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Ueber die Stelle, welche dieser Dialog in dem Gesammtzusammenhange der platonischen Schriften einnimmt, s. m. Uebers. d. griech. Phil. S. 75, und über den Inhalt desselben im Allgemeinen ebend. S. 100 ff. Der Zweck des ganzen Dialoges ist die erschöpfende Darlegung der Gerechtigkeit, insoferne dieselbe in ihrer Verbindung mit Weisheit das wahre Princip des äußeren Menschen-Lebens in seiner höchsten Gestaltung, nemlich im Staate, ist, und es darf der öfters geführte Streit, ob der Inhalt dieser Bücher in einer Darstellung des Staates oder in einer Entwicklung der Idee der Gerechtigkeit bestehe, dahin geschlichtet werden, daß es sich in der That um das Zusammentreffen der Gerechtigkeit und des Wesens des Staates handle und somit keines dieser beiden allein den hauptsächlichen Kern der ganzen Untersuchung ausmache.
Die hervortretenden Hauptgruppen der gesammten Entwicklung sind folgendeDie schon aus dem Alterthume überlieferte Eintheilung des ganzen Werkes in zehn Bücher ist eine rein äußerliche und daher häufig in schroffem Widerspruche gegen die durch den inneren Zusammenhang gebotenen Abschnitte; sie entstand dadurch, daß man die Einleitung, welche als solche deutlich in die Augen springt und von Plato selbst so bezeichnet wird, als erstes Buch abtrennte, und den Rest schlechthin der Masse nach, d. h. gleichsam der Seitenzahl nach, in Abschnitte zerlegte, welche an Umfang dem ersten Buche gleich waren; auf diese Weise ergaben sich neun solche Abschnitte, und also im ganzen zehn Bücher.. Nach einer Einleitung, welche die äußere Veranlassung des Gespräches und eine vorläufige Wegräumung anderweitiger und namentlich der sophistischen Ansichten über die Gerechtigkeit und das staatliche Leben enthält (B. I), werden die gewöhnlichen populären Anschauungen hierüber vorgeführt (B. II, Cap. 1–9), und sodann der Staat als jener Organismus bezeichnet, in welchem die Gerechtigkeit in größerem Maßstabe als im Individuum vorliege (ebend. Cap. 10), und nachdem im Interesse der Untersuchung über den Staat die Entstehung desselben und namentlich die notwendige musische und gymnische Bildung des hauptsächlichsten Standes, d. h. der Wächter, und die erforderliche Unterordnung des Ganzen unter die Einsichtigen entwickelt worden war (B. II, Cap. 11 – B. IV, Cap. 5), werden die hervorragenden Vollkommenheiten des Staates (Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit) angegeben und dieselben nun in durchgängiger Parallele im Einzeln-Individuum nachgewiesen (B. IV, Cap. 6–18), so daß vorläufig auf den Gegensatz der Einen guten Staatsform gegen eine vierfache schlechte hingedeutet werden kann (Schluß des 18. Cap. d. IV. B.). Und es folgt nun zunächst die ideale Grundlegung des besten Staates, besonders bezüglich des Familienlebens (B. V, Cap. 1–16), und hierauf die mögliche Ausführbarkeit dieses Ideales, welche dadurch bedingt ist, daß die Weisheitsliebenden die Herrschenden seien (B. V, Cap. 17 – B. VI, Cap. 14), und es reiht sich darum die Fortsetzung des Bildungsganges an, durch welchen die Wächter zu wahrhaft Weisheitsliebenden werden, wodurch der beste Staat verwirklicht werde (B. VI, Cap. 15 – B. VII, Cap. 17). Hiernach nun werden die Formen der Ungerechtigkeit d. h. die vier schlechten Staatsverfassungen (Timokratie, Oligarchie, Demokratie, Gewaltherrschaft) in ihrem allmäligen Uebergange zum Schlechtesten und in ihrem Bestande, so wie in der steten Parallele mit dem Individuum erörtert (B. VIII, Cap. 1 – B. IX, Cap. 3). Und nun erst kann zum Schlusse die Frage über den Glücksstand des Gerechten und des Ungerechten entschieden werden, indem, was das irdische Leben betrifft, Letzterer als der Unglückliche und Ersterer als der Glückliche dargestellt wird, welcher namentlich vermöge seines Wissens sich vor den Täuschungen der Poesie bewahrt (B. IX, Cap. 4 – B. X, Cap. 8), und außerdem im Jenseits jeden von beiden der ihm gebührende Lohn erwartet (B. X, Cap. 9–16).
