregati, et ex reliquiis eorum in cibis et armis sustentati. Bromton 1008., würden ihnen an Reichthum, Macht und Ansehn noch weit mehr zuvorgeeilt seyn, wenn diese nicht ebenfalls eine Abtheilung kriegerischer Ritter gegründet, sie von den geistlichen und pflegenden Genossen geschieden und dienende Brüder als unterstützend hinzugefügt hätten. Innocenz II bestätigte diese neuen Grundsätze im Jahre 1130 unter großen LobeserhebungenBosio I, 12-15. Vertot I, 586 die Urkunde. Man vergleiche jedoch Holst. cod. II, 441 u. 443. Chron. magistr. defunct., wonach erst Eugen III, nach Verlust früherer Urkunden, den Orden bestätigte. Paoli del origine del ordine 19 behauptet, ohne es jedoch vollständig zu beweisen, daß der Orden der Johanniter von Anfang an kriegerisch gewesen sey und keine Hauptveränderung seiner Grundsätze vorgenommen habe..
497 So waren die Grundlagen und Grundgesetze der christlichen Orden, und wenn gleich manches nach acht Jahrhunderten einigen unverständlich und wunderlich erscheint, so wird doch auch der Tadelsüchtigste nicht verkennen, daß Aufopferungen und Entbehrungen, Glaubensmuth und Kriegsmuth in einem Grade verlangt und geübt wurdenSchillers Vorrede zu Bertot. Werke VII, 560., zu welchem sich selten eine Zeit erhoben hat. Freilich fand sich, – wie bei allem irdisch Vergänglichen –, allmählich Ausartung ein; aber wie hoch steht die innere Lehre, die äußere Form der Verfassung und der Inbegriff aller Thaten über eine, sich unter den Muhamedanern gleichzeitig entwickelnde GenossenschaftTrotz der von Hrn. von Hammer, im sechsten Bande der Fundgruben, aufgestellten Anklagen der Templer, läßt sich im allgemeinen und nach unläugbaren Zeugnissen der Geschichte, dieser Gegensatz des christlichen Ordens und der frevelnden Assassinen, festhalten. Überhaupt würden wir die strenge Ansicht, und zwar erst für eine spätere Zeit, höchstens so stellen wie Menzel, (Geschichte der Deutschen IV, 145) und behaupten, daß sich die Gründe für die mildere Ansicht noch verstärken lassen., welche jenen Orden nicht unpassend gegenüber gestellt werden kann, nämlich die Sekte der Ismaeliten oder Assassinen. Als Stifter erkannten sie Ismael den sechsten, in gerader Linie von Ali abstammenden Iman, und waren den sunnitischen Chalifen feindlich gesinnt. Deshalb reisete Hassan, einer der ihrigen nach Ägypten zu dem Chalifen Mostanser, als dem ächten Nachfolger des Propheten, erlangte anfangs großes Ansehen, ward dann verleumdet, verfolgt, floh nach Syrien, durchzog die Länder der Seldschuken und gewann endlich, um die Zeit des ersten Kreuzzuges, die Feste Alamuth in den Gebirgen des alten Parthiens, an der Gränze von Masanderan. In der ganzen Gegend fand er Anhänger, deckte sich geschickt gegen Sultan Malek und legte den Grund zu einer Macht, die unter acht Herrschern fortdauerte und sich auch in den Gebirgen des Antilibanon und um 498 Antaradus über zehn unersteigliche Bergfesten ausbreitete. An 60,000 Menschen gehorchten dem jedesmal gewählten Führer, welcher unter dem Namen des Alten vom Berge, bald den Muhamedanern und den Abendländern furchtbar ward. Aus der Masse jener Ismaeliten, welchen ursprünglich die strengste Befolgung der Lehre Muhameds zur Pflicht gemacht war, sonderten sich nämlich die Assassinen, als tiefer Eingeweihte, aus. Ihren Namen hat man bald von Hassan, als Hassaniten, bald von dem arabischen Worte Chassas, ein Kundschafter, endlich von Haschischi, ein aus Hanfblättern zubereitetes berauschendes Getränk, hergeleitet: und in der That, ihr Denken und Handeln war so aller Besonnenheit zuwider, daß dadurch die letzte Ableitung innere Wahrscheinlichkeit erhalten könnteMalte Brun Annal. de Voy. Cahier 41-42. Sylv. de Sacy über die Assassinen, in der Minerva Sept. 1811. Arnold. Lubec. III, 37. VII, 10. Math. Paris 59. Wilh. Tyr. 993. Guil. Tyr. cont. 650. Oliv. Schol. hist. reg. 1380. Vitriac. hist. hier. 1062. Elmacin 286. Ablufeda III, 332, 714 und zu 1104, 1106, 1113, 1124. Deguignes II, 240. 250. Guil. Armor. 77. Wilken II, 240. Falconet in den Mém. de l'Acad. des Inscr. Vol. XVII. Guil. Nang. chr. zu 1236. Nicet. Chon. Isaac. Angel. lib. II, c. 1 p. 253. Michaud hist. II, 537. Haithon. 24. Guil. Neubr. IV, 24. Vinisauf V, 26. Benvenuto S. Georgio 358. v. Hammer Geschichte der Assassinen, und Schlosser Weltgeschichte III, 1, 169, geben vollständigere Nachrichten..
