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1. Einen trefflichen demnach nenne ich den derartigen Staat und diese Staatsverfassung und auch einen richtigen, und ebenso auch den derartigen Mann; schlechte hingegen und verfehlte die übrigen, woferne dieser der richtige ist, sowohl bezüglich der Staatsverwaltung, als auch bezüglich der Herstellung der Art und Weise der Einzeln-Seele; in vier Formen der Schlechtigkeit aber bewegen sich diese. – Welche sind diese? sagte er. –
Und ich war nun eben daranDie nähere Erörterung der Formen der Ungerechtigkeit, d. h. der vier schlechten Staats-Verfassungen und ihrer wechselseitigen Uebergänge ineinander, folgt erst im VIII. Buche, nachdem nemlich der auf dem Bisherigen beruhende Ideal-Staat als Verwirklichung der Gerechtigkeit vollständig besprochen sein wird., sie der Reihe nach aufzuzählen, wie mir nemlich die einzelnen derselben wechselseitig ineinander überzugehen schienen; da streckte Polemarchos, – er saß nemlich ein wenig entfernt von Adeimantos –, seine Hand aus, und indem er das Gewand des Letzteren oben an dessen Schulter erfaßte, zog er jenen näher an sich und sagte, zu ihm sich vorstreckend, Einiges ihm in's Ohr, wovon wir Nichts weiter als bloß die Worte verstanden: Sollen wir es also gehen lassen, oder was wollen wir sonst beginnen? – O, durchaus nicht, sagte Adeimantos nun mit lauter Stimme. – Und ich sprach: Was denn eigentlich wollt ihr nicht gehen lassen? – Dich, sagte er. – Und wieder sprach ich: Warum denn eigentlich? – Es scheint uns, daß du leichtfertig loskommen wollest, sagte er, und eine ganze Gruppe der Begründung, und zwar gerade nicht die kleinste, unterschlagest, um sie nicht weiter durchgehen zu dürfen, und daß du der Meinung seist, wir hätten es nicht bemerkt, wie du jenes bloß so schlicht hinsagtest, es sei betreffs der Weiber und Kinder jedem klar, daß den Freunden Alles gemeinsam sei B. IV, Cap. 3; s. oben Anm. 147.. – Ist dieß etwa nicht richtig, sagte ich, o Adeimantos? – Ja, erwiederte er; aber eben, daß es auch in richtiger Weise so sei, bedarf, wie bei allem Uebrigen, noch einer Begründung darüber, welches die Art und Weise der Gemeinschaftlichkeit sei; denn deren möchte es wohl gar viele geben; übergehe also das nicht, welche Art und Weise du meinest. Denn wir warteten schon längst darauf, in der Meinung du werdest irgendwo betreffs der Kindererzeugung eine Erwähnung machen, in welcher Weise die Menschen Kinder erzeugen und wie sie dieselben nach der Geburt pflegen sollen, und wie du überhaupt jene ganze Gemeinschaftlichkeit der Weiber und der Kinder verstehest; denn wir glauben, daß es Vieles und sogar das Ganze für den Staat beitragen werde, je nachdem dieß in richtiger oder in unrichtiger Weise stattfinde. Jetzt also, nachdem du dich bereits an eine andere Staatsverfassung machtest, ehe du noch dieses genügend erörtert hattest, beschlossen wir, was du so eben vernahmst, nemlich dich nicht eher loszulassen, bis du nicht all dieses ebenso, wie das Uebrige, durchgegangen hast. – Und rechnet also auch mich, sagte Glaukon, zu den für diesen Beschluß Stimmenden. – Glaube zuverlässig, o Sokrates, sprach auch Thrasymachos, daß dieß unser aller Meinung sei. –
2. Was habt ihr doch, sprach ich, damit angerichtet, daß ihr euch so an mich machtet? Welch lange Begründung ruft ihr hiemit gleichsam wieder von Anfang an betreffs jenes Staates hervor, welchen bereits nun durchgegangen zu haben, ich sehr vergnügt war, vollkommen damit zufrieden, wenn man es nur so gelten und beruhen lassen wollte, wie es damals erörtert wurde; indem ihr jetzt jenes wieder zum Vorschein bringt, wißt ihr gar nicht, welchen Schwarm von Begründungen ihr hiemit heraufbeschwöret, einen Schwarm, welchen ich damals schon sehr wohl sah und eben überging, damit er die Sache nicht gar zu massenhaft mache. – Wie aber? sagte Thrasymachos; glaubst du denn, alle Diese seien heute zum Metallgießen hieher gekommen, nicht aber, um begründende Reden zu hören? – Ja, dieß wohl, sagte ich, aber wenigstens mit Maß. – Das Maß aber ja, o Sokrates, sagte Glaukon, für das Anhören derartiger Begründungen ist bei verständigen Menschen das ganze Leben. Aber überhaupt, was dabei unsere Sache ist, so bekümmere dich nicht darum; du hingegen ermüde nicht, betreffs dessen, um was wir dich fragen, deine Ansicht auseinander zu setzen, welches nemlich für unsere Wächter jene Gemeinschaftlichkeit bezüglich der Kinder und Weiber sei und bezüglich der Pflege der Kinder in der Zwischenzeit zwischen der Geburt und dem Eintritte der Bildung, welche Zwischenzeit ja die mühseligste zu sein scheint. Versuche also, anzugeben, in welcher Weise die Gemeinschaftlichkeit stattfinden solle. – Nicht leicht, o du Glücklicher, sagte ich, ist dieß durchzugehen; denn es enthält viel Unglaubliches in noch weit höherem Grade in sich, als jenes, was wir im Früheren schon durchgingen; nemlich sowohl daß wir hiebei von etwas Möglichem sprechen, möchte schwerlich geglaubt werden, als auch daß es, falls es noch so sehr wirklich einträte, so am besten sei, wird man gleichfalls nicht glauben; darum denn nun nehme ich auch gewissermaßen Anstand, diese Dinge zu berühren, damit nicht, mein lieber Freund, die ganze Erörterung bloß ein frommer Wunsch zu sein scheine. – Nimm keinen Anstand, sagte er; denn weder stumpfsinnig noch ungläubig noch übelgesinnt gegen dich sind deine Zuhörer. – Und ich sprach: Sagst du dieß, mein Bester, etwa in der Absicht, um mir Muth einzuflößen? – Ja gewiß, sagte er. – Nun du erreichst, erwiederte ich, gerade das Gegentheil; denn wenn ich auf mich selbst das Vertrauen hätte, daß ich gewiß wisse, was ich sagen soll, wäre der Trostspruch ganz gut; denn unter verständigen und uns lieben Menschen über die wichtigsten und uns lieben Dinge mit dem vollen Wissen der Wahrheit zu sprechen, ist ungefährlich und Muth einflößend, hingegen wenn man kein Vertrauen auf sich haben kann und, während man die Begründungen ausspricht, man sie selbst erst suchen muß, wie bei mir dieß der Fall ist, so ist dieß etwas Aengstliches und Gefährliches, nicht etwa daß man dabei sich lächerlich mache, – denn dieß wäre allenfalls noch ein Scherz –, sondern daß ich, abgleitend von der Wahrheit, nicht bloß allein zu Boden stürze, sondern auch meine Freunde im Sturze mit mir ziehe, in Dingen, in welchen man am allerwenigsten ausgleiten soll. Ich flehe aber, o Glaukon, zur AdrasteaS. m. Anm. 44 z. Phädrus. um dessen willen, was ich zu sagen im Begriffe bin; denn ich antworte, daß es ein geringeres Verbrechen sei, wenn man unfreiwillig Jemanden tödtet, als wenn mau ihn bezüglich des Trefflichen und Guten und Gerechten und Gesetzlichen betrügt; dieser Gefahr also sich auszusetzen, geht eher unter Feinden als unter Freunden an, und demnach passen deine Trostsprüche nicht. – Und Glaukon sagte lachend: Aber, o Sokrates, falls uns in Folge deiner Begründung irgend ein Fehlgriff widerfährt, so verfolgen wir dich nicht weiter, da du am Todtschlage unschuldig und kein Betrüger bist; also sprich nur getrost. – Aber in der That ja, sagte ich, als unschuldig gilt auch dort derjenige, welcher nicht weiter verfolgt wird, wie das Gesetz lautetD. h. nach attischem Strafrechte war bei unfreiwilliger Tödtung (nur von dieser nemlich ist hier die Rede, nicht aber vom Morde) die gerichtliche Verfolgung des Thäters ausschließlich Sache der Blutsverwandten des Getödteten. und sobald daher diese von weiterer Verfolgung freiwillig abstanden, war der ganze Vorfall an sich erledigt. (Von etwas Anderem ist an dieser Stelle gar keine Rede, ungeschickt wäre es, hiebei an Bestrafung im oder Hades oder dgl. denken zu wollen).; wahrscheinlich aber wird es, da es auf jenem Gebiete so ist, auch hier so gelten. – Was also dieß betrifft, sagte er, so magst du immerhin ungescheut sprechen. – Sprechen also, sagte ich, muß ich nun wohl abermals über Dinge, welche ich vielleicht damals gleich in ihrer Reihenfolge hätte besprechen sollen; doch vielleicht ist es auch auf diese Weise richtig, daß wir, nachdem das Drama der Männer vollständig zu Ende ist, nun auch das der Frauen zu Ende führen, zumal da auch du uns hiezu aufforderst.
