Martin Opitz
Buch von der Deutschen Poeterey
Martin Opitz

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Das IIII. Capitel

Von der Deutschen Poeterey

VOn dieser Deutschen Poeterey nun zue reden / sollen wir nicht vermeinen / das vnser Land vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft liege / das es nicht eben dergleichen zue der Poesie tüchtige ingenia könne tragen / als jergendt ein anderer ort vnter der Sonnen. Wein vnnd früchte pfleget man zue Loben von dem orte da sie herkommen sein; nicht die gemüter der menschen. Der weise Anacharsis ist in den Scitischen wüsten gebohren worden. