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Anekdoten von Kirchendienern

Manteufel und Wettengel.

1. Ein gewisser Hauptmann von Manteufel hörte einmal den Superintendenten Wettengel predigen und wurde durch dessen Vortrag zu folgenden Versen begeistert:

Wenn wir auf Erden Engel hätten,
So wollt' ich wohl mit Ihnen wetten,
Wer schöner Gottes Lob erhebt,
Sie oder Du.

Darauf antwortete der gewandte Superintendent:

O! wäre jeder Mann ein Teufel,
Dem Namen nach, wie Du es bist;
So war' auch jeder ohne Zweifel
Ein guter Engel und ein Christ!

Manteufel endigte das Spiel durch die Erwiderung:

Wollt ich das Wortspiel weiter treiben,
So würde mir zuletzt nur Schande übrig bleiben.
Drum will ich mich in meiner Schwachheit beugen,
Denn wo der Engel spricht, da muß der Teufel schweigen.

*

2. Ein reicher und geiziger Pfarrer, der nicht wußte, wo er sein Geld sicher genug verwahren sollte, legte es in das Sacraments-Häuschen und schrieb darüber: » Dominus est in ipso loco!« (Der Herr ist an diesem Orte!) Ein Anderer nahm den Schatz heraus und schrieb darüber: » Surrexit, non est hic!« (Er ist auferstanden und nicht mehr hier!)

*

3. Feuer! Feuer! rief ein Methodistenprediger, als er mitten in seiner Predigt bemerkte, daß fast, ohne Ausnahme, alle seine Zuhörer schliefen. Von diesem Feuerruf erwachend, schrien sie, wie aus einem Munde: »Wo denn? Wo denn?«

»In der Hölle!« schrie mit starker Stimme der Prediger, »für alle die, welche sich während der Predigt dem Schlafe überlassen.«

*

4. R..., ein gefeierter Prediger in London, sollte heute in der Johannis-Kirche einen öffentlichen Vortrag halten. Auf dem Wege dahin verliert er sich, zufolge der ihm natürlichen Zerstreuung, und gelangt in eine andere Kirche. Kaum war er in die Sacristei getreten, so gewahrte er seinen Irrthum, als der anwesende Prediger dieser Kirche sagte: »Heute werde ich wohl wenig Zuhörer haben; denn alles strömt der Johanniskirche zu, um den berühmten R... zu hören.« »So,« antwortete R..., »da muß ich denn auch sofort hineilen, um ihn zu hören.«

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Adelung als Prediger.

5. Der berühmte Sprachforscher Adelung war nach seinen Universitätsjahren Hofmeister auf dem Lande, mit ziemlich sicherer Aussicht auf eine Predigerstelle, und hielt deßhalb eine Gastpredigt. Ein hübsches, aber muthwilliges Mädchen droht ihm Abends vorher, sie werde ihn necken und aus dem Concepte bringen. Adelung behauptete, das sei unmöglich; er bestieg den Predigtstuhl getrost und begann seine salbungsvollen Worte: Hilf Himmel! da tritt dem Predigtstuhl gegenüber, wo eine Thür mit einigen Stufen in die Kirche herabführt, in dem Augenblicke, wo er die Textworte spricht: »Wer da steht, sehe wohl zu, daß er nicht falle!« die hübsche Kleine verspätet herein, gleitet aus, fährt die Stufen herab und kommt am Boden in eine so possierliche Lage, daß Adelung laut auflacht, den Faden verliert und abtreten muß. –

*

Der Apell in der Kirche.

6. Die Garnison in F. wird bekanntlich jeden Sonntag in die Kirche zum Gottesdienste commandirt. Dies gab kürzlich Anlaß zu folgender lächerlichen Scene. Ein Soldat, Namens Heil, war während der Predigt eingeschlafen; als nun der Pfarrer den Tugendhaften und Redlichgesinnten oder irgend einen Großen der Erde, ein » Heil« von der Kanzel herabdonnerte, erwachte der Schläfer, der sich beim Namen gerufen zu hören glaubte, und schrie daher, wie beim Vorlesen, sein militairisches »Hier!«

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Universitätengeographie.

7. Wo liegt Leipzig? – in Meißen.
Wo liegt Königsberg? – in Preußen.
Wo liegt Tübingen? – in Schwaben.
Wo liegt Wittenberg? – bei Eppendorf im Graben.

Stecken bleiben.

8. Ein Kandidat, der zum ersten Male predigte, blieb in der Predigt stecken. Der witzige Schulmeister fing darauf als Kanzellieb den Vers an:

Reiche deinem schwachen Kinde,
Das auf matten Füßen steht,
Deine Gnadenhand geschwinde.
Bis die Angst vorüber geht. –

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Der Titelsüchtige.

9. Als in dem Feldzuge von 1814 Truppen in eine kleine Stadt einrückten, erhielt der Graf von L. sein Quartier bei dem stolzen und hochmüthigen Generalsuperintendenten. Der General nannte ihn immer »Herr Pastor.« Dieß verdroß den Titelsüchtigen, welcher endlich sagte: »Sie könnten mich wohl bei meinem mir zukommenden Titel, Generalsuperintendent, nennen.« Ich bin eben so ein General über meine Prediger, wie Sie über Ihre Soldaten. – »Gut,« entgegnete der General, »ich werde Sie von nun an kurzweg Herr Kollege nennen.« –

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10. Die Vergehung eines Layen, sagt ein Engländer, gleicht dem falschen Gange einer Taschenuhr, den nur eine Person betrifft; vergeht sich aber ein Geistlicher, ist es so, als wenn die Kirchthurmuhr falsch geht, das macht viele irre.

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Die Replik auf einen Vorwurf.

11. Ein Kandidat, der sich zu einer Pfarrstelle bei einem Kirchenpatron meldete, mußte über Gebühr lange im Vorzimmer warten. Schon hierüber aufgebracht, war er endlich vorgelassen. Als sich aber auch noch der Kirchenpatron mißfällig über seinen Schnurrbart äußerte, rief er aus: »Was! ich einen Schnurrbart? sich nach dem Munde fühlend) der muß gewachsen sein, als ich im Vorzimmer wartete.«

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12. Der Pastor Stein predigte einst als (Kandidat vor dem sächsischen Oberhofprediger Hermann und trug eine modische, sehr abgekürzte Perücke. Hermann nimmt ihn mit auf sein Zimmer, beurtheilt seine Predigt und als Stein im Weggehen begriffen ist. sagt er: Warten Sie doch ein Wenig, Herr Candidat. Johann! der Bediente kommt. Johann, geht gleich zu meinem Perückenmacher. Sagt ihm, er soll mir eine neue Perücke machen, aber keine so kurze Narrenperücke, wo die Ohren herausgucken. Solche Perücken tragen nur die Narren. Nun gehen Sie, mein lieber Herr Candidat.

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