3. Für Menschen nemlich, welche eine Begabung und Bildung haben, wie wir sie oben durchgingen, gibt es nach meiner Meinung keinen anderen richtigen Besitz und Gebrauch ihrer Kinder und Frauen, als wenn sie hiebei eben nach jener Richtung hinsteuern, nach welcher wir schon zu Anfang steuerten; wir haben ja aber in unserer Begründung es doch wohl versucht, die Männer gleichsam als Wächter einer Heerde aufzustellen B. II, Cap. 15.. – Ja. – Wollen wir also diesem getreu bleiben, indem wir ihnen auch eine entsprechende Entstehung und Pflege verleihen, und erwägen, ob es so uns passe oder nicht? – Wie so? sagte er. – Folgendermaßen: Glauben wir, daß die weiblichen unter den wachenden Hunden das Nemliche, wie die männlichen, mit diesen gemeinschaftlich bewachen und jagen und auch das Uebrige mit ihnen zusammenthun, oder daß die ersteren nur drinnen im Hause bleiben, unfähig zu Weiterem wegen des Gebärens der Jungen und ihrer Pflege, die letzteren aber allein sich plagen und alle Sorge betreffs der Heerden auf sich haben? – Gemeinschaftlich, sagte er, thun sie Alles; nur daß wir die ersteren als schwächere, die letzteren aber als stärkere benützen. – Ist es aber, sprach ich, möglich, irgend Thiere zu dem Nemlichen zu benützen, wenn du ihnen nicht auch die nemliche Pflege und Heranbildung angedeihen läßst? – Nein, es ist nicht möglich. – Wenn wir also die Frauen zu dem Nemlichen benutzen wollen, wie die Männer, so müssen wir sie auch das Nemliche lehren? – Ja. – Musische und gymnische Bildung aber wurde jenen verliehen? – Ja. – Auch den Frauen also müssen wir diese beiden Künste angedeihen lassen, sowie auch die kriegerische Thätigkeit, und zu eben dem Nemlichen müssen wir auch sie benützen? – So scheint es wenigstens, sagte er, demzufolge, was du angibst. – Vielleicht demnach, sprach ich, wird Vieles betreffs dessen, was wir jetzt sagen, im Vergleiche mit der bestehenden Sitte als lächerlich sich zeigen, wenn es so ausgeführt würde, wie wir es sagen. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Was siehst du, sprach ich, hiebei als das Lächerlichste von Allem? gewiß ja das, daß nackt die Frauen in den Ringschulen in Gemeinschaft mit den Männern gymnische Uebungen vornehmen, und zwar nicht bloß die jungen, sondern auch die älteren Frauen, sowie auch die Greise in den Gymnasien lächerlich sind, wenn sie, als runzlige und gar nicht lieblich anzuschauen, dennoch ihre Lust zu Leibesübungen nicht aufgeben? – Ja, bei Gott, sagte er, als lächerlich würde sich dieß, wenigstens nach dem jetzigen Maßstabe, zeigen. – Nicht wahr also, sprach ich, nachdem wir einmal in unserer Begründung fortgesteuert sind, dürfen wir uns vor den Spöttereien der Witzlinge nicht fürchtenVon den griechischen Komikern der platonischen Zeit (d. h. von jenen Dichtern, welche der sogenannten »alten Komödie« angehören) wurden, sowie überhaupt alle Dinge und Vorkommnisse, welche einer komischen Auffassung fähig waren, so auch die mannigfachen Einfälle und Bestrebungen der Philosophen in reichem Maße als Gegenstand von Komödien benützt. Unter den außerordentlich zahlreichen Produkten dieses Zweiges der griechischen Poesie sind uns bekanntlich nur einige der Komödien des Aristophanes erhalten, und auch unter diesen wenigen befindet sich Eine, nemlich die »Ekklesiazusen«, welche eigentlich hauptsächlich derartige philosophische Träumereien über Gleichstellung der Frauen mit den Männern u. dgl. zum Gegenstande hat; und auch, daß hiebei Aristophanes speciell platonische Ansichten im Auge hatte, scheint fast gewiß zu sein (denn wenn auch der platonische »Staat« wahrscheinlich später geschrieben ist, als die aristophanischen Ekklesiazusen, so kannte Aristophanes sicher die Meinungen der Sokratiker über diese Gegenstände aus längst geübtem vertrautem Umgange); aber dennoch ist es nicht nothwendig, bei den hiesigen Worten Plato's ausschließlich nur an jene aristophanische Komödie zu denken, sondern man muß eben dieß festhalten, daß eine nach unseren jetzigen Begriffen über die Komödie überaus große Anzahl derartiger dramatischer Produkte vorlag, auf welche ganz im Allgemeinen hier hingedeutet sein kann., wie viele und welcherlei immer dieselben auch vorbringen möchten gegen die Verwirklichung einer derartigen Veränderung bezüglich der Gymnasien und bezüglich der musischen Bildung, und hauptsächlich bezüglich des Handhabens der Waffen und des Reitens zu Pferde? – Du hast Recht, sagte er. – Sondern da wir einmal begonnen haben, zu sprechen, so müssen wir auch auf die rauhe Seite des Gesetzes geraden Weges hinlenken, indem wir Jene bitten, nicht in ihrer gewohnten Weise zu verfahren, sondern ernsthaft zu sein, und indem wir sie daran erinnern, daß die Zeit noch nicht so lange her ist, in welcher es den Hellenen, ebenso wie jetzt noch den meisten der Nicht-Hellenen, schimpflich und lächerlich schien, daß Männer nackt sich sehen lassen; und damals, als zum ersten Male mit gymnischen Uebungen die Kreter einen Anfang machten, und hernach dann die Lakedämonier, hätten