Näher im Einzelnen gestaltet sich dieser Verlauf der Untersuchung folgendermaßen:
Die Einleitung geht von der Erzählung über einen Festzug aus, bei welchem sich die Personen des Gespräches trafen (Erstes Buch, c. 1) und dann zu Polemarchos sich begaben, wo sie den greisen Kephalos und auch den Sophisten Thrasymachos fanden; mit Ersterem ergibt sich bald ein Gespräch über das Greisenalter (c. 2) und die Möglichkeit sinnlicher Vergnügungen in demselben (c. 3), wobei es jedoch auf den Vermögensstand ankomme (c. 4); und hieran nun knüpft sich die Frage über die Beziehung, in welcher der Gebrauch des Vermögens zur sittlichen Vortrefflichkeit überhaupt stehe, und nachdem hiemit als Gegenstand des Gespräches der Begriff des gerechten Lebens gewonnen ist, zeigt sich bald die Unzulänglichkeit der Definition der Gerechtigkeit, daß sie darin bestehe, ohne Trug Jedem das Seine zu geben (c. 5); und auch des Simonides Ausspruch, Gerechtigkeit sei, das Geschuldete zu erstatten (c. 6), wird widerlegt, da man dann nur den Freunden Gutes, den Feinden aber Schlechtes schulde, und somit nur im Kriege es Gerechtigkeit gebe, und im Frieden nur das gebrauchlose Aufbewahren hinterlegter Schätze als Gerechtigkeit übrig bliebe (c. 7), ja so gar an die Gewandtheit im Aufbewahren sich jene im Stehlen anschließe; ferner auch darum, weil erst noch zu unterscheiden sei, wer wirklich Freund oder Feind sei (c. 8), und dem wirklichen Feinde gegenüber eine solche Uebung der Gerechtigkeit nicht bessernd, sondern eher verschlechternd wirke, und daher zumeist Sache der Gewaltthätigen sei (c. 9). Nachdem hierauf Thrasymachos in schroffen Ausdrücken sich gegen jede Definition der Gerechtigkeit verwahrt, welche ihm eine bloß relative scheint, wird ihm bedeutet, daß man ja doch zur Erklärung Begriffe und Worte beiziehen müsse, welche in dem Ausdrucke der Gerechtigkeit enthalten sind (c. 10 und 11), und da nun Thrasymachos seine Definition ausspricht, gerecht sei das dem Stärkeren Zuträgliche, und dieß in staatlichem Sinne gemeint sein soll (c. 12), so wird zunächst darauf hingewiesen, daß der erzwungene Gehorsam der beherrschten Schwächeren auch bestehen müsse, wenn der Stärkere aus Irrthum etwas ihm Schädliches gebietet (c. 13), sodann daß zwischen scheinbar und wirklich Zuträglichem zu unterscheiden sei, und daß bei der Annahme, der wahre Herrscher verfehle sein Zuträgliches nie (c. 14), eben doch sich ergebe, daß er nach dem den Beherrschten Zuträglichen strebe, so wie jede Kunst, deren die ihr unterworfenen Dinge bedürfen, ja nur für diese Dinge, nicht aber für sich selbst das Zuträgliche suche (c. 15). Nachdem aber hierauf Thrasymachos in rhetorischer Darlegung von dem Vortheile des Stärkeren und Ungerechten gesprochen (c. 16), wird bemerkt, daß hiebei der Gewalthaber mit dem Gelderwerber verwechselt sei, während doch die Kunst des Lohnerwerbens überhaupt eine eigene Kunst für sich sei (c. 17 u. 18), und auch eigentlich der höchste Lohn des Herrschenden nur in der Vermeidung der höchsten Einbuße bestehe, welche darin läge, wenn er von einem Schlechteren beherrscht würde (c. 19), wenn ferner hiebei die Ungerechtigkeit als Weisheit und Vortrefflichkeit und Stärke bezeichnet werde, so ergebe sich zunächst bezüglich der ersteren zwei das Gegentheil; denn da der Gerechte es nur dem Ungerechten zuvorthun will, der Ungerechte aber sowohl dem Gerechten als auch dem Ungerechten, und zugegeben sei, daß der Wissende und Treffliche es dem Untüchtigen zuvorthun wolle, der Unwissende aber sowohl anderen Unwissenden als auch den Wissenden, so stehe ja der Wissende dem Gerechten und der Unwissende dem Ungerechten gleich (c. 20 u. 21); bezüglich der Stärke aber werde zugegeben, daß Ungerechtigkeit Kampf und Zwietracht, auch in einzelnen Menschen, und selbst gegen die Götter herbeiführe, daher auch eine ungerechte Unternehmung Mehrerer doch eines Grades von Gerechtigkeit bedürfe, die volle höchste Ungerechtigkeit aber nur Selbstentzweiung zur Folge habe (c. 22 u. 23); ferner habe, so wie Alles, so auch die Seele ihre eigentümliche Vortrefflichkeit, ohne die sie ihre eigenthümliche That nicht verrichten könne, eine Vortrefflichkeit aber sei die Gerechtigkeit, und es lebe daher die gerechte Seele glücklicher und vorteilhafter (c. 24).
Von diesem erreichten Schlußpunkte der Einleitung aus schreitet nun die Untersuchung mehr in der Form einer allmäligen Beweisführung folgendermaßen fort:
Die Gerechtigkeit gehört zu den Gütern überhaupt, und zwar, da es drei Arten der Güter gibt, nemlich erstens was nur an sich und ohne Rücksicht auf die Folgen gut ist, zweitens was an sich und in seinen Folgen gut ist, drittens was an sich lästig und nur in den Folgen gut ist, gehört sie zur vorzüglichsten, d. h. der zweiten dieser Arten ( zweites Buch, c. 1). Nach den gewöhnlichen Annahmen hingegen zählt man sie zur dritten, indem man meint, sie sei aus einem Vertrage zum Schutze gegen den Ungerechtigkeits-Trieb der Menschen entstanden (c. 2), daher auch Niemand sie freiwillig übe, sondern nur aus Furcht, entdeckt zu werden, und bei Wegnahme dieser Furcht Jeder ungerecht sei (c. 3), so wie ferner der Ungerechte, welcher mit dem Scheine der Gerechtigkeit sich umgebe, alle Mittel zur Ausführung seines Willens besitze und so als glücklich gelte, während der Gerechte, der den Schein verschmäht, verkannt und gepeinigt werde (c. 4 u. 5) Auch wird diese Ansicht durch die gewöhnliche Art der Erziehung und selbst durch die religiöse Sage gefördert, da man dem Gerechten Belohnung und dem Ungerechten Bestrafung verheißt (c. 6), und auch von der Schwierigkeit der Gerechtigkeit und von Zaubermitteln einer Erlösung spricht (c. 7); hiedurch aber werden die jungen Leute zur Falschheit und Hinterlist erzogen und ziehen es vor, durch Ungerechtigkeit Schätze zu erwerben, durch welche auch die Gunst der Götter erkauft werden könne, und wer die Macht dazu hat, ist lieber ungerecht, als daß er sich verlachen läßt (c. 8 u. Anf. v. c. 9). Darum muß zunächst auf den Werth der Gerechtigkeit an und für sich, auch abgesehen von ihren Folgen, zurückgegangen werden (c. 9).
