Publius Ovidius Naso
Metamorphosen
Publius Ovidius Naso

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Siebentes Buch

Medea

            Schon mit der Minyerschar durchsteuerte Argo die Meerflut:
Und, der in ewiger Nacht hilflos sein Alter dahinzog,
Phineus empfing den Besuch; und des Boreas Söhne mit Flügeln
Scheuchten die Jungfrauvögel vom Mund des bekümmerten Greises;
Und viel duldeten schon mit dem Held Jason die Helden:
Bis sie zuletzt einlenkten zum Sturz des schlammigen Phasis.

Weil sie dem Könige nahn, und das Vlies verlangen des Phrixos,
Und der Beding, abschreckend durch viel Arbeiten, genannt wird,
Zündet gewaltige Flamme das Herz der äctischen Jungfrau.
Als sie lange gerungen, und nicht mit Vernunft der Betörung
Obzusiegen vermocht: Umsonst ach! kämpfst du, Medea;
Irgendein Gott, sagt jene, bestürmt. Ja wahrlich, das ist es,
Oder gewiß was Ähnliches dem, was Liebe genannt wird.
Warum scheinen mir doch zu hart die Befehle des Vaters?
Aber sie sind auch zu hart! Warum doch fürcht' ich das Unglück
Des, den ich eben gesehn? Woher so bange Besorgnis?
Schütte sie aus jungfräulicher Brust, die empfangene Flamme,
Wenn du es kannst, Elende! Ja, könnt' ich es, richtiger wär' ich!
Aber mit Zwang zieht neue Gewalt; und ein anderes rät mir
Lust, ein anderes Sinn. Das Bessere seh' ich und lob' ich,
Schlechterem folget das Herz. Für den Fremdling, Tochter des Königs,
Glühest du? Einen Gemahl aus entlegenen Landen erträumst du?
Hier auch wohnt, was Liebe verdient. Ob er leb', ob er sterbe,
Ordnen die Götter allein. Doch er leb'! und dies zu erflehn ist
Außer der Lieb' auch erlaubt. Denn was verschuldete Jason?
Welche nicht Grausame blieb' unbewegt von dem Alter Jasons,
Von dem Geschlecht und der Kraft? Wen könnte nicht, fehlt' auch das andre,
Rühren allein die Gestalt? Mich wenigstens rührte sie herzlich.
Aber, wo ich nicht helfe, der Stier' Anatmung versengt ihn;
Und mit der eigenen Saat, den erdgeborenen Feinden,
Kämpfet er, oder er fällt dem gierigen Drachen zur Beute.
Duldet' ich das, dann hätte der Tigerin Schoß mich geboren;
Dann von Felsen und Stahl ein Herz zu tragen bekennt' ich!
Warum schau' ich nicht selbst den Sterbenden? Warum entweih' ich
Nicht den betrachtenden Blick? und reize die Stier' auf den Jüngling,
Reize die Brut des Gefilds und den schlaflos spähenden Drachen?
Götter, ein Besseres gebt! Wiewohl, hier gilt's nicht zu beten,
Sondern zu tun! Was? soll ich das Reich verraten des Vaters?
Soll mein Schutz den Fremdling, ich weiß nicht welchen, erhalten?
Daß er, gerettet von mir, dann ohne mich segl' in die Winde,
Einer andren Gemahl; und der Straf' hier bleibe Medea?
Wenn er dieses vermag, und ein anderes Mädchen mir vorzieht,
Sterbe der Undankbare! Doch nicht gleicht solchem das Antlitz,
Nicht der Adel des Geistes und nicht die gefällige Bildung,
Daß ich fürchte Betrug, und Vergessenheit meines Verdienstes!
Auch gelobt er mir Treue zuvor; mitkundige Götter
Zeugen dem Bund! Was sorgst du, Gesicherte? Gürte zur Tat dich
Ohne Verzug! Dir ewig verdankt sich selber Jason!
Dir mit heiliger Fackel vermählt er sich; durch der Pelasger
Städt', als Retterin, wirst du von edelen Frauen verherrlicht!
Soll ich denn Schwester und Bruder und leiblichen Vater und Götter,
Soll ich das Land der Geburt, entrafft vom Winde, verlassen?
Traun, ein Tyrann ist der Vater, und Barbarei das Geburtsland,
Kind der Bruder annoch, und geneigt mit Wünschen die Schwester;
Und der erhabenste Gott ist in mir! Nicht Großes verlass' ich,
Großes such' ich: den Ruhm der erhaltenen Danaerjugend,
Kunde des besseren Orts, und glänzende Städte, von welchen
Hier auch die Herrlichkeit strahlt, und die Künst' und die Sitten der Männer;
Und, den nie ich mit allem, was rings einschließet der Erdkreis,
Tauschte, den Äsoniden! mit dem ich Beglückte vermählet,
Götterlieblingin heiß', und das Haupt zu den Sternen erhebe.
Wie? Man sagt ja, daß Berg', ich weiß nicht welche, zusammen-
Prallen im wogenden Meer; daß, feind den Schiffen, Charybdis
Bald einschlürfe die Flut, bald strudele; daß die versuchte
Szylla, von Hunden umtobt, aufbell' in sikulischen Wassern.
Traun, den Geliebten umarmend, im Schoß des trauten Jason,
Schweif' ich die Meere hindurch; nichts, hab' ich nur jenen, erschreckt mich!
Oder empfind' ich ja Angst, nur Angst um meinen Gemahl ist's!
Wird es Vermählung genannt? So blendenden Namen, Medea,
Leihest du deinem Vergehn zur Beschönigung? Schaue, wie großem
Frevel du nahst; und entfliehe, dieweil du es kannst, dem Verbrechen!

