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Während diese überaus merkwürdige Entwicklung des Westens vor sich ging, verfiel der Orient in die vollständigste Barbarei. Auf die kultivierbaren Araber waren die rohen Türken (Seldschuken) gefolgt, und im 13. Jahrhundert, gerade in den Tagen, wo Friedrich II. und Papst Innocenz IV. miteinander schlugen, erschienen an den Pforten der westlichen Welt die Mongolen. Der große Dschingischan bildete sie zu einer Gemeinschaft, welche der übrigen Welt unwiderstehlich war. Sie stürzten sich von den Hochebenen Asiens auf alle rundherum wohnenden Nationen, überwältigten das Reich Chowaresm,Chowaresm, auch Chwarezm, wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts durch Loslösung der ostiranischen Chwarezmschahs von den Seldschuken ein selbständiges Staatswesen, das von Dschingischan 1219–1223 erobert wurde. das Kalifat von Bagdad, das chinesische Reich, errichteten an den Pforten Europas und Asiens das goldene Chanat,Chan – mongollsch-türkischer Herrschertitel, der dem Namen des Trägers angehängt wird. Das Reich eines Chan wird als Chanat bezeichnet. welches von da aus über ganz Rußland und Polen sich erstreckte, und erfüllten alles mit Raub und Mord. Es war das Ideal der Barbarei, welches hier gewissermaßen realisiert wurde; das einzige Denkmal, das sie aufrichteten, bestand aus den Köpfen der Erschlagenen. – Unter den Nachfolgern Dschingischans drangen die Mongolen bis Neustadt in Österreich und Liegnitz in Schlesien vor, wo sie endlich auf das Haupt geschlagen wurden. Wären aber die ursprünglichen Sitze der Mongolen Europa näher gewesen, so daß sich nicht bloß die äußersten Ausläufer dieses Völkerstromes an die Grenzen Deutschlands ergossen hätten, so wäre wahrscheinlich die europäische Christenheit verloren gewesen; denn Kaiser und Papst hatten vollauf mit ihren gegenseitigen Händeln zu tun, und fanden keine Zeit, sich den Einfällen der Mongolen zu widersetzen.
Die Barbarei, welche damals über den Orient sich ergoß, beherrscht ihn auch noch heutzutag, und wir sehen hier an einem eklatanten Beispiele, wie wenig an einen allgemeinen Fortschritt des menschlichen Geschlechtes zu denken sei. Wir aber wenden jetzt unsere Aufmerksamkeit wieder auf jenen großen Völkerkomplex des Abendlandes. In diesem war zwar die Entwicklung des Papsttums ein höchst wichtiges Moment, aber es leuchtet ein, daß dadurch nicht die Vollendung der Dinge bezeichnet ward, wie sie in Europa geschehen konnte und sollte.
Weder in den äußeren, noch in den inneren Angelegenheiten entsprach das Papsttum der Idee, welche man sich von einer allgemeinen, im Abendlande herrschenden Autorität bilden mußte. Jerusalem und Konstantinopel waren verloren gegangen; Polen und Ungarn gerieten, wenn auch nicht auf immer, in die Hände der Feinde. In bezug auf das Innere lag das Papsttum durch sein bis in das kleinste entwickeltes Dogma, seinen Kultus und seine kirchlichen Ansprüche überhaupt, unendlich drückend auf der europäischen Welt. Man denke nur an die Verfolgungen der Albigenser und Waldenser, welche letztere die Bibel nur in der Ursprache lesen wollten! Das Papsttum konnte also sein europäisches Reich nach außen nicht verteidigen, und nach innen drückte es auf dasselbe.