Da aber dieß sehr schwierig ist, muß man davon ausgehen, wo bei größerem Maßstabe die Sache deutlicher als im Einzeln-Individuum ist, nemlich vom Staate, und zwar ist hiebei die Entstehung des Staates zu betrachten (c. 10).
Der Staat entsteht aus der Hülfsbedürftigkeit der Einzelnen; die äußeren Lebensbedürfnisse führen zunächst eine geringe Zahl zusammen, wobei Arbeitstheilung das Beste ist; so entsteht eine Mehrzahl von Gewerben (c. 11) und hieraus, da der Staat sich nicht selbst genügt, Handel um Tausch und Geld, wo noch bloß die einfachsten nothwendigen Bedürfnisse befriedigt werden (c. 12); so wie man aber über diese Gränze hinausgeht (c. 13), stellt sich Ueppigkeit und sämmtlicher Luxus ein, und das Land reicht nicht mehr hin; es entsteht daher Eroberungssucht und ein Kriegszustand, so daß Wächter nöthig sind, welche jedoch gleichfalls nur diese Beschäftigung ausschließlich betreiben (c. 14); dieselben sind wie ein Haushund sanft gegen Bekannte und muthig nach Außen (c. 15), und da die Vereinigung dieser Gegensätze auf Kenntniß und Nichtkennen beruht, also der Weisheitsliebe entspricht, so muß es eine Bildung und Erziehung der Wächter geben (c. 16). Die Bildung ist theils gymnisch theils musisch, und da der Anfang der letzteren in mündlichen Aussprüchen und erdichteten Reden beruht, so muß der Staat ein Aufsichtsrecht über die Dichter üben (c. 17), damit die Gottheit nur als eine gute, nicht aber als böswillige Urheberin des Schlimmen (c. 18 u. Anf. v. 19), noch als zauberisch täuschend, sondern als unwandelbar und wahrhaftig und truglos dargestellt werde (c. 19–21), so wie auch daß, um den Wächtern keine Todesfurcht einzuflößen, nicht die Schrecknisse des Hades vorgeführt oder Klagen über Todesfälle ausgesprochen werden (drittes Buch, c. 1 u. 2); in gleicher Weise soll auch nicht zu viel Lachen erregt, und überhaupt nur die Liebe zur Wahrheit gefördert werden, und um der Mäßigkeit und Besonnenheit willen soll weder ein Streben nach Lohn noch Rachsucht von den Dichtern dargestellt werden; bezüglich der menschlichen Verhältnisse aber ist von Dichtern stets eben nur die Gerechtigkeit zu erwähnen (c. 3–5). Was bei den dichterischen Produkten die Form des Aussprechens betrifft, so ist dieselbe entweder Erzählung oder Nachahmung oder eine Verbindung beider (c. 6); und da auch im Nachahmen jene Arbeitsteilung gilt (c. 7), so wird der Wächter nur das ihm Geziemende nachahmen, und überhaupt der Gute nur das Gute (c. 8), der Schlechte hingegen Alles; so bleibt Ersterer einfach, Letzterer aber wird bunt und vielfach; das Beste ist die unvermischte Darstellung des Guten, den Reiz des Bunten aber schicke man mit Dank fort (c. 9). Das Gleiche gilt auch bezüglich der Musik, wo mit Vermeidung der weichen und üppigen Tonarten nur die dorische und phrygische, und auch nur Saiten-Instrumente zulässig sind (c. 10). Ebenso entsprechend verhält es sich mit dem Rhythmus. Dieß Alles hängt mit dem Charakter (c. 11) und den schönen und unschönen Formen desselben zusammen, und indem die musische Bildung in solcher Weise die Idee des Schönen uns einpflanzt, fördert sie auch die wahre Liebe als ihren eigentlichen Zweck (c. 12). Die gymnische Bildung, welche auf der musischen als ihrer Basis beruht, bewirkt Mäßigkeit und Einfachheit im leiblichen, ohne in die eigentliche Athletik auszuarten (c. 13) – Ist in diesen beiden Bildungsweisen die Einfachheit vernachlässigt, so entstehen Ziellosigkeit und Krankheit, daher dann Richter und Aerzte nöthig werden, wohingegen im guten Staate Niemand Zeit hat, krank zu sein, und auch den Unheilbaren die Pflege entzogen wird, damit Thätigkeit und Wissen der Bürger nicht darunter leide; auch ist eben darum der wahre Arzt nicht geldsüchtig (c. 14 u. 15); der beste Arzt aber ist jener, der alle Körper-Gebrechen erfahren hat, wobei sein Geist ja unbeschädigt bleibt. Der Richter hingegen, welcher mit der Seele auf Seelen wirkt, darf die Fehler der Seele nicht selbst erfahren (c. 16). Arzt und Richter dienen nur dem Guten, und beide entfernen das Unfügsame, daher es das Beste ist, keines der beiden zu bedürfen. – So haben beide Bildungsweisen einen sittlichen Zweck (c. 17), und sie müssen ineinandergreifen, denn einseitig erzeugen sie Extreme, in ihrer Verbindung aber leiten sie das Muthige und zugleich das Weisheitsliebende (c. 18)
