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Selbstverständlich haben die Denkmäler Berlins die Spottsucht und die groteske Phantasie des Urberliners beschäftigt und herausgefordert. Das hat zu einer großen Menge von Witzen und Anekdoten geführt, die ab und zu einmal wieder auftauchten.
Friedrich Wilhelm III. (dessen Denkmal im Lustgarten steht) streckt seine Hand aus wie ein Feldherr. Die Berliner, die von der harmlosen Natur des Königs genug Beispiele hatten, ließen ihn sagen:
»Ick jloobe, et drippelt schon!«
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Friedrich Wilhelm IV. ist vor der Nationalgalerie dargestellt. Er sitzt auf einem schreitenden, den ersten Schritt parierenden Pferd, aber, sonderbarerweise – ohne Kopfbedeckung. Die Berliner meinen, er pariert das Pferd und sagt:
»Herrjeh, ick habe ja meinen Hut verjessen!«
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Der alte Fritz (Friedrich II.) war nur selten im Tiergarten spazieren gegangen, sondern in Rheinsberg oder in Sanssouci. Daher sieht sich der in der Siegesallee als junger Fritz dargestellte König verwundert um, als frage er:
»Nanu, wat is denn det hier vor'ne Jegend?«
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Johann Sebastian Bach ist eine der Nebenfiguren von Friedrich II. Er sieht so streng drein, daß die Berliner meinten, er drohe den Beschauern:
»Euch werde ick die Flötentöne beibringen!«
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Otto IV. mit dem Pfeile ist Johann von Buch beigegeben. Er stützt sein nachdenkliches Haupt mit der Rechten und sagt:
»Nu hab' ick doch den janzen Zimt verjessen!«
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Von Ludwig dem Älteren, der einen Streitkolben in der rechten Hand hält und die rechte Schulter sinken läßt, wird gesagt, er wundere sich:
»Nee, is det Dings schwer!«
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Karl IV. soll sehr hartnäckig in Geldausgaben gewesen sein. Er hält die Hand auf eine Tasche und sagt:
»Nee, mein Sohn – Jeld jeben is nich!«
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Auch über die Denkmäler in der Vorhalle des Alten Museums hat sich der Berliner Witz hergemacht. Und zwar werden sie in besondere Beziehung zum neuen Dom gebracht, der stark mit Figuren und Ornamenten überladen ist. Schadow, der einen Zirkel in der Hand hat und sich auf eine kleine weibliche Figur stützt, denkt darüber nach, wie er sie an dem übervölkerten Kuppelbau anbringen kann und ruft schließlich in seinem geliebten Berlinisch:
»Wo finde ick bloß Platz vor die Kleene? Et is schon allens besetzt!«
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Carsten, der in der Nähe von Schadow aufgestellt ist, entrüstet sich bis zur Wut über die vielen Apostel, die alle Plätze am neuen Dom besetzt haben. Er faßt seinen Zeichengriffel wie einen Wurfspieß und ruft:
»Paßt uff, ick schmeiße!«
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Auch über die Figuren, die in dem Vorhof der National-Galerie stehen, findet der Berliner treffende Witzworte. Von einer Nymphe, die sich an den Rand eines Springbrunnens lehnt, behauptet der Volkswitz, sie habe sich hier »öffentlich bloßgestellt«.