Jene sprach's; und es stand Jungfräulichkeit, Recht und Naturpflicht
Ihr vor dem Blick; schon wandte besiegt den Rücken Kupido.

Jetzo ging sie zum alten Altar der perseïschen Göttin
Hekate, den ein Gehölz tiefschattenden Waldes bedeckte.
Und schon war sie beherzt, und es sank das geschwächtere Feuer.
Als den Jason sie schaut, da lebt die erloschene Flamm' auf,
Und es errötet die Wang', und ganz wird glühend das Antlitz.
So wie Nahrung empfängt von wehenden Winden ein kleines,
Unter umhüllender Asche geheim verborgenes Fünklein;
Wie es erwächst, und gefacht zu den vorigen Kräften emporsteigt:
Also flammte die Liebe, die matt schon sank und verschmachtend,
Wie sie den Jüngling ersah, durch den Glanz des Nahen entzündet.
Schöner noch wie gewöhnlich erschien der Sprößling des Äson
Jenes Tags; man konnte verzeihn dem liebenden Mädchen.
Siehe, sie schaut, und am Antlitz, wie wenn's nun endlich erschiene,
Hängt ihr gehefteter Blick; und mehr als menschliche Bildung
Wähnet die Törin zu sehn, und kann nicht weichen von jenem.
Aber sobald er zu reden begann, und die Rechte der Fremdling
Sanft ihr drückt', und um Hilfe mit leiser Stimme sie ansprach,
Und zum Gemahl sich erbot; da sagte sie, fließend in Tränen:
Auch ich weiß, was ich tu'; und nicht Unkunde der Wahrheit
Täuschet mich, aber die Lieb': ein Geschenk, dich zu retten, gewähr' ich.
Doch du Geretteter sichre das Wort. – Bei den heiligen Opfern
Schwöret er, und bei dem Haine der dreigestalteten Gottheit,
Und bei des Schwähers Vater, der alles vernimmt und umschauet,
Bei dem gewünschten Erfolg, und bei so großen Gefahren.
Jetzo geglaubt, empfängt er sofort die bezauberten Kräuter,
Lernt den Gebrauch, und kehret in Fröhlichkeit unter sein Obdach.

Frühe verscheucht' Aurora die schimmernden Sterne vom Himmel;
Ringsher strömet das Volk zum heiligen Felde des Mavors;
Und sie betreten die Höh'n; der König selbst in dem Heerzug
Saß von Purpur umstrahlt, mit dem elfenbeinenen Zepter.