Wenn wir weiter bis auf den letzten Grund zurückgehen, der die Ausbildung jener päpstlichen Weltherrschaft erklärt, so liegt derselbe darin, daß das europäische Gemeinwesen, das wir aus einer Verbindung der romanischen mit der germanischen Welt haben entstehen sehen, vom Ursprung an zu einer hierarchischen Richtung angetan war; denn im romanischen Wesen hatte die Kirche die größte Bedeutung. Sie war aber doch nicht alles, und im germanischen Wesen lag ein unendlicher Freiheitstrieb und Sinn für das Naturwüchsige, der auf die Dauer in dem hierarchischen Wesen seine Befriedigung nicht finden konnte. Auf der andern Seite war doch auch die weltliche Gewalt etwas für sich Bestehendes. Die Germanen waren aus ihren Wäldern gekommen, um das römische Reich zu erobern, nicht aber, um der römischen Kirche dienstbar zu sein. Die Kultur hatten sie annehmen wollen, nicht aber diese Dienste. Es liegt also in der Natur der Sache, daß auf diese hierarchische Epoche eine andere folgte, in welcher sich der innere Trieb der romano-germanischen Völker, die wir als eine lebendige Einheit betrachten, auf das lebhafteste entwickelt, nicht nach einer vorgezeichneten philosophischen Regel, sondern in unaufhörlicher Ausbildung seiner Tendenz.
Die Einheit des Staates und der Kirche löste sich in diesen Jahrhunderten auf.
Das Papsttum konnte nicht herrschen, ohne alle Momente des Lebens zu umfassen. Doch gelang ihm das nicht so vollkommen, daß nicht Dante ungeachtet seiner streng religiösen Gesinnung die Idee des ausschließlich regierenden Papsttums bekämpft und die des weltlichen Staates aufgefaßt hätte. Eine andere Erscheinung der Literatur in dieser Richtung ist das Sagenwerk, aus welchem nachher Ariost, Bojardo und viele andere ihre Erzählungen genommen haben, die sogenannten Royaux de France, eine Verherrlichung des französischen Königtums, welche, ohne im mindesten von der Einheit des Christentums abzugehen, aus einer rein weltlichen Tendenz entsprungen war. Auf diese Weise konnte nun freilich nichts Entscheidendes erreicht werden; allein es traten andere Ereignisse ein, welche der Macht des Papsttums die größten Niederlagen beibrachten.
Gleich am Anfang des 14. Jahrhunderts treffen wir den Papst Bonifacius VIII., welcher die päpstlichen Hoheitsansprüche zwar nicht am besten geltend gemacht, aber am stärksten formuliert hat, als eine Umfassung aller geistlichen und weltlichen Rechte, wie er in Streit geriet mit einem König, dem seine Klugheit die Mittel an die Hand gab, sich seiner zu entledigen, nämlich mit Philipp dem Schönen von Frankreich.
Dies Königreich war im Bunde mit dem Papsttum stark geworden. Die römische Kurie hatte die Franzosen in ihrem Kampf gegen die Engländer unterstützt; sie hatte ihnen die Rechte gewährt, durch welche sie Meister des südlichen Frankreichs geworden waren; die südlichen Franzosen von Marseille waren durch den Papst unter Karl von Anjou nach Italien gerufen worden; Ludwig der Heilige hatte die beiden letzten Kreuzzüge unternommen und schloß sich den geistlichen Ideen unbedingt an, obwohl er den unbedingten Ansprüchen des Papsttums eher Widerstand als Folge leistete, und von den Bedürfnissen seines Reiches gut unterrichtet war. Am Ende des 13. Jahrhunderts folgte ihm aber sein Enkel Philipp der Schöne nach, einer der merkwürdigsten Fürsten der neueren Zeit. Dieser schließt sich in Durchführung des weltlichen Gesichtspunktes ganz an Kaiser Friedrich II. an, braucht viel Geld zu seinen Feldzügen mit England und erhält es auch von seinen Untertanen, kommt aber eben dadurch in Konflikt mit dem Papste, dessen Exaktionen dadurch benachteiligt werden. Im Jahre 1302 beruft der König seine Stände und opponiert sich in Gemeinschaft mit ihnen dem Papste. Dadurch allein wurde er aber des Papstes nicht Herr, sondern er brauchte Gewalt dazu, überfiel den Papst und setzte ihn gefangen, worüber dieser in einem der Raserei ähnlichen Zustand verstarb. Damit begnügte sich indes der König von Frankreich nicht. Er verstand es besser als die deutschen Kaiser, ließ durch die Kardinäle einen ihm beliebigen Papst wählen und wies ihm Avignon im südlichen Frankreich zum Aufenthaltsorte an. Dadurch machte König Philipp der Schöne der Autorität des Papsttums durch einen plötzlichen Schlag – ich will nicht sagen ein Ende –, aber er vernichtete die Idee der allgemeinen Autorität, die sich daran knüpfte.