ja gleichfalls die damaligen witzigen Köpfe all Solches in Komödien darstellen können; oder glaubst du nicht? – Ja, gewiß. – Hingegen nachdem, glaube ich, durch den wirklichen Gebrauch sich das Entkleiden bei all Derartigem als besser zeigte, als das Verhüllen, da entschwand dann auch das Lächerliche im Anblicke in Folge des durch Gründe ausgesprochenen Besten, und es erwies sich, daß ein hohler Kopf derjenige sei, welcher etwas Anderes, als das Schlechte, für lächerlich hält und Lachen zu erregen sucht, indem er auf irgend einen anderen Anblick des Lächerlichen, als auf den des Sinnlosen und Schlechten, sein Augenmerk richtet, oder derjenige, welcher bei ernsthafter Besprechung nach irgend einem anderen Zielpunkte als den Guten hinsiehtDiese Begriffsbestimmung des Lächerlichen ist, wie Jeder sieht, ebenso trübselig als falsch. Es gehört der Begriff des Lachens und des Lächerlichen in der That zu den allerschwierigsten, und wir dürfen bei Plato, welcher ja in »höheren Regionen« sich bewegt, keine genügende Erörterung hierüber erwarten; aber mit geschmacklosen Wortverdrehungen. wie z. B. daß das Schlechte das eigentlich Lächerliche sei, ist keinenfalls Etwas ausgerichtet. Vergl. unten Anm. 338.. – Ja wohl, völlig so, sagte er. –
4. Werden wir also nicht zuerst in diesem Betreffe uns darüber verständigen, ob die Sache überhaupt möglich sei oder nicht, und müssen wir nicht die Streitfrage eröffnen, falls Jemand aus Neigung zum Scherze oder in ernstem Bestreben hierüber streiten will, ob überhaupt die menschliche Natur des Weibes zu einer Gemeinschaftlichkeit mit dem männlichen Geschlechte für sämmtliche Werkthätigkeiten befähigt sei, oder ob für keine einzige, oder ob nur für einige derselben, für andere aber nicht, und zu welchem von letzteren beiden dann das Kriegerische gehöre? Möchte nicht, wenn Jemand auf diese Weise am richtigsten den Ausgangspunkt nimmt, er auch, wie man erwarten muß, es am richtigsten an's Ende führen? – Ja, bei Weitem, sagte er. – Willst du also, sprach ich, daß wir zunächst gegen uns selbst zu Gunsten unserer Gegner streiten, damit der Standpunkt der gegnerischen Begründung nicht als ein verlassener Posten von uns belagert werde? – Es steht Nichts im Wege, sagte er. – Laß uns also zu Gunsten Jener Folgendes sagen: »Hört ihr, o Sokrates und Glaukon, es ist nicht nöthig, daß gegen euch Andere streiten; denn ihr selbst habt im Anfange bei der Gründung eures Staates, welchen ihr gründetet, zugestanden, es müsse naturgemäß jeder Einzelne Eines, und zwar das Seinige, thun B. II Cap. 11.. – Wir haben es zugestanden, glaube ich; warum auch nicht? – Ist es nun anders, als daß das Weib vom Manne von Natur aus sich sehr weit unterscheidet? – Warum sollte es sich nicht unterscheiden? – Nicht wahr also, auch eine verschiedene Werkthätigkeit muß gebührender Weise einem jeden von beiden vorgeschrieben werden, nemlich die naturgemäße? – Wie denn anders? – Wie also, seid ihr nicht jetzt im Irrthume und sprecht das Gegentheil gegen euch selbst, da ihr nun hinwiederum behauptet, die Männer und die Frauen sollen das Nemliche thun, während sie doch eine so sehr von einander getrennte Natur haben? – Würdest du nun, o Wunderlicher, irgend Mittel haben, dich hingegen zu vertheidigen? – Sogleich im ersten Augenblicke, sagte er, ist dieß nicht leicht; sondern ich werde dich bitten und bitte dich hiemit bereits darum, du möchtest auch der Begründung zu unseren Gunsten, welcherlei sie sein mag, Worte leihen. – Dieß ist es, o Glaukon, sprach ich, und noch viel Anderes dergleichen, was ich schon längst voraussah und daher nicht fürchtete und Anstand nahm, das Gesetz betreffs des Besitzes und der Pflege der Frauen und Kinder zu berühren. – Nein allerdings, bei Gott, sagte er, es scheint dasselbe nicht leicht zu behandeln zu sein. – Allerdings nicht, sprach ich; aber es verhält sich wohl folgendermaßen: mag Jemand in einen kleinen Teich oder mitten in das größte Meer gefallen sein, schwimmen muß er dennoch jedenfalls. – Ja. allerdings. – Nicht wahr also, auch wir müssen schwimmen und versuchen, uns aus der Begründung zu retten, indem wir hoffen, daß uns entweder irgend ein Delphin auf seinen Rücken nehmeOffenbar Anspielung auf die Sage von Arion, welche auch Herodot (I. 23) erzählt., oder eine andere wundersame Rettung eintrete? – Ja, so scheint es, sagte er. – Wohlan denn, sprach ich; vielleicht finden wir den Ausweg. Wir haben nemlich wohl zugestanden, daß verschiedene Naturen auch Verschiedenes betreiben müssen, und daß die Natur des Weibes und jene des Mannes verschiedene seien; von diesen verschiedenen Naturen aber behaupten wir jetzt, daß sie das Nemliche betreiben sollen. Dieß ist es, worüber ihr uns anklagt. – Ja wohl, gar sehr. – Gar wacker, o Glaukon, sprach ich, ist ja wahrlich die Kraft jener Kunst, welche sich aus Rede und Gegenrede versteht. – Wie so? – Weil es mir scheint, sagte ich, daß Viele in dieselbe auch wider ihren Willen verfallen und dabei nicht etwa bloß einen Wortstreit, sondern ein