Ueber die so erzogenen Wächter herrschen nun Jene, welche das Wohl des Staates am besten erkennen und am eifrigsten betreiben, daher sie hierin erprobt und selbst in Versuchung geführt werden müssen (c. 19); die von ihnen beherrschten Jüngeren heißen dann nur Helfer (c. 20); daß aber eine solche Unterordnung bestehe, liegt in einem alten Mythus betreffs der verschiedenen, Jedem bei der Geburt beigemischten Metalle ausgesprochen (c. 21). Jene Helfer aber nun wohnen in einem geeigneten Orte gemeinsam und ohne allen Privat-Besitz, indem sie nur die nöthigen Lebensbedürfnisse von den Uebrigen erhalten (c. 22); und scheinen sie hiedurch im Vergleiche mit Anderen beeinträchtigt zu sein, so ist ja zu bedenken, daß es sich um das Wohl des Ganzen handle und hiefür an den Wächtern das Meiste liege (viertes Buch, c. 1); auch schaden Reichthum und Armuth überall durch Störung der Einheit, was sich auch bei einem Kriege gegen einen reichen Staat zeigt (c. 2). Nur der Einheit des Staates muß jede Einrichtung dienen, wohin auch die Arbeitstheilung abzielt; bewahrt aber wird sie durch Einheit der Erziehung, was auf Ehe- und Kinder-Gemeinschaft führt (c. 3); die geringste Neuerung in der Erziehung pflanzt sich zum Verderben fort, und Erziehung ist die umfassende Aufgabe der Gesetzgebung, denn wenn sie nicht bewahrt wird, zerrüttet man den Staat im Kleinen, ihn im großen zu erhalten wähnend; ferner aber gehört hiezu auch die Bewahrung der väterlichen apollinischen Religion, welche der Gesetzgeber nicht selbst aufstellt (c. 4 u. 5).
Ist auf diese Weise der Staat entstanden, so muß er, wenn er vollkommen sein soll, weise und tapfer und besonnen und gerecht sein. Weise ist er durch die Wohlberathenheit der Vorsteher (c. 6), tapfer durch die Wächter (c. 7), besonnen ist er, insoferne der schwächere Theil dem besseren sich fügt, und gegenseitige Harmonie besteht (c. 8 u. Anf. v. c. 9), die Gerechtigkeit aber liegt in dem schon Anfangs zu Grunde Gelegten, daß Jeder das Seinige thue, wodurch erst die vorigen drei Vollkommenheiten entstehen können (c. 9 u. 10). Hiemit ist auf den Ausgangspunkt zurückzukehren, und was bisher im großen Maßstabe sich zeigte, am Einzeln-Individuum zu erproben, wobei sich die Frage einstellt, ob die Seele des Menschen gleichfalls drei Formen habe (c. 11). Sie hat dieselben, da sie nicht anderswoher in den Staat kamen, und ihnen entsprechen auch die Tätigkeiten der Seele; denn Nichts kann an dem Nemlichen zugleich in Gegensätzen activ oder passiv auftreten (c. 12), Anziehung und Zurückstoßung aber sind solche Gegensätze, welche in Begehrung und Abneigung vorliegen; alles Begehren aber als solches bezieht sich auf das Allgemeine seines Gegenstandes, und nur als specielles auf einen speciellen Gegenstand; also wo ein Widerstreben gegen eine Begehrung sich findet, muß dieß in einer anderweitigen Kraft beruhen, und somit ist in der Seele neben dem Begehrlichen ein Vernünftiges (c. 13 u. 14); in dem Kampfe beider aber tritt das Muthige auf Seite des Vernünftigen als Helfer (c. 15). So sind im Einzelnen die nemlichen Arten der Vortrefflichkeit wie im Staate. Gerecht ist Jeder, bei welchem in Folge der Erziehung die Herrschaft über das Begehrliche dadurch ermöglicht ist, daß jeder Theil der Seele das Seinige thut; tapfer ist Jeder durch das Muthige, weise durch das Vernünftige, besonnen durch die Harmonie des Herrschenden und Beherrschten (c. 16); daraus fließt auch als äußeres Abbild der Gerechtigkeit, daß jeder Handwerker das Seinige thue; das innere Wesen derselben ist die Einheit der drei Theile, und Zwietracht zwischen diesen ist die Ungerechtigkeit. Hierdurch ist auch die Frage über den Nutzen der Gerechtigkeit erledigt (c. 17).
