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Dieses Buch deutscher Geistesgeschichte, welches den Antheil der Literatur an dem Durchbruch der modernen Ideen des Liberalismus und Realismus im deutschen Bildungs- und Staatsleben schildert, kann ich nicht ohne Danksagung nach verschiedenen Seiten an die Oeffentlichkeit hinaustreten lassen.
Seit ich vor nun zwölf Jahren, bald nach Gutzkows Tode, für das Vorhaben, die Biographie dieses Dichters zu schreiben, bei seiner Wittwe, Frau Dr. Bertha Gutzkow in Frankfurt a. M. und seinen verstreut wohnenden ihn überlebenden Freunden, wie auch bei seinem einstigen Schicksalsgenossen Heinrich Laube in Wien freundliches Entgegenkommen und fördernde Theilnahme fand, bis zu dem Vertrage mit den neuen Besitzern der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, der mir die unentbehrliche Muße für die ruhige Gestaltung dieses Buches gewährte, habe ich von sehr Vielen Auskunft erbeten und Hülfe empfangen, ohne welche ich nie die meinem Plane entgegen stehenden Schwierigkeiten hätte überwinden können. Ursache und Charakter dieser Schwierigkeiten, die mich zwangen, mit der Wünschelruthe des literarischen Quellensuchers von Bibliothek zu Bibliothek zu wandern, durch mündliche und schriftliche Anfrage an hundert verschiedenen Stellen, durch Anknüpfung literarischer Beziehungen in Berlin, Leipzig, Breslau, Stuttgart, Frankfurt, Hamburg, Kiel, Dresden, Wien, erst den geschichtlichen Rohstoff für meine Darstellung zusammen zu bringen, die mir ferner es nahe legten, statt einer Monographie über Gutzkow dieses weitergespannte Zeitbild zu schreiben, habe ich in meinem Eingangskapitel eingehend dargelegt. Aber wenn ich dort und im ferneren Laufe der Darstellung auch wiederholt Gelegenheit hatte, auf einzelne Persönlichkeiten hinzuweisen, die mir diese und jene wichtige Auskunft erschlossen, so bleibt mir doch noch übrig, den Dank an alle Uebrigen abzutragen, die mich in ähnlicher Weise mit Rath und That unterstützten. Als solche möchte ich hier noch die Herren Oberbibliothekar Dr. Ebrard und Dr. Kelchner an der Frankfurter Stadtbibliothek und Herrn Dr. Berghöffer, den Vorsteher der »Freiherrl. Carl von Rothschild'schen öffentlichen Bibliothek« daselbst mit Hervorhebung namhaft machen. Die rühmenswerthe Anordnung der Stifterin dieser letztern, daß in Frankfurt a. M. entstehende literarische Arbeiten durch entsprechende Bücheranschaffungen besonders zu unterstützen seien, ist auch der meinigen wesentlich zu Gute gekommen.
Freilich war es während derselben Zeit auch mein Schicksal, all diesen außerordentlichen Aufwand von Mühe und Hingebung an eine Sache zu setzen, die von vielen Seiten und von tonangebenden Stimmführern weiter Bildungskreise als eine verlorene bezeichnet wurde. Der Verleger, der in mir zuers den Gedanken einer Gutzkow-Biographie angeregt, trat unter dem Eindruck dieser Strömung von dem Unternehmen zurück und lange dauerte es, bis ein Anderer den Muth hatte, dasselbe – wenigstens in veränderter Gestalt – wieder aufzunehmen. Wie aber dieses Schicksal nunmehr der Arbeit die meiner persönlichen Geistesart besonders sympathische Form einer literarischen Rettung gegeben, so hat die längere Reifezeit gewiß auch sonst nur derselben zum Vortheil gereichen können. Das Bewußtsein, gegen mächtige Gegner für verdienstreiche, mit Unrecht verketzerte und verlästerte Geister und deren gute Sache ins Feld zu treten, konnte mich in dem freudigen Trotz, diese Arbeit doch durchzuführen, nur bestärken. Ihre Schmähungen wirkten als Ansporn, alles daran zu setzen, die geschichtliche Wahrheit an ihren Dokumenten zu erweisen und dem wiedererweckten lebendigen Geist jener folgenreichen Frühzeit auch lebensvoll darzustellen. Weit mehr aber als ich bei einer mit Polizeigewalt unterdrückten Literaturperiode erwarten durfte, sah ich mich bald von den Ergebnissen meiner Forschung in dem Streben nach solcher Gestaltung gefördert. Die zerstreuten Elemente fügten sich von selbst zu einem Ausbau von geradezu romanhafter Spannung und dramatischer Steigerung, dessen Abbild zu schaffen, nicht mehr eine Mühe, sondern ein hoher geistiger Genuß war und es blieb bis zum Schlusse. Von Fund zu Fund wuchs dabei in mir die Ueberzeugung, daß hier die Thatsachen selbst, wenn sie nur erst der Vergessenheit entrissen und in Zusammenhang gebracht sein würden, die Legende der Gegner für immer zerstören müßten. Denn wie sollte dieser Sieg schließlich ausbleiben, wo es sich um ritterliche Vertheidigung von kühnen Wegbahnern des Fortschritts und wagmuthigen Pionieren von Deutschlands Wiedergeburt gegen die Undankbarkeit einer Zeit handelt, die im Rausch des Erfolgs der opferfreudigen Geister vergessen hat, aus deren schwer erkämpften Errungenschaften sich der stolze Bau ihrer Erfolge erhob.