begründendes Gespräch zu führen glauben, weil sie nicht fähig sind, dasjenige, was gesagt wird, in Arten einzuteilen und so die Erwägung anzustellen, sondern an dem Wortlaute des Gesagten selbst den Gegensatz verfolgen und so eines Streites, nicht aber eines Gespräches, gegenseitig sich bedienen. – Es ist allerdings, sagte er, bei Vielen dieß eine gewöhnliche Erscheinung; zielt aber dieß etwa auch auf uns im jetzigen Augenblicke ab? – Ja, durchaus wohl, erwiederte ich; es kömmt wenigstens darauf hinaus, daß wir wider unseren Willen an Rede und Gegenrede hängen bleiben. – Wie so? – Den Satz, daß Naturen, welche nicht die nemlichen sind, auch nicht die nemlichen Beschäftigungen erhalten dürfen, verfolgten wir gar tapfer und streitsüchtig dem Wortlaute nach, erwogen aber dabei nicht im Geringsten, was denn der Begriff einer verschiedenen und einer nicht verschiedenen Natur sei, und auf was hin abzielend wir damals diesen Begriff aufstellten, als wir den verschiedenen Naturen verschiedene Beschäftigungen und den nemlichen die nemlichen zutheilten. – Allerdings, sagte er, erwogen wir dieß nicht. – Demnach, sprach ich, dürfen wir wohl, wie es scheint, uns selbst fragen, ob die Natur der Kahlköpfigen und der Langhaarigen die nemliche und nicht eine entgegengesetzte sei, und falls wir etwa zugestanden hätten, daß sie eine entgegengesetzte sei, dürfen wir, wenn Kahlköpfige mit Lederbearbeitung sich beschäftigen, von den Langhaarigen dieß nicht dulden, und wenn Langhaarige, es von den Andern nicht dulden? – Lächerlich aber wäre ja dieß, sagte er. – Etwa aus einem anderen Grunde lächerlich, sagte ich, als darum, weil wir ja damals nicht schlechthin in jeder Beziehung von einer nemlichen und von einer verschiedenen Natur sprachen, sondern nur jenen Begriff des Andersseins und des Aehnlichseins bewahrten, welcher eben gerade auf die Beschäftigungen abzielt? wie z. B. vom Arzte und von dem in seiner Seele zur Arzneikunde Befähigten sagten wir allerdings, daß sie die nemliche Natur haben; oder glaubst du nicht? – Ja, gewiß. – Der zur Arzneikunde Befähigte aber und der zur Baukunde Befähigte eine verschiedene? – Ja, durchaus wohl. –
5. Nicht wahr also, sagte ich, auch bei dem Geschlechte der Männer und der Frauen werden wir, wenn sie bezüglich irgend einer Kunst oder einer anderen Beschäftigung sich als verschieden zeigen, demnach behaupten, daß man eben diese je einem der beiden zutheilen solle; wenn sie sich aber bloß dadurch von einander verschieden zeigen, daß das Weibliche gebiert und das Männliche es befruchtet, so werden wir behaupten, daß darum noch um nichts mehr bewiesen sei, daß bezüglich dessen, wovon wir hier sprechen, das Weib vom Manne verschieden sei, und wir werden noch immer der Meinung sein, daß unsere Wächter und ihre Frauen das Nemliche betreiben sollen. – Ja, und mit Recht, sagte er. – Nicht wahr also, nach diesem werden wir jenem, welcher das Gegentheil sagt, auferlegen, uns eben darüber zu belehren, bezüglich welcher Kunst oder welcher Beschäftigung unter jenen, welche die Einrichtung eines Staates betreffen, die Natur des Weibes und jene des Mannes nicht die nemliche, sondern eine verschiedene sei. – Wenigstens ist dieß gerecht. – Vielleicht jedoch könnte, wie auch du kurz vorher einmal sagtest, ebenso auch ein Anderer sagen, daß sogleich im ersten Augenblicke dieß anzugeben nicht leicht sei, nach einiger Erwägung aber gar nicht schwierig. – Ja, allerdings könnte er dieß sagen. – Willst du also, daß wir jenen, welcher uns derartig widerspricht, nun bitten, er möge uns nachfolgen, woferne etwa wir ihm nachweisen können, daß es keine dem Weibe eigenthümliche Beschäftigung bezüglich der Staatsverwaltung gebe? – Ja, allerdings. – So komm denn, werden wir zu ihm sagen, und antworte uns. Meintest du es in diesem Sinne, daß der Eine von Natur aus zu Etwas begabt sei und der Andere nicht begabt sei, insoferne Ersterer Etwas leicht lernt, Letzterer aber schwer, und insoferne Ersterer von einem kurzen Unterrichte her weithin eine Erfindungsgabe in jenem, was er lernte, besitzt, Letzterer aber nach langem Unterrichte und Fleiße nicht einmal behalten kann, was er lernte, und insoferne Ersterem die körperlichen Verhältnisse genügend zu seiner Denkthätigkeit dienstbar sind, Letzterem aber feindselig entgegentreten? ist es etwa irgend Anderes, als dieses, wornach du den wohl Begabten und den nicht Begabten bezüglich der einzelnen Dinge von einander unterschiedst? – Keiner, sagte er, wird Anderes anführen. – Weißt du also unter den Gegenständen des menschlichen Fleißes irgend einen, in welchem nicht in all diesen Beziehungen das Geschlecht der Männer gegenüber jenem der Weiber sich hervorthue? oder sollen wir weitschweifig von der Weberkunst oder von der Thätigkeit des Backens und Kochens sprechen, worin das weibliche Geschlecht irgend eine Geltung zu haben scheint, und wo es auch am allermeisten ausgelacht würde, wenn es hierin nachstünde? – Du sprichst wahr, sagte er, daß so zu sagen in sämtlichen das Eine