Sieh, aus demantenen Schnauzen entsprüht erzhufigen Stieren
Hell aufwehende Glut; und das Kraut, von der Lohe berühret,
Brennt: und laut, wie ertönt in voller Esse das Feuer,
Oder wenn Kalkgestein, im tönernen Ofen gelöset,
Fängt die gischende Glut von flüssiger Wasser Besprengung:
Also ertönt inwendig die Brust von der wirbelnden Flamme,
Und der entzündete Schlund. Doch den Schnaubenden wandelt entgegen
Äsons Sohn. Sie wandten mit Trotz auf des Nahenden Antlitz
Ihr graunvolles Gesicht und die eisenspitzigen Hörner;
Und sie zerstampften zu Staub mit gespaltener Klaue den Boden
Und erfüllten den Ort mit Gebrüll und dampfendem Aushauch.
Bang' erstarrt der Minyer Schar: nah geht er und fühlt nicht
Ihr anatmendes Feuer; ihn schützt das bezauberte Heilkraut.
Kühnlich streichelt der Held mit der Hand die hängenden Wampen,
Fügt sie unter das Joch, und heißt den lastenden Pflug sie
Ziehn, und mit Stahl aufreißen das ungewohnte Gefilde.
Staunend sehn es die Kolcher; der Minyer Jubelgeschrei tönt,
Und erhöht ihm den Mut. Dann nimmt er aus ehernem Helme
Natternzähne hervor, und bestreut die geackerten Felder.
Weich in der Furche zerquillt der mit Gift gebeizete Samen,
Keimt und sproßt, und es bilden sich jugendlich wachsende Leiber.
So wie ein Kind allmählich im fruchtenden Schoße der Mutter
Menschengestalt annimmt und jegliches Gliedchen entwickelt,
Und nicht eher, denn reif, in gemeinsame Lüfte hervorgeht:
Also, nachdem im Innern der schwangeren Erde sich völlig
Ausgebildet der Mensch, entsteigt er dem Muttergefilde;
Und, noch wunderbarer, der Steigende schüttelt die Waffen
Als sie bereit die Erwachsenen sahn, scharfspitzige Lanzen
Gegen das Haupt zu schnellen dem edlen Hämonierjüngling,
Senkten sie nieder vor Angst das Gesicht und den Mut, die Pelasger.
Auch sie selber erschrak, die ihn vor Schaden gesichert.
Und wie den Jüngling befeindet sie sah, von so vielen den einen,
Wurde sie blaß im Gesicht, und saß blutlos und erkaltet.
Daß ihm zu schwach nicht wirke das Kraut, so murmelt sie hilfreich
Zaubergetön, und ruft die geheimeren Künste zum Beistand.
Er nun schleudert den Fels, den gewaltigen, unter die Feinde,
Daß er von sich abwende den Streit auf die Kämpfenden selber.
Wunde mit Wund' erwidert die erdgeborene Sippschaft;
Alle vertilgt einheimischer Kampf. Die Achiver mit Glückwunsch
Halten den Sieger umringt, und freuen sich seiner Umarmung,
Du auch schlängest den Sieger, o Fremdlingin, gern in die Arme;
Aber dich hemmt' im Beginn Jungfräulichkeit: dennoch umschlängst du;
Aber es wehrte dem Tun ehrliebende Achtung des Leumunds.
Was dir beides vergönnt, du freuest dich heimlich und bringest
Dank dem Zaubergetön, und den waltenden Mächten des Zaubers.
Noch war einzuschläfern durch Kraut der spähende Drache,
Der dreifaches Gezüngel und Kamm und gebogene Zähne
Bot zur entsetzlichen Schau, den goldenen Widder bewachend.
Als er diesen besprengt mit Gras des lethäischen Saftes,
Dreimal Worte gesagt, die ruhige Schlummer gewähren,
Die aufrührische Meer' und reißende Strömungen hemmen,
Schleicht in die Augen gemach unkundiger Schlummer. Das Goldvlies
Nimmt der äsonische Held zum Gewinn; und stolz auf die Beute,
Auch die Begünstigerin als andere Beute sich nehmend,
Lenkt er das Schiff zum iolkischen Port, mit der Gattin der Sieger.

Für die Erhaltenen bringen zum Dank die hämonischen Mütter,
Und hochaltrige Väter Geschenk'; und gehäuft in der Flamme,
Schmelzen die Weihrauchopfer; mit Gold die Hörner umzogen,
Sinkt der gelobete Stier. Doch es fehlt den Feiernden Äson,
Näher dem Tode bereits, und matt von Jahren des Alters.

