E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 17.
Rückkehr.

Jeanne saß in dem Garten hinter dem Caynsardschen Haus. Die Aufregungen der letzten vierundzwanzig Stunden hatten sie sehr mitgenommen. Sie lehnte müde und matt in ihrem Stuhl und sah auf die Marschen hinaus. Aber sie beobachtete teilnahmslos die Fischerboote, und der fröhliche Gesang der Lerchen erfreute sie nicht mehr. Eine unklare Furcht bedrückte sie.

Kate Caynsard kam zögernd auf sie zu.

»Ach, kommen Sie doch bitte zu mir – wir wollen ein wenig plaudern«, rief Jeanne.

Das Mädchen näherte sich und setzte sich neben Jeanne in den Rasen nieder.

»Kate, wer benachrichtigte eigentlich Mr. Andrew, daß er gestern abend so rechtzeitig in Red Hall eintraf?«

»Ich habe ihm geschrieben, daß im Herrenhaus Dinge vorgingen, die ich nicht verstand, und daß es das beste wäre, wenn er zurückkäme.«

»Hatten Sie denn seine Adresse?« fragte Jeanne ein wenig kühl.

»Ja.«

»Haben Sie ihm früher auch schon geschrieben?«

»Ja«, erwiderte Kate zerstreut.

Es trat ein kurzes Schweigen ein, die beiden schienen mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Als Jeanne wieder sprach, hatte sich ihr ganzes Wesen geändert. Kate bemerkte es, ohne den Grund zu wissen.

»Was ist denn nun heute morgen geschehen?« fragte Jeanne.

»Sie sind alle noch in Red Hall. Major Forrest versuchte sich davonzumachen, aber Mr. Andrew verhinderte ihn daran. Er läßt keinen fort, bis sich Lord Ronald so weit erholt hat, daß er sagen kann, was getan werden soll.«

»Es ist gar nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Mr. Andrew gestern nicht gekommen wäre.«

»Dieser Forrest ist ein ganz gefährlicher Verbrecher. Aber wie kamen Sie denn mit Mr. Andrew zusammen?«

»Ich wartete auf dem Hügel in der Schonung und hatte mein Ohr noch auf den Boden gelegt, als ich einen Schuß und dann ein wüstes Durcheinander hörte. Danach wurde alles still. Ich fürchtete mich und lief auf die Straße. Als ich einen Wagen auf mich zukommen sah, hielt ich ihn an. Mr. Andrew saß darin, er kam von Wells. Ich erzählte ihm, was geschehen war, und er setzte mich in den Wagen und schickte mich zum Dorfe zurück. Er selbst ging zu dem Herrenhaus.«

Kate nickte langsam.

Jeannes Lippen zitterten. Sie hatte drüben in den Sanddünen eine große, ragende Gestalt gesehen. Es mußte Andrew sein.

»Sind Sie gut mit Mr. de la Borne befreundet?« fragte sie leise.

»Ja, früher waren wir gute Freunde.«

»Wie meinen Sie das?«

Kate sah vom Boden zu ihr auf. Ihre Augen blitzten.

»Bevor Sie kamen, waren wir einander mehr als Freunde. Sie waren es ja, die ihn für sich nahm. Sie hatten das große Vermögen und das eigenartig kindliche Wesen. Ach, ich spreche, als ob ich von Sinnen wäre. Ich weiß es. Aber ich bin klar bei Verstand, und ich hasse Sie deshalb auch nicht. Ich wollte Ihnen niemals schaden, Sie können ja nichts dafür. Es ist eben Schicksal. Einst hatten auch wir Caynsards hier an der Küste eine stolze Burg, sie war größer und stärker als Red Hall. Unsere Landgüter waren reicher – aber von Generation zu Generation sanken wir immer mehr, die Männer verloren Land und Geld. Und ich spreche heute als ein einfaches Dorfmädchen zu Ihnen. Ich weiß sehr wohl, daß ich in dem Dialekt der Landleute rede und meine Worte nicht gut wählen kann. Wir sind alle arm geworden. Deshalb fühle ich manchmal, daß mir alles zu enge wird. Die Leute glauben dann, daß ich den Verstand verloren hätte.«

Sie sprang auf. Jeanne versuchte sie zurückzuhalten.

»Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Kate. Ich bin fest davon überzeugt, daß Mr. de la Borne weder etwas an mir noch an meinem Gelde liegt. Das bilden Sie sich nur ein. Bleiben Sie doch noch einen Augenblick!«

Aber Kate war schon zum Hafen hinuntergeeilt, und ein paar Minuten später fuhr sie in ihrem kleinen Boot in die Bucht hinaus.

