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Kinderlose Frauen

(1930)

Trotz der beiden Pole an Hysterie, die vor einigen Jahren in dem »Schrei nach dem Kinde« ihren Ausdruck fanden, und die sich heute in der wilden Betonung des § 218 manifestieren, glaubt der J.F.B. an ein natürliches stilles Sehnen in jeder Frau, ihrem Leben durch die Existenz eines Kindes Inhalt und Fortsetzung zu geben. Nicht jeder Frau ist in ihrer Ehe die Erfüllung dieses Glückes gegeben; viele gehen ihren Weg in Verzicht und Entsagung, ohne Hoffnung je noch diese Vollendung ihres Daseins finden zu können.

Der J.F.B. denkt dabei weniger an jene Frauen, die in der sozialen Arbeit als solche sich heute schon mit dem Surrogat für die eigene abgefunden haben, sondern ebenso, vielleicht noch mehr, an diejenigen Frauen, denen sich solche Wege nicht erschlossen haben.

Wir haben oft beobachtet, daß in solchen Frauen ein Schatz von Liebe und Hilfsbereitschaft verborgen ist, der sich gern und leicht zu Werktätigkeit umsetzt, wenn durch Zufall oder bewußt diese Frauen in einen Pflichtenkreis von Mütterlichkeit hineingezogen worden.

Aus diesen Erwägungen und Beobachtungen ist man auf den Gedanken gekommen, Frauen, die unbewußt eine Schicksalsgemeinschaft vereint, auch zu einer gemeinsamen Aufgabe zu verbinden. Diese Aufgabe bestände darin, den kinderlosen Frauen Erziehungs- und Fürsorgeaufgaben zu stellen, in denen sie ganz individuell – das Wort sei hier subjektiv wie objektiv verstanden – an Kindern mütterliche Pflichten zu erfüllen hätten. »Für eine Frau gibt es keine fremden Kinder«.

Es kann also jedes Kind in den Lichtkreis einer sorgenden Frau gezogen werden.

Wir denken darum, daß – wie der Psalmist sagt – die Kinderlosen den Weg suchen sollen, frohe Mütter zu werden, d. h. außerhalb des Rahmens oder innerhalb der organisatorischen Kinder- und Jugendpflege solche Auswirkung zu suchen, die sie sonst als bestes geistiges Geben dem eigenen Kinde zugewandt hätten.

Der J.F.B. schlägt vor, daß ganz aus eigenem Vorgehen diese Frauen sich einigen, sich die Formen ihrer Aufgaben wählen und die Wege zu deren Erfüllung suchen. Es braucht nicht gesagt zu werden, welcher Quell persönlicher Freude und Genugtuung es für manche Einsame bedeuten wird, wenn sie, mitbeobachtend, mitberatend, mitfördernd, mit unterstützend den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen (männl. und weiblich) teilweise begleitet und ihm nach ihrer persönlichen Kultur- Richtung geben kann.

Der J.F.B. will diese Idee in die jüdische Frauenwelt hineintragen, stellt sich zur Verfügung, die Schritte eines solchen Unternehmens vorzubereiten und glaubt, daß die gedachten mütterlichen Frauen dann selbst den Aufbau sowie den Inhalt des Bündnisses organisieren und durchdenken werden.

Wir bitten solche Frauen, die sich zu diesen Aufgaben bereit erklären wollen oder evtl. auch Namen solcher Frauen nennen können, an die dieser Aufruf nicht gelangt ist, ihre Adresse an den J.F.B. zu schicken. Der J.F.B. wird dann – nach gegebener Zeit – zu Vorbesprechungen einladen.

Antrag von Bertha Pappenheim.


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