Jetzo begann Jason: Du, der ich das Heil zu verdanken
Eingesteh', o Genossin, wiewohl du mir alles geschenket,
Und sich dem Glauben entschwingt die Anzahl deiner Verdienste:
Dennoch, können sie dies, (denn was nicht können die Zauber?)
Nimm mir ab von den Jahren, und lege sie bei dem Erzeuger!

Und nicht hielt er die Tränen. Bewegt von der kindlichen Bitte,
Dachte sie, zwar unähnlich gesinnt, des verlaßnen Äetes.
Aber sie nicht bekennend, die Regungen: Welch ein Verbrechen,
Sagt sie, entfiel, o Gemahl, dem kindlichen Munde? So schein' ich
Mächtig, zu eignen den Raum von deinem Leben dem andern?
Nie gönnt Hekate das; Unbilliges suchst du! Doch mehrers,
Als du gesucht, zu gewähren, sei mein Bestreben, Jason:
Daß ich durch Kunst des Schwähers entflohenes Alter ersetze,
Nicht durch Jahre von dir; wenn die dreigestaltete Göttin
Nur, mit Hilfe genaht, zuwinkt der erhabenen Kühnheit.

Drei noch fehlten der Nächte, bis ganz sich vereinten die Hörner
Zum vollständigen Kreis. Sobald im vollesten Glanze,
Als ein gediegenes Rund, auf die Erd' abschauete Luna;
Geht sie hervor aus dem Haus', in entgürtete Kleider gehüllet,
Nackend den Fuß, und nackend das Haar um die Schulter gegossen;
Und sie erhebet den Schritt durch mitternächtliche Stille,
Ohne Geleit umschweifend. Der Mensch, das Gewild und die Vögel
Atmeten ruhigen Schlaf, rings schweigt die Hecke geräuschlos,
Rings das schlummernde Laub; es schweigt der tauige Himmel;
Rege nur blinkt das Gestirn. Empor nun streckend die Arme
Dreht sie sich dreimal herum, mit dreimal genommenen Fluten
Übertaut sie das Haar, und stimmt dreifaches Geheul an.
Dann auf der harten Erde das Knie gebeuget beginnt sie:

Nacht, Vetrauteste du den Geheimnissen; und ihr Gestirne,
Die ihr der tagenden Glut nachfolgt mit der goldenen Luna;
Du Dreihauptige auch, Mitkundige unsres Beginnens
Und Mithelferin stets; und die du der Zauberin Bannspruch
Und sie selbst, o Erde, versorgst mit mächtigen Kräutern;
Auch ihr Wind' und Lüftchen, ihr Berg' und ihr Ström' und ihr Teiche;
Götter der Haine gesamt, und Götter der Nacht, o erscheint mir!
Ihr schuft, daß, wann ich wollte, den staunenden Ufern die Flüsse
Aufwärts kehrten zum Quell; und ihr, daß geschwollene Meerflut
Stand, und stehende schwoll der Bezauberung. Wolken vertreib' ich,
Wolken auch führ' ich herauf; und Winde verjag' ich und ruf' ich.
Mir durch Wort und Gemurmel zerplatzt der Rachen der Natter;
Auch den lebenden Fels und die Eich', aus dem Boden gerüttelt,
Raff' ich, und Wälder, hinweg; mir bebt der bedräuete Berg auf,
Mir auch brüllet der Grund, und Gestorbene gehn aus den Gräbern.
Selbst dich zieh' ich, o Mond, wie sehr temesäisches Erz auch
Dir Arbeitendem hilft; es erblaßt der Wagen des Ahnen
Unsrem Gesang'; es erblaßt vor unseren Giften Aurora.
Ihr habt matt mir gemacht die Glut anschnaubender Stiere,
Und mit gebogenem Pflug' unduldsame Nacken belastet.
Ihr habt Krieg mit sich selbst dem Gezücht der Schlange beschieden,
Ihr den wachsamen Hüter in Taumel gewiegt, und das Goldvlies,
Nach umgangener Rache, gesandt in die Städte der Grajer.
Nun sind Säfte mir not, wodurch erneuetes Alter
Jugendlich wieder erblüh', und frisch anfange das Leben.
Und ihr gewähret sie mir; nicht blinken umsonst die Gestirne;
Nicht umsonst, von dem Nacken geflügelter Drachen gezogen,
Kommt der Wagen daher. – Und es kam der Wagen vom Äther.

