E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 16.
Wechselndes Glück.

Der Rauch hatte sich verzogen. Eine neue Hoffnung belebte Engletons Züge. Forrest und Cecil de la Borne standen in der Nähe der Türe, die noch angelehnt war. Kate sah, daß sie sich hinausschleichen wollten, und rief sie scharf an.

»Wenn Sie das versuchen, erschieße ich Sie sofort. Eine Pistole in meiner Hand ist kein Spielzeug, das weißt du, Cecil.«

De la Borne schielte nicht mehr nach der Tür und trat einen Schritt vor.

»Meine liebe Kate, Forrest und ich erklären uns geschlagen. Du kannst tun, was du willst. Nur darfst du uns nicht hier einsperren. Unser Scherz mit Engleton ist zu Ende. Vielleicht sind wir zu weit gegangen, dann müssen wir eben die Folgen tragen. Führe ihn heraus, wenn du willst. Es hat keinen Zweck, daß wir noch länger hier unten bleiben.«

Kate senkte ihren Revolver und wandte sich an Lord Ronald.

»Kommen Sie an meine Seite, wir wollen gehen.«

Engleton ging mit schwankenden Schritten auf sie zu. Er war schon früher hager gewesen, aber jetzt war er fast bis zum Skelett abgemagert.

Cecil wandte sich noch einmal an Kate.

»Ich möchte später noch einige Minuten mit dir allein sprechen. Meinetwegen kannst du ja deine Pistole solange an meine Schläfen halten.«

»Das hat bis später Zeit«, antwortete sie. »Erst verlassen wir das Haus. Wir gehen dann zum Ufer und warten auf dich. Wenn du herauskommst, wirst du mir sofort deine Taschenlampe geben und mit dem Major vorausgehen.«

»Sie sind ja der reinste Stratege«, sagte Forrest ärgerlich. »Tun Sie, was sie sagt, Cecil. Je eher wir hier herauskommen, desto besser ist es.«

Kate legte ihre Hand auf Engletons Arm.

»Stützen Sie sich auf mich, wenn Sie sich schwach fühlen.«

Die beiden traten hinaus. Weder Forrest noch Cecil machte einen Versuch, sie daran zu hindern. Kate blieb mit dem Revolver in der Hand vor dem Eingang stehen.

»Kommen Sie jetzt heraus.«

Cecil und Forrest gehorchten aufs Wort, und sie gingen wieder durch den dunklen Gang zurück. Einmal wandte sich der Major vorsichtig zu Cecil, aber der schüttelte den Kopf.

»Warten Sie!« flüsterte er ihm leise zu.

Das Rauschen der Meereswogen klang schwächer und schwächer. Bald zeigte sich ein schwacher Lichtschimmer vor ihnen, und sie erreichten die steile Treppe, die in die Bibliothek führte. Cecil und Forrest gingen voraus, Kate und Engleton folgten ihnen. Als alle eingetreten waren, schloß Cecil die Tür sorgfältig zu.

»Du siehst, daß wir unsere Niederlage ruhig hinnehmen«, sagte Cecil. »Wir wollen uns einen Augenblick hinsetzen und miteinander sprechen.«

»Machen Sie doch das Fenster auf und geben Sie mir einen Kognak«, bat Engleton.

Kate sah plötzlich, daß er schwach wurde und wandte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit zu.

Auf einen solchen Augenblick hatte Forrest gewartet. Kate fühlte sich plötzlich mit eisernem Griff an der Hand gepackt, und ihr Revolver fiel zu Boden. Cecil hob ihn auf und steckte ihn in die Tasche.

»Du hast deine Rolle gut gespielt, Kate. Aber nun sind wir wieder Herren der Situation.«

Sie sah ihn furchtlos, fast verächtlich an.

»Du gemeiner Kerl!« rief sie. »Kannst du denn nicht sehen, daß er halb im Sterben liegt – daß er vollkommen hinüber ist? Wir können ihn doch hier nicht umkommen lassen!«

»Nein, ich werde mich um ihn kümmern.«

Er führte Lord Ronald zu einem Sessel, der dicht am Fenster stand, öffnete einen Flügel und ließ die frische Luft hereinströmen. Dann goß er Kognak ein und reichte ihn Kate.

»Laß ihn das trinken. Biege ihm den Kopf zurück. So. Wir wollen für einige Augenblicke Waffenstillstand schließen, ich muß mich eben mit meinem Freund besprechen.«

Er wandte sich ab. Kate sprang rasch zu dem Kamin und klingelte. Cecil schaute sich lächelnd um.

»Ein guter Gedanke – aber wir haben schon dafür gesorgt, daß kein Dienstbote mehr im Hause ist. Du kannst ruhig weiterklingeln, wenn es dir Spaß macht. Es kommt doch niemand.«

Kate wandte sich unwillig ab und beschäftigte sich wieder mit Engleton. Langsam schwand die Todesblässe aus seinem Gesicht.

»Ich will nicht wieder die Besinnung verlieren«, sagte er leise zu Kate. »Haben sie Ihnen die Pistole abgenommen?«

»Ja. Aber fürchten Sie nichts. Ich werde nicht wieder in den Keller gehen und dulde auch nicht, daß man Sie dorthin bringt.«

Er drückte ihr die Hand.

»Sie sind ein tapferes Mädchen. Helfen Sie mir, ich werde es Ihnen nie vergessen.«

Cecil kam langsam wieder auf sie zu.

