E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 4.
Jeannes Vermögen.

Die Prinzessin sah mit schlecht verhehlter Neugierde auf, als Forrest eintrat.

»Nun, bringst du mir Neuigkeiten?«

»Nein, ich bin nur auf einen Tag zur Stadt gekommen. Cecil will mich nicht länger fortlassen. Er war selbst vorgestern hier. Wir wechseln gegenseitig ab.«

»Ist denn immer noch keine Änderung eingetreten?«

»Nein, es wird auch wahrscheinlich nicht anders werden.«

»Warum bist du denn gekommen?«

Er lachte hart auf.

»Mir ist wie einem Taucher zumute, der ab und zu an die Oberfläche kommen muß, um frische Luft zu schnappen. Das Leben im Schloß ist kaum zu ertragen. Wenn nicht die Gefahr und die Hoffnung wären, könnte man vor Langeweile sterben.«

»Ist Cecil jetzt tapferer geworden?«

»Ich glaube schon.«

»Ich habe ihn auf dem Ball bei Bellamy Smith getroffen. Andrew und der Herzog waren übrigens auch dort.«

Forrests Züge verdüsterten sich.

»Dieser Mensch, der sich in alles einmischt, das ihn nichts angeht! Weißt du, daß jetzt zwei Detektive in Salthouse sind? Sie treiben sich in der ganzen Gegend herum und stellen allerhand unangenehme Nachforschungen an. Einer hat sogar behauptet, daß Engleton ertrunken sein müsse. Er untersucht alle kleinen Buchten. Und der andere sitzt beständig im Wirtshaus und bespitzelt die Dienstboten. Aber wir wollen nicht mehr daran denken. Wo ist eigentlich Jeanne?«

»Das Mädchen wird immer schwieriger. Woher sie plötzlich diesen eigenen Willen hat, mag der Himmel wissen. Seit unserem Aufenthalt in Red Hall haben sich ihre Ansichten sehr entwickelt. Ich weiß nicht, wieviel Unsinn sie mit diesem Andrew geredet hat, aber er scheint großen Eindruck auf sie gemacht zu haben. Wir werden Schwierigkeiten haben.«

Forrest lächelte grimmig.

»Soweit ich in Frage komme, sitze ich schon bis über die Ohren in der Patsche. Ich möchte am liebsten den ganzen Kram hinwerfen.«

Die Prinzessin sah ihn verächtlich an.

»Ich möchte nur wissen, warum alle Männer mehr oder weniger Feiglinge sind. Du verschanzst dich hinter der Ausrede, daß deine Nerven zusammengebrochen sind, aber eigentlich ist es doch weiter nichts als pure Feigheit.«

»Du magst recht haben. Ich bin nicht mehr der Mann, der ich früher war.«

»Das stimmt. Wenn du mich nicht gehabt hättest, wärst du wahrscheinlich schon vollständig erledigt.«

Er antwortete nicht. Jahrelang hatte er diese Frau beherrscht, aber nun fühlte er, daß sich das Verhältnis vollkommen verschoben hatte.

»Was ist denn aus dem Geld von de la Borne geworden?« fragte sie. »Ich glaubte ja nie, daß du es bekommen würdest, aber scheinbar hat er alles bis auf den letzten Schilling bezahlt?«

Forrest nickte.

»Das heißt, sein Bruder zahlte für ihn. Ich habe in Goodwood vierhundert Pfund verloren, außerdem mußte ich einem meiner Gläubiger eine kleine Abschlagszahlung machen, sonst hätte er mich vollständig zur Strecke gebracht. Du hast eben von Nerven gesprochen, Ena. Ich habe dieses Leben wirklich satt. Ich bin nichts mehr als ein ganz gemeiner Abenteurer.«

»Das ist ganz gleich, was du bist. Du bist jetzt zu alt, um dein Leben oder deine Gewohnheiten noch einmal zu ändern. Man kann wohl noch einmal von neuem anfangen, wenn man unter vierzig ist, aber mit fünfzig Jahren ist es hoffnungslos. Glücklicherweise hast du ja mich.«

»Was willst du damit sagen?« fragte er bitter. »Soll ich etwa ab und zu, wenn du zufällig bei Kasse bist, ein Taschengeld von dir bekommen? Aber ein Weg bleibt mir noch für eine neue Zukunft übrig.«

Die Prinzessin lächelte.

»Mein lieber Nigel, den Weg wirst du niemals finden. Halte mich nicht für unliebenswürdig, wenn ich dir sage, daß du nicht den Mut dazu findest. Aber ich wollte dir etwas anderes erzählen. Der Comte de Brensault hat ernste Absichten auf Jeanne. Er speist heute abend mit uns. Ich habe noch einige anerkannte Leute eingeladen, und später spielen wir dann Bridge. De Brensault ist stark für Jeanne interessiert, außerdem ist er ein schlechter Spieler. Er besitzt aber ein ungeheures Vermögen, daß er große Verluste leicht verschmerzen kann.«

Forrest sah nicht mehr so düster drein.