Je mehr ich vordrang in der Erkenntniß aller Zusammenhänge, Ursachen und Folgen und des Charakteristischen dieser Bewegung, je mehr das Chaos der Meinungen sich lichtete und der geschlossene Entwicklungsgang eines bedeutsamen und ergreifenden Dramas der Geschichte an ihre Stelle trat, um so klarer wurde mir auch, warum die einseitig-ästhetische und die einseitig-politische Betrachtung hier zu unzureichenden Resultaten hatte gelangen müssen. Ich sah das Bild einer literarischen Sturm- und Drangzeit, in der auf allen Gebieten geistigen Strebens – wie auf den folgenden Seiten ausgeführt ist – der brausende Keimwind einer neuen Zeit für Deutschland diejenigen Ideen zu knospender Entfaltung brachte, deren Blüthen und Früchte dem nun zur Rüste sich neigenden Jahrhundert seinen Charakter verliehen, einer Sturm- und Drangzeit, in welcher trotz des hartnäckigsten Widerstands der bestehenden Mächte, trotz Acht und Bann gegen die jungen Sturmgeister, diese gerade denjenigen Idealen das Recht auf Verwirklichung erstritten, welche auf die ruhmreiche Gestaltung der folgenden Geschichtsperiode von bestimmendem Einfluß waren. Und je deutlicher und greifbarer mir der aus Schutt und Asche der Vergangenheit sich erhebende Geist dieses wahrhaft jungen Deutschlands wurde, um so mehr empfand ich auch, daß es eine Ehrensache der Nation sei, den Führern dieser Bewegung ein gemeinsames Denkmal zu errichten, und eine Ehre, mit der Ausführung desselben betraut zu sein. Das erhebende Bewußtsein erfüllte mich und begleitete mich bei der Arbeit, daß diesem Werke eine für unsere Zeit wichtige Mission zufalle, die Mission, unserer Gegenwart mit ihren geistigen Gährungen, in welcher die Pflichten des Bürgers und die Rechte des Menschen, die allgemeinen Interessen und das individuelle Bedürfen, das Prinzip der Gleichheit und das der Freiheit gegen einander im Kampfe stehen unter der Herrschaft sozialer Ideen, das Bild einer ähnlichen Uebergangszeit vorzuführen, in welcher unter der Herrschaft der liberalen Ideen junge Geister im Kampfe standen, aber ohne die Freiheit, die wir besitzen, und von einem hoffnungsfreudigen Idealismus beseelt, der selbst ihre Irrthümer verklärt und in schroffem Gegensatz zu dem Materialismus steht, welcher heute auf fast allen rein idealen Bestrebungen mit drückender Schwere lastet …
Ein Verzeichniß der Quellen, die für das Buch benutzt wurden, diesem beizugeben, verbot sich schon durch den Umfang, den dasselbe in Anspruch genommen haben würde. Auch habe ich zu Gunsten eines ununterbrochen fortschreitenden Vortrags mich im Texte stets auf kurze Quellenverweisungen und zwar bei solchen Stellen beschränkt, wo ein vorhandener Widerspruch meiner Angaben zu der überlieferten Meinung dies nöthig erscheinen ließ oder wo es sich um direkte Entlehnungen handelte. Die Eigenart eines Geschichtswerks, das zu einem großen Theil aus Werken, Zeitschriften und Dokumenten schöpfte, die durch Bücherverbote und ähnliche Maßregeln schon vor einem Halbjahrhundert dem Publikum entzogen wurden, und das durch den Nachweis solcher Aktenstücke die Behauptungen anderer zu widerlegen hatte, machte es andrerseits zur Pflicht, in solchen Zitaten möglichst wörtlich und möglichst ausführlich zu sein. Hier war ein Prozeß zu führen, in welchem das Wort der Vertheidigung am wirksamsten den Beklagten selber zufiel. Der Wunsch nach Geschlossenheit der Wirkung ist auch zum Anlaß geworden, das Ganze in einem einzigen Band, statt in zwei kleineren zu bieten und den Verlockungen zu widerstehen, welche sich aus der Verflochtenheit unseres Gegenstands mit den politischen Ereignissen der Jahre 1813 bis 1848, mit der Entwickelung der deutschen Presse und der Geschichte der lebendigen Wirkung von Goethe's Geist im Kulturleben unserer Nation ergaben. Aus ähnlichem Grunde ist das polemische Element fast ganz in das orientirende erste Kapitel verwiesen, so daß was in diesem die Apologie behauptet, in den übrigen elf Kapiteln in objektiv historischer Darstellung bewiesen wird. Und so hoffe ich, was in meinen Kräften stand, geleistet zu haben, um ein klares und festumrissenes Bild von einer Bewegung zu geben, auf welche in ganz besonderem Maße das herrliche Apostelwort zutrifft, daß es der Geist ist, der da lebendig macht.
Stuttgart, den 10. November 1881.
Johannes Proelß.