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Nach reiflicher Erwägung in dem hohen Rath der Stadt war ein einiger Entschluß gefaßt, die Empfangsfeierlichkeiten für die hohen Gäste, welche der Einladung zu folgen verheißen hatten, mit verschwenderischer Großartigkeit anzuordnen – und dieser Beschluß ward um so sicherer gefaßt, da es sich hier um die Ehrenbezeigungen für zwei Frauen königlicher Abkunft handelte, welche auf keine Weise zu der eifersüchtigen Stadt in Rechte treten konnten, und der erleichtert ward durch die ablehnende kluge Antwort des Statthalters, der zwar verhieß, seinen vierzehnjährigen Sohn, den Bräutigam der englischen Prinzessin zu senden, sich selbst aber davon zurückzuhalten wünschte.

Damit war die letzte Zweideutigkeit von den beabsichtigten Ehrenbezeigungen genommen, denn zweien Frauen konnte man ja nicht zu viel thun, und die Stadt trachtete heimlich nach einer Gelegenheit, ihren Reichthum und ihre ziemlich nutzlos gesammelten Schätze an das Licht der Sonne zu führen.

Es war daher der Fall eingetreten, daß die reichen Machthaber der Stadt sich ihrer Dichter, Künstler, Gelehrten und geschickten Mechaniker, als einer ihnen unerläßlich nöthigen Unterstützung erinnerten, und eine Art Heerschau über die vorhandenen Kräfte dieses Corps gehalten ward.

Bald gingen alle Interessen Hand in Hand – die reichen Herren der Stadt wollten ihr Geld los sein – die Künstler ihre Gedanken. Beides sollte sich in erhabenen großartigen Einrichtungen manifestiren und die glückliche Vereinigung solcher Mittel zauberte die größten Erfolge ins Leben.

Dessenungeachtet enthalten wir uns hier, Beschreibungen dieser Ausschmückungen zu geben.

Wenn die Ansichten über Schönheit und Geschmack durch Jahrhunderte getrennt sind, müssen wir wenigstens Beschreibungen von den Ausschmückungen vermeiden, die, nicht nach den ewigen Gesetzen der Kunst gebildet, ins Leben traten, welche eben ephemer – der Zeit entsprechend waren – wogegen die Empfindungen der Menschen dabei, die Absichten, die damit erreicht werden sollten, für die späteste Nachwelt ihr Interesse behalten und ihr Recht auf unsere Würdigung. Die Geschichte der menschlichen Gefühle, der daraus hervorgehenden Handlungen und Erfolge, ist das alte tiefsinnige Buch, worin wir auf jeder Seite ewige Gesetze finden, nach denen sich die Zustände ihrem inneren Getriebe nach immer wiederholen. Der Faden, der sich um die Spindel dreht, wird mannigfach und in wechselnder Güte gesponnen werden, das Gewebe, was aus dem Gespinnst entsteht, wird andere Stoffe bilden – aber die kleine Spindel, die den Faden bildet, wird dieselbe bleiben, denn sie dreht sich nach unabänderlichen Bedingungen, und ist, wie die Natur des Menschen, ewigen Gesetzen unterworfen. Alte Institutionen, Gebräuche, Räumlichkeiten, behalten immer einen Achtung fordernden Antheil. Was kann anziehender für die denkenden Nachkommen sein, als daraus den geistigen Standpunkt des verschwundenen Geschlechts zu ergründen – was ist belebender, anregender für die Gegenwart, als ihre erhabenen Kämpfe mit dem schwierigen Material, das ihnen noch roher vorlag – was ist in Zeiten der Erschlaffung zugleich strafender und beschämender, als die Anschauung ihrer erreichten Erfolge, ihrer riesigen Kraftanstrengungen nach Außen, ihres tief innerlichen Stilllebens, wo die Kunst und die Wissenschaft Probleme lösten, ohne nach Kategorien zu suchen – wo Alles, was heran bildend entstand – jedes Werk der Wissenschaft, der Kunst und Mechanik immer den Menschen, der es schuf, zugleich manifestirte, der als Spitze aus der Masse hervorragte, der oft nur ein Product eines langen Lebens als Vermächtniß der Nachwelt übergab, und welches zu Schlüssen über sein Leben führt, welche uns erschüttern, mit Ehrfurcht und Liebe – nicht selten mit Sehnsucht erfüllen.