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Laverrenz erzählt von der Amazone:
Ihr gegenüber hält drohend die Amazone. Haßerfüllt schweifen die Augen des häßlichen, schwarzen Weibes hinüber nach dem lieblichen Körper der jugendfrischen Nymphe und den Tomahawk, den sie in der Rechten hält, fester umklammernd zischt sie eifersüchtig zwischen den Zähnen hervor:
»Ick muß hier warten, bis ick schwarz werde, und die weiße Hexe will ihn mir abspenstig machen? Na warte!«
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Und von einem andern Standbild plaudert Laverrenz:
In dem Eingangstor zum Untergeschoß der National-Galerie ist ein Theseusstandbild aufgestellt, das den griechischen Helden in dem Augenblick darstellt, wo er den Stein emporhebt, unter dem das für ihn bestimmte Schwert verborgen war. Die Figur ist insofern nicht glücklich aufgefaßt, als der Stein zu unbedeutend ausgefallen ist und der Held infolgedessen nicht Kraft genug entwickeln muß. Der Volkswitz hat dem alten Griechen daher die Worte in den Mund gelegt:
Kinder, is die Klamotte leicht! Mir wundert bloß, det ihr früher noch keener uffjehoben hat.«
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Von den nicht sehr geglückten Figuren auf der Potsdamer Brücke wurden unzählige Witze erzählt. Röntgen, der einen runden Apparat in der Hand hält und ihn sinnend betrachtet, wird nachgesagt, er halte eine Insektenpulverspritze und denke:
»Ob det nu gegen die Biester helfen wird?«
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Die Hermen im Viktoriagarten am Kreuzberg haben auch ihre witzige Bedeutung gefunden. Von Kleist, der nachdenklich die Feder nach oben hält, wird behauptet, er sage vor sich hin:
»Ick hatte doch eben so 'n schönen Jedanken. Nu is er mir entfallen.«
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Schenkendorf, der mit stramm durchgedrückten Knien dasteht, so daß sie gar nicht mehr zu sehen sind, soll kommandieren:
»Still jestanden! Richt euch!«
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Und Theodor Körner, der schwärmerisch zum Himmel aufblickt, fragt:
»Ob sich das Wetter hält?«
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Friedrich II. blickt von seinem hohen Roß nach dem links von ihm liegenden Universitätsgebäude und sagt:
»Hm, det is also die Berliner Universität? Die hätte ick mir allerdings ville jrößer vorjestellt!«
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Die Siegessäule nennt der Berliner Siegesspargel oder Siegesschornstein und von der Siegesgöttin, die ihm zu groß erscheint, meint er anzüglich:
»Sie hat keen Verhältnis.«
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Auf das Denkmal des Freiherrn von Stein auf dem Dönhoffplatze sind viele Witze gemacht worden, freilich auch eine Anzahl, die offenbar nicht echtberliner Ursprungs sind. Einen will ich noch erwähnen. Der große Staatsmann streckt probierend die Hand vor und murmelt bei sich:
»Es is man jut, daß ich den ollen Überrock anjezogen habe; es fangt schon wieder an mit rejnen.«
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An einem Berliner Gerichtsgebäude ist die »olle blinde Themis« abgebildet mit einer Binde vor den Augen und einem Schwert in der Rechten. Warum stellt man sie so merkwürdig dar? Der Berliner sagt:
»Weil se doch nich weeß, wo se hinhaut.«
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Welcher Unterschied ist zwischen dem Brandenburger Tor und einer Violine?
Die Violine hat eine G-Saite, aber das Brandenburger Tor hat zwei Geh-Seiten.
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Etwas geteilter Beliebtheit erfreut sich die Invaliden- und Altersversicherung, die durch Einkleben von Marken die Einzahlungen der Versicherten kontrolliert. Das zur Verwaltung dieser ungeheuren Einrichtung errichtete Gebäude in der Königin-Augustastraße heißt bei den Mißmutigen und Spöttern einfach »Reichsklebeamt!« Sie behaupten auch von dem Finanzminister bei der Einführung des Klebegesetzes den Satz: »Kleben und kleben lassen« gehört zu haben.
