Gunther Plüschow
Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau
Gunther Plüschow

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Wieder im Vaterland!

Auf meinem Sitz konnte ich es nicht lange aushalten. Ich war allein in meinem Kupee erster Klasse, und von Gedanken und Hoffnungen, die mein Hirn durchrasten, überwältigt, lief ich wie ein wildes Tier in seinem Käfig im Abteil auf und ab.

Endlich, endlich, es schien ja eine Ewigkeit zu sein, fuhr der Zug langsam über die deutsche Grenze.

Der schwarzweiße Pfahl grüßte zu mir herüber, und weit lehnte ich mich aus dem Fenster heraus, und jubelnd schrie ich zweimal Hurra!

Das dritte Hurra blieb mir in der Kehle stecken, und überwältigt vor Dankbarkeit, vor Freude und Glück schluchzte ich laut auf und konnte es nicht verhindern, daß mir die Tränen aus den Augen liefen.

War das Schlappheit?

Der Zug hielt in Goch, die ersten Feldgrauen, die ich in meinem Leben sah, standen auf dem Bahnsteig, und unbesorgt sprang ich aus dem Zug.

Ein harter Griff packte mich am Rockkragen, und ein mächtiger preußischer Wachtmeister mit 244 grimmigem Blick unter leuchtendem Helm, hielt mich in seiner stählernen Faust.

»Ha, da haben wir das Bürschchen!«

Ich wäre dem braven Feldgrauen am liebsten um den Hals gefallen. Noch nie habe ich mich in meinem Leben so sicher gefühlt wie in diesem Augenblick.

Ich versuchte zu erklären, wer ich sei, ein Lächeln, welches einem anderen wenig Trostvolles gesagt hätte, war die Antwort.

Von zwei biederen Landsturmleuten wurde ich am nächsten Morgen nach Wesel transportiert.

Auf dem Geschäftszimmer war noch niemand zu sprechen. Kleine Jungens waren mir nachgelaufen, warfen mit Steinchen und riefen: »Sie haben, sie haben ihn, einen Spion!« Diese prächtigen Blondköpfe!

Eine Ordonnanz nahm mich in Empfang.

»Na setzen Sie sich mal hin, mit solchen Leuten wie Sie machen wir kurzen Prozeß, wenn erst der Herr Kapitänleutnant F. kommt, dann gibt's nur ein kurzes Verhör und Sie baumeln!«

Nach einiger Zeit kam der Gestrenge, natürlich ein Kamerad von mir. Das Erstaunen und die Freude waren nicht zu beschreiben. Aber erst das dumme Gesicht meiner liebenswürdigen Ordonnanz! Diese mußte jetzt sogar laufen und mir Frühstück holen. 245

Eine besondere Freude machte mir noch hier in Wesel ein englischer Steckbrief aus der ›Daily Mail‹ vom zwölften Juli, also von einer Zeit, wo ich bereits längst in Sicherheit war, der damit endete, daß ich wahrscheinlich versuchen würde, mich auf einem neutralen Dampfer als Matrose anwerben zu lassen, und daß:

his recapture should be but
a matter of time!

Nach einer Stunde saß ich, immer noch in meinem Arbeiteranzug, mit einem Paß in der Tasche im D-Zug nach Berlin und fuhr natürlich – – – erster Klasse.

Endlich war ich am Ziel! Fast neun Monate hatte ich gebraucht, um mich von Tsingtau bis nach Deutschland durchzuschlagen.

Deutschland, o du mein geliebtes Vaterland! Nun war ich da.

Wunderbar strahlte die Sonne an diesem dreizehnten Juli Neunzehnhundertfünfzehn vom Himmel herab, und trunkenen Auges nahm ich die herrlichen Heimatbilder in mich auf.

In meinem Abteil erster Klasse saß ich alleine und hatte mich zu beiden Seiten des Fensters breit gemacht und fing an, in Blei meinen Bericht zu schreiben.

In Münster stieg eine alte Exzellenz in voller Uniform in mein Abteil. Höflich stand ich auf, räumte den einen Fensterplatz frei und fragte: 246 »Darf ich Eurer Exzellenz gehorsamst den einen Fensterplatz einräumen?« Ein wütender Blick seiner stahlharten Augen, dann entrang sich ein verächtliches »Brrrr« seiner Kehle, und schwupp schlug er die Türe zu und ließ mich alleine.

Sollte Seiner Exzellenz durch Zufall dieses Büchlein in die Hand fallen, so bitte ich gehorsamst, mir zu verzeihen, daß ich damals vergaß, in welchem Anzug ich steckte!

Abends um sieben Uhr lief der Zug im Bahnhof Zoo ein.

Feucht schimmerten zwei herrliche blaue Augensterne, ein riesiger Strauß wunderbarster roter Rosen lag in meinem Arm, und vor Glück und Wiedersehensfreude nicht mächtig ein Wort zu sagen, verließen wir den Bahnhof.

Die nächsten Tage durchlebte ich wie im Traum.

Als ich den Admiralstab betrat, wollte mich natürlich der Portier zuerst nicht hereinlassen, und auch in den großen Geschäften, wo ich mir schleunigst Sachen kaufen wollte, da ich von meinem ganzen Hab und Gut nichts mehr besaß als den Arbeiteranzug, den ich auf dem Leibe trug, wollten mich natürlich zuerst die Türhüter hinauswerfen.

Einige Tage hatte ich im Reichsmarineamt zu arbeiten, dann erhielt ich meines Kaisers Dank.

Und mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse geschmückt fuhr ich stolz zu den Meinen. 247

Nach einigen Wochen Erholung kam dann die größte Belohnung.

Ich wurde wieder Flieger und durfte mitarbeiten an dem großen Werk von Deutschlands Kampf und Sieg.

Und als an der östlichen Kampffront mein allergnädigster Kaiser und Herr die Seeflugstation besichtigte, die unter meinem Kommando stand, und mir die Hand drückte und mir persönlich seine kaiserliche Anerkennung aussprach, da blickte ich ihm fest in die Augen, und flammend stand in meiner Seele:

 

Mit Gott für Kaiser und Reich!

 


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