Publius Ovidius Naso
Metamorphosen
Publius Ovidius Naso

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Dryope

            Iole sprach zur Alkmene, die blühende Schnur zu der Schwieger:
Fremd ist eurem Geschlecht die Verwandelte, welche du, Mutter,
Jetzo beklagst. Wie, wenn ich das wunderbare Verhängnis
Meiner Schwester erzähl'? obgleich vor Tränen und Wehmut
Fast mir die Rede verstummt! Des Eurytus einzige Tochter
Von der anderen Frau war Dryope, ich von der ersten.
Dryope ragt' an Schöne vor allen öchalischen Jungfrau'n,
Selbst von dem Gotte geliebt, der in Delphos waltet und Delos,
Und die Beseligerin des edelen Gatten Andrämon.

Dort ist ein See, der gleich abhängigem Ufer des Meeres
Hebet den Bord; und oben bekränzt ein Myrtengebüsch ihn.
Dryope kam hierher, des Geschicks unkundig; und, was noch
Mehr Unwillen erregt, sie weihete Kränze den Nymphen.
Und sie trug an dem Busen den noch nicht jährigen Säugling,
Mütterlich ihn liebkosend, mit warmer Milch ihn ernährend.

Nahe dem sumpfigen Teich, in Purpurröte gehüllet,
Blühte mit Hoffnung der Beeren der wasserliebende Lotus.
Dryope pflückte davon, zur Lust dem spielenden Knäblein,
Einen blumigen Sproß; und nachtun wollt' ich es selber,
Denn ich begleitete sie: da ich Blut aus dem Schafte der Blumen
Tröpfeln sah, und die Zweige von zitterndem Schauer gereget.
Siehe, wie nun uns endlich der langsame Bauer verkündet,
Lotis, eine der Nymphen, gejagt von dem schlimmen Priapus,
Hatt' in den Baum die Gestalt, mit erhaltenem Namen, verwandelt.

Doch nicht wußt' es die Schwester. Da voll von Schrecken sie rückwärts
Gehen wollt', und verlassen die angebeteten Nymphen,
Haftete fest an der Wurzel ihr Fuß: zu entreißen versucht sie
Ringend, und regt das Oberste nur: auf wächset von unten
Und umhüllt allmählich den Schoß die bastige Rinde.
Als sie es sah, da begann sie das Haar mit der Hand zu zerraufen:
Laub erfüllte die Hand; rings grünte von Laub ihr die Scheitel.
Aber der Knab' Amphissos (denn Eurytus hatte dem Enkel
Diesen Namen erdacht) fühlt schnell sich erhärten der Mutter
Wallende Brust; nicht folget dem saugenden Munde der Milchsaft.
Ach, Zuschauerin war ich des Jammergeschicks; und helfen
Konnt' ich, o Schwester, dir nicht! Ich tat, so viel ich vermochte,
Deinen wachsenden Stamm und die Zweig' umarmend verweilt' ich;
Und mich wünscht' ich sogar von derselbigen Rinde bedecket.

Siehe, da naht Andrämon der Mann, und der jammernde Vater:
Dryope suchen sie dort; für Dryope, welche sie suchen,
Zeig' ich den Lotusbaum: dem laulichen geben sie Küsse,
Und um die Wurzel des Baums, des ihrigen, schmiegen sich beide.
Nichts mehr hattest du noch, o Schwesterchen, welches nicht Baum war,
Als das Gesicht. Von Tränen wird rings aus verwandeltem Leibe
Sprossendes Laub ihr betaut; und weil sie vermag und der Mund noch
Stimme gewährt, so ergießt sie die klagenden Tön' in die Lüfte:

Findet der Elende Glauben, ich hab' (o ihr Himmlischen hört es!)
Nicht dies Greuel verdient; ich leid' unsündig die Strafe!
Schuldlos lebet' ich stets! Wo ich heuchele, mög ich verdorrend
Streuen mein Laub, und mit Äxten gehaun auflodern in Feuer!
Aber, o nehmt dies Kind aus den ästigen Mutterarmen,
Und vertraut es der Amme; doch oft mir unter dem Baume
Laß es trinken die Milch, oft spiel' es mir unter dem Baume!
Kann er sprechen, der Knabe, so heißt ihn grüßen die Mutter;
Und er sage betrübt: Hier wohnt in dem Stamme die Mutter!
Aber er scheue den See, und pflücke nicht Blumen vom Baume!
Rächende Göttinnen sein in jeglichem Strauche, gedenk' er!
Lebe wohl, du teurer Gemahl, du Schwester, und Vater!
Heget ihr Lieb' im Herzen, o schützt vor der Hippe Verwundung,
Schützt vor dem Zahne des Viehs der Eurigen grünende Blätter!
Und da mir das Geschick zu euch mich zu neigen verbietet,
Streckt die Glieder empor, und kommt zu unseren Küssen,
Weil noch küsset der Mund; auch hebt zum Munde das Kindlein!
Schon erstirbt mir das Wort, schon über den schimmernden Hals her
Kriecht der geschmeidige Bast, und der obere Wipfel umhüllt mich!
Nicht mit der Hand die Augen gedrückt! ohn' euere Liebe
Deckt den gebrochenen Blick mir schon die umhüllende Rinde!

Jetzo endet' ihr Mund die Rede zugleich und das Dasein.
Und der Verwandelten blieb noch warm das frische Gezweige.

Also erzählt der Schwester bejammernswürdiges Schicksal
Iole, hüllt dann schluchzend ihr Purpurgewand um das Antlitz
Auch Alkmen' entreibt mit dem Daum vordringende Tränen
Ihrem Aug', inbrünstig des Eurytus Tochter beklagend.


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