Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.
Mächtiges Überraschen. Eine Kriegsnachricht. Eine Reiseerinnerung. Von den Wundern eines liebenden Gemütes

Als Friedrich Erbacher den folgenden Tag nach dem Schlosse ging, setzte er wieder einmal seine Erinnerung an die Szenen früher Jugendtage fort.

Es hatte eine Zeit gegeben, wo er sich dieser Erinnerung nicht ohne Schmerzen hingeben konnte; jetzt aber so sein Gemüt der Liebe überhaupt siegreich entgegentrat, betrachtete er die Szenen seines Liebeslebens so beruhigt, dass ihm die Erinnerung eine Art sanften Vergnügens gewährte.

Heute begann seine Erinnerung mit keiner heiteren Szene.

Denn es handelte sich von jenen Tagen, wo Mathilde zum ersten Male seinen Augen für lange, lange ganz entschwand.

Friedrich war einst wieder von den Ferien nach der Stadt zurückgekehrt und hatte sich in seinem Quartier am beliebten Fenster zurecht gesetzt, in der Hoffnung, sein holdes Gegenüber wie immer im Verkehr mit seinem Hänfling zu sehen, als er nur zu bald gewahrte, dass er doch vergebens harren werde; denn Mathilde hatte in Folge einer amtlichen Versetzung ihres Vaters mit ihren Eltern und in Gesellschaft ihres Hänflings die Stadt seit einer Woche schon verlassen.

Statt des Käfigs stand ein Rosenstock im Fenster und statt des kleinen Engels erschien des Tages dreimal eine alte Frau mit gelbem, runzeligen Gesicht, um den Blumenschmuck zu pflegen.

Eine lange Zeit des Hoffens und Sehnens ging vorüber – das Gegenüber war und blieb verschwunden, Friedrich wusste nicht, wie weit, noch wohin es gekommen war – sie hätte der Knabe einen fremden Menschen auch zu fragen gewagt! Er glaubte endlich, das Wesen seiner Sehnsucht für immer verloren zu haben, und es gingen wirklich zwei volle Jahre ohne Wiedersehen dahin – als eines Morgens Friedrich, nach alter Gewohnheit am Fenster sitzend, von seinem Buche aufblickt und drüben an der Stelle, wo sie einst des Hänflings pflegte – Mathilde wieder stehen sah, größer und blühender geworden, aber, wie es schien, nicht so heiter, nicht so glücklich mehr als einst; denn sie lehnte ihr Haupt in die Hände und weinte bitterlich, die seidenweichen Locken, die über die Finger fielen, bebten von den stillen Seufzern, die sich ihrer Brust entrangen.

Einige Sekunden mochte sie in stiller Trauer so im Fenster lehnen, ohne aufzublicken – als aus des Zimmers der Ruf erscholl: »Nun komm, Mathilde, Du hast nun Deine Plätzchen lange genug gesehen, wir müssen fort« – und jetzt erst war es ein kurzer, unbeschreiblicher Blick, der auf Friedrichs Fenster fiel, begleitet von einem Strom von Tränen; kurz darauf rollte von dem Tore des Hauses ein Wagen fort, und die Erscheinung, die so plötzlich wie aus Himmelshöhen gekommen, war nun ebenso schnell den Blicken Friedrichs wieder entschwunden …

Nach diesem Wiedesehen, das wahrscheinlich eine Durchreise Mathildes und ihrer Mutter veranlasst hatte, verging wieder ein volles Jahr, ohne dass sich beide sahen; das nächste Wiedersehen aber sollte nicht weniger kurz und abenteuerlich ausfallen.

Friedrich hatte sich eines Ferientags mit einigen Kameraden aufgemacht, um eine Fußreise nach dem fernen Gebirge anzutreten und bei dieser Gelegenheit zum ersten Male die Hauptstadt zu sehen, um nicht zu sehr zu ermüden, fuhr man mitunter durch ebene Strecken in der Landkutsche, wanderte aber rüstig und guter Dinge weiter, wenn's Berge und Täler gab.