Geschlecht von dem anderen weit übertroffen wird; jedoch sind viele Frauen bezüglich vieler Dinge besser als viele Männer; aber im Ganzen verhält sich's so, wie du sagst. – Also, mein Freund, keine Beschäftigung derjenigen, welche einen Staat verwalten, ist Sache des Weibes darum, weil es ein Weib ist, und keine ist Sache des Mannes darum, weil es ein Mann ist, sondern gleichmäßig sind die Begabungen in den beiderlei lebenden Wesen zerstreut, und an allen Beschäftigungen hat von Natur aus das Weib Antheil, an allen aber auch der Mann, hingegen bei allen ist das Weib ein schwächeres Wesen als der Mann. – Ja, allerdings. – Werden wir also etwa den Männern alle Beschäftigungen auftragen, dem Weibe aber keine? – Und wie sollten wir auch? – Hingegen ist wohl, glaube ich, zufolge unserer Behauptung auch ein Weib von Natur aus zur Arzneikunde befähigt, ein anderes aber wieder nicht, und auch ein Weib musisch gebildet, ein anderes nicht musisch gebildet? – Warum nicht? – Und also das eine auch zur gymnischen Bildung und zum Kriege befähigt, ein anderes aber unkriegerisch und gymnisch nicht gebildet? – Ja, ich wenigstens glaube es. – Wie aber? auch weisheitsliebend und andrerseits feindlich gegen Weisheit? und auch muthig, ein anderes aber muthlos? – Ja, auch dieß sind sie. – Ist also auch das eine Weib zum Wachen befähigt, ein anderes aber nicht? oder haben wir nicht eine derartige Begabung auch für die zum Wachen befähigten Männer ausgewählt? – Ja, allerdings eine derartige. – Also ist auch die Begabung eines Mannes und eines Weibes die nemliche bezüglich der Bewachung eines Staates, nur daß die des letzteren mehr schwach als stark ist? – Ja. so zeigt sich'sDer Beweis dieser ganzen Behauptung ist selbst formell sehr schwach geführt; denn zunächst handelt es sich schon nicht darum, daß keine Beschäftigung im Staate dem Weibe als solchen eigentümlich sei, sondern weit eher darum, daß von einigen staatlichen Beschäftigungen das Weib als solches auszuschließen sei; sodann auch war ein ganz ungehöriges Uebergewicht auf die bloße Lernfähigkeit gelegt worden, welche gerade gar Nichts beweist. Betreffs der übrigen materiellen Grundlagen des platonischen Beweises ist es kaum der Mühe werth, noch ein Wort weiter zu verlieren, denn wer von dressirten Hunden und Hündinnen spricht, handelt eben hoffentlich nicht über den menschlichen Staat.. –
6. Also müssen wir auch derartige Weiber für die derartigen Männer auswählen, daß sie mit diesen beisammen wohnen und gemeinschaftlich Wache halten, da sie ja hiezu hinreichend begabt und von Natur aus mit ihnen gleichen Stammes sind. – Ja, allerdings. – Müssen wir aber nicht die nemlichen Beschäftigungen den nemlichen Naturen zuweisen? – Ja, die nemlichen. – Somit also sind wir im Kreise herum wieder auf das Obige Cap. 2. gekommen und gestehen nun zu, daß es nicht naturwidrig sei, den Frauen der Wächter musische und gymnische Bildung angedeihen zu lassen. – Ja, völlig so. – Nicht Unmögliches also und nicht Dinge, welche frommen Wünschen ähnlich sind, haben wir als gesetzliche Bestimmung aufgestellt, da wir ja naturgemäß das Gesetz aufstellten; sondern weit eher geschieht, wie es scheint, dasjenige, was jetzt im Widerspruche gegen dieß geschieht, auf naturwidrige Weise. – So scheint es. – Nicht wahr also, unsere Erwägung war die, ob wir Solches als ein Mögliches und als das Beste aussprechen können? – Ja, diese war es. – Und daß es also möglich sei, ist hiemit zugestanden? – Ja. – Daß es aber nun das Beste sei, müssen wir jetzt hernach zugestehen? – Klärlicher Weise. – Nicht wahr also, in Bezug darauf, daß ein Weib zum Wachen begabt werde, wird uns nicht etwa eine verschiedene Bildung auf die Männer und eine verschiedene auf die Weiber wirken, zumal da dieselbe ja auf die nemliche natürliche Begabung stößt? – Nein, nicht eine verschiedene. – Wie steht es nun mit deiner Ansicht betreffs des folgenden Punktes? – Betreffs welches Punktes? – Betreffs dessen, ob du bei dir selbst annimmst, daß der eine Mann besser und ein anderer schlechter sei; oder hältst du Alle für gleich? – Keineswegs. – Glaubst du also, daß in dem Staate, welchen wir gründeten, zu besseren Männern die Wächter, wenn sie die von uns durchgegangene Bildung erhalten haben, gemacht worden seien, oder etwa die Lederarbeiter, wenn sie in der Lederbearbeitung gebildet wurden? – Eine lächerliche Frage, sagte er. – Ich verstehe dich, erwiederte ich; wie aber? sind nicht auch unter allen übrigen Bürgern diese die besten? – Ja, bei weitem. – Wie aber? werden nicht auch unter den Weibern diese Weiber die besten sein? – Ja, auch dieß bei Weitem, sagte er. – Gibt es aber für einen Staat etwas besseres, als daß sowohl Männer, als auch Weiber so gut als möglich werden? – Nein, nichts Besseres. – Dieß aber bewirken die musische und die gymnische Bildung, wenn sie sich so einfinden, wie wir sie durchgingen? – Warum auch nicht? – Nicht bloß etwas Mögliches also, sondern auch das Beste für den Staat haben wir als gesetzliche Bestimmung