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Die Ausbreitung der arabischen Herrschaft, die wir in ihrem äußeren Umriß betrachtet haben, beruhte auf zwei Momenten. Zunächst geschah sie unter den Nachfolgern Mohammeds, welche keine andere Berechtigung hatten, als die, Kalifen, d.h. Nachfolger des Propheten, zu sein. Das Kalifat konnte sich aber in dieser Weise nicht behaupten, weil die mohammedanische Herrschaft doch nicht allein eine religiöse war, sondern auch auf der Stammesberechtigung basierte. Infolgedessen erhob sich die mehr politische Dynastie der Beni Omajja, die von der Mitte des 7. Jahrhunderts bis in die Mitte des achten herrschte. Unter ihr wurde die große Eroberung des Westens vollbracht. Nachdem das Reich begründet war, folgten unter neuen Streitigkeiten, die größtenteils auf Stammesgegensätze sich bezogen, auf die Omajjaden die Abbasiden, deren Hauptsitz Bagdad war. Zu dieser dritten Herrscherreihe gehören jene Kalifen, welche die Kultur unter den Arabern zu verbreiten suchten. Sie hatten z.B. eine Übersetzerschule organisiert, die vornehmlich jene griechischen Werke übertrug, welche sich auf Philosophie, Arzneikunde und Geographie bezogen. Dieses abbasidische Kalifat erstreckte sich indes nicht mehr über den ganzen Westen der alten Welt; denn einer der Omajjaden, welcher dem fürchterlichen Blutbad, das über seinen Stamm erging, entflohen war und sich nach Afrika geflüchtet hatte, ging von da nach Spanien über und gründete dort das Kalifat von Cordova. Auch dieses Kalifat setzte sich die Pflege der Kultur zur Aufgabe, und man kann sagen, daß dadurch die Herrschaft der Araber über Spanien bedeutungsvoller wurde, als die der Goten.
Ich will nun einen Blick werfen auf das politische Element, welches der Herrschaft der Mohammedaner zugrunde liegt und auch in der jetzigen Zeit noch fortwirkt. Wir sehen im Orient über das Gebiet der ältesten Kultur (Assyrien, Babylonien, Ägypten usw.) eine Herrschaft verbreitet, deren Prinzip das der Religion und des Glaubens war. Wer sich nicht zum Islam bekennt, der kann weder teil haben an dem Staate, noch an den Waffen; denn in dem Fürsten konzentriert sich auf ganz ununterscheidbare Weise das religiöse und politische Prinzip. Die unterworfenen Untertanen gerieten so zwar oft in einen ziemlich erträglichen Zustand, blieben aber vom Staat und der Kirche ganz ausgeschlossen, da sie nur die Unterlage des Islam zu bilden bestimmt sind. Dies ist das Verhältnis der heutigen Rajah in der Türkei. Wir erkennen darin den großen Unterschied zwischen dem Orient und Okzident in politischer Hinsicht, dessen Summe darin besteht, daß die Staaten des Orients sich nie vollkommen nationalisieren können, weil weder ihr Staat noch ihre Kirche bis auf den Grund der Bevölkerung reicht, sondern dieser immer von beiden ausgeschlossen ist, während im Abendlande das Prinzip im allgemeinen das ist, Kirche und Staat zu nationalisieren.
Darin liegt nun auch der Grund der Macht des Okzidents gegenüber dem Orient. Der Orient erhob sich zwar glanzvoller, aber im Okzident ist die Entwicklung eine reelle gewesen. Das Christentum fixiert das Zentrum der Tätigkeit überall in kleineren Kreisen; jedes von unsern Reichen hat eine nationale Begründung und eine nationale Aufgabe. Je mehr aus den unteren Schichten Leute emporkommen, desto mehr hat sich das christliche Prinzip realisiert; und wenn auch das Fürstentum durch sein persönliches Prinzip größere Analogie mit den aristokratischen Gewalten bekommt, so ist es doch seiner Natur nach wieder mit den unteren Ständen verbündet, indem es seine Macht zu entwickeln hat, und insofern erfüllt das Fürstentum den vom Christentume vorgezeichneten Beruf. Je tiefer die Kultur eindringt, wenn sie mit der Moral und Religion vereint ist, desto mächtiger werden die Fürsten.
Nach dieser Betrachtung kehren wir wieder zu unserm allgemeinen historischen Gange zurück, welcher uns nunmehr zur dritten Periode führt.
Wir müssen uns auf den Punkt zurückversetzen, in welchem die Omajjaden, in der einen Hand den Koran, in der andern das Schwert, sich Ägyptens, der nordafrikanischen Küste und Spaniens bemächtigt hatten, und auf der einen Seite von Tunis aus den Vatikan, auf der andern Seite Konstantinopel bedrohten. Betrachten wir demgegenüber den Zustand des germanischen Abendlandes. Der Papst, so sehr er auch vom Okzident verehrt wurde, hatte wenig Gewalt; denn er wurde unaufhörlich von den Langobarden bedrängt. Überhaupt war das einzige mächtige Reich, das damals existierte, das fränkische. Dieses bestand unter den späteren Merowingern aus drei verschiedenen Gebieten: Neustrien mit Paris, Burgund und Austrasien, welches seinen Hauptsitz in Metz hatte, und zu welchem auch die germanischen Länder Bayern, Alemannien und Thüringen gehörten. In jenen drei Gebieten hatten Adel und Kirche sich gewissermaßen gegen den König koalisiert. Ersterer hatte es unter den Merowingern dahin gebracht, daß die Hausmeier ( Majores domus) die königliche Gewalt faktisch in der Hand hatten.