Eines Sonntagnachmittags kamen die Burschen hungrig und durstig in die Nähe eines reizend gelegenen Bergstädtchens und freuten sich auf das nächste Wirtshaus, um sich durch Speise und Trank zu erquicken, als sie schon vor der Stadt ein schönes Haus mit Wirtszeichen erblickten und nun wacker darauf los schritten.

Das schöne Haus war, wie man bald bemerken konnte, sehr besucht, Damen und Herren, namentlich zahlreiche Jugend, alle festlich gekleidet, blickten teils aus den Fenstern, teils tummelten sie sich auf dem Rasen vor dem Hause herum.

Die Studenten merkten, wo das alles hinaus wolle, denn es erscholl eben heitere Tanzmusik, und auf einer Bühne unter vier großen Linden begannen die Wirbel eines Kinderballes.

Die Wanderer ließen sich dadurch nicht abhalten und traten kühnlich mit glänzenden Augen ans Wirtshaus und begehrten, um einen Tisch sich lagernd, Bier und Brot.

Sie hatten dies kaum erhalten, als ihnen von unbekannter Hand auch trefflicher Kuchen gesendet wurde mit der freundlichen Ermunterung, sich denselben munden zu lassen.

Nach einer Weile näherten sich auch ehrwürdige Frauen und Herren dem Studententische, ließen sich wohlwollend in Gespräch mit ihnen ein, fragten nach Herkunft, Zweck und Ziel der Reise und endlich, ob sie wohl recht müde seien.

Letzteres verneinten die Burschen und warfen nicht unlüsterne Blicke nach der Tanzbühne, was die Damen zu der artigen Aufforderung veranlasste, sich an dem Tanze beteiligen zu wollen, da es ohnehin an Tänzern fehle.

Diese Aufforderung ließ man sich nicht zweimal sagen – mit blindem Ungestüm stürzten die Studenten auf die nächsten Tänzerinnen los und flogen unter die Tänzerpaare; es lässt sich aber kaum beschreiben, wie Friedrich dabei zu Mute war, als er bei seiner Wahl auf niemand andern als – Mathilde traf, die glühend und bebend seiner Aufforderung folgte.

In höchster Verwirrung und Wonne, aber doch so weit gefasst, dass niemand von dem wogenden Seelenzustande beider merkte, vollendeten sie den Tanz und traten dann, stille sich vor einander verneigend, jedes zurück auf seinen Platz.

Friedrich sah und hörte von nun an nichts mehr außer ihr – sie selber sah und hörte nichts mehr außer ihm; leider aber nachte sich der Abend, der Tanz war zu Ende, die Studenten empfahlen sich, sie mussten heute noch ein gutes Wegstück weiter.

Friedrich ging stumm neben seinen Reisegefährten dahin und verfiel im nächsten Nachtquartier tiefer in Träume als jetzt, wo er still weiter ging …

Seltsame Fügung! Damals war auch Otto Jeneveldt unter Friedrichs Reisegefährten gewesen – und seiner Aufmerksamkeit war Mathilde ganz und gar entgangen! Aber auch Friedrichs Liebe war noch so zart und scheu, dass er nicht um die Welt einen Laut darüber selbst dem treuesten Freund anvertraut hätte …

Friedrich wollte eben fortfahren, sich die nächste Szene des Wiedersehens, die nach drei Jahren wieder erfolgte, in Erinnerung zu bringen, als er durch die Erscheinung der beiden Schlossfrauen unterbrochen wurde.

Sie kamen ihm entgegen, um ihm mitzuteilen, dass wieder ein Brief von Otto angekommen sei.

»Nun, was schreibt er diesmal?« fragte Friedrich schnell.

»Ach! Was schreibt er! Was darf er schreiben, lieber Fritz?« sagte Frau von Jeneveldt: »Er ist am Leben und darf sich unser noch erinnern! Aber ich will auch nicht mehr klagen; was mich drückt, will ich in der Stille meines Herzens mit mir selbst ausmachen … Danken muss ich Ihnen nur, lieber Fritz, dass Sie so rührend für das Herz meines zweiten Kindes – Mathildes – sorgen; das Ständchen, das sie ihr gestern Abend bringen ließen, war ein schöner Zug von Aufmerksamkeit.«

»Ich? – Ich, ein Ständchen bringen lassen?« fragte Friedrich tief erblassend.

