E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 3.
Heiratspläne.

Die Prinzessin erfreute sich einiger Minuten wohlverdienter Ruhe. Sie hatte mit Jeanne als Gast einer führenden Dame der Gesellschaft bei Ranslagh zu Mittag gespeist. Die Zeitungen und Vertrauensleute hatten alles Nötige getan – Jeanne war in die Gesellschaft aufgenommen und mit ihr die Prinzessin. Jeanne brachte eben einen großen Stoß von Briefen herein, die meistens Einladungen erhielten. Die Prinzessin sah sie durch und lächelte.

»Es ist wirklich spaßhaft!« rief sie. »Vor achtzehn Monaten war ich ganz allein in London, und keine einzige Seele kümmerte sich um mich. Heute überschütten mich die Leute mit Liebenswürdigkeiten, weil ich der Vormund einer jungen Dame bin, die vermutlich eine reiche Erbin sein wird.«

Jeanne schaute auf.

»Vermutlich?« fragte sie schnell. »Ich bin doch tatsächlich eine reiche Erbin – oder stimmt das etwa nicht?«

Die Prinzessin lachte rätselhaft.

»Mein liebes Kind, sicherlich bist du es, die Zeitungen haben es doch groß und breit verkündet, und die Gesellschaft glaubt es. Wenn ich nun auch zu den Leuten ginge und erzählte, daß du nur lumpige zwanzigtausend Pfund hättest, würde mir niemand glauben. Alle würden annehmen, daß ich sie nur abschrecken wollte, um dich noch länger für mich zu behalten oder für den Mann, den ich für dich als Gatten ausgesucht habe. Es ist wirklich eine merkwürdige Welt.«

Jeanne schaute sie nachdenklich an. Ihre Stiefmutter kam ihr manchmal sehr geheimnisvoll vor.

»Wer sind denn eigentlich die Treuhänder meines Vermögens?« fragte sie plötzlich.

Die Prinzessin zog die Augenbrauen hoch.

»Aber Kind, was verstehst du denn von Treuhändern?«

»Wenn ich erst volljährig bin, werde ich mich sehr dafür interessieren, wieviel Geld ich habe, und wie es angelegt ist«, erklärte Jeanne ruhig.

Die Prinzessin sah etwas betroffen aus.

»Aber liebe Jeanne, bitte sprich erst von diesen Dingen, wenn es an der Zeit ist. Dein Vermögen wird sehr gut verwaltet. Heute wirst du beim Abendessen einen Herrn kennenlernen, mit dem ich dich gern verheiraten möchte.«

Jeanne runzelte die Stirne.

»Ich habe die Absicht, mir meinen Mann selbst zu wählen.«

»Das ist doch unmöglich! Du hast überhaupt noch keine Lebenserfahrung, und du bist eine viel zu gewichtige Persönlichkeit, als daß man dir darin freie Wahl zubilligen könnte. Heute abend wirst du den Comte de Brensault treffen. Er ist von altem, belgischen Adel und besitzt ein großes Vermögen. Du hast großen Eindruck auf ihn gemacht, und ich halte ihn für eine passende Partie für dich. Ich habe ihm deshalb den Rat gegeben, einmal ernstlich mit dir zu sprechen.«

»Ich danke dir für deine Bemühungen, aber ich werde keinen Belgier heiraten. Diese Nation ist mir unsympathisch.«

Die Prinzessin lachte ein wenig unzufrieden.

»Mein liebes Kind, wenn es darauf ankommt, mußt du den Mann nehmen, den ich dir aussuche. Vergiß nicht, daß du Französin und nicht Engländerin bist, und daß ich dein Vormund bin. Wenn du dir selbst einen Mann aussuchen willst, so mußt du noch warten, bis das Gesetz dir das erlaubt.«

»Nun, dann warte ich eben noch. Unter keinen Umständen heirate ich den Comte de Brensault.«

Die Prinzessin erhob sich ein wenig aus ihren Kissen.

»Noch vor einem Monat hast du mir gesagt, daß es dir ganz gleich wäre, wen du heiraten würdest. Du warst damals vollständig damit einverstanden, daß ich eine geeignete Partie für dich aussuche.«

»Ein Monat ist in meinem Alter eine lange Zeit. Meine Ansichten ändern sich natürlich auch.«

»Willst du damit sagen, daß dir schon jemand begegnet ist, den du heiraten möchtest?«

»Vielleicht. Jedenfalls werde ich den Comte de Brensault nicht heiraten.«

Das Gesicht der Prinzessin verfinsterte sich.

