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Pantagruel schwieg auf diese Worte eine gute Weile und schien in tiefen Gedanken. Dann sprach er zu Panurg: »Der böse Geist betört Euch; aber höret mich. Ich hab' gelesen, daß die Orakel, die man vor alters schriftlich oder mündlich gab, nicht eben die gewissesten und untrüglichsten gewesen sind. Öfters sind daran selbst die Leute, die man für fein und sinnreich hielt, irr worden; wegen der verblümten, zweideutig dunkeln Worte als auch wegen der Kürze der Sprüchlein. Deshalb holet Euch ohne alle Worte durch Zeichen Rats bei einem Stummen.« – »Ich bin's zufrieden«, antwortete Panurg. – »Aber«, versetzte Pantagruel, »jetzt bleibt noch die Frage, ob Ihr diesen Rat bei einem Mann oder einem Weib holen wollt.«
»Ich holt' ihn wohl gern«, meinte Panurg, »bei einem Weib; nur fürcht ich mich vor zweierlei. Erstens: Was man Weibern gegenüber auch für Zeichen, Winke und Gebärden macht, das beziehn und deuten sie alles und jedes gleich aufs Bürzelspiel; da wären wir also schlecht beraten; denn ein Weib hielt all unsre Zeichen für venerische. Denkt an das, was sich 260 Jahre nach Roms Erbauung daselbst ergab. Ein junger römischer Kavalier begegnet' auf dem Cölier Berg einer lateinischen, taub und stumm geborenen Dame mit Namen Verona und frug sie mit allerlei lebhaften Gebärden (weil er von ihrer Taubheit nichts wußte), wie viel es auf der Tarpejischen Turmuhr geschlagen hab'. Da sie nun nicht verstand, was er ihr sagte, dachte sie, er wolle, was sie selber im Sinn hatte und junge Leute gemeiniglich von Weibern begehren. Sie lockte ihn daher mit Zeichen (die in der Liebe ungleich beredsamer, eindringlicher und bündiger als alle Worte sind) beiseit in ihr Haus, bedeutete ihm, daß ihr das Spiel behage: kurz, ohn ein Sterbenswörtlein machten sie sich ans Werk, daß die Federn stoben.
Zweitens: Eine Frau würde auf unsre Fragen uns gar keinen Bescheid geben, sondern gleich auf den Rücken fallen, zu tätlicher Bekräftigung unsres stummen Begehrens. Oder, wenn sie auf unsre Fragen ja uns Zeichen und Gebärden zur Antwort gäbe, würden sie so possierlich und toll sein, daß wir ihre venerische Absicht selbst darin sähen. Ihr wißt doch wohl, wie einst zu Brignoles die Nonne Hinterstück von dem jungen Klosterbruder Stechzu geschwängert worden war. Als ihre Schwangerschaft herauskam, ließ sie die Äbtissin vor das Kapitel zitieren und beschuldigte sie der Unzucht. Sie versicherte, daß sie nicht darein gewilligt, sondern durch Notzwang des Bruders Stechzu vergewaltigt worden sei. Darauf erwiderte die Äbtissin: ›O du abscheuliches Frauenzimmer; es war im Dormitorium, was schriest du nicht Feuer! Wir wären dir alle zu Hilf gelaufen.‹ Antwort: Sie hätte sich nicht im Dormitorium zu schreien getraut, weil dort ewiges Schweigen herrschen müsse. – ›Aber‹, sprach die Äbtissin, ›warum, o du Abscheuliche! gabst du nicht deinen Stubennachbarn ein Zeichen?‹ – Antwort: ›Ei, ich gab ihnen Zeichen mit dem Hintern, so viel ich konnte, aber kein Seel kam mir zu Hilfe.‹ – ›Aber, o Abschaum!‹ sprach die Äbtissin, ›was kamst du nicht auf der Stelle zu mir und verklagtest ihn, wie sich gebühret? So hätt' ich, wenn mir's passiert wär, zum Beweis meiner Unschuld getan.‹ – ›Weil ich‹, antwortete die Nonne, ›aus Furcht, in Sünd und Verdammnis zu bleiben, wenn mich ein schneller Tod ereilt hätt', ihm beichtete, und er zur Buß mir auflegte, es keinem zu sagen oder mitzuteilen. Ein allzu schauderhaftes Vergehn wär es gewesen, die Beichte zu verraten, allzu abscheulich vor Gott und Engeln. Das Feuer des Himmels hätt' dafür leicht das ganze Kloster verschlingen können, und wir wären alle miteinander zur Hölle gefahren.‹«
»Ihr bringt mich doch nicht zum Lachen«, sprach Pantagruel. »Ich weiß lang, das Mönchsgesindel samt und sonders scheut sich weit minder, Gottes Gebot, als seine Klostersatzung zu übertreten. Nehmet also einen Mann. Der Schafsnas scheint mir geschickt dazu; er ist taubstumm geboren.«