»Nun, leugnen Sie auch noch! Sie, der Sie ohnehin alles geheim halten, alles in die Stille Ihrer Brust verschließen möchten! Ja, sag' ich, das Ständchen, das Sie Mathilde bringen ließen, es hat seine Wirkung getan; Mathilde weint zwar sehr, doch wird's die Gute sehr erleichtern! … Voll Vertrauen, treu ihrer ersten Liebe wird sie stets gefunden werden – nicht? So lautete das Lied!«

Friedrich ging einige Augenblicke stillneben den Damen her und sagte dann, noch immer leichenblass im Gesicht:

»Bin ich wirklich der einzige, den man in Verdacht des Ständchens hat?«

»Um alles in der Welt, Fritz! Haben Sie's auf die Meisterschaft der Verstellungskunst abgesehen? Leugnen! Und warum? Soll Ihr Verdienst durch Ihre Bescheidenheit noch größer werden?« erwiderte Frau von Jeneveldt.

Aber Friedrich konnte ein Verdienst, welches man ihm so dringend zuerkennen wollte, umso weniger annehmen, als es in seinen Augen weniger ein Verdienst als ein schweres Vergehen war.

Mathilde in Tränen!

Sie waren ihm wohl erklärlich, diese Tränen; musste doch Mathilde ebenfalls voraussetzen: das Ständchen sei von ihm ausgegangen – ein Ständchen, das zu Vertrauen – und zu Festigkeit in der ersten Liebe ermunterte!

Friedrich lehnte abermals, wenn auch in aller Form der Schonung, das Verdienst des Ständchens von sich ab, sodass Frau von Jeneveldt, noch fest in ihrem Glauben, Mathilde, die nun auch kam, heiter entgegenrief:

»Siehst Du? Siehst Du, mein Kind? Er will's nun richtig nicht gewesen sein – er will das Ständchen durchaus nicht veranlasst haben!«

Mathilde bot mit feuchten Augen, aber lächelnd Friedrich »Guten Tag« und bemerkte sanft:

»So werden Sie an unserm Danke wenigstens erkennen, an wen wir gerne denken, wen uns Gutes zu Teile wird.«

Man erreichte das Schloss, indem Frau von Jeneveldt und Mathilde mit Friedrich weiter sprachen; Frau von Jeneveldt aber hatte sich während der ganzen Zeit schweigsam und nachdenklich benommen.

Schon die gestrige warme Parteinahme Mathildes für gewisse männlich-verschlossene Charaktere hatte in ihr die Besorgnis erregt, es möchten in ihrer Tochter Erinnerungen an eine ferne Gestalt, die vielleicht Ähnlichkeit mit Friedrich hatte, wieder in den Vordergrund treten, und nun musste in vergangener Nacht ein Ständchen, das von Beharrlichkeit in der ersten Liebe handelte, ihrer Tochter gebracht werden – ein Ständchen von jemand, der es für gut fand, sich vollkommen in das Gewand des Geheimnisses zu hüllen!

Dass das Ständchen von Erbacher sollte angeregt sein, mochte so lange glaubhaft bleiben, als er es nicht gerade in Abrede stellte; jetzt aber, nachdem sie gesehen hatte, wie ernst und entschieden er dagegen auftrat – jetzt war sie die erste, welche glaubte, Friedrich habe das Ständchen nicht gebracht.

Wer aber konnte jetzt eine solche Aufmerksamkeit ihrer Tochter erwiesen haben als – jener geheimnisvolle junge Mann, den Frau von Vollwarth zwar niemals selbst gesehen zu haben sich entsann, von dem sie aber aus dem Munde ihrer Tochter wundersame Begegnisse erfahren!

Indem die Damen den Vorschlag machten, die nächste Stunde in Gesellschaft auf dem großen Balkon des Schlosses zuzubringen, kam auch Herr von Jeneveldt hinzu und zog seinen jungen Freund nach einer Weile vertraulich zur Seite.