Als sie diesen bestieg, und den Hals der gezäumeten Drachen
Streichelte, und in den Händen die schwebenden Zügel bewegte,
Fliegt sie empor in die Luft, und schaut Thessalias Tempe
Unter sich, lenket sodann zu den kreidigen Bergen die Schlangen;
Und was Ossa gebar, was Pelions Höhe, von Kräutern,
Auch was Othrys und Pindus und größer denn er, der Olympus,
Mustert sie: was ihr gefällt, das reutet sie teils mit der Wurzel,
Anderes mähet sie ab mit der Krümmung der ehernen Sichel.
Auch ward manches Gewächs vom Apidanus, auch von Amphrysus'
Grasigem Borde gereicht; nicht zinsfrei warst du, Enipeus;
Nicht auch fehlte Peneos und nicht die spercheischen Wasser
Beizutragen ihr Teil, und die binsigen Ufer der Böbe.
Auch am euböischen Strande das Lebensgras bei Anthedon
Rupfte sie, welches noch nicht durch Glaukus' Verwandlung berühmt war.
Als schon neunmal der Tag mit fahrendem Drachengefieder,
Neunmal die Nacht sie gesehn ringsher ausforschen die Äcker;
Kam sie zurück: nichts, außer Geruch, gab Nahrung den Drachen;
Dennoch legten sie ab die Haut des bejahrteren Alters.

Kommend bleibet sie stehn diesseits der Schwell' und der Pforte,
Nur vom Himmel bedeckt, und scheut den männlichen Umgang.
Hierauf stellet sie zween geheiligte Rasenaltäre,
Einen der Hekate rechts, und links den andern der Jugend;
Flicht dann umher Weihkraut und wildernde Büsche des Waldes.
Ohnfern höhlet sie nun in das Land zwo Gruben der Sühnung,
Opfert sodann, und stößt schwarzwolligem Vieh in die Gurgeln
Schneidendes Erz, und beströmt die fassenden Grüfte mit Blute.
Jetzo darüber geneigt das Geschirr voll lauteren Honigs,
Und die lauliche Milch im ehernen Opfergeschirre,
Rief sie zugleich mit Gebet die unterirdischen Mächte,
Laut dem Schattenbeherrscher, und laut Proserpina flehend,
Daß sie dem Greis nicht eilen den Lebenshauch zu entwenden.

Als sie jene gesühnt mit Gebet und langem Gemurmel,
Heißt sie des Äsons Leib, den welkenden zu den Altären
Bringen, und zaubert ihm Schlaf; den Eingeschläferten streckt sie,
Einem Entseeleten gleich, auf untergebreitete Kräuter.
Fern den Jason nunmehr, fern heißt sie die Diener hinweggehn;
Und sie ermahnt, vom Geheimnis die weltlichen Blicke zu wenden.
Schleunig entfliehn sie dem Wort. Medea mit fliegendem Haupthaar
Geht in bacchantischer Weis' um die brennenden Opferaltäre,
Und kleinspaltigen Kien, in das Blut der Grube getauchet,
Zündet sie auf den Altären, und heiliget dreimal die Flamme,
Dreimal mit Wasser den Greis, und dreimal mit dampfendem Schwefel.

Aber das Zaubergemisch im gestelleten Kessel des Erzes
Brodelt indes aufbrausend, und schwillt mit weißlichem Schaume.
Wurzeln siedet sie dort, im hämonischen Tale geschnitten.
Samen zugleich und Blumen, zugleich scharfbeizende Säfte.
Dazu füget sie Steine, gesucht am äußersten Aufgang,
Auch den Sand, den gespült des Okeanus ebbende Meerflut.
Dazu gesammelte Feuchte des übernachtenden Mondes;
Und die verrufenen Schwingen mitsamt dem Fleische des Leichhuhns;
Auch zerschnittnes Gekröse des Werwolfs, der aus dem Untier
Schnell in des Mannes Gestalt sich verwandelte. Nicht auch ermangeln
Ließ sie den schuppigen Balg der cinyphischen dünnen Chelyder,
Nicht die geistige Leber des lang' ausdauernden Hirsches;
Und von der Krähe das Haupt, die gelebt neun Menschengeschlechter.