Dagegen ist es anders mit ihren Vergnügungen. Ihre Schilderung schadet oft dem Eindruck, den die übrigen Berechtigungen uns machen, und werfen nicht selten einen Schein der Albernheit und der Geschmacklosigkeit auf Zustände, die in allen wesentlichen Beziehungen uns ansprechen und unsere Achtung erwerben.

Wir berühren daher nicht, in welchem gewagten Verhältnisse heidnische und biblische Heroen bei Ehrenpforten, Mummereien, öffentlichen Theatern und Tänzen vereinigt waren, von denen der lang dauernde Zug der hohen Herrschaften bis zu dem Prinzenhof unterbrochen ward, und erwähnen nur den ehrwürdigen Theil desselben, der eben von dem Aufzug der Bürger und des hohen Magistrats selbst herrührte und die wohl errungene Macht der Stadt darstellte, die in der Kraft des Nationalcharakters beruhend, durch weise Maaßregeln befestigt, eine imposante menschliche Stellung einnahm. –

Die Kavallerie dieser freien Stadt war kein stehendes organisirtes Corps besoldeter Reiter, sie bestand immer nur aus den jungen Bürgersöhnen, welche solche Gelegenheiten benutzten, um sowohl den Uebermuth der Jugend als den Reichthum ihrer Väter ins Licht zu stellen, und einen Aufwand entfalteten, der in diesem Falle dem Tadel der Eltern entging, ja nicht selten auf splendide Weise von ihnen unterstützt wurde, da es ihnen unter Anderem selbst eine geheime Lust war, eine Reihenfolge der herrlichsten Pferde zu stellen, wovon jedes einzelne oft werth gewesen wäre, unter der Satteldecke eines Fürsten sich zu heben. Mit anscheinend gleichgültiger Miene beobachteten sie dann die Blicke der Vornehmen, die zerstreut von dem Anblick dieses bei ihnen so beliebten königlichen Prunkes Blicke mit einander tauschten und mit ihrem hochmüthigen Spott über die Reiter selbst etwas einhielten, da hier in ihren Augen das Pferd den Reiter nobilitirte.

Dieses Corps bildete nun die Escorte der goldenen, mit acht milchweißen Pferden bespannten Kutsche, welche die junge Braut aufnehmen sollte, und die jugendlichen Reiter hatten diesmal um so weniger angestanden, allen nur erdenklichen Glanz an sich zu verschwenden, da die Galanterie gegen zwei fürstliche Frauen jede Maaßregel der Art zu fordern schien, und keine politische Rücksicht sie dabei stören konnte.

Ihre Kleider waren nach den Farben der fünf Heerschaaren der Stadt in Orange, Weiß, Blau, Gelb und Grün und von dem köstlichsten Sammt, mit Atlas und Seide gefüttert, und mit den reichsten Stickereien in Gold, Silber, Perlen und Edelsteinen so bedeckt, daß die Farbe der Abtheilung kaum an etwas Anderem, als an ihren Standarten zu erkennen war. Die Zahl dieser Reiter belief sich auf fünfhundert, und jede Fahne hatte vier und zwanzig Trompeter. Sie waren so eingetheilt, daß die Hundert in den Farben des Hauses Oranien den Zug anführten, daß hinter ihnen die sechs und dreißig Räthe der Stadt, dann die neun Schöffen, dann die acht Bürgermeister kamen, in deren Mitte das Haupt der Stadt, der Oberschulz, Herr von Marseeven, ritt.

Vor diesem ritten zwei Schatzmeister, in ihrer Mitte wieder der Stadtwächter, die angesehene Person, welcher nichts zu thun oblag, längs seines Lebens, als bei feierlichen Gelegenheiten die Schlüssel der Stadt auf reichgeschmücktem Kissen zu tragen, wodurch wir ihn auch im vorliegenden Augenblick bezeichnet sehn.