»Eine wichtige Nachricht ist angekommen!« sagte er: »Marmont ist bei Salamanca entscheidend geschlagen, man ist genötigt, Madrid den Briten preiszugeben, wohin Wellington bereits auf dem Marsche ist! Ich irre kaum, wenn ich annehme, den Franzosen werde keine Wahl bleiben, als die Belagerung von Cadix aufzugeben und ihre Macht in die nördlichen und östlichen Landschaften von Spanien zusammenzudrängen. Noch ein entscheidender Schlag dieser Art, von Wellington geführt, kann den spanischen Boden von den Franzosen bald gänzlich befreien!«

»Das ist freilich eine Nachricht, die nicht verfehlen wird, auf die Gemüter mächtig zu wirken«, sagte Friedrich: »Es ist ein gewaltiger Stoß im Rücken der Napoleonischen Allmacht, die eben ihr Schwert ins Herz von Russland zu bohren im Begriffe ist – manches starre Herz wird zu sich selber kommen – manche Ermutigung wird in Folge dessen auch in Deutschland rege werden.«

»Was meinen Sie, Fritz«, sagte Herr von Jeneveldt nach einer Pause – »welchen Einfluss dürften solche für Frankreich bedenkliche Nachrichten auf das Schicksal meines Sohnes haben? Meinen Sie, dass sie ungünstig wirken werden?«

»Ich fürchte – ich fürchte fast«, erwiderte Friedrich nachdenklich: »Es ist ein betrübender Umstand, dass mit den steigenden Hoffnungen für unser Vaterland unsere Hoffnungen für Otto in gleichem Maße fallen müssen. Ein glücklich geendigter Krieg gegen Russland kann Ihnen den Sohn, mir den Freund erretten – denn der Sieger neigt eher zur Nachsicht hin; eine folgenschwere Niederlage Napoleons in Russland aber dürfte die warnenden Opfer dort vermehren, wo die französische Macht Fuß gefasst hat – dem Unglück der französischen Waffen dürfte Otto am ersten zum Opfer fallen!«

Die Männer nahmen wahr, dass es Zeit sei, zu den Damen zurückzukehren, sie traten wieder auf den Balkon, indem Herr von Jeneveldt noch leise bemerkte:

»Versteht sich, Fritz, dass die Frauen von der Hand nichts von den Kriegsfällen und unseren Sorgen wissen sollen.«

Frau von Vollwarth erwähnte eben, als die Männer wieder auf den Balkon hinaustraten, dass sie sich nun erst erinnere, mit ihrer Tochter von vier Jahren durch diese Gegend gereist zu sein, welche man vom Balkon aus so weit überblicken konnte.

»Und nun ist es mir auch einleuchtend, mein Kind«, setzte sich zu Mathilde gewendet hinzu – »wie Dir die Gegend bei Deiner Ankunft am Verlobungsmorgen bekannt erscheinen konnte! Erinnerst Du Dich nicht, wie wir zu dem großen Jubiläumsfeste nach der Hauptstadt gereist sind? Wir kamen gegen Abend hier vorüber, und kaum war die Sonne unter, als der Mond so klar am wolkenlosen Himmel hervortrat, dass uns die Gegend wie in einem Zauberspiegel silbern und verklärt erschien.«

Mathilde erinnerte sich nun auch und gab einige nähere Andeutungen über die damalige Reise.

»Mit den Erinnerungen geht es uns doch oft wie mit den sogenannten Einfällen; ohne dass wir uns bemühen, brechen oft die schönsten Gedanken urplötzlich hervor und sind nicht selten schon ausgesprochen, wenn wir erst anfangen, die ganze Bedeutung derselben selbst zu fassen.«

Die Erwähnung dieser Reise und des geprängevollen Festes in der Stadt rief indessen in Friedrich nicht minder als in Mathilde eine Szene des Wiedersehens eindringlich genug hervor.

Es hatte sich bei jenem Feste nämlich durch einen jener Zufälle, denen wir gerne tiefere Bedeutung zugestehen, gefügt, dass Friedrich, indem er aus einem Fenster den feierlichen Umzug in einer Straße ansah, bald genug entdeckte, dass gegenüber aus einem von Damen besetzten Fenster dem Zuge auch ein Mädchen zusah, das er zu seinem freudigsten Schrecken als Mathilde erkannte.