Aller Unterricht, alle Wissenschaft ward von ihnen verschmäht, damit das Licht der inneren Offenbarung desto reiner leuchten möchte; wo man aber freiwillig so dem Gebrauche der edelsten Kräfte des Menschen entsagte, konnte auch die Achtung vor einem äußeren Gesetze nicht lange bestehen, und von dem einfachen Verständnisse des Korans wandte man sich zu einer sinnbildlichen Erklärung, die der eigenen Willkür freien Spielraum eröffnete. Nun wurden die, in diese Lehren Eingeweihten, von der buchstäblichen Befolgung der Gesetze losgesprochen, der öffentliche 499 Gottesdienst erschien entbehrlich, und aus den Trümmern der Offenbarung und des göttlichen Ansehens, errichtete man eine, in allen Theilen ausschweifende Glaubens- und Sitten-Lehre. Aber auch hier geschah was in solchem Fall immer geschehen muß: die falsche Freiheit der Gesetzlosen und ihre unbedingten Ansprüche führten zur Sklaverei, und die falsche Ungebundenheit des Geistes, zu neuem Aberglauben. Sie besaßen nach ihrer Meinung allein Wahrheit, Recht, Religion und alle anders Denkenden wurden der Vertilgung geweiht. Zu so heiligem Zwecke sey jedes Mittel erlaubt. Von Jugend auf erzog man deshalb die Auserwählten in der strengsten Zucht, und versetzte sie dann durch künstliche Vorkehrungen auf kurze Zeit in den höchsten Sinnenrausch, damit durch die Erwartung der versprochenen Wiederkehr desselben, unbedingter Gehorsam erleichtert und befestigt würde. Und so entstand denn jene Rotte, die nicht etwa bloß das Gefahrvollste, wie der christliche Ritter auf den Befehl des Meisters, unternahm; sondern nach Weisung des Obern, ohne Prüfung auch das Frevelhafteste. Sie empfingen von dem, nur selten und wie ein höheres Wesen hervortretenden Alten, mit gleicher Freudigkeit den Auftrag andere zu ermorden, oder sich selbst ohne weiteren Grund umzubringen; und vollzogen beides in der wahnsinnigen Hoffnung dadurch unbedingt das Paradies zu gewinnen. Natürlich gab Religionshaß zuletzt nicht immer allein die Veranlassung zu solchen Befehlen, sondern auch Habsucht und Blutdurst: immer wurden jedoch die Befehle von den, in mehren Sprachen Unterrichteten, in Betrug und Verstellung aller Art Geübten, mit der größten Umsicht, Schnelligkeit und Kühnheit vollführt. Dennoch ließ sich auf solchem Wege nicht einmal äußere erhebliche Macht gewinnen, und die Geschichte zeigt kein ähnliches Beispiel einer so gänzlichen Losgebundenheit vom Besonnenen, Heiligen und Sittlichen, bei einer so völlig willenlosen Hingebung in die Willkür eines anderen. 500