aufgestellt? – Ja, so ist es. – Entkleiden also müssen sich die Frauen der Wächter, da sie statt der Gewänder nun Vortrefflichkeit anziehen werden, und Theil nehmen müssen sie am Kriege und an der übrigen Bewachung des Staates, und nicht anders dürfen wir es machen; von eben diesem aber müssen wir das Leichtere eher den Frauen, als den Männern zuweisen wegen der Schwäche des Geschlechtes; ein Mann aber, welcher über nackte Frauen, die sich um des Besten willen gymnisch üben, lacht, »genießt eine unreife Frucht seiner Weisheit des Lächerlichen«Nach Stobäus ein uns nicht näher bekanntes Fragment Pindar's., und weiß nicht, wie es scheint, worüber er lache, noch auch was er thue; denn am richtigsten sagt man doch wohl und wird auch stets sagen, daß das Nützliche schön, das Schädliche aber schimpflich sei. – Ja wohl, völlig so. –
7. Von diesem Einen Punkte also wollen wir hiemit sagen, daß wir ihm wie einer brandenden Woge betreffs des Gesetzes über die Weiber entgangen seien, so daß wir wenigstens nicht ganz überspült wurden, da wir aufstellten, es sollen uns Alles gemeinschaftlich die Wächter und die Wächterinnen betreiben, und daß hingegen die Begründung selbst mit sich selbst gewissermaßen darüber in Uebereinstimmung ist, daß sie Solches sowohl als ein Mögliches, als auch als ein Nützliches bezeichnet. – Ja wohl, sagte er, keiner kleinen brandenden Woge bist du entgangen. – Und doch ja wirst du sagen, erwiederte ich, daß es keine große sei, wenn du die hiernach zunächst kommende siehst. – Sprich, sagte er, damit ich sie sehe. – Nach diesem Gesetze nemlich, sprach ich, und nach den übrigen früheren kömmt nun, wie ich glaube, folgendes. – Welches? – Daß diese Frauen sämmtlich sämmtlichen diesen Männern gemeinsam sein sollen und keine mit irgend Einem einzeln zusammen wohne, und daß hinwiederum auch die Kinder gemeinsam sein sollen und keines der beiden Eltern ihren eigenen Sprößling kenne, noch auch ein Kind seine Eltern. – Ja, bei Weitem ärger noch als das Vorige, sagte er, ist dieses in Bezug auf Unglaublichkeit und betreffs seiner Möglichkeit und Nützlichkeit. – Doch wohl, sprach ich, betreffs der Nützlichkeit wenigstens glaube ich, es könne schwerlich streitig sein, daß es nicht das größte Gut sei, wenn die Weiber und die Kinder gemeinsam wären, woferne es so sein könnte; hingegen darüber, glaube ich, ob dieß möglich sei oder nicht, würde sich der größte Streit erheben. – Ei, doch über beides, sagte er, möchte wohl gar sehr gestritten werden. – Du meinst hiemit, erwiederte ich, eine Vereinigung beider Begründungen; ich aber glaubte, wenigstens aus der einen von beiden entrinnen zu können, daß mir nemlich, falls jenes dir ein Nützliches zu sein schiene, nur die Begründung betreffs der Möglichkeit oder Unmöglichkeit übrig bliebe. – Aber es entging uns nicht, sagte er, daß du entrinnen wollest; gib also nur über Beides Rechenschaft. – Ich muß wohl, sprach ich, die Strafe aushalten; aber wenigstens so viel sei mir zu Gefallen und gestatte mir einen Fest-Genuß, wie ja auch diejenigen, welche in ihren Gedanken nicht sehr thätig sind, sich selbst einen Schmauß zu bereiten pflegen, wenn sie einsam ihren Weg wandeln; nemlich auch derartige Menschen lassen, noch ehe sie die Art und Weise gefunden haben, aus welche ihnen ein Gegenstand ihrer Wünsche zu Theil werden könne, diese Frage ganz bei Seite, um nemlich mit der Berathung über Möglichkeit oder Unmöglichkeit sich nicht abzumühen, und indem sie dasjenige, was sie wünschen, sofort als ein bereits Vorhandenes annehmen, ordnen sie schon alles Uebrige hübsch an und gehen mit großer Freude durch, was sie Alles, wenn jenes eingetreten ist, thun werden, wobei sie ihre ohnedieß nicht thätige Seele noch unthätiger machen. Bereits also bin auch ich nun weichlicher, und habe ein Verlangen darnach, jenes aufzuschieben und später Unten Cap. 17 ff. s. unten Anm. 201. zu erwägen, inwiefern es möglich sei; jetzt hingegen möchte ich es sofort als ein Mögliches annehmen und, wenn du es gestattest, gleich erwägen, in welcher Weise es die Herrscher als ein wirklich Geschehendes anordnen werden, und auch erwägen, daß es von Allem das Zuträglichste wäre für den Staat und für die Wächter, wenn es wirklich ausgeführt würde; dieß also werde ich versuchen, gemeinschaftlich mit dir zuerst zu erwägen, später aber jenes Andere, wenn du es so gestattest. – Aber ich gestatte es ja, sagte er; erwäge du nur. – Ich glaube demnach, sprach ich, daß, wenn die Herrscher dieses ihres Namens würdig sein werden und ebenso auch die ihnen Helfenden, dann Letztere das ihnen Aufgetragene vollziehen, Erstere aber Aufträge ertheilen werden, indem sie theils selbst den Gesetzen gehorchen, theils aber auch, wo wir es ihnen anvertrauen, selbst Gesetze in nachahmender Weise aufstellen. – Ja, so scheint es, sagte er. – Du demnach, sprach ich, wirst als ihr Gesetzgeber, sowie du die Männer auswähltest, ebenso nun auch die Weiber auswählen und jene so sehr als nur möglich solche von gleicher natürlicher Begabung zutheilen; die