Die Straße war nicht breit, und die Gesichtszüge konnten ganz genau unterschieden werden – wirklich, sie, die lang Ersehnte – Mathilde war es! Aber im Eifer der Betrachtung des Umzugs dauerte es lange, bis Mathilde ihre Aufmerksamkeit auch einmal andern Gegenständen widmete – sie entdeckte und erkannte endlich Friedrich ebenfalls. Marmorblässe und Purpurrot wechselten schnell auf ihren Wangen, sie wagte nicht sobald wieder ihre Augen auf den jungen Mann gegenüber zu richten – sie stützte ihren Kopf in die Hand, schien unverwandt das Gepränge auf der Straße zu betrachten, aber durch ihren Finger rollten Träne um Träne, und ihre Locke bebten von leiser Erschütterung.

Friedrich war fest entschlossen, diesmal den Engel seines Lebens sich nicht entschlüpfen zu lassen, er hätte sofort auch das Fenster und Haus verlassen, um drüben, unter welchem Vorwand immer, Mathilde nahe zu kommen – aber noch war ein Durchkommen durch die gedrängte Masse des Zuges unmöglich. Eine bange, leid- und freudenvolle Stunde verging, bevor sich Friedrich endlich über die Straße nach dem gegenüberliegenden Hause durcharbeiten konnte – allein als er das Ziel erreicht zu haben glaubte, war es ihm wieder weiter als je entrückt, denn Mathilde war, wie man ihm sagte, in Gesellschaft einer zweiten Dame, wahrscheinlich ihrer Mutter verschwinden – beide hatten nur als Fremde ihre Plätze am Fenster gemietet, um die Feierlichkeit des großen Umzuges zu sehen …

Als Friedrich heute vom Schlosse heimging, machte ihm die Erinnerung an diesen und ähnliche Fälle lebhaft zu schaffen; Mathilde aber litt denselben und die folgenden Tage an den wundersamsten Wallungen des Herzens, von denen sie zwar überzeugt zu sein glaubte, dass die ihr nicht gefährlich seien, die sie aber doch nicht zu bemeistern im Stande war.

Namentlich gab sie sich während dieser Zeit auch viele Mühe, Friedrichs Charakter und – geheimste Absichten in Bezug auf sein Verhältnis zu Otto zu studieren.

Teils in Gedanken, teils in Betrachtungen, die sie in ihr Tagebuch schrieb, nahm sie mit einer Art stolzer Zuversicht an, Friedrich werde nicht bei gewöhnlichen Mitteln zu Rettung des Freundes stehen bleiben; er werde gewiss das Äußerste wagen, selbst das Leben, um den Pflichten der Freundschaft Genüge zu tun; es lag dann oft ein tragischer, fast unheimlicher Triumph in ihren Mienen, wenn sie dachte oder niederschrieb, was sie in letzterem Falle einst zur Bestätigung ihrer Ansicht über Friedrich sagen würde.

»Habe ich Euch nicht gesagt«, hörte sie sich schon im Geiste verkünden, »dass er von jeher ein Mann war und ein ganzer Mann? Habe ich nicht behauptet, ihm gelte Recht und Freiheit und Pflicht und jedes Höchste des Geistes mehr als alle Güter des Lebens, ja als das Leben selbst? Er rettete den Freund – und starb; ein Märtyrer mehr des Schönen und Guten auf Erden – ein Weiser und kaum dem Jünglingsalter entwachsen; ein Held und doch so bescheiden, dass er nie ein Wort über das Opfer, das er bringen wollte, verlor!«

Freilich erschrak sie dann wieder selbst über die stürmische Weise ihrer Gedanken und suchte sie einige Zeit mit Sorgfalt zu vermeiden; aber sie kamen wieder, kamen oft noch heftiger wieder, und sie musste es einer natürlichen Erschöpfung überlassen, ihr wenigstens einige Zeit erträglicher Ruhe zu gewähren.


 << zurück weiter >>