Hiemit ist das Princip festgestellt und eine der menschlichen Seele entsprechende Grundlage gewonnen zur Unterscheidung des Einen guten Staates von der Schlechtigkeit eines Staates, welche hauptsächlich in vier Formen auftritt (c. 18). In Bezug aber auf den guten Staat muß nun in einer allerdings schwierigen Untersuchung das bisher bloß angedeutete Wesen der Familie und überhaupt die ideale Vortrefflichkeit und die Ausführbarkeit eines solchen Staates erörtert werden ( fünftes Buch, c. 1 u. 2). Wie bei den Hunden das Weibliche dem Männlichen in gleicher Pflege gleichsteht, so müssen auch trotz den Spöttern, deren Meinung dereinst besserer Einsicht weichen wird, die Frauen die gleiche musische und gymnische Bildung erlangen wie die Männer (c. 3); denn dieß ist sowohl möglich, da der Unterschied der Geschlechter bezüglich des Staates ein zufälliger ist, und das Weib nur durch Schwäche vom Mann sich unterscheidet, als auch ist es das Beste, daß Alle am besten gebildet seien (c. 4–6). Für die Eingehung der Ehe ist festzusetzen, daß die Herrscher mit täuschender Anwendung des Looses die Frauen auswählen, die Zeiten und das passende Lebensalter für Kindererzeugung bestimmen, und für gemeinschaftliche Säugung, sowie dafür sorgen, daß kein Kind seine wahren Eltern kenne, sondern Alle als solche betrachte, welche den Jahren nach es sein können, so daß der ganze Staat Eine Familie darstellt (c. 7–9). Dieß ist das Beste, weil hiedurch der in Selbstsucht liegende Zwiespalt vermieden wird und alle Freuden und Leiden gemeinsam sind (c. 10), so daß in diesem einheitlichen Familienleben Streit und Mißhandlung wegfallen, und steter Friede ist; so haben denn die Wächter das glücklichste Leben und die Frauen nehmen daran Theil (c. 11–13). In den Krieg nehmen sie ihre Kinder mit, sie belehrend und vor Gefahren schützend; unter sich entehren sie den Feigen und ehren den Tapferen, ihm den reichsten Genuß der Liebe gestattend, den Todten erweisen sie göttliche Verehrung (c. 14 u. Anf. v. 15); sie knechten keinen Hellenen, plündern nicht die Leichen, beflecken keinen Tempel; Sengen und Brennen üben sie nur gegen Nicht-Hellenen, gegen welche allein eigentlicher Krieg bestehen kann, denn unter Hellenen gibt es nur Zwiespalt, welcher rechtlich geschlichtet werden soll (c. 15 u. 16).
Dieß Bisherige nun ist als Ideal zu betrachten, welches von der Wirklichkeit nie ganz erreicht wird, daher die Ausführbarkeit nur in der möglichsten Annäherung an das Ideal liegen kann (c. 17). Das wegzuräumende Hinderniß des Guten in den jetzigen Staaten beruht darin, daß nicht die Weisheitsliebenden die Herrscher sind und die Herrscher nicht in Weisheitsliebe sich bethätigen. Dieser angefeindete Ausspruch führt auf die Frage über das Wesen der Weisheitsliebe (c. 18). Sowie die Liebe jeder Art ihren Gegenstand in all seinen Theilen ergreift, so auch die Liebe zur Weisheit (c. 19); hiebei aber ist zu unterscheiden das Streben nach der vielheitlichen Erscheinung, nemlich das bloße Meinen, und die Einsicht in die einheitliche Idee; das Wissen nemlich bezieht sich auf das Seiende, sowie das Nichtseiende das nicht Wißbare ist (c. 20); hingegen was zwischen Seiendem und Nichtseiendem liegt, ist Gegenstand der Meinung, und dieses Mittlere ist eben die in der Vielheit vereinzelte Idee, da jedes Einzelne zugleich ist und nicht ist; im Gegensatze hievon aber erfaßt der Weisheitsliebende die Idee selbst (c. 21 und 22), und er allein ist daher fähig, die Einheit im Staate zu bewahren, so daß er der Herrscher und Führer desselben sein muß ( sechstes Buch, c. 1); er allein ja besitzt die nöthigen Geistesgaben und Großartigkeit des Sinnes und wird in sanfter Harmonie die vier obigen Arten der Trefflichkeit üben (c. 2). Wird nun dieß wohl zugegeben, aber eingewendet, die Mehrzahl der Weisheitsliebenden sei schlecht, und die geringe Zahl der Uebrigen jedenfalls unbrauchbar, so kann man den Staat füglich mit einem Schiffe vergleichen, in welchem die Führung des Steuerruders Gegenstand schlechter Parteibestrebungen ist, und die Ursache der Unbrauchbarkeit des Wissenden nicht in diesem, sondern in den Uebrigen liegt (c. 3 u. 4); nemlich ebenso befindet sich der Weisheitsliebende in einer schlechten Umgebung und wird durch sie selbst verschlechtert, da die gewöhnlichen schlechten Ansichten über den Werth der Dinge ihm durch Erziehung und Leben aufgedrungen werden (c. 5 u. 6), und nur ein wahrhaft göttlicher Einfluß könnte ihn schützen; denn während Alle dem Unthiere der Menge fröhnen, wird auch er von ihnen im Bestreben nach Großartigem fortgerissen, und hört zuletzt auf, ein Weisheitsliebender zu sein (c. 7 u. 8); so wird die Stelle des Weisheitsliebenden verwaist und von Nichtswürdigen ausgefüllt, welche dem ungebildeten Emporkömmlinge im bräutlichen Gewande gleichen (c. 9); ja nur durch Zurückgezogenheit von staatlichen Dingen kann die Reinheit des Wissens bewahrt werden (c. 10). Somit müßte es für den Weisheitsliebenden einen ihm entsprechenden Staat geben; aber andrerseits müßte auch die Weisheitsliebe nicht bloß in der Jugend gekostet und dann weggeworfen werden, sondern ihr Betrieb im Alter sich steigern (c. 11). Allerdings liegt noch kein Beispiel vor, daß ein Weisheitsliebender ein Herrscher gewesen sei; aber wenn es einträte, würde der Tadel der Weisheitsliebe schwinden (c. 12), sobald die Menschen erfahren, daß der Weisheitsliebende wirklich Gutes will; denn ein Solcher würde nach vorhergegangener Reinigung des Staates die Umrisse desselben durch eine Mischung des Göttlichen und Menschlichen entwerfen (c. 13). An der Möglichkeit, daß durch einen solchen Herrscher ein derartiger Staat gegründet werde, ist nicht zu zweifeln; schwierig wohl wird es stets sein (c. 14).