Philipp der Schöne war überhaupt ferne davon, die geistlichen Anschauungen der früheren Jahrhunderte zu teilen und zeigte dies auch in seiner grausamen Prozedur gegen die Tempelritter, obwohl er ihnen die Schändlichkeiten nicht nachweisen konnte, die er ihnen zur Last legce.
Aus diesen Verhältnissen erwuchs gegen Ende des Jahrhunderts das sogenannte Schisma. Die übrigen europäischen Mächte waren nicht gewillt, einen Papst anzuerkennen, der in Frankreich residierte, und so kam es außer zur Wahl eines französischen, auch noch zur Wahl eines sozusagen europäischen Papstes, und ganz Europa teilte sich in verschiedene Obedienzen. Man kann sagen, daß die Weltherrschaft des Papstes, welche in der Einheit beruht, sich in sich selbst auflöste nicht durch den fortwährenden Streit zwischen Geistlichkeit und Weltlichkeit, sondern durch den infolge des Schisma hervorgerufenen Gegensatz der verschiedenen Nationalitäten.
Überhaupt entstand nun eine allgemeine Auflösung, und diese Jahrhunderte sind dadurch merkwürdig, daß es keinen festen politischen oder geistlichen Körper mehr gibt. Es ist zwar richtig, daß nun die Nationalitäten mehr zur Geltung kamen, und daß man Verfassungen machte, aber weder die einen noch die andern konnten fürs erste recht zusammenhalten.
Dadurch, daß die Päpste die Kaiser dahin gebracht haben, auf Italien Verzicht zu leisten, haben sie allerdings viel dazu beigetragen, die Nationalitäten voneinander zu sondern, allein vollständig ist diese Absonderung jetzt noch nicht zustande gekommen. Im Jahre 1340 erhoben sich die englischen Könige und machten Anspruch auf Frankreich; dort behauptete man aber, daß das Königtum nur im Mannesstamm forterbe, und infolgedessen kam das Haus Valois auf den Thron. Dies war die Veranlassung zu langwierigen Kriegen zwischen England und Frankreich, in deren Folge beide Nationen einander schwächten. So wenig das Papsttum seine Einheit oder das Kaisertum seine Autorität zu behaupten vermochte, so wenig konnten sich die Nationen als solche alsbald zu einer bedeutenden Macht entwickeln.
In diesen Zeiten fing man, wie erwähnt, an, den verschiedenen Staaten mehr zusammenhaltende Verfassungen zu geben. Dieser Gedanke war sehr natürlich. Das Bedürfnis, das sich geltend machte, beruhte darauf, daß bisher unter dem Papsttum die Geistlichkeit der einzelnen Länder, welche sehr mächtig und durchgreifend war, sich fast mehr an den Papst, als an den eigenen König hielt, so daß es von der größten Bedeutung war, durch eine nationale Institution den Klerus mit dem König und dem Adel fester zu vereinigen. Ferner waren König- und Kaisertum in jener Zeit noch von ziemlich willkürlichem Charakter. So konnte z. B. der König von England von Rechts wegen eine Menge Dinge sich erlauben, welche in das Privatleben eingriffen. Auch waren die Begriffe vom Eigentum noch nicht recht entwickelt: König Philipp der Schöne z. B. war der Meinung, daß alles gemünzte Silber und Gold im Lande ihm gehöre, und ließ es wegnehmen, wo er es fand. Diese Umstände gaben Veranlassung, daß man nach und nach an die geordnetere Organisation der öffentlichen Gewalt ging. Zuerst wurde die Sache in England in Angriff genommen, und zwar in einer Art und Weise durchgeführt, daß die englische Verfassung ein Muster für alle Zeiten bleibt. Die Magna Charta, unter tumultuarischen Verhältnissen eingeführt, war die erste Verbriefung der Privilegien der verschiedenen Stände, des Klerus, des Adels und der Städte. Heinrich III. wollte zwar nicht alles das ausführen, was in der Magna Charta zugunsten der Stände enthalten war; namentlich wollte er sich der Bestimmung nicht unterwerfen, daß die Stände in ihrer Vereinigung die Steuern zu bewilligen hätten. Erst Eduard I. hat den englischen Ständen, bei denen auch die Städte repräsentiert waren, das Recht der Steuerbewilligung zuerkannt, und unter Eduard III. wurde die Sache praktisch, da zum Kriege gegen Frankreich immer neue Geldbewilligungen notwendig wurden; denn dies ist der Angelpunkt, um den sich das ganze Ständewesen dreht.