Unter ihnen zeichnete sich namentlich ein Geschlecht aus, welches merkwürdigerweise von einem Bischof herrührte: Arnulf von Metz, der früher verheiratet gewesen war. Am Ende des 7. und zu Anfang des 8. Jahrhunderts kam aus diesem Geschlechte Pippin von Heristal empor. Dieser trachtete schon im 7. Jahrhundert nach dem Königtum, allein die legitime Macht war damals noch zu stark, als daß er sie hätte überwältigen können. Dieser Pippin starb mit Hinterlassung eines unechten Sohnes, welcher damals von Pippins Gemahlin Plektrudis gefangen gehalten wurde. Dies ist der berühmte Karl Martell; er riß sich in dem Augenblick der größten inneren Verwirrung aus seiner Gefangenschaft los und bemächtigte sich mit Gewalt der Herrschaft im Lande, indem er mit Hilfe der alten Anhänger seines Hauses den neustrischen Hausmeier besiegte und nach Neustrien vordrang. Nachdem dies geschehen war, wälzten sich die Sarazenen gegen das Frankenreich heran, welche unstreitig ganz Gallien unterworfen hätten, wenn sie nicht von Karl Martell in der berühmten Schlacht bei Poitiers (732) geschlagen worden wären. Dieser setzte sich nicht allein den Sarazenen im Kriege entgegen, sondern organisierte auch das gesamte fränkische Land in kräftiger militärischer Weise. Sein Erbe hinterließ er namentlich seinem Sohne Pippin dem Kleinen. So erscheint im Abendlande zuerst eine widerstands- und fortschrittsfähige Gewalt, nicht in dem bisherigen Königtum, welches ganz heruntergekommen war, sondern in Männern, welche einem der vornehmsten Geschlechter des Landes angehörten und, nachdem sie das fränkische Reich mit Recht oder Unrecht an sich gezogen hatten, nach allen Seiten hin sich kampffertig aufstellten.
Was nun die Stellung des Papstes anbelangt, so war es hier von der größten Wichtigkeit, daß er, der noch immer dem oströmischen Reiche angehörte, sich von demselben trennte und zwar gerade in der Epoche Karl Martells. Das geschah in folgender Weise. Kaiser Leo der Isaurier hatte den Gedanken, sich dem Mohammedanismus zu nähern, weshalb er auch Sarakenophron, d.h. der sarazenisch Gesinnte, genannt wurde. Um den Vorwurf der Mohammedaner, als ob die Christen Götzenbilderverehrer wären, von sich abzuwenden, oder vielleicht auch aus Überzeugung, verbot er den Bilderdienst und zerstörte die Bilder großenteils. Dadurch kam er natürlich in Konflikt mit dem römischen Papst, der ohnehin aus verschiedenen Gründen nicht mehr zum oströmischen Reiche halten wollte. Hierhin gehört namentlich die geringe Hilfe, welche Byzanz dem Papste in seinem Kampfe mit den Langobarden leisten konnte, und die Ungeneigtheit verschiedener italienischer Städte, sich von Konstantinopel aus regieren zu lassen. So richtete der Papst nunmehr sein Augenmerk nach dem Abendlande, wo er sich bereits einer hohen Verehrung zu erfreuen hatte. Das entscheidende war aber hiebei, daß der Papst von den langobardischen Königen immer stärker und stärker bedrängt wurde. In dieser Not wendete er sich an den fränkischen Hausmeier.
Im Frankenreich war der Zustand ein ganz anomaler geworden: da war der alte Volkskönig, der auf seiner Villa haushielt und auf die öffentlichen Angelegenheiten gar keinen Einfluß mehr ausübte, und ihm gegenüber der Hausmeier, der die ganze Gewalt in Händen hatte. So lag die Frage ganz nahe: soll dieser Zustand so fortdauern, oder soll derjenige, welcher die Gewalt hat, auch König sein? Diese Frage legte Pippin, der die ungeheure Autorität des Papstes im Abendlande kannte, dem Papste Zacharias vor. Dieser antwortete, ihm scheine es besser, daß derjenige, welcher die Gewalt habe, auch König sei, und fügte ausdrücklich die motivierenden Worte bei: ne conturbaretur ordo.Damit die Ordnung nicht gestört würde. Kaum war diese Antwort angelangt, so wurden die Großen des fränkischen Reiches zusammengerufen, Pippin von ihnen auf den Schild gehoben und als König anerkannt. Mittlerweile ging der Kampf zwischen den Langobarden und dem Papste immer fort, so daß Pippin über die Alpen steigen und dem Papste zu Hilfe kommen mußte. Er eroberte das sogenannte Exarchat, welches die Langobarden schon in Besitz genommen hatten, und schenkte seine Eroberungen dem Papste, » pro amore Dei et sancti Petri«.Aus Liebe zu Gott und dem heiligen Petrus. Der Papst erschien hierauf selbst in Francien und salbte den König.
Wir sehen also nunmehr eine überaus enge Vereinigung des Papsttums mit dem Königtum. Das Papsttum wurde durch das Königtum gerettet, und das Königtum von dem Papsttum zur höchsten Autorität erhoben. Es ist eine höchst merkwürdige Erscheinung, daß der Papst an die Stelle des alten Ansehens der Legitimität die geistliche Autorität setzte. Dadurch wuchs die im Abendlande begründete Völkervermischung zu einer großen Einheit empor. Auf der einen Seite stand der große Romane, der Papst, als Führer der Bischöfe, die voll Verehrung zu ihm aufschauten; auf der andern Seite das Oberhaupt der Germanen mit seiner ungeheuren weltlichen Macht, die aber durch die Krönung und Salbung einen gewissen geistlichen Beisatz empfing. So entstand eine neue Welt im Abendlande, alles aber vereinigte sich unter doppelter Führung, unter der geistlichen und der weltlichen.