»Da hattest du ja Glück, daß du ihn angeln konntest. Es gibt nicht viele Goldfische wie ihn. Ich fürchte nur, daß er keinen guten Eindruck auf Jeanne macht.«

Das Gesicht der Prinzessin wurde hart.

»Wenn sie widerspenstig wird, soll sie es büßen. Brensault ist gerade der Mann, nach dem ich ausgeschaut habe. Er will eine junge Frau haben und ist trotz seines Reichtums habgierig. Er ist ein Charakter, mit dem ich verhandeln kann. Einige Andeutungen habe ich ihm schon gemacht.«

Forrest nickte verständnisvoll.

»Schneidest du dich aber nicht ins eigene Fleisch, Ena, wenn er zahlt?«

Sie zuckte die Schultern.

»Ich kenne diese Sorte Menschen. Wenn er sich betrogen fühlt, wird er sich ruhig verhalten. Er ist viel zu eitel, um die Öffentlichkeit auf eine peinliche Situation aufmerksam zu machen. Er wird seinen Zorn an Jeanne auslassen. Armes Kind!«

Forrest nahm sich eine Zigarette aus dem Etui der Prinzessin, das auf dem Tisch lag.

»Wenn diese Partie wirklich zustandekommen sollte, gehen wir auf ein Jahr in die Vereinigten Staaten. Dort drüben kennt man unseren Ruf nicht, und deine Landsleute sind sehr leicht zu täuschen.«

Die Prinzessin nickte.

»Ich habe auch schon daran gedacht. Es sprechen allerdings einige Gründe dagegen, aber darüber können wir uns später noch verständigen. Geh jetzt bitte. Ich habe heute abend Gäste und muß mich umkleiden.«

Sie reichte ihm die Hand, und er hob sie zu den Lippen. Ihre Blicke folgten ihm, bis er den Raum verlassen hatte. Dann zuckte sie die Schultern.

»Alles hat schließlich einmal ein Ende«, sagte sie zu sich selbst.

Sie klingelte und ließ Jeanne rufen. Es dauerte zehn Minuten, ehe das junge Mädchen kam.

»Was hast du denn solange gemacht?« fragte die Prinzessin ungeduldig.

»Ich habe Briefe geschrieben. Was wünschst du?«

»An wen hast du geschrieben?«

»Zum Beispiel an Mr. Laplanche.«

Die Prinzessin schaute erstaunt auf.

»Was hast du ihm denn geschrieben?«

»Ich habe ihn um Auskunft über mein Vermögen gebeten.«

»Welche Auskunft soll er dir denn geben?« fragte die Prinzessin unerbittlich weiter.

»Vor allem wollte ich wissen, wann ich die Verwaltung meines Geldes in die Hand bekomme, und wo es ist. Ich glaube doch, daß ich ein Recht habe, das zu erfahren.«

»Gib mir den Brief!«

Jeanne machte keine Miene zu gehorchen.

»Hast du etwas dagegen, daß ich an ihn schreibe?«

»Ich verbiete es dir. Die nötigen Informationen werde ich dir selbst geben.«

»Ich möchte sie aber lieber von Mr. Laplanche hören. Manchmal sagst du Dinge, die ich nicht verstehe. Ich will dieser Sache jetzt endlich auf den Grund kommen.«

Die Prinzessin blieb äußerlich ruhig.

»Du bist ein törichtes Kind. Ich bin dein Vormund, und du hast mit deinen Vermögensverwaltern noch nichts zu tun. Sie haben nur mit mir zu verhandeln und nicht mit dir. Erst wenn du volljährig bist, kannst du selbst über dein Vermögen verfügen. Gib mir den Brief.«

Jeanne zögerte einen Augenblick, dann wandte sie sich zur Tür.

»Nein, ich werde den Brief zur Post bringen.«

Die Prinzessin erhob sich rasch, ging quer durch das Zimmer und schloß die Tür ab.

»Jeanne, komm hierher.«

Das Mädchen war noch einen Augenblick unentschlossen, aber dann gehorchte sie doch. Die Prinzessin schlug sie auf die Backe.

»Gib mir den Brief!« befahl sie.

Jeanne zuckte zusammen. Der plötzliche Schlag und der heftige Unwille, den sie darüber empfand, machten sie fast willenlos. Die Prinzessin nahm den Brief und zerriß ihn. Dann schloß sie die Tür wieder auf.

»Geh jetzt auf dein Zimmer.«

Jeanne entfernte sich rasch. Die Prinzessin atmete erleichtert auf und warf die Papierschnitzel in den Kamin. Sie hatte einen Sieg davongetragen, aber sie wußte sehr wohl, daß der endgültige Ausgang in diesem Kampfe sehr zweifelhaft war.

 


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