»Nun, Engleton, fühlen Sie sich jetzt besser?« fragte er.

»Ja, ich bin wieder soweit in Ordnung. Was wollen Sie?«

»Es wäre besser, daß wir uns verständigten.«

»Verdammt noch einmal, lebendig bringen Sie mich nicht wieder dort hinunter. Versuchen Sie es nur.«

»Wir brauchen doch nicht gleich wieder so feindlich miteinander zu reden. Es ist doch eine Kleinigkeit, diese ganze Sache als einen Scherz hinzustellen. Das ist der einfachste Ausweg. Gehen Sie auf Ihr Zimmer, ziehen Sie sich um und rasieren Sie sich, dann wollen wir noch ein Glas zusammen trinken, und mit dem Morgenzug fahren Sie zur Stadt. Es hat doch keinen Zweck, daß Sie Ihr Leben riskieren, nur um Rache üben zu können. Ich gebe ja zu, daß es nicht recht von uns war, Sie dort gefangenzuhalten. Aber jedenfalls haben Sie uns zuerst bedroht, und wir mußten die Konsequenzen daraus ziehen. Wir wollen das alles jetzt vergessen und in Frieden scheiden.«

»Nein, unter keinen Umständen!« erwiderte Engleton erregt.

Cecils Gesichtsausdruck änderte sich.

»Nun gut, ich habe Ihnen ein anständiges Angebot gemacht. Wenn Sie es ablehnen, überlasse ich die Entscheidung meinem Freund Forrest, der kann dann nach Gutdünken mit Ihnen verfahren. Der geht aber nicht so freundlich mit Ihnen um wie ich!«

Kate trat näher und legte ihre Hand auf Cecils Schulter.

»Cecil, wir wollen nichts mit deinem Freund zu tun haben. Wir trauen ihm weniger als dir. Öffne die Haustür und laß uns gehen.«

»Aber das ist unmöglich, liebe Kate.« Er führte sie ein wenig beiseite. »Ich habe mich dir gegenüber wirklich recht böse benommen, aber ich habe dich nicht vergessen. Warum ergreifst du denn die Partei dieses elenden Menschen dort? Er ist dumm und unerfahren. Erst hat er zuviel Wein getrunken, und dann hat er uns Falschspieler genannt, überlasse ihn nur uns, er wird nicht zu Schaden kommen. Ich gebe dir mein Wort darauf.«

Kate sah ihn sonderbar an.

»Willst du denn diesmal dein Versprechen halten?« fragte sie ironisch.

»Ja.«

Sie wandte sich langsam von ihm ab.

»Ist das alles, was du mir zu sagen hast?«

»Ich habe dir doch mein Versprechen angeboten – ist dir das nichts wert?«

»Nicht viel – ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben. Glaube nicht, daß du mich aufs neue betören kannst. Hoffentlich wirst du für diese unerhörte Handlungsweise bestraft.«

Cecil erhob die Hand, als ob er sie schlagen wollte.

»Nun gut, dann bleibst du also auch als Gefangene hier.«

Forrest trat jetzt zu ihnen.

»Wir haben schon zuviel Zeit unnötig verloren. Unterschreiben Sie jetzt den Verzicht, Engleton. Sie haben sich nun genügend erholt.«

»Geben Sie sich keine Mühe, ich unterzeichne das Schriftstück nicht.«

»Cecil, öffnen Sie die Türe!« befahl Forrest.

Cecil schob das Paneel zurück, berührte die Feder, und die Tür sprang auf. Wieder strömte die dumpfe, kellerartige Luft ins Zimmer.

»Einen Augenblick«, sagte Kate. »Es hat mich eine junge Dame hierher begleitet, die draußen auf mich wartet.«

»Es ist zwecklos, uns hier etwas vorzulügen«, erwiderte Cecil.

»Das ist keine Lüge!« rief Kate hitzig. »Es ist Miß Le Mesurier, die schon hier zu Besuch war. Du kennst sie doch!«

Cecil lachte nur verächtlich.

»Ist sie denn eben aus den Wolken gefallen?«

»Sie wohnt schon seit Tagen in unserem Hause, und ich brachte sie heute abend als Zeugin mit. Wenn ich in zwei Stunden nicht zurückgekehrt bin, benachrichtigt sie die Polizei.«

»Ich glaube, daß wir auf diese sagenhafte junge Dame weiter keine Rücksicht zu nehmen brauchen«, meinte Forrest ironisch.

Plötzlich sahen alle erschrocken auf die Tür, die zu dem unterirdischen Gang führte. In Cecils Gesicht drückte sich tödliche Furcht aus. Forrest war der erste, der seine Sprache wiederfand.

»Schließen Sie die Tür rasch!« rief er.

Cecil eilte vorwärts, aber ehe er sein Vorhaben ausführen konnte, hatte ihn Kate gepackt.

»Das wirst du nicht tun«, rief sie.

»Wer kommt dort?« fragte Cecil atemlos.

Vergeblich versuchte er, sich aus ihrem harten Griff zu befreien. Forrest eilte zu seiner Hilfe herbei. Engleton schlug mit einem Stuhl nach ihm, aber er traf ihn nicht.

»Gehen Sie aus dem Weg, Cecil«, sagte Forrest. »Ich will die Tür zumachen.«

»Sie werden die Tür nicht zumachen«, ertönte eine dumpfe Stimme aus dem Kellereingang.

Andrew de la Borne trat heraus und betrachtete die Gruppe erstaunt.

 


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