Frägt es sich demnach, wie solche Retter des Staates gebildet werden sollen, so ergibt sich Folgendes: sie müssen neben der obigen Bildung der Wächter noch die letzte höchste Stufe erreichen, nemlich die der Idee des Guten (c. 15 und 16), nach welcher Alles, wenn auch in verschiedener Weise, strebt. Sie ist für das Denken, was das Licht für das Sehen ist; nicht daß sie das Denken selbst sei, so wenig als das Licht das Sehen selbst ist, sondern sie ist die Ursache der Wahrheit und die Quelle der Wesenheit (c. 17–19). Wie die Welt des Sichtbaren getheilt ist in Abbilder und Gegenstände, so auch die des Denkbaren, indem theils auf Annahmen fortgebaut und Bilder gebraucht werden, theils die Annahmen als solche aufgehoben und zum Voraussetzungslosen fortgeschritten wird. So ergibt sich die Theilung in zwei Gruppen, deren jede zwei entsprechende Thätigkeiten enthält, nemlich: Vermuthen, Glauben, Nachdenken, Vernunft (c. 20 u. 21), welche aufsteigende Reihenfolge vergleichbar ist einem Aufenthalte in einer Höhle, in welcher Gefesselte nur Schattenbilder an der Rückwand derselben sehen, aber dann allmälig an das Licht der Sonne geführt werden ( siebentes Buch, c. 1 u. 2); daher Jene, welche das Licht geschaut haben, ebenso wenig im Dunklen sich zurecht finden, als die im Dunklen Verweilenden im Lichte, auch die Idee des Guten ebenso wenig plötzlich eingepflanzt werden kann, als das Licht dem Auge, sondern eine allmälige Leitung angewendet werden muß (c. 3 u. 4). Eben darum aber muß der Weisheitsliebende auch Beides, Licht und Dunkel, erleben, da er nicht selbstsüchtig nur für sich, sondern für das Wohl des Ganzen sorgen soll; so herrschen dann die Wissenden zwar ohne darnach zu streben, aber um Unwürdige auszuschließen (c. 5). Jener Bildungsweg aber, durch welchen diese künftigen Herrscher zum wahren Lichte geführt werden, geht über die gymnische und musische Bildung hinaus (c. 6) und betrifft zunächst dasjenige, wodurch die Sinneswahrnehmung vermittelst der Abstraction und des Begriffes der Einheit zum Denken aufgefordert wird, nemlich die Arithmetik, nicht aber um des Erwerbes, sondern um der intelligiblen Zahl willen (c. 7 u. 8); sondern die Geometrie, da sie vom Vergänglichen absehend eine Wesenheit erkennt (c. 9), und hierauf die Astronomie, indem die Stereometrie, welche eigentlich zunächst folgen würde, bisher noch nicht genügend ausgebildet ist; aber auch die Astronomie ist nicht etwa zu betreiben wegen des Blickes nach Oben, denn auch so bliebe sie noch ein bloßes Sinnesobject, sondern um des Ewigen willen (c. 10 u. 11); dann folgt das Entsprechende für den Gehörssinn, die Musik, und zwar nicht wegen der praktischen Ausübung, sondern um ihrer mathematischen Gesetze willen (c. 12). Die Vereinigung dieser Gegenstände und die Einsicht in ihre Verwandtschaft führt zur Dialektik und zur Erfassung der Idee, wodurch im Gegensatze gegen das Traumleben der praktischen Fächer der Gipfel des wahren Wissens erreicht wird (c. 13 u. 14). Hier muß daher von Jugend an eine strenge Erprobung stattfinden, daß nur der wahrhaft Befähigte zugelassen werde, und nicht erst die Greise sollen lernen (c. 15), sondern schon bei den Kindern handelt es sich um die Freudigkeit des Lernens; später dann muß bei den jüngeren Männern erprobt werden, wer das Seiende erfassen könne, wobei sie sich lossagen von den unächten Eltern geistiger Schmeichelei (c. 16), und zeigen, daß sie die Dialektik nicht zu Schlechtem mißbrauchen; noch später dann werden sie in die praktischen Verhältnisse zurückgebracht, und nachdem sie auch dort die Probe bestanden, herrschen und lehren sie glücklich und geehrt, sie und ihre Frauen. So werden die Weisheitsliebenden die Herrscher sein; die Kinder der jetzigen Generation aber soll man ferne von den jetzigen Sitten erziehen, um dereinst einen solchen Staat zu ermöglichen (c. 17).