Um bei Frankreich und England stehenzubleiben, so fragt es sich, ob sie stark genug waren, um wirklich stabile Gewalten zu bilden. Sieht man näher zu, so erkennt man, daß ihre Verfassungen doch noch keineswegs dahin gediehen waren, den inneren Unordnungen ein Ziel zu setzen. Denn das ständische Wesen entbehrte in sich selbst der Einigkeit. Eine Hauptrolle spielte darin das Element der mit zur Vertretung gezogenen Städte. Etwas Ähnliches war auch in Deutschland geschehen, wo im 14. Jahrhundert durch Ludwig den Bayern die Städte in den Reichstag aufgenommen worden waren, und man im Jahre 1344 gleichfalls von einem Parliamentum sprach. Die älteren Städte hatten nun eine sehr aristokratische Verfassung, aber im Laufe des 14. Jahrhunderts sind die Zünfte in den Rat der Städte gedrungen und dadurch, daß die Städte in den Reichstagen Sitz und Stimme hatten, kam ein demokratisches Element in die Versammlungen. Der Adel setzte sich demselben entgegen, und es kam zu heftigen Streitigkeiten zwischen ihm und den Städten, die auch England und Frankreich ergriffen. Da der König von England eine mehr freisinnige Richtung hatte, so hatte er auch die Sympathien der Städte für sich, was eine bedeutende Rückwirkung auf Frankreich äußerte. Hier brachen im Jahre 1355 schon Unruhen im modernen Sinne aus, bei denen das Königtum in große Gefahr geriet. In England selbst aber entspannen sich bald dynastische Streitigkeiten um die Thronfolge zwischen den Häusern Lancaster und York, so daß jede Partei ein eigenes Parlament um sich versammelte. Die Folge war, daß selbst dort so wenig wie anderswo die emporkommenden ständischen Vertretungen die Ordnung irgend aufrecht zu erhalten vermochten, so daß alles in eine ungeheure Verwirrung geriet. Diese Zeit ist es, welche dem Mittelalter seinen schlechten Ruf bereitet hat, wo jeder Ritter aus seinen Mauern ungestört hervorbrechen und die Vorüberreisenden berauben konnte, wo jeder Edelmann, der eine Burg besaß, unabhängig war.Als z.B. die Hohenzollern zu Anfang des 15. Jahrhunderts nach Brandenburg kamen, fanden sie dort gar keinen Gehorsam. Man suchte zwar dem Unwesen zur Notdurft durch lokale Bündnisse, vor allem der Städte, zu steuern. Denn nur in den Städten war inmitten der überall verübten Gewalttätigkeiten noch eine gewisse Ordnung, welche wenigstens die Bürger zusammenhielt.