Als sie mit solcherlei Dingen und tausend unnennbaren andern
Ihr beschloßnes Geschenk im marmornen Mörser gefertigt,
Rührt sie alsbald mit dem dorrenden Ast des edleren Ölbaums
Alles zusammen im Erz, und mischt das untre zum obern.
Sieh, der veraltete Stumpf, im siedenden Kessel gequirlet,
Grünt voll Saftes zuerst, und es währt nicht lange, so sproßt er
Laub, und plötzlich erscheint er umhängt mit vollen Oliven.
Und wohin nur den Schaum aus gehöhletem Erze das Feuer
Sprühete, wo auf die Erde nur kochende Tropfen entsanken,
Lenzt das Gefild', und Blumen und Kräuterchen heben sich fröhlich.

Schnell, wie sie solches gesehn, mit gezogenem Schwerte die Gurgel
Öffnet Medea dem Greis, und läßt das verjährete Blut aus,
Füllt dann wieder mit Saft; und sobald die Mischung Äson
Durch die Kehl' und die Wunde hineinsog, plötzlich verschimmert
Bart und greisendes Haar, und wallt in dunkelen Locken;
Runzel und Magerkeit flieht, der Wust und die Blässe verschwindet;
Voll von erneuetem Blut sind gedrängt die gehöhleten Adern;
Jugendlich schwelget der Wuchs. Der neugeschaffene Äson
Staunt, und fühlet sich ganz, wie einst vor dem vierzigsten Jahre.

Hochher schauete Liber die wundersame Begegnis:
Angemahnt, daß Jugend den Nymphen auch, die ihn gepfleget,
Wiedergebracht sein könne, verlangt er die Gunst von Medea.

Daß nicht raste die List, so heuchelt die phasische Heldin
Falschen Haß mit dem Gatten, und flieht zu des Pelias Schwelle
Demutsvoll; und als Gast, da er selbst von Alter geschwächt war,
Nehmen die Töchter sie auf, die in weniger Frist die verschlagne
Kolcherin ganz sich gewann durch den Schein der erlesenen Freundschaft.
Weil sie erzählt, es kröne die größesten ihrer Verdienste
Äsons entalteter Wuchs, und hierbei lange verweilet,
Wird die heimliche Hoffnung erregt in Pelias' Töchtern,
Ihnen auch möchte durch Kunst noch einst aufgrünen der Vater.
Und sie verlangen die Tat, und bieten unendlichen Lohn an.
Jene verstummt ein wenig, und, gleich der erwägenden sinnend,
Hält sie mit scheinbarem Ernst ihr sehnendes Herz in Erwartung.
Bald verheißt sie, und sagt: Daß ihr noch sicherer, Jungfrauen,
Diesem Geschenke vertraut; der älteste Führer der Herde,
Den ihr den Schafen bestellt, soll Lamm durch Verzauberung werden.

Schleunig wird ein bejahrter, und schon abgängiger Widder
Hergeschleppt, dem die Hörner um hohle Schläfen sich krümmten.
Als in die welkende Kehl' ihr hämonisches Messer Medea
Eingebohrt, und den Stahl mit wenigem Blute geflecket,
Taucht sie die Glieder des Tiers, und mächtige Säfte des Zaubers,
Beid' in gehöhletes Erz. Da verkleinern sich alle Gelenke;
Und er verliert das Gehörn, und samt dem Gehörne das Alter;
Und ein zartes Geblök erschallt aus der Tiefe des Kessels.
Flugs, indem das Geblök sie bewunderten, springet ein Lamm aus,
Hüpft mutwillig umher, und sucht milchschwellende Euter.

Staunend sehn es die Töchter des Pelias; und da so völlig
Sich die Verheißung bewährt, noch dringender jetzo bestehn sie.