Hinter dem Schulzen ritten der Oberschenk und der Mundvorleger – , beide zwar in Gold und Seide strotzend, aber dennoch mit dem Zeichen ihrer Würde, einer blendend weißen Schürze von dem feinsten holländischen Leinenzeug. Sie hatten Jeder zwei Diener hinter sich, welche in köstlichen, vergoldeten, mit Edelsteinen geschmückten Gefäßen den nothwendigen Imbiß und Willkommentrank trugen, ohne welchen die hohen Fremden das Weichbild der Stadt nicht passiren durften. Auf den Pferden hinter diesen Dienern saßen auf eigen dazu eingerichteten Reitkissen vier der schönsten Knaben aus den vornehmsten Geschlechtern der Stadt in dem reichen phantastischen Pagencostüm jener Zeit, welche bestimmt waren, den hohen Frauen am nächsten zu kommen und aus ihrer Hand den dargebotenen Imbiß zu empfangen.

Dann folgte die große goldene Staatskutsche der Stadt, welche mit großen venetianischen Spiegelscheiden einem in der Luft schwebenden Throne zu gleichen schien. Purpurne Sammtkissen, mit Hermelin verziert und den kunstreichsten Stickereien, zierten das Innere, während das Aeußere zwischen den reichen Vergoldungen Malereien zeigte im Geschmack der Zeit, voll von Anspielungen feinerer und gröberer Minnenscherze. Die Portieren an diesem mächtig breiten Wagen, die kleinen Häusern glichen, waren auf beiden Seiten wie Balkons herausgebaut und von ihnen aus hingen breite sammtne Stufen bis zur Erde heraus, reiche Teppiche hingen über die Brüstung dieser Portieren, und zum Schutz gegen die Sonne schwebte eine Art Baldachin darüber, denn sie waren hauptsächlich dazu bestimmt, um aus dem Spiegelkasten des Wagens herauszutreten, wenn ein Mummenscherz oder eine andere ernstere Feierlichkeit den Zug aufhielt, wodurch die hohen Insassen der Kutsche eben sowohl besser sahen und hörten, als gesehen wurden. Auf jeder Stufe standen zwei Pagen, welche sich an einer goldenen Schnur festhielten, wodurch das Geländer der Treppe gebildet ward.

Trotz der acht milchweißen Pferde, welche mit Blumen und Federn und köstlichen Decken an goldenen Zügeln gelenkt, dies kleine Feenpalais fortbewegten, lag es doch in der Natur des seltsamen Wagens, seine Schöne und Würde nur durch ein langsames, kaum bemerkliches Fortrollen behaupten zu können, und dies gelang auch vollkommen, denn die Wege waren auf der ganzen Strecke bis zum Empfangspunct mit Dielen furniert und diese mit dickem flandrischen Fries von scharlachrother Farbe belegt.

Nach zwei ähnlichen, doch einfacheren Wagen, welche diesem nachfahrend für das Gefolge bestimmt waren, folgten noch zwei Fahnen der Bürgerkavallerie, während zwei derselben, jede hundert Pferde stark, den hohen Reisenden eine Meile vor der Stadt entgegen geritten waren und die Reisewagen bis zu dem Weichbilde der Stadt escortirten, wo sie sich dann dem Nachtrabe anschlossen.

Wenn wir uns erlaubt haben, die Art zu verrathen, wie man den Weg zubereitet hatte, dürfen wir nicht unterlassen, zu versichern, daß die Häuser, welche an dieser Straße lagen, im selben Verhältniß sich ausgeschmückt zeigten und Gerüste und Balkone und Fenster in dem Wechsel, wie die Localität dies grade bedingte, mit den Frauen und Kindern derselben und Bekannten und Verwandten der ferneren Stadttheile besetzt waren und das zwar in ihrem reichsten Putz, und daß die Männer aller Häuser auf den Straßen waren, theils in wirklichen Amtsverrichtungen, theils zum besseren Genuß wohl gelaunter Kurzweil.

Die hohen Herrschaften hatten ihre Reise durch die gastliche Vermittlung der Stadt so eingerichtet, daß sie kurz vor Amsterdam am Abend vorher gerastet hatten, und daß sie jetzt den vollen Tag, der so viele Feierlichkeiten in sich schließen sollte, vor sich hatten und von dem herrlichen Wetter des Augustmonats begünstigt, schon früh ihren glänzenden Einzug hielten.