Nun sind die Formen der Ungerechtigkeit, d. h. die vier schlechten Staatsverfassungen zu betrachten, nemlich: Timokratie, Oligarchie, Demokratie, Gewaltherrschaft; einer jeden aber muß auch im Individuum eine Beschaffenheit der Seele entsprechen, und es ist daher in dieser doppelten Beziehung der Uebergang zum Schlechten und das Auftreten desselben zu betrachten ( achtes Buch, c. 1 u 2). All solcher Uebergang liegt in einer Zwietracht des Herrschenden, und wenn bei der Geburt der Herrschenden nicht die richtigen Zahlen-Verhältnisse eingehalten wurden, tritt in Folge hievon eine Abweichung von der richtigen Erziehung ein. So geht die beste Verfassung zunächst in die Timokratie über, indem durch Vermischung des schlechten Metalles mit dem edlen Kampf entsteht und zur Schlichtung desselben Privat-Besitz eingeführt wird (c. 3); ein solcher Staat ist noch mit dem guten verwandt in der Stellung der Herrscher und in der Einrichtung gemeinschaftlicher Bürgermahlzeiten, aber streift bereits an das Oligarchische durch Ueberwiegen des Muthigen und durch Wertschätzung des Besitzes (c. 4) Der dieser Verfassung entsprechende einzelne Mensch ist kriegerisch und nimmt von einer ursprünglich guten Jugend an stets in Geldsucht und Ehrliebe zu (c. 5). Der Uebergang von da in die Oligarchie beruht im fortwährenden Wachsen der Gewinnsucht und des Gelderwerbes, wornach Alles, zuletzt selbst die Theilnahme am Herrschen, bemessen wird; ein solcher Staat verschmäht das Wissen und wird in zwei Parteien, Reiche und Arme, gespalten, welche mit allen Mitteln sich gegenseitig bekämpfen (c. 6 und 7). Der ihm entsprechende Einzeln-Mensch wendet sich aus Furcht vor äußeren Nachtheilen dem Begehrlichen zu und wird durch die zur Ansammlung von Schätzen angewendeten Mittel gefährlich, entbehrt aber auch jeden Sinnes für wahren Ruhm (c. 8 u. 9). Der Uebergang von da in die Demokratie tritt ein, wenn durch Unersättlichkeit der Einen die Andern verarmt sind und verletzt werden, worauf, da beiderseits es an Kraft zum Guten fehlt, bei dem leichtesten Anstoße von Außen die Armen die Oberhand gewinnen (c. 10); ein solcher Staat bewegt sich in dem bunten Belieben der Einzelnen und entbehrt des staatlichen Pflichtgefühles und vermag keinen eigentlich Tüchtigen zu wählen (c. 11). Der ihm entsprechende Einzeln-Mensch wendet sich bereits auf Luxus-Bedürfnisse, zumal durch Beihülfe äußerer Einflüsse, und gelangt hiedurch zu einer Verrückung aller Begriffe und einer inneren Anarchie, welche in dem Eintagsleben der Vergnügungen und des Beliebens erscheint (c. 12 und 13). Von hier aus findet endlich der Uebergang in die Gewaltherrschaft statt, indem durch Unersättlichkeit des Beliebens alle Gränzen überschritten werden und diejenigen, welche herrschen sollten, sich zu Sklaven Anderer herabwürdigen (c. 14); indem nemlich die Selbstsüchtigen und die Klasse der Besitzenden und die Masse des Volkes sich feindlich gegenüberstehen, das Volk aber von dem durch die Gewinnsüchtigen ihnen mitgetheilten Raube abhängt, entsteht Kampf und Argwohn gegen die Besitzenden, und das Volk stellt Einen aus seiner Mitte an die Spitze, welcher, sobald er Menschenblut gekostet, zum Wolfe wird und als Gewaltherrscher eine Leibwache verlangt (c. 15 u. 16); dieser Herrscher eines Staates ist Anfangs noch mild, hält aber das Volk um der Abhängigkeit willen im Kriegszustande, dann aber verfeindet er sich mit den Unabhängigen und Tapfern und befreundet sich mit den schlechten Sklaven, welche er freiläßt und in seine Umgebung einreiht, was dann selbst von Dichtern gepriesen wird; zu seinem Aufwande schont er nicht die Tempel und zuletzt nicht das Volk selbst, welches sein eigener Vater ist, und widersetzt sich ihm dieser, so schlägt er ihn (c. 17–19). Der diesem schlechtesten Staate entsprechende Einzeln-Mensch entsteht, wenn die nächtlichen Begierden, welche nur durch Geistesthätigkeit gebändigt werden, sich einstellen, und seine Seele sich mit dem Wahnsinne der Leidenschaften umgibt ( neuntes Buch, c. 1 und 2); in dem Bestreben, diese zu befriedigen, knechtet er durch List und Gewalt seine Eltern, stürzt sich dann auf fremdes Gut, und wird fortan von den nächtlichen Begierden auch bei Tage beherrscht, worauf er entweder aus seinem Staate verstoßen anderen Gewaltherrschern dient, oder sich gegen sein Vaterland wendet, nur befähigt, entweder Sklave der Gewaltherrscher zu sein, und am weitesten von der Gerechtigkeit entfernt lebend (c. 3).
