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Einleitung.

Det is dem Berliner sein Fall! Witz, Humor und Anekdote. Er ist nicht für Traurigkeit. Und wenn auch sein altes Berlin abgebaut wird, wenn auch nur noch spärliche Reste von dem ehemaligen Berlin zeugen – das Berlinertum erhält sich. Selbst alle, die neu nach Berlin kommen, die ihre Existenz finden und auf dem mit tollem Trubel erfüllten Berliner Asphalt festwurzeln, nehmen unwillkürlich von der Art und dem Wesen des Berliners an. Selbst wenn sie nicht »Berlinern«, wenn sie vielmehr ablehnend denken:

Icke, dette, kieke mal,
Oogen, Fleesch und Beene,
Die Berliner allzumal
Sprechen jar zu scheene!

Die Sprache allein macht es nicht. Auch ohne sich ihr ganz hinzugeben, dringt der Geist und die Art einer Stadt in ihre Bewohner ein. Wer aber so richtig mit einer Stadt verwachsen will, darf auch vor der ihm unschön vorkommenden Sprache nicht zurückschrecken. Gewiß ist das Berlinische oft herb und von einer verblüffenden Deutlichkeit und Schnoddrigkeit. Aber es ist auch so voller lustiger Redewendungen, so voll Selbstironie, freundlicher Satire, voll Bilderreichtums, voll witziger Wortspiele, daß seine Kenntnis zweifellos eine humorvolle Erhöhung des Lebensgefühls mit sich bringt und manchen Puff des Daseins leichter ertragen läßt.

Der Berliner hat eben nicht nur den berühmten hellen und offenen Kopf. Er kann nicht nur Witze machen, Witze, wie sie zwischen Pankow und Potsdam üblich sind. Er hat auch das, was ihm so oft bestritten wird, was scheinbar zu seinen großschnäuzigen, schnoddrigen Redensarten und zu seiner angeblichen Krakehlsucht nicht stimmt – er hat auch Humor. Nur versteckte er ihn fast immer unter der Stachelhaube seiner treffenden Kritik. Er will nicht weich und herzlich erscheinen. Aber er meint es meist herzlich. Dafür haben wir als Kronzeugen Wilhelm Raabe, dessen Porträt eines echten Berliners im Abschnitt »Aus Neu-Berlin« zu finden ist. Dafür haben wir den großen Kronzeugen Goethe. Der sagte am 4. Dezember 1823 zu Eckermann von seinem Freund, dem in Berlin geborenen Musiker und Maurermeister Karl Friedrich Zelter:

»Er kann bei der ersten Bekanntschaft sehr derb, ja mitunter sogar etwas roh erscheinen. Allein, das ist nur äußerlich. Ich kenne kaum jemand, der zugleich so zart wäre wie Zelter. Und dabei muß man nicht vergessen, daß er über ein halbes Jahrhundert in Berlin zugebracht hat. Es lebt aber, wie ich an allem merke, dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter sogar etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.«

Haare auf den Zähnen – die hat der Berliner. Er spöttelt gern. Aber vielfach ist sein Hohn nur eine Schutzmauer, hinter der er sich verbirgt, um nicht jedem sein Inneres aufzeigen zu müssen. Es ist schon, wie Hans Brennert sagt: »Das Wesentliche des Berlinischen Dialekts ist nicht das schlechte, ordinäre Mischdeutsch, sondern die schöpferische Keckheit des Ausdrucks, hinter der sich Güte und Selbstironie verbirgt.«

»Jeduldige Schafe jehn viel in einen Stall!« sagte ein Autobusschaffner und schob die langsam sich Platz suchenden Fahrgäste in den Wagen. Sie nahmen's nicht übel und lachten.

Der Urberliner wird immer in allen Bedrängnissen des Lebens ein Witzwort oder eine humorvolle Wendung bereit haben. Umsonst hat er nicht das drastische Wort gefunden:

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Mit de Beene strampeln nutzt ja nicht!

Er weiß sich mit einem Witzwort im rasenden Verkehr, beim Dröhnen der Motore, im ermüdenden Getriebe der »Klapperschlangen« (Schreibmaschinistinnen) und bei der anstrengenden Nachtarbeit in den lärmerfüllten Setzersälen und in dem Säuregeruch der chemischen Fabriken immer wieder an einen herzhaften Witz zu erquicken und mit vielen Unannehmlichkeiten abzufinden.

Und darum seien hier keine langen Untersuchungen angestellt, sondern, mit kleinen Erläuterungen, Witz und Humor und Anekdoten des Urberliners selbst geboten – in der Erwartung, daß die Leser das nicht übelnehmen, sondern lachen – lachen!

Hans Ostwald.


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