Die Königin Mutter befand sich mit dem kindlichen Brautpaar und den vornehmsten holländischen Damen, die ihr zugegeben waren, in einer Reisekarosse.

Als sie nun bei Annäherung des beschriebenen Zuges dieselbe verließen, nahm sie ein Pavillon am Wege auf, der zu diesem Behuf gebaut war und worin sie die Begrüßungen des hohen Raths empfingen und den Ehrentrunk und den Imbiß vom feinsten weißen Brote einnahmen. – Dann bestiegen sie ihren kleinen rollenden Feenpalast, und zwar forderte die Königin von England dazu die Hand des Oberschulzen von Marseeven und bat zwei von den regierenden Bügermeistern, ihrer Tochter, der Prinzessin Marie, gleiche Gunst zu erzeigen. Als sie nun an der Seite des hochverehrten Schulzen die hohen Treppen des Pavillons hinunter stieg und mit ihren königlichen Augen um sich schaute, ward ihr für ihre kluge Wahl der jauchzende Zuruf der dicht gedrängten Bevölkerung zu Theil, und ihr holdseliges Lächeln und ihre herablassenden Grüße zeigten dem jubelnden Volke, daß sie ihren Beifall gern habe und Werth darauf lege.

»Hohe Frau!« sagte Herr von Marseeven – »Euer Majestät sind dazu geschaffen, ein Volk in anbetender Liebe zu berauschen. Die alten Republikaner würden ihre eifersüchtig bewachten Rechte einer solchen Königin zu Füßen legen.«

»Marseeven!« rief die Königin, indem der Blitz des Schmerzes eben so schnell über ihr schönes Antlitz glitt – »Mir das! und von euch! von dem feinsten Politiker seiner Zeit, der in meinem armen England so genau Bescheid weiß, als in den Ringmauern seines souverainen Amsterdams! Ist das nicht Spott? Und verdiene ich das heute als Mutter, indem ich voll Vertrauen meinen höchsten Schatz in eure Mauern führe – und verdient es die Königin, welche von eurer Weisheit zu lernen und Rath und Trost zu empfangen hofft?«

»Hohe Frau!« sagte Herr von Marseeven – »die Weisheit einer Republik paßt wenig für die Bedürfnisse eines Königreichs – unser Rath würde einen zu freiheitliebenden Beigeschmack haben, um Euer Majestät nicht das Unbehagen einer fremden unverdaulichen Kost zu geben – wir sind auf diesem Punct immer ungeschickt.«

»Heuchler!« sagte die Königin und zwang sich zu lächeln – »Wer den Reichthum von Europa beherrscht, ist heimlich oder öffentlich der Koch, der alle Gerichte bereiten läßt, zu denen wir armen gekrönten Häupter uns hinsetzen müssen, um das zu verzehren, was ihr angeordnet.«

»Nun dann,« erwiderte der Oberschulze ebenfalls lächelnd – »würde die alte holländische Hauptstadt für Euer Majestät doch gern einen Zuckertheil bereit halten.«

»Ich werde euch beim Wort halten, Herr von Marseeven!« rief die Königin lebhaft, und Beide blickten sich einen Augenblick mit blitzenden Augen an, denn Herr von Marseeven war ein großer Kenner und Bewunderer des weiblichen Geschlechts, und der königliche Rang der schönen Frau machte ihn nicht verlegen.