»Ich will nicht mit dir streiten, Jeanne, aber ich bin der Ansicht, daß du ihn doch heiraten wirst. An wen denkst du denn sonst? Etwa an den armen Fischer auf der Insel, für den du damals schon schwärmtest?«

»Das ist doch ganz gleich. Es genügt doch, wenn ich dir erkläre, daß ich diesen Belgier ablehne.«

»Nein, das genügt keineswegs«, bemerkte die Prinzessin kühl. »Entweder wirst du diesen Mann heiraten, oder du wirst mir einen endgültigen, klaren Grund angeben, warum du ihn abweist.«

»Ich halte ihn für einen unangenehmen, vorlauten jungen Mann, und ich mag ihn nicht.«

»Er hat aber ein sehr großes Einkommen – ungefähr fünfzigtausend Pfund jährlich. Da kann man schon über einige kleine Unarten hinwegsehen.«

»Sein Einkommen interessiert mich durchaus nicht. Mein Geld muß mir doch wenigstens dazu nützen können, daß ich mir selbst einen Mann aussuchen kann.«

»Das ist ja immer der Punkt, bei dem ihr jungen Dinger die größten Fehler macht. Ihr habt irgendwelche Ideen und Einbildungen und laßt euch nicht davon abbringen. Die Zeiten können sich doch aber auch einmal ändern. Neue Leute können auftauchen und die alte Gesellschaftsordnung über den Haufen werfen. Nimm zum Beispiel einmal an, du würdest all dein Geld verlieren?«

»Darüber wäre ich nicht besonders traurig. Dann wüßte ich wenigstens, daß man mich nicht mehr als einen Handelsartikel betrachtet. Ich würde ein Leben führen, das mir gefiele, und den Mann heiraten, der mir sympathisch ist.«

Die Prinzessin lachte verächtlich.

»Die Männer sind heutzutage sehr realistisch. Sie heiraten keine Frau ohne Vermögen. Du denkst natürlich an deinen Fischer. Ich habe in den Zeitungen gelesen, daß er ins Ausland gereist ist. Das ist auch sehr gut. Er mag ja ein vorzüglicher Mensch sein, aber du könntest auf der ganzen Welt keinen Mann finden, der weniger zu dir paßte als er.«

»Nun, das werden wir ja sehen«, erwiderte Jeanne lächelnd. »Ich bin auch fest davon überzeugt, daß er mir niemals einen Antrag machen wird. Er ist einer von den wenigen, auf die mein Vermögen gar keinen Eindruck gemacht hat.«

»Ach, er ist nur schwerfällig. Hättest du ihn etwas mehr ermutigt, so hätte er dir sicher seine Liebe erklärt.«

»Das hätte ich sicher getan, wenn ich an diese Möglichkeit geglaubt hätte.«

Die Prinzessin sah Jeanne prüfend an.

»Sage mir die Wahrheit, Kind. Bist du tatsächlich dumm genug gewesen, dich in diesem Mann zu verlieben?«

»Über diesen Punkt kann ich mit niemand sprechen, selbst mit dir nicht.«

»Nun gut. Was auch immer geschehen mag, ich bin dafür verantwortlich, daß du keine Dummheiten machst. Das ist aus viel mehr Gründen wichtig, als du ahnst.«

Jeanne schaute auf.

»Welche Gründe sind das?«

Die Prinzessin zögerte. Sie hatte zwei Wege, beide gleich schwierig und unumgänglich. Sie wog die Chancen vorsichtig gegeneinander ab.

»Große Vermögen wie das deinige sind vielen Schwankungen und Wechselfällen ausgesetzt. Ein großer Teil davon könnte verlorengehen, und du würdest dann arm sein.«

Jeanne lächelte.

»Für mich hat dieser Gedanke nichts Schreckliches. Aber ich bin davon überzeugt, daß ein Vermögen wie das meinige nicht so leicht verlorengehen kann.«

»Du hast natürlich recht. Du wirst eine der reichsten jungen Damen des Landes sein. Es ist nur gut, daß du mich hast, die für dich sorgen kann.«

Jeanne lehnte sich ein wenig in ihrem Sessel vor.

»Du kennst die Welt, und du bist klug, aber oft bin ich über dich erstaunt. Warum wolltest du mich denn früher mit Major Forrest verheiraten?«

Die Züge der Prinzessin verhärteten sich.

»Diese Absicht hatte ich niemals«, sagte sie kühl. »Aber darüber wollen wir nicht sprechen. Aus gewissen Gründen halte ich es für gut, daß du dich möglichst bald verheiratest, und deshalb habe ich auch heute abend den Comte de Brensault eingeladen.«

»Warum ist denn diese nervöse Eile nötig? Warum soll ich mich möglichst bald verheiraten? Ich werde mich durch nichts bewegen lassen, einen Mann zu nehmen, den ich nicht lieben kann.«

Die beiden sahen sich einen Augenblick wie zwei Gegner an, die sich zum Zweikampf rüsten. Der Blick der Prinzessin war fast drohend, aber Jeanne hielt ihm ruhig stand.

»Mein Vater hat mir all dieses Geld hinterlassen, damit ich glücklich werden soll und nicht elend. Ich bin fest entschlossen, mein Leben nicht ruinieren zu lassen, bevor es überhaupt begonnen hat. Ich will in den nächsten Jahren überhaupt nicht heiraten. Du hast mich viel zu früh in die Gesellschaft eingeführt, ich hätte es vorgezogen, noch einige Jahre ruhig für mich zu leben.«

Ein Diener klopfte und meldete Major Forrest an. Jeanne erhob sich und ging zu einer anderen Tür hinaus. Die Prinzessin hielt sie nicht zurück.

 


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