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Einundzwanzigstes Kapitel.
Zwei saubere Brüder

Nach vielen eintönigen Tagen des Stampfens und Dröhnens standen die großen Maschinen endlich still, und der »Poseidon« ankerte vor Afrikas Küste unweit der Stadt Attra. Die Hitze, schon während der Reise beschwerlich, ward jetzt erstickend. Die Sonne brannte auf die schimmernde See und auf das weiße Deck, bis der Farbenanstrich brach. Der arbeitenden Mannschaft rann der Schweiß in Bächen. Längsseit des Schiffes lag ein halbes Dutzend Boote, mit Negerjungen bemannt, die in behaglichster Stimmung schienen. Überall betrieb man die Vorbereitungen für die Landung – Gepäckstücke wurden aus dem Lagerraum befördert, Reisende rasten unten auf der Suche nach Paketen, Deckstühlen und aus den Augen verlorenen Bekannten. In Tropenhelm und Tropenanzug lehnte Trent über die Reling und schaute zum Strand hinüber.

»Es ist der letzte Morgen an Bord, Trent!« raunte Da Souza an seiner Seite.

Der andere nickte. »Bleiben Sie hier?«

Der Portugiese bejahte. »Mein Bruder holt mich ab. Er fürchtet sich in den kleinen Booten. Sonst wäre er wohl an Bord gekommen. Erinnern Sie sich seiner noch?«

»Und ob! Er gehört zu denen, die man nicht so leicht vergißt.«

»Er ist wie ein roher Diamant,« erklärte Da Souza entschuldigend. »So lange lebt er nun schon hier, daß er zu einem halben Eingeborenen wurde.«

»Und zu einem ganzen Dieb!« murmelte Trent.

Da Souza war nicht im geringsten beleidigt. »Es ist leider anzunehmen, daß seine Moral nicht sehr hoch steht. Aber er hat eine Menge Geld verdient. Er will mir einen Teil anvertrauen, damit ich's für ihn anlege.«

»Wenn er sich gleichgeblieben ist, so schlägt er aus jeder Sache Kapital. Er weiß sicherlich, wo Monty sich aufhält.«

»Das wollte ich Ihnen gerade sagen. Sie brauchen wirklich keine Stunde mit Nachforschungen zu verschwenden. Sam wird Ihnen sagen, wo Sie ihn finden können.«

Trent zögerte. Am liebsten hätte er sich nicht mehr mit dem Portugiesen abgegeben. Der Gedanke an Onkel Sam allein schon flößte ihm Widerwillen ein. Andererseits jedoch war seine Zeit kostbar, und es schien daher klüger, den Vorschlag anzunehmen.

»Gut!« stimmte er zu. »Je eher ich wieder in England bin, desto besser ist's für uns alle. Wenn Ihr Bruder Montys Verbleib kennt, kann er mich hinführen.«

Die Ausschiffung hatte begonnen. Da Souza und Trent nahmen nebeneinander in dem breiten, flachen Boot Platz, und bald waren sie unter Ruderergesang auf dem Weg nach der Küste. Als sie an Land stiegen, wurden sie alsbald von einer gestikulierenden Menge umringt, in der sich auch Onkel Sam befand. Trent sah sich von einem Engländer begrüßt, der hier die Bekwando-Land- und Berggruben-Aktiengesellschaft vertrat, und bevor er Da Souza wieder erreichte, hatten die Brüder Gelegenheit gehabt, ein paar hastige Bemerkungen auf portugiesisch zu tauschen.

Den Hut in der Hand, trat Onkel Sam heran. »Willkommen wieder in Attra, Senhor!«

Trent nickte kurz. »Es hat sich hier nicht viel verändert.«

»Die Entwicklung nur langsam geht vonstatten. Das mörderische Klima machen Menschen kraftlos.«

»Dir jedenfalls scheint es gut zu bekommen! Warst du kürzlich im Inland?«

»Vor einem Monat noch habe ich Tauschhandel mit König von Bekwando erledigt.«

»Sicherlich Palmöl und Mahagoniholz für Rum, wie?«

Der andere spreizte die Hände und zuckte die Achseln – seine alte charakteristische Gebärde. »Die dummen Schwarzen wollen es so haben!« entschuldigte er sich. »Möchten wir jetzt gehen ins Hotel, Senhor Trent?«

Die drei Männer schritten die Strandpromenade entlang, bis sie eine Veranda erreichten, die ein einfaches, aus Backsteinen errichtetes Rasthaus umgab und von einem gestreiften Sonnensegel überdacht war. Ein junger Neger brachte mit breitem Grinsen verschiedene Getränke auf einem Metalltablett.

Trent wandte sich an den Engländer, der nachgekommen war. »Morgen möchte ich mit Ihnen über allerlei sprechen. Ich habe erst noch mit diesen Herren eine Privatangelegenheit zu regeln. Wollen Sie morgen mit mir frühstücken?«

Der andere nahm erfreut an. »Ich kann Ihnen leider kein besseres Obdach anbieten,« meinte er mißvergnügt. »Es ist hier ein elendes Loch. Bis morgen also!« Er fächelte sich mit dem Taschentuch Kühlung zu und entfernte sich.

Trent holte eine dicke Zigarre vor. »Ich hörte, daß der alte Monty noch leben soll,« wandte er sich an Onkel Sam. »Wenn das stimmt, kann man es wohl ein Wunder nennen; denn als ich ihn verließ, war kaum ein Funken Leben mehr in ihm und ich selber dem Ende nahe.«

»Es ein großes Wunder war!« beteuerte der Mischling. »Die verfolgenden Neger ihn fanden, und der englische Offizier ihn rettete. Sie das kleine weiße Haus mit der Fahne sehen?« Er zeigte auf ein niedriges Gebäude, ungefähr zwei Kilometer entfernt. »Das eine Station der Baseler Missionsgesellschaft. Dort Monty ist. Sie ihn besuchen können, aber er Sie nicht wird erkennen.«

»Ist's bereits so weit mit ihm?« fragte Trent langsam.

»Er hier nicht in Ordnung.« Onkel Sam tippte sich gegen die Stirn. »Hat nur noch wenig Leben. Einen Tag – eine Woche – wer kann sagen, wie lange?«

»Pflegt ihn ein Arzt?«

»Der Missionar – er Doktor ist! Aber keine Menschenhilfe mehr retten kann.«

Trent, der sich abwandte, um seine Zigarre neu anzuzünden, hatte den Eindruck, daß zwischen den beiden Brüdern ein Blick des Einverständnisses gewechselt wurde. Also das saubere Paar schien wieder dabei, einen Plan zu schmieden. Es war hohe Zeit, daß er auf der Bildfläche aufgetaucht war.

»Noch etwas!« bemerkte er. »Was weißt du von Hauptmann Francis? Hast du in letzter Zeit von ihm gehört?«

Onkel Sam schüttelte den Kopf. »Vor ungefähr zehn Monaten ein Kaufmann aus Lulabulu erzählte, ihn auf Weg getroffen zu haben. Francis sprach, nach Sugbaru zu gehen, einem Negerstaat tief im Innern. Wenn er dort hingeht, er wohl nicht mehr wird zurückkommen.«

Trent stellte sein Glas nieder und rief ein paar schwarze Träger mit einer Sänfte herbei. »Ich werde Monty aufsuchen!« entschied er.


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