Henriette von Frankreich, die Tochter Heinrich des Vierten, die Gemahlin Karls des Ersten von England, hatte fast den Sommer ihres Lebens schon zurückgelegt und verdiente dennoch den Namen einer Schönheit, wenn damit auch nur der vereinte Zauber eines edlen Ganzen gemeint sein konnte, erhalten durch den Geist, der durchstrahlend über die Form zu tauschen vermochte. Das harte Schicksal, das ihr und ihrem Hause bevorstand, äußerte sich schon in drohenden Symptomen – und die unglückliche Königin verstand genug von Politik, um die Fehler ihres Gemahls einzusehn, aber indem sie sich von ihren katholischen Rathgebern leiten ließ, verbesserte sie dieselben nicht, und vielleicht wäre überhaupt Niemand mehr im Stande gewesen, den Strom aufzuhalten, der, angewachsen von Mißverständnissen und vernachlässigten Uebeln, bestimmt war, verheerend über das ganze Land dahin zu brausen – und nothwendig eine Dynastie mit hinwegreißen mußte, welche zu spät die Nothwendigkeit einsah, in den heiligen Interessen des Volks, in seiner Liebe und in seinen Bestrebungen zu wurzeln – und indem sie sich isolirt hatte, auch demselben fremd geworden war und das Mißtrauen selbst über sich herab gerufen hatte, womit jetzt ihre Handlungen zu Verbrechen gestempelt wurden.

Dennoch war die unglückliche Königin gekommen, um durch Anleihen die jetzt nöthig gewordenen Maaßregeln ihres Gemahls zu unterstützen, und Herr von Marseeven, der vollkommen richtig von der Königin beurtheilt wurde, kannte die Zustände Englands genau und konnte die stolzen Maaßregeln der Gewalt, wohin Karls Rüstungen wiesen, nicht billigen und mußte der Natur der Verhältnisse nach auf Seiten des Parlaments sein, denn in diesem Streite wiederholte sich nur, was auf dem republikanischen Theater der alten holländischen Freistadt oft genug aufgeführt worden war.

Doch hatte die Königin aus seinen Antworten Hoffnung geschöpft, und vielleicht nicht ohne Grund, denn die Politik eines Handelsstaates hat nie so feste Consequenzen, daß sie nicht eine öffentliche Stellung gewissen Verhältnissen gegenüber annehmen, und alle officiellen Schritte mit Ernst und Energie danach regeln könnte, und dennoch die Freiheit ihrer handeltreibenden Bürger ungefährdet zu erhalten wüßte, wenn deren Getriebe auch oft der anerkannten politischen Richtung des Staates grade entgegen liefe.

Aus diesen Hoffnungen der königlichen Frau entsprangen nun auch ihre erfolgreichen Bemühungen, die allgemeine günstige Stimmung sich zu gewinnen, und das trotzigste, abgeschlossenste Volk bleibt immer empfänglich für den Nimbus fürstlicher Personen und sieht sie gern sich um ihre Gunst bemühen und will sich dagegen liebenswürdig zeigen durch Darlegung seiner Eigenschaften, auf die es sich auch einbildet und womit es den Eindruck von Ueberraschung und Vergnügen, den es empfing, zu vergelten sucht.

So hätte man das gemeine Volk kokett nennen können und die kluge Königin dazu ermunternd, denn sie schien für jeden Ausbruch der Laune Augen und Ohr zu haben, und dies unbeschreibliche Lächeln der Großen, was sie den Herzen des Volks so nahe rückt, weil es so menschlich ist, so allgemein, lohnte jeden kühnen Versuch ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.

Sie wußte dabei mit großer Feinheit die Huldigungen dieses Einzugs von sich ab auf das junge Brautpaar an ihrer Seite zu lenken und stand doch beständig bereit mit ihrem Tact und ihrer klugen Rede, das zu verrichten, was die jungen Leute übersehen konnten.

Als sie die Kutsche, die wir beschrieben haben, bestiegen hatte und diese sich auf dem ersten Ruhepunct, wo eine feierliche Begrüßung der Stadt angeordnet war, befand, ordnete es die Königin, daß Alle, in den Balkon der Kutsche tretend, sich so stellten, daß Heinrich und Marie, das reizende junge Brautpaar, an die Brüstung des Balkons traten und die Königin sich hinter sie stellte, sie überragend und vollkommen im Charakter einer Mutter sie zu beschützen schien.

Die Königin trug zu diesem Einzug ein amarantfarbenes offenes Sammtkleid, welches mit den Farben des Hauses Oranien, mit orange Atlas aufgeschlagen war, von welcher Farbe auch ihr Unterkleid war. Die Uebergange beider Farben waren dadurch gemildert, daß die Königin ihren ganzen berühmten Perlenschmuck zu Stickereien auf diesem Kleide hatte verwenden lassen und so der Geschmack diesmal durch die Pracht gerettet wurde. Ebenso schwebte in ihrem dunklen nur erst mit wenig Weiß gemischtem Haar eine Krone dieser Perlen, und ein duftiger Schleier von Goldflor hing vom Kopf aus über die Schultern bis zur Erde.