Männer aber werden, insoferne sie ja Wohnungen und Mahlzeiten gemeinschaftlich haben, einzeln für sich aber Keiner etwas Derartiges besitzt, mit den Frauen alle zusammen sein, und indem sie zusammen sich unter einander mengen, sowohl in den Gymnasien, als auch im übrigen Leben, werden sie wohl, glaube ich, durch eine von Natur ihnen eingepflanzte Nothwendigkeit zur geschlechtlichen Vereinigung geführt werden; oder scheine ich dir nicht etwas Nothwendiges hiemit abzusprechen? – Ja, wenigstens durch eine mathematische Nothwendigkeit, sagte er, werden sie nicht dazu geführt, wohl aber durch eine Nothwendigkeit der Liebe, bei welcher es so ziemlich darauf hinauskommt, daß sie weit dringlicher als jene ist, um die große Menge der Leute zu überreden und mit fortzuziehen. –
8. Ja wohl, gar sehr, sagte ich. Hernach aber nun, o Glaukon, ist eine unordentliche geschlechtliche Vereinigung derselben, sowie jedes andere unordentliche Thun, in einem Staate der Glücklichen weder gottgefällig, noch werden es die Herrscher zulassen. – Dieß wäre ja auch nicht Recht, sagte er. – Klar demnach ist, daß dieselben irgend Hochzeitsfeste veranstalten werden, welche in so hohem Grade, als es nur möglich ist, heilige sein sollen; heilige aber werden wohl die nützlichsten sein. – Ja, durchaus so; auf welche Weise also werden es demnach die nützlichsten Hochzeitsfeste sein? – Sage mir Folgendes, o Glaukon: Ich sehe nemlich in deinem Hause sowohl Jagdhunde, als auch gar viele edle HähneNemlich zum Behufe der in Athen sehr beliebten Hahnenkämpfe.; hast du also, bei Gott, auf die Begattung dieser und auf die Zeugung der Jungen bei denselben dein Augenmerk gerichtet? – Inwiefern denn? sagte er. – Erstens doch wohl gibt es ja auch unter diesen, obwohl sie alle edel sind, einige, welche die besten sind und als die besten zur Welt kommen? – Ja. – Läßst du also aus allen in gleicher Weise die Jungen hervorgehen, oder wünschest du, daß sie zumeist von den besten kommen? – Ja, aus den besten. – Wie aber? aus den jüngsten oder aus den schon älteren oder aus jenen, welche zumeist im schönsten Alter stehen? – Aus jenen im schönsten Alter. – Und wenn nicht auf diese Weise die Zeugung vor sich geht, so erwartest du, daß dir die ganze Race der Hunde und der Hähne weit schlechter werde? – Ja, gewiß. – Wie aber glaubst du, sagte ich, daß es mit den Pferden und den übrigen Thieren sei; oder daß es etwa anders sich verhalte? – Ungereimt ja wäre dieß, sagte er. – Weh, mein lieber Freund, sprach ich, wie sehr also bedürfen wir gar hervorragender Herrscher, wenn es auch bei der Gattung der Menschen sich ebenso verhält. – Aber es verhält sich auch wirklich so, sagte er; was soll's aber nun sein? – Daß dieselben nothwendig, erwiederte ich, gar viele Arzneimittel anwenden müssen; eben aber betreffs eines Arztes ja sind wir der Meinung, daß für Körper, welche noch keiner Arzneimittel bedürfen, sondern der bloßen Diät sich fügen, auch ein schlichterer Arzt genüge; wenn hingegen der Körper auch Arzneimittel einnehmen muß, wissen wir wohl, daß ein muthigerer Arzt erforderlich ist. – Dieß ist wahr; aber in welcher Beziehung meinst du dieß? – In folgender, sagte ich: es kömmt darauf hinaus, daß uns die Herrscher eine Menge von Unwahrheit und Täuschung zum Nutzen der Beherrschtwerdenden anwenden müssen; wir sagten ja aber doch wohl B. II, Cap. 21 und B. III, Cap. 3., daß in Form eines Arzneimittels all Derartiges nützlich sei. – Ja, und mit Recht, sagte er. – Bei der Eingehung von Ehen demnach und bei der Kindererzeugung wird dieses Recht sicher nicht in geringem Grade eintreten. – Wie so? – Es sollen nemlich, sagte ich, in Folge des bisher Zugestandenen so oft als möglich die besten Männer den besten Frauen beiwohnen, die schlechtesten aber den schlechtesten so selten als möglich, und die Sprößlinge der Ersteren soll man pflegen, die der Letzteren aber nicht, woferne die Heerde so ausgezeichnet als nur möglich sein soll; und nun daß dieß Alles geschieht, muß den Leuten, mit Ausnahme der Herrscher selbst, verborgen bleiben, woferne hinwiederum die Schaar der Wächter so sehr als möglich von Aufruhr frei bleiben soll. – Völlig richtig, sagte er. – Nicht wahr also, irgend Festmahle werden gesetzlich anzuordnen sein, bei welchen wir die Hochzeiter und die Hochzeiterinnen zusammenführen werden, und auch Opfer sind zu veranstalten, und Lieder müssen unsere Dichter dichten, welche für die stattfindenden Ehe-Feierlichkeiten passen; die Zahl der Ehen aber werden wir den Herrschern anheimstellen, damit sie so sehr als möglich mit Berücksichtigung von Kriegen und Krankheiten und all Derartigem stets die nemliche Anzahl der Männer bewahren, und der Staat uns nach Möglichkeit weder zu groß, noch zu klein werde. – Ja, richtig ist dieß, sagte er. – Irgend Loose demnach, glaube ich, müssen wir veranstalten, nemlich gar schlaue, so daß jener Schlechte bei jeder Paarung die Schuld dem Zufalle, nicht aber den Herrschern beimesse. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. –