Dreimal hatte die Ross' am Ziel des iberischen Strudels

Phöbus entjocht, und es blinkten zum viertenmal helle Gestirne
Durch die Nacht, da dem Feuer die trügliche Tochter Äetes'
Lautere Flut aufstellte, mit unwohltätigen Kräutern.
Und schon deckte dem König die aufgelöseten Glieder,
Und den Trabanten zugleich, ein todesähnlicher Schlummer,
Den das Gemurmel gebannt, und die Kraft des magischen Spruches.
Über die Schwelle hinein mit der Kolcherin traten die Töchter;
Und sie umgingen das Bett: Was nun, Feigherzige, säumt ihr?
Zuckt doch, sprach sie, das Schwert, und schöpft das verjährete Blut aus:
Daß ich frisch ihm erfülle mit Jugendröte die Adern.
Eurer Hand ist vertraut des Vaters Leben und Alter.
Habt ihr kindliche Lieb', und hegt nicht eitele Hoffnung,
Leistet getreu dem Vater die Pflicht! Mit Waffen das Alter
Ausgejagt, und mit Eisen die nüchterne Jauche gezapfet!

Jede kindlichste wird unkindlicher durch die Ermahnung;
Daß sie nicht Frevlerin sei, so frevelt sie. Dennoch vermag nicht
Eine zu schaun den geschwungenen Hieb; mit entdreheten Augen
Wüten sie abgewandt, ihn blind mit den Händen verwundend.
Blutvoll hebet der Greis auf dem Ellenbogen die Glieder;
Und der Verstümmelte will von dem Bett aufstehen; und streckend,
Unter der mordenden Schwerter Geklirr, die erbleichenden Arme;
Töchter, was macht ihr? rief er; was reizt euch gegen des Vaters
Leben zur Wut? – Da entsank den Mordenden Hand und Besinnung.
Ihm, wie er redete, nahm mit dem Wort die Kehle Medea,
Warf den Zerhauenen dann in die Flut des siedenden Kessels;
Und sie entfloh in die Luft, von geflügelten Drachen geführet.

Endlich gen Ephyra kam sie, zur Stadt des pirenischen Quelles.
Dort, als kolchische Gifte verbrannt die neue Gemahlin,
Und der entflammte Palast auf beiderlei Meere gestrahlet,
Färbt' unmütterlich jene das Schwert in dem Blute der Kinder;
Und nach der schrecklichen Rach' entfloh sie den Waffen Jasons.

Schleunig hinweg vom Gespann titanischer Drachen gestürmet,
Trat sie den attischen Grund auf der heiligen Höhe der Pallas.
Ägeus nimmt sie ins Haus, Vorwurf in dem einen verdienend,
Als Gastfreundin zugleich, und zugleich als Ehegenossin.

Schon war Theseus genaht dem noch unkundigen Vater,
Er, des Tugend gestillt die korinthischen Doppelgestade.
Diesem mengt Medea zu tödlichem Trunk Akoniton,
Welches sie selber vordem mitbracht' aus den szythischen Landen.
Jenes ward, wie man sagt, an des echidneischen Hundes
Zähnen erzeugt. Tief streckt sich der Felskluft dunkelnder Eingang
Mit abschüssigem Pfade, wodurch der tirnythische Halbgott,
Wie er sich sträubt', und gegen den Tag und die zuckenden Schimmer
Quer die Augen verdrehte, mit bindenden Ketten des Demants
Weg den Zerberus zog, der, gereizt von wütendem Zorne
Dreifach bellende Halle zugleich auftönte zum Himmel,
Und das grünende Feld mit weißlichem Schaume besprengte.
Dieser erharschte sofort, wie man glaubt; und in üppiger Nahrung
Triebsamen Grundes gepflegt, empfing er die Kraft des Verderbens.
Aber ihn nennt Akoniton das Landvolk, weil es auf harter
Klipp' am fröhlichsten wächst. Durch Arglist jetzo der Gattin
Bot selbst Ägeus, der Vater, dem Sohn, als Feinde, den Gifttrank.
Theseus nahm das Gemisch mit unargwöhnischer Rechte:
Als der Vater erkannte das elfenbeinene Schwertheft,
Seines Geschlechts Anzeig', und den Mord von den Lippen hinwegschlug,
Rasch durch gezauberte Nebel entfloh dem Verderben Medea.


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