Sie wußte recht gut, daß dieser auserlesene Schmuck von vielen sachkundigen Augen taxirt wurde – und die heldenmüthige Frau, welche ihre weiblichen Schwächen auf diesem Punct besiegt hatte, wollte das – denn sie war entschlossen zu veräußern und zu verpfänden, soviel es ihr gestattet würde.

Ihre Tochter wie der Prinz Heinrich waren dagegen in weißen Silberstoff gekleidet, und die junge Prinzessin hielt ihre schönen Locken mit Schleifen von Brillanten.

Als nun die Deputirten der Zünfte sie mit herzlichen Worten begrüßt hatten und die jungen Herrschaften mit der heiteren Unbefangenheit lustiger Kinder gedankt hatten – streckte die Königin ihre Hand nach einer Bandrose aus, welche die Farben der Stadt enthielt, und die der prächtig gekleidete Sprecher der Fleischhauer-Zunft, welche die vornehmste und reichste Genossenschaft der Stadt war, auf seinem Mantel trug, nestelte sie selbst los und heftete sie der Prinzessin Marie auf die Schulter.

Dieser Act, der so wohlberechnet der Eitelkeit Aller schmeichelte, erregte einen grenzenlosen Jubel, und der Name der Königin und des Brautpaares erschütterte mit dem Tusch der gehäuften Musikchöre die Luft.

Im selben Augenblick aber regnete es von allen Seiten die bedeutungsvollen Bandschleifen, und die Königin nahm aus der Hand des Herrn von Marseeven eine zweite und befestigte sie an ihrem Handschuh, indem sie ihr Gefolge aufforderte, ein Gleiches zu thun.

Die gegenseitige Zufriedenheit steigerte sich durch diese feinen Aufmerksamkeiten der Königin, und die unglückliche Frau, die in ihrem eignen Lande von den düster zürnenden Blicken ihres Volks verfolgt ward, nicht selten unter ihren rohen Ausfällen der Mißbilligung leidend, fand in einem fremden Lande noch einmal die Zeichen der Liebe und des Enthusiasmus wieder, der wie die Beglaubigung ihres hohen Berufs den gekrönten Häuptern der Erde eine Kraft wird, mit der sie die großen Zwecke ihrer Stellung verfolgen.

Wir erwähnen nur, daß der Einzug bis gegen den Nachmittag des Tages währte, daß den hohen Herrschaften eine Art fliegender Mittagstafel auf dem Wege servirt ward, und daß die Feierlichkeit erst auf dem Schloßhof des Fürstenhauses schloß, der zu diesem Behuf eigen eingerichtet war.

Das Fürstenhaus lag auf der Seite des Burgwalls unfern der Freischule und war ehemals das Kloster der heiligen Cäcilie gewesen.

Seine Bestimmung als Fürstenhof hatte es zur Zeit des Moritz von Oranien erhalten, welcher nach der glücklichen Eroberung und Einverleibung der Stadt Groningen mit den Umländern von der Stadt Amsterdam durch einen prachtvollen Einzug geehrt ward, zu dessen End man dies weitläufige Gebäude, welches eine schöne großartige Anlage war, ausstattete, wie es dem fürstlichen Range des Gastes und dem Reichthum der Stadt gemäß war. Nach dieser Zeit blieb es zu diesem Behuf erhalten, und erst später wurde es zu den Versammlungen der See-Räthe der vereinigten Niederlande verwendet.

Dies große Gebäude war im Oblongum gebaut und in zwei große regelmäßige Höfe durch einen bedeckten Säulengang getheilt, welcher einen lustigen Spaziergang darbot. – Um den ersten Hof liefen die vornehmsten Gebäude herum, und rechts vom Eingang befand sich der prachtvolle Hauptflügel, der mit marmornen Treppen, Geländern, Erkern und Gallerieen allen Luxus des damals herrschenden Baugeschmacks umschloß. – Zu diesem ersten Hof gelangte man von der Straße aus durch ein mächtig breites und hohes Portal, welches in freien Wölbungen die ganze Tiefe der vorderen Fronte durchschnitt.