Nunmehr also kann vermittelst des Gegensatzes zwischen dem Gerechtesten und dem Ungerechtesten die Frage über den Glücksstand beider beantwortet werden. Jene fünfte Staatsform ist die unglücklichste, sowie die erste die glücklichste, und ebenso entsprechend die Einzeln-Menschen (c. 4); denn die Form der Gewaltherrschaft ist an sich unfrei, voll Furcht und Klage, was im höchsten Grade dann eintritt, wenn ein jener Beschaffenheit Fähiger wirklich Gewaltherrscher wird; nemlich wie ein in eine feindselige Umgebung versetzter Herr vieler Sklaven wird er stets argwöhnischer und furchtsamer und hiedurch unglücklicher; den Gegensatz hievon aber bildet die erste, d. h. die gute, Form des Staates (c. 5 u. 6). Indem aber auch in Folge der Dreitheilung der Seele sich drei Lebensweisen ergeben, die des Geldliebenden, des Ehrliebenden, des Weisheitsliebenden, und hiebei jeder seine Wahl für die beste erklärt (c. 7), wird bei der Frage um das Angenehme an und für sich doch der Weisheitsliebende, da er der Umfassende ist, die Entscheidung geben, und hiernach die Reihenfolge der drei Lebensweisen entsprechend bestimmt werden (c. 8). Ferner da bei leiblichem Vergnügen und Schmerze der Zustand der Ruhe bald als das eine bald als das andere gilt und hiemit Alles unbestimmt ist (c. 9), und es sich wie beim Auf- und Absteigen an einer Linie verhält, wo Oben und Unten nur relativ sind, so ist hingegen geistiges Vergnügen das an sich seiende, welches im Gegensatze gegen die Trugbilder die wahre Höhe erreicht (c. 10); daher haben jene anderen Vergnügungen nur Werth in der Unterordnung unter dieses, und sie sind um so schlechter, je weiter sie hievon entfernt sind, wornach der Gewaltherrscher vom idealen Herrscher in einem Abstande entfernt ist, welcher selbst durch Zahlen sich ausdrücken läßt (c. 11). Denkt man sich ein Gebilde aus einem vielköpfigen Ungeheuer und aus einem Löwen und aus einem Menschen zusammengesetzt, so nährt der Ungerechte den ersten Theil, der Gerechte den dritten unter Beihülfe des zweiten gegen den ersten; und stets liegt das wahre Glück in der Herrschaft des Besseren, das Unglück aber in jener des Schlechteren, mag der Ungerechte unentdeckt bleiben oder nicht, da ja im Gegentheile durch eintretende Strafe der bessere Theil befreit wird. Alles demnach ist um des harmonischen Bestandes willen zu betreiben und aller Besitz und Ehre darnach zu regeln, und so stellt Jeder seinen inneren Staat her (c. 12 und 13), indem er durch das Wissen sich vor den Trugbildern der Poesie bewahrt, welche eben wegen dieses Trügerischen aus dem Staate zu verbannen ist. Nemlich da es von Allem Ideen gibt, und die Dinge Abbilder derselben sind, so verfertigt jede nachahmende Kunst nur wieder Abbilder jener Abbilder und steht also in dritter Linie von dem wahren Sein entfernt, durch den Schein die Unwissenden bezaubernd (zehntes Buch, c. 1 u. 2); hätten die Dichter wirklich ein Wissen, so würden sie doch lieber den höheren Ruhm einärndten, als bloß Nachahmer zu sein; auch ist durch Homer weder ein Staat noch eine Lebensweise, wie etwa von Pythagoras, gestiftet (c. 3), und, hätte er Ersprießliches geleistet, so hätte man ihn nicht so herumwandern lassen. So haben die Dichter kein Wissen, sondern nur eine bestechende Einkleidung; denn von Allem ja, was verfertigt wird, hat nur der Gebrauchende das Wissen, und von ihm hängt der Verfertiger ab; der bloße Nachahmer hingegen haftet am Scheine (c. 4). So dient die Poesie dem schlechteren Theile des Menschen, denn gerade von dem bloßen Scheine soll uns das Denken befreien, und in allen Verhältnissen hält uns nur das Wissen aufrecht, während wir innerlich in ein Besseres und ein Schlechteres gespalten sind; denn die Vernunft ist das Einfache in uns, wohingegen die Poesie auf die weichliche Seite wirkt, um der Menge zu gefallen (c. 5 u. 6); ja sie verführt selbst die Besseren dazu, dasjenige an Anderen zu loben, was sie an sich selbst tadeln, und in solcher Weise wirkt sie nachtheilig sowohl bezüglich des Mitleides als auch des Lachens. Darum ist alle auf die Affekte wirkende Poesie zu verbannen, und nur Hymnen dürfen zugelassen werden (c. 7) So ist auch der Streit zwischen Poesie und Weisheitsliebe schon alt, und erstere kann sich nur durch den wahren Nutzen vertheidigen, und wo sie diesen nicht bringt, ist sie aufgegeben wie eine gefährliche Liebschaft; der wahre Nutzen aber und das wahre Glück liegen nur im Wissen und in der Gerechtigkeit (c. 8).
Dieß Alles aber ist noch nicht der höchste Grad des Glückes des Gerechten; denn die Seele ist ja auch unsterblich; nemlich wenn etwas zu Grunde geht, kann es nur durch das ihm eigenthümliche Schlechte zu Grunde gehen; aber das der Seele einwohnende Schlechte vernichtet dieselbe ja nicht, wie etwa den Leib (c. 9), und durch das den Leib betreffende Schlechte wird die Seele nicht geändert. Wäre die Schlechtigkeit der Seele ihr tödtlich, so müßte die Schnelligkeit des Eintrittes des Todes proportionirt mit dem Grade der Schlechtigkeit sein, und auch außerdem wäre der Tod für den Schlechten ein Gewinn (c. 10). Somit ist die Seele unsterblich, und muß in ihrer Reinheit von irdischen Schlacken und in ihrer Verwandtschaft mit Gott betrachtet werden (c. 11). In dieser Beziehung handelt es sich nicht um äußerlichen Lohn, sondern um den wahren; und hierin ist Niemand dem Gotte verborgen, und der Gerechte ist gottgeliebt, der Ungerechte gottverhaßt; dem Gerechten schlägt Alles zum Guten aus, und bei den Menschen ist das Ende der Laufbahn des Gebens das Entscheidende, wobei der Ungerechte zuletzt doch der Lächerliche und der Gestrafte ist. So im Leben (c. 12).
Wie es aber nach dem Tode sein werde, zeigt die Erzählung eines vom Hades einmal Zurückgekehrten, welcher über die dortigen Wanderungen und Strafen der Seelen (c. 13), sowie über den Bau des Weltalles (c. 14) und die Vertheilung neuer Lebens-Loose an die zum Leben zurückkehrenden Seelen berichtete, – ein Mythus, durch welchen wir uns im Betriebe der Gerechtigkeit bewahren mögen (c. 15 u. 16).