Publius Ovidius Naso
Metamorphosen
Publius Ovidius Naso

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Myrmidonen

            Cephalus, abgesandt vom cekropischen Volk gen Ägina,
Forderte Hilfe des Streits, und ermahnte den altenden König
Äakus, treu dem Bunde zu sein, und dem Schwure der Väter.

Äakus lehnte die Link' auf das Heft des heiligen Zepters:
Heischt nicht Hilfe von uns, nein, nehmet sie, sprach er, Athener.
Achtet die Kräfte getrost für die eurigen, welche das Eiland
Faßt, und gemeinsam sei die Ergiebigkeit meines Gebietes.
Nicht ist Mangel an Macht; vollauf für den Feind sind der Krieger
Wohl steht's, Dank sei den Göttern! und keiner Entschuldigung braucht es.

Ja, noch blühender wachse dein Reich an Bürgern! erwidert
Cephalus. Eben empfand ich Kommender innige Freude,
Als so herrlich an Wuchs, so gleich an Alter die Jugend
Wandelte, mir zu begegnen. Doch deucht mir, viele vermiss' ich,
Die bei dem ersten Besuch in eurer Stadt ich gesehen.

Äakus seufzete tief und sprach mit trauriger Stimme:
Schauerlich war der Beginn, ihm folgt' ein besseres Schicksal.
Könnt' ich nur dieses allein euch verkündigen, ohne den Anfang!
Doch sei genau der Bericht. Um mit Umschweif euch zu verschonen:
Staub und Gebein sind alle, die eingedenk du vermissest,
Welch ein Teil von meiner Gewalt verwelkte mit jenen!
Gräßliche Pest verhängte dem Volk die grausame Juno,
Hassend das Land, das den Namen der Nebenbuhlerin führet.
Als natürlich die Seuche noch schien, und des großen Verderbens
Ursach' uns sich entzog, da kämpft' entgegen die Heilkunst.
Aber die Plag' obsiegte der unterliegenden Rettung.
Anfangs drückte die Luft mit dicht umbrütendem Dunkel
Dumpf das Land, und verschloß untätige Schwül' in den Wolken.
Viermal füllete Luna den Mond mit verbundenen Hörnern,
Viermal löste sie wieder gemach abnehmend den Vollmond;
Und stets atmete heiß mit tödlichen Hauchen der Südwind.
Sag' auch herrscht', daß Quellen in Fäulnis gingen und Teiche;
Und daß unzählbare Schlangen durch ungebauete Felder
Irreten, welche die Flüsse mit Gift und Geifer verderbten.
Fallende Hunde zuerst, und Rinder, und Schaf', und Gevögel,
Zeigten, und schweigendes Wild, die Gewalt der plötzlichen Krankheit.
Bald, mit schwererem Schaden, zum mitleidswürdigen Landvolk
Dringet die Pest, und der Stadt weitkreisende Mauren durchherrscht sie.
Wo auch immer die Augen umher ich wendete, sah ich
Scharen von Leichen gestreckt: wie wenn von geschüttelten Ästen
Zeitiges Ost abfällt, und ein Guß von bräunlichen Eicheln.

Niedergebeugt von der Last des unaussprechlichen Jammers:
Jupiter, rief ich empor, wenn von dir nicht fälschlich gesagt wird,
Daß du in Feuer umarmst des Asopos Tochter, Ägina,
Und du, erhabener Vater, dich deines Geschlechts nicht schämest,
Gibt mir die Meinen zurück: sonst birg mich selber im Grabmal!

Jener gewährt' ein Zeichen mit Glanz und günstigem Donner.
Willig empfahn! so rief ich: o sei's mir ein glücklicher Ausspruch
Deines Sinns! Ich nehme zum Pfand die gegebne Verkündung!

Neben mir wuchs weitästig ein unvergleichbarer Eichbaum,
Heilig dem Jupiter selbst, von dodonäischem Samen.
Hieran sah ich ein langes Gewühl Ameisen hinaufgehn,
Tragend im winzigen Munde die mächtige Last des Getreides,
Und den eigenen Pfad an der runzlichten Rinde beachtend.
Weil ich die Meng' anstaune: So viel, barmherziger Vater,
Gib mir, sprach ich, der Bürger, und fülle die ledigen Mauern!
Plötzlich erbebt, und die Äst' ohn' einige Hauche bewegend,
Rauscht die erhabene Eich'. Ich zagte vor Angst, und die Glieder
Schauderten mir, und es sträubte das Haar. Doch küßt' ich das Erdreich,
Küßte den heiligen Stamm; und nicht zu hoffen bekennend,
Hofft' ich doch, und hegt' in der Brust mein stilles Gelübde.

Jetzo nahte die Nacht, und den Leib, von Sorgen ermüdet,
Deckte der Schlaf Da stand mir dieselbige Eiche vor Augen;
Und der Äste soviel, und soviel des Gewürms an den Ästen
Schien zu tragen den Baum, und in gleicher Erschütterung bebend,
Ein korntragendes Heer auf das untere Land zu verstreuen:
Welches sofort aufwuchs, und von Ansehn größer und größer,
Nun sich dem Boden enthob, und aufrecht stand mit dem Rumpfe,
Auch die Meng' und die Dünne der Füß', und die dunkele Farbe
Ablegt', und in des Menschen Gestalt einhüllte die Glieder.

Plötzlich erwacht, verwerf' ich des Schlafes Gesicht, und bejammre,
Daß kein Trost mir erscheine von Himmlischen. Horch! ein Gemurmel
Tönt' in dem Haus, und mir war, als höret' ich Stimmen der Menschen,
Deren ich schon mich entwöhnt. Indem mir auch dieses erträumt schien,
Siehe, da eilt mein Telamon her, und die Flügel eröffnend:
Mehr denn wir hoffen und traun, ist, rufet er, Vater, zu sehen!
Komm doch heraus! – Ich komm,; und ganz wie im Bilde des Traumes
Ich zu sehn die Männer geglaubt, so ganz nach der Reihe
Schau' und erkenn' ich sie dort. Sie nahn, und grüßen mich König.
Froh die Gelübde bezahl' ich, und froh der jungen Bevölkrung
Teil ich die Stadt und die Äcker, geräumt von den alten Bebauern.
Myrmidonen benenn' ich sie dann, andeutend den Ursprung.
Selber sahst du den Wuchs; zugleich die Sitten, wie vormals,
Haben sie noch: ein emsig Geschlecht, ausdauernd zur Arbeit,
Karg und genau im Erwerb, und wohl das Erworbene sparend.


 << zurück weiter >>