Dieser Theil des ehemaligen Klosters war der älteste überhaupt, und wenn er auch schöne und lichte Räume genug enthielt, war ihm doch nicht sein ursprünglicher Vorzug als Hauptfront des Gebäudes verblieben – aber immer noch trennte er dies mächtige Häusercarré von der Straße durch seine ehrwürdigen steinernen Massen und sein imposantes Portal mit den überladensten Verzierungen machte es zu einem schätzenswerthen Eingangspuncte.

Als der prächtige Wagen der hohen Gäste endlich durch dies Portal bis zu dem erwähnten großen Hof gelangt war, sahen sie den weiten Raum desselben so gedrängt voll Menschen, daß er mit Köpfen gepflastert zu sein schien. Vor dem jetzt auffahrenden Wagen aber war ein Halbkreis abgezweigt, der einen wahrhaft königlichen Glanz entwickelte. Es befand sich nämlich in der Mitte dieses Raumes ein Thron gebaut, der mit einigen Stufen über den Boden erhöht war. Die Nische des Thrones, der so breit war, um die Königin und das Brautpaar aufzunehmen, war wie aus goldenen Harfen gebaut, dazwischen die purpurnen Behänge golddurchwirkter Seide niederflossen. Die Sitze waren mit Sammt- und Hermelin-Besätzen geziert, wie die Stufen damit belegt waren, und von beiden Seiten des Thrones zog sich um den erwähnten Halbkreis ein goldenes Gitter, worüber die bedeutungsvollen Orangenbäume in goldenen Kübeln mit ihren leuchtenden Früchten sich erhoben.

Vor diesem Gitter standen auf beiden Seiten goldene Lehnstühle mit sammtner Bekleidung, worauf die Frauen des hohen Rathes Platz genommen hatten, und in Mitte dieses Raumes stieg aus einem kolossalen Blumenkorbe, dessen seltene Gewächse die Luft mit ihrem Duft balsamisch erfüllten, eine schlanke marmorne Säule empor, auf deren oberem Rande vier Genien in schäkernden Stellungen mit ihren Händchen den hohen Wasserstrahl aufzufangen schienen, der von ihnen herab in reizendem Gekräusel in das prachtvolle Broncebecken niederfiel, dessen Rand und Politur ein seltnes Kunstwerk war. Der ganze Raum dieses großen prachtvollen Salons in freier Luft war mit den kostbarsten Teppichen belegt, und die vornehmsten Jungfrauen der Stadt – Meisterwerke der Schönheit – standen hier in Silberstoff, mit orange Schleifen verziert, zum Empfang der hohen Gäste.

Als die Königin in diesen Raum eintrat und ihre Augen von den schönen Jungfrauen zu dem Halbkreis der Mütter überschweifte, welche, vor ihren Stühlen stehend, sich ehrfurchtsvoll verneigten, ward sie von der hier sich zeigenden Pracht so überwältigt, daß sie, zu Herrn von Marseeven gewendet, rasch ausrief: »Was ist das, Herr Oberschulze – bin ich in einer Versammlung von Fürstinnen?«

»Es sind unsere demüthigen Hausfrauen, Euer Majestät« – antwortete der feine Marseeven lächelnd – »die Bürgerinnen dieser Stadt! Die armen Frauen fühlten, wie schwer es sei, würdig vor einer Königin zu erscheinen – sie haben ein wenig Putz zusammengeborgt.«

»Ha!« rief die Königin lachend – »sie werden zum Schutzschein Indien verpfändet haben.«

Dann nahm sie aus den Händen der Jungfrauen die leichten Gaben an Blumen und Früchten, die ihr und der jungen Braut dargebracht wurden und ging, die Hand des Oberschulzen fordernd, indem sie diesmal das Brautpaar Hand in Hand vorangehen hieß, bis zu dem Throne, von wo aus sie mit hinreißender Freundlichkeit rechts und links die Damen und dann auch das vor dem Gitter geschaarte Volk begrüßte und ihnen ihre Tochter zeigte, indem sie dieselbe vortreten ließ und nun die letzten Ehren erwartete, welche diesmal in der Uebergabe kostbarer Geschenke bestanden.