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Auch über viele andere Denkmäler hat der Berliner zahlreiche treffende Witze gemacht. Hier seien noch einige mitgeteilt, wie sie Laverrenz aufzeichnete:
Der nächste Vorort ist Charlottenburg. Hier befindet sich im Schloßgarten das berühmte Mausoleum. In dessen Vorhalle steht ein Engel mit einem Flammberg; er macht ein Gesicht, als hätte er sich soeben furchtbar angestrengt und könnte nun das große, flammenförmig gebogene Schwert nicht mehr halten. Der Volkswitz läßt ihn sagen:
»Det war 'n Stück Arbeet; det janze Schwert hab ick mir verbogen.«
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Charakteristisch ist folgendes Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn, das in der Siegesallee belauscht worden ist:
Sohn: »Wozu sind denn die Bänke, Vater?«
Vater: »Dummer Junge, siehst du denn den Schutzmann nicht?«
Sohn: »Aber wozu ist denn der Schutzmann, Vater?«
Vater: »Dummer Junge, damit er aufpaßt, daß sich niemand auf die Bänke setzt.«
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In einer Silvesternacht soll der ehrwürdige Meergreis des Neptunbrunnens auf dem Schloßplatz dreimal »angeödet« worden sein. Erstens von einem in höherer Neujahrsstimmung befindlichen Bürger, der beim Anblick der dreigezackten Forke des Gottes entrüstet ausrief: »Schäme dir, oller Neptun, ick habe doch bloß eenen Zacken, du aber hast dreie.« Zweitens von einem Unteroffizier, der in gänzlicher Verkennung der Charge eines Meergottes, der doch mindestens den Rang eines Konter-Admirals bekleiden müßte, denselben vom rein kommissigen Gesichtspunkt aus »beaugenscheinigte« und im Hinblick auf den etwas zu sehr gerundeten Rücken des Wasserbeherrschers die kühne Behauptung aufstellte: Den könnten wir bei's Militär nich jebrauchen, der Kerl hat ja 'n mächtigen Ast!« Drittens von einem Studenten, der in aufrichtiger Bewunderung zu den Meerungeheuern an dem Fuße des Muschelfelsens emporblickte und ehrfurchtsvoll lispelte:
»Ihr Tritonen könnt mir imponieren; mit welcher Vehemenz ihr das Wasser von euch spuckt!«
Den Tritonen sieht man übrigens an ihren Gesichtszügen an, daß ihnen nicht wohl ist, und soll daher jeder von ihnen ausrufen:
»Pfui Deibel, is mir schlecht!«
Auch die vier weiblichen Gestalten, die auf der Einfassung des großen Bassins sitzen, haben die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Man nennt sie »die vier schweigsamsten Frauenzimmer Berlins«, weil sie nämlich –
»beständig den Rand halten«.
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Neben dem Opernhause stehen die ehernen Gestalten der hervorragenden Helden aus den Freiheitskriegen: Blücher, York und Gneisenau, denen gleichfalls einige Deutungen zuerkannt sind. Blücher, der vorwärts schreitend seinen Fuß auf ein am Boden liegendes Kanonenrohr stellt, herrscht, da der Sockel im Verhältnis zur Figur zu schmal ausgefallen ist, die Vorübergehenden an:
»Uff meinen Ofen kommt mir keener, ick habe selber kaum Platz druff!«
Ursprünglich soll diese Redensart aus einem alten Gedicht vom Ende der zwanziger Jahre herstammen, in dem es heißt:
Er sagt zu die, die da herummer loofen:
»Komm keener nich uff meinen Ofen,
Ick hab alleene wenig Platz!«
Nach einer neuen Lesart ruft er den beiden gegenüber vor der Universität aufgestellten Denkmälern der Gebrüder Humboldt zu:
»Ihr zwee beede, habt 's jut, ihr könnt wenigstens sitzen!«
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Auf dem Wilhelmplatz sind sechs Bronzestatuen von Helden des Siebenjährigen Krieges ausgestellt, darunter Zieten, der mit sinnender Gebärde, die Hand an das Kinn legend, auf den nach ihm benannten Platz hinausschaut und sich zweifelnd zu fragen scheint:
»Soll ick mir rasieren lassen oder warte ick noch 'n bißken?«
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Auf dem Leipziger Platz befinden sich die Standbilder des Grafen Brandenburg und des Papa Wrangel, denen man natürlich auch etwas nachredet. Graf Brandenburg, vom Künstler in dem Moment aufgefaßt, als er bei Stellung politischer Forderungen sein »Niemals« aussprach, ist in Kürassier-Uniform mit den hohen Stulpenstiefeln, die rechte Hand in bestimmt abwehrender Haltung nach vorn gestreckt, dargestellt. Natürlich sagt er mit Erinnerung an die seinerzeit schlechte Pflasterung der Straßen und den damit verbundenen unergründlichen Schmutz:
»Und wenn der Dreck so hoch liegt, mit die Stiefeln komm ick überall durch.«
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Ein unangenehmer Zufall hat beim Denkmal Friedrich Wilhelms III. bei der Luisen-Insel eine Nachrede angehängt. Es hat nämlich gerad an dem rechten Fuß der Figur im Marmor eine dunkle Stelle, und der Volkswitz behauptet nun, der Bildhauer Drake habe absichtlich hier einen »Riester« am Stiefel angebracht, um die übertriebene Sparsamkeit des Königs anzudeuten.