In dieser allgemeinen Auflösung der Dinge richtete man sein Augenmerk doch wieder auf den Papst, als die einzige Autorität, welche noch so ziemlich allenthalben anerkannt wurde. Leider aber bestanden zwei Päpste nebeneinander, von denen immer wieder jeder seinen Nachfolger hatte. Wie sollte man nun diesem Mißstande steuern? Man entschloß sich zur Berufung von Konzilien nach Pisa, Konstanz und Basel. In Pisa setzte man beide Päpste ab und wählte einen neuen, wodurch aber das Übel noch ärger wurde, indem sich nicht nur dieser neugewählte Papst, sondern auch die beiden abgesetzten zu behaupten wußten. In Konstanz gelang es dagegen der Autorität des Kaisers Sigismund, die Trennung zu beseitigen und einen neuen Papst, Martin V., durchzusetzen, auf welchem von nun an die Einheit des Papsttums beruhte.
Unter diesen schismatischen Tendenzen waren aber auch viele dogmatische Abweichungen zutage gekommen. In England trat Wiklef auf, in Böhmen Johann Huß, der über die Rechte der Kirche eine sehr ins Abstrakte gehende Ansicht aufstellte. Wegen dieser seiner Lehre wurde er vor das Konzilium von Konstanz gerufen, dort verurteilt und verbrannt. Damit aber war die Sache nicht abgetan, denn er hatte einen sehr großen Anhang in Böhmen. Dieser brach, um seinen Tod zu rächen und seine Lehre zu verbreiten, aus Böhmen hervor, und überschwemmte einen großen Teil von Deutschland mit Scharen von kriegsgeübtem Fußvolk. Das Konzil konnte mit ihnen nicht fertig werden, und als Sigismund sich als Exekutor der Beschlüsse desselben aufstellte, so fand er den hartnäckigsten Widerstand. Die deutschen Heere wurden mehrmals geschlagen und viele Landstriche mit Raub, Mord und Gewalttaten erfüllt. Zum Glück entzweiten sich die Hussiten, da ihre Sache keinen festen Boden hatte, indem die Bewegung neben dem religiösen auch einen nationalen und sozialen Charakter an sich trug. Dadurch bekam Sigismund Luft, und er konnte auf dem Konzil zu Basel einen Vertrag mit den Hussiten abschließen, vermöge dessen ihnen die Beibehaltung des Kelches (daher Utraquisten) zugestanden wurde, was nachher auf die Reformation einen großen Einfluß hatte.
Das Konzil von Basel, welches hauptsächlich aus Doktoren der Universitäten bestand, wollte die geistliche Verfassung nach Art der weltlichen ordnen; es richtete sich vornehmlich gegen das Papsttum, welches man durch Gründung von Nationalkirchen beschränken wollte. Dieses Konzil ist auch deshalb merkwürdig, weil es neue Grundsätze zur Behauptung der weltlichen Rechte gegen den Papst aufstellte. Diese wurden in Frankreich zu einer pragmatischen Sanktion ausgebildet, und auch in Deutschland von Albrecht II. von Österreich rezipiert. Wie das Konzil von Konstanz die dogmatischen Streitigkeiten nicht abzustellen vermochte, so brachte also das Konzil von Basel den Zwiespalt zwischen Kaiser und Papst erst wieder recht in Gang, indem es die weltlichen Gerechtsame mit vielem Geschick gegenüber dem Papste formulierte. Das Papsttum aber ist seiner Natur nach unumschränkt, und konnte sich diese Beschränkungen nicht gefallen lassen. Und da Kaiser Friedrich III. sich wenig eingenommen für die Synode zeigte, es vielmehr lieber mit dem Papste hielt, so siegte auch endlich derjenige Papst, der sich den Beschlüssen von Basel opponierte, Nikolaus V. Vollkommen indessen blieb das Papsttum in diesem Kampfe nicht Sieger; in Frankreich und Deutschland hatten sich mächtige Parteien gebildet, welche den Beschlüssen des Baseler Konzils nach wie vor anhingen.