*   *   *

Der Comte de Brensault besaß nicht genug Haltung und Selbstbeherrschung, um seine Wut zu verbergen. Er befand sich in dem Boudoir der Prinzessin, die ihn betrachtete, als ob er ein fremdes wildes Tier sei.

»Aber mein lieber Comte, es ist doch wirklich unvernünftig von Ihnen, auf mich ärgerlich zu sein. Mein Fehler ist es doch nicht, daß ich nun einmal der Vormund meiner Stieftochter bin, die mit einem so sonderbaren Temperament begabt ist. Sicher kommt sie wieder zurück, oder wir werden sie finden. Das weiß ich bestimmt. Die Hochzeit kann dann sofort gefeiert werden, wenn Sie wünschen.«

»Das ist ja alles schön und gut. Aber ich verstehe nicht, wie ein junges Mädchen so einfach aus der Wohnung verschwinden kann, ohne daß ihre Mutter etwas davon weiß. Wohin könnte sie sich denn gewandt haben? Sie sagten, daß sie nur über wenig Geld verfügte. Warum ist sie denn überhaupt von Hause fortgegangen? Wer war denn so unfreundlich zu ihr?«

»Ich habe ihr nur gesagt, daß sie Sie heiraten muß.«

Der Comte drehte an seinem Schnurrbart.

»Kann sie das zur Flucht veranlaßt haben? Der Gedanke an eine Heirat mag ja solche junge Backfische im ersten Augenblick verwirren, aber im Innern sind sie doch nur allzufroh darüber. Oh, ich habe meine Erfahrungen darin, ich bin kein Junge mehr. Nein, ich glaube nicht, daß es die Furcht vor der Hochzeit war, die Jeanne zu diesem verzweifelten Schritt trieb.«

»Was glauben Sie denn, mein lieber Comte?«

Seine Augen wurden klein.

»Vielleicht hatten Sie das Empfinden, daß Sie bei Jeannes großem Vermögen und bei meiner starken Zuneigung zu ihr nicht genügend bei der Sache verdienten«, sagte er mit eigentümlicher Betonung.

»Sie sind ein gemeiner Mensch!«

Der Comte lachte zynisch. Er schien sich in keiner Weise beleidigt zu fühlen.

»Ich bin ein Mann, den man nicht so leicht täuscht. Ich habe zuviel von der Welt gesehen, und ich kenne die Frauen. Eine Frau, die Geld haben will, ist sehr klug und nicht zu gewissenhaft.«

»Ihre Erfahrungen mögen ja ganz interessant sein, aber ich weiß nicht, was sie mit mir zu tun haben –«

»Wir wollen offen miteinander sprechen. Was hielten Sie davon, wenn ich die kleine Summe, um die es sich handelt, verdoppeln würde?«

»Sie nehmen an, daß ich Jeannes Aufenthalt kenne? Daß ich sie für kurze Zeit fortgeschickt habe, um ein besseres Geschäft mit Ihnen zu machen?«

Er neigte den Kopf.

»Das wäre tatsächlich ein schlauer Plan gewesen! Direkt gerissen!«

Die Prinzessin sah ihn an und lachte hell auf. Es hatte ja doch keinen Zweck, sich über diesen Menschen zu ärgern. Außerdem brauchte man ja dieses Geld nicht von der Hand zu weisen, selbst wenn Jeanne auftauchen sollte.

»Ich glaube, Sie halten mich für klüger, als ich in Wirklichkeit bin. Aber nehmen wir einmal an, ich wäre imstande, Jeanne Ihnen in kurzer Zeit zu übergeben, würden Sie dann tatsächlich den Betrag verdoppeln?«

»Das würde ich tun«, erklärte der Comte feierlich. »Sie sehen, daß ich großzügig bin, wenn ich etwas erreichen will. Ich kann nur hoffen«, fügte er lächelnd hinzu, »daß Miß Jeanne jetzt recht bald wieder auf der Bildfläche erscheint.«

Es klopfte an der Tür, und die Prinzessin sah stirnrunzelnd auf, als ihre Zofe vorsichtig den Kopf hereinsteckte.

»Es tut mir unendlich leid, daß ich Sie ganz gegen Ihren ausdrücklichen Befehl störe. Aber Miß Jeanne ist eben zurückgekommen.«

 


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