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Eine Fortsetzung der den Tiergarten quer durchschneidenden Hofjäger-Allee bildete die Herkules-Brücke, die ihren Namen von zwei Herkules-Figuren hat. Die eine stellt den griechischen Helden im Kampfe mit dem Löwen dar und veranschaulicht den Augenblick, wo der Kämpe dem Tier den Rachen aufreißt. Der Volksmund verwandelt nun den Heros in einen Zahnarzt und läßt ihn sagen:
»Sie, Männeken, der Zahn muß raus!«
Das Geländer auf der anderen Seite der Brücke krönt eine Gruppe, die Herkules als Besieger eines Zentauren darstellt. Er hat den Pferdemenschen in unangenehmer Weise beim »Schlafittchen« gepackt, duckt ihn tüchtig nieder und droht ihm außerdem mit der Keule, so daß der Geängstigte laut aufschreit: »Au, Menschenskind, jehn Se mir bloß mit dem verdammten Mjränestift vom Leibe!«
Auch bei dieser Figur fehlt der berühmte Berliner Schusterjunge nicht; er bleibt verwundert vor dem Sandsteinbilde stehen und sagt kopfschüttelnd:
»Nee, wie se bloß die Steene so biejen können!«
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Im Kastanienwäldchen erhebt sich seit kurzem das Denkmal Eilhard Mitscherlichs. Der »joviale alte Herr« mit seiner herzgewinnenden Miene und dem liebevollen Lächeln sieht den Beschauer freundlich an und hält ihm ein undefinierbares Etwas entgegen, das eine impertinente Ähnlichkeit mit einer Tabaksdose hat. Und je länger wir den alten Knaben ansehen, desto deutlicher glauben wir die Worte zu vernehmen: »Na, 'n Prischen gefällig?«
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Die andere Seite des Kastanienwäldchens begrenzt die Königliche Universität, vor der die Denkmäler Alexander und Wilhelm von Humboldts Aufstellung gefunden haben. Auch hierüber gibt es viele Witze. So ist hauptsächlich der dem alten Herrn (Alexander) untergelegte Globus, der einem in Stadium des Ausgebrütetwerdens befindlichen Ei so ähnlich sieht wie – – ein Ei dem andern, viel bespöttelt worden. In Verbindung mit diesem Attribut hat A. von Humboldts gequälte Stellung Veranlassung gegeben, das Denkmal »Vor der Tat« zu nennen, während man dasjenige W. von Humboldts, der sich bequem und zufrieden in den Sessel zurücklehnt, als »Nach der Tat« bezeichnet. Ich muß es dir, lieber Leser, überlassen, dir das weitere selbst auszumalen; du brauchst die Denkmäler nur genau zu betrachten.
Laverrenz.
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Ein neueres Denkmal Berlins ist das der Kaiserin Augusta auf dem Opernhausplatz. Die Kaiserin ist sitzend dargestellt und greift mit der rechten Hand wie fröstelnd den Spitzenüberwurf zusammen. Das Volk legt der ersten Kaiserin daher die Worte in den Mund:
»Et is doch lausig kalt, wenn man hier nachts auf den zuchigen Opernplatz sitzen muß!«
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