In dieser Epoche geschah es nun, daß die Türken in Europa vordrangen. Wer konnte unter den oben geschilderten Verhältnissen daran denken, ihnen energischen Widerstand zu leisten? Alle die bestehenden Gewalten waren so schwach, daß keine die Fähigkeit hatte, sich selbst zu verteidigen. Man ließ also die Türken Herren in Konstantinopel werden, da alle Versuche zu einer Vereinigung der griechischen und lateinischen Christenheit gescheitert waren, und die Griechen sich öfters dahin äußerten, sie wollten lieber den Turban tragen, als den lateinischen Hut. Die Osmanen unterwarfen sich Serbien, und in Ungarn gelang es nur manchmal einigen ausgezeichneten Anführern, wie Hunyad und Matthias Corvinus, auf einige Zeit den Andrang der Feinde zu brechen.
Diese Ereignisse hatten aber auch wieder einen andern für die Entwicklung des Abendlandes höchst wichtigen Erfolg. Nachdem Konstantinopel erobert war, zogen sich jene Griechen, welche es mit der lateinischen Kirche hielten, nach Italien zurück und brachten neue Lebenselemente in die lateinische, abendländische Kultur. Seit dem 15. Jahrhundert fing man an, sich mehr dem Studium der Alten zuzuwenden, weil die Kirche in dogmatischer Hinsicht zu strenge war. Dadurch gewann die von der Kirche abweichende Gesinnung einen großen Impuls. Die Künste bekamen im 14. und 15. Jahrhundert schon einen Anhauch vom Altertum, sie gingen über die hierarchischen Momente hinaus. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurde ferner die Buchdruckerkunst erfunden, welche der einseitigen Herrschaft über die Gelehrsamkeit, die bisher die geistlichen Korporationen ausgeübt hatten, ein Ende machte und den Geist in einer höheren Idee zentralisierte. Eine ähnlich zentralisierende Wirkung hatte auch die Erfindung des Geschützes, die in diesen Zeitraum fällt. Hierdurch vornehmlich ward die Unabhängigkeit der Burgherren nach und nach gebrochen und dem Gedanken einer fürstlichen Staatsordnung Raum gemacht; alles Wirkungen, welche über die Grenzen dieser Epoche hinausdeuten.
Das 14. und 15. Jahrhundert sind deshalb von so unendlicher Wichtigkeit, weil alle die Momente, welche die vorausgegangene Zeit beherrscht hatten, in der Auflösung begriffen waren. Das hierarchische Prinzip fängt schon an, seine Unfähigkeit zum Herrschen zu zeigen; auch die höhere weltliche Gewalt vermag die untergeordneten Elemente nicht mehr zu zügeln; die Autonomie tritt an jedem Punkte hervor. Das aber gibt zugleich den Menschen ein großes Gefühl persönlicher Selbständigkeit, und dieses bewirkt dann wieder, daß die Künste und namentlich die Erfindungen in diesen Jahrhunderten ungemeine Fortschritte machen. In keiner Epoche trifft man eine so universale Regsamkeit in allen Zweigen des menschlichen Wissens, einen so unaufhörlichen Fortschritt in den Erfindungen der Gewerbe und der Handelstätigkeit im kleinen, wie in dieser; wenn man gleich dies Zeitalter nicht das Zeitalter einer ausgebildeten glänzenden Literatur nennen kann. Von hoher Bedeutung ferner ist es, daß der nicht mehr durch die großen geistlichen Universitäten gefesselte Geist sich am Ende in eigenen Bahnen versucht, und daß zuletzt auch die weltlichen Bildungen wieder zu einer gewissen Selbständigkeit gelangen, wie wir dies z. B. in Italien sehen, wo die Republiken unter Oberhäuptern, wenn auch nicht in republikanischer, so doch in monarchischer Form einiges Ansehen und eine gewisse Macht erlangten und Zentra bildeten, von wo aus neue Strahlen der Kultur hervorgingen.Jene Flüchtlinge aus Konstantinopel fanden Aufnahme und Unterstützung bei den Päpsten, bei den Königen von Neapel und bei den Dynasten Mittel- und Oberitaliens (so den Medici). An die Summe dieser Bestrebungen knüpft sich nun die Entstehung einer neuen Zeit.