Diese Geschenke waren vaterländische Erzeugnisse, und sie umschlossen alle Zweige der in Flor stehenden Industrie und Kunst, und das feinste Leinen, dessen glattes Wundergewebe keine Frau ohne Entzücken betrachten konnte, war die Grundlage dieser reichen Gaben, die endlich bis zu den herrlichen Silber- und Goldarbeiten des kunstfertigen Amsterdam stiegen, welche den Inhalt einer Toilette geliefert hatten, welche auf einem kleinen Wagen daher gerollt kam und deren Kannen, Becher, Becken und unzählige Kästchen und Büchsen eines solchen Gegenstandes jedes für sich ein Kunstwerk zu nennen waren.

Nachdem diese Vergnügungen, welche bereits bis in den Nachmittag hineinreichten, hiermit für den Tag geschlossen waren, zeigte Herr von Marseeven der Königin an, daß ihre Zimmer bereit waren zu ihrem Empfang, und indem er sie nach ihren Befehlen für den Rest des Tages fragte, deutete er ihr die Wünsche der Stadt an, daß sie am andern Tage ein großes Banquet in dem Rathhause annehmen möge und bemerkte, daß Niemand geladen sei – daß dies eine von ihr und der Prinzessin Braut ausgehende Gnade sein werde.

»Da werden Wir, meine Tochter und ich, uns als verschwenderische Hausfrauen zeigen,« rief die Königin, und indem sie sich erhob und mit ihrem Schnupftuch in der Luft wehte, rief sie laut: »Ganz Amsterdam sei unser Gast!« Sie stieg nach diesen Worten, die von einem grenzenlosen Jubel des Volks und den rauschenden Fanfaren der Musikchöre beantwortet wurden, die Stufen des Thrones herunter, ihre Tochter an der Hand, und ließ sich nun, in dem Halbkreise umhergehend, diese wie Fürstinnen geschmückten Bürgerfrauen vorstellen, lud sie Alle zum Feste und wußte mit großem Tact, welcher zugleich bewies, daß ihr die Verhältnisse der Stadt und dieser vornehmen Familien nicht fremd waren, einige zu dieser Ehre Berechtigte für die kleinere Abendtafel auszuwählen, die ihr mit Rücksicht der Ermüdung dieses Einzugstages in ihren Gemächern angeboten worden war.

Frau von Marseeven mußte natürlich in der Reihenfolge die Erste sein, und obwohl ohne Schönheit und Jugend, lag doch in der Erscheinung dieser edlen Frau etwas so Ausgezeichnetes, eine so vollkommene Feinheit und vornehme Ruhe, daß die Königin ihr augenblicklich ihre Zuneigung zuwendete, und von der oft gemachten Erfahrung geleitet, die hier vielleicht nicht zutraf, wie nöthig es oft alternden Frauen ist, durch fremde Anerkennung in der Erinnerung ihrer Männer aufgefrischt zu werden, unterließ sie nicht, Herrn von Marseeven glücklich zu preisen über den Besitz einer so ausgezeichneten Frau.

Erst nachdem sich die Königin, ohne die kleinste Abspannung zu zeigen, diesem lang dauernden Umgang unterzogen hatte, erlaubte sie sich an ihre Erholung zu denken, und nun öffneten sich die Gitter, und die Königin fand von den Stufen des Thrones links abführend bis zu der marmornen Freitreppe, die zu ihren Zimmern führte, einen Laubgang blühender Gebüsche gewölbt, die zu einem kurzen Leben verdammt, den starren Marmorboden des großen Hofes in einen blühenden Garten umgewandelt hatten.

Wir wollen uns der ermüdenden Beschreibung der innern Einrichtung dieser Räume enthalten – wir dürfen ihr nach den gemachten Erfahrungen nicht mißtrauen, und die Königin genoß nun einer kurzen Ruhe, um sich zu der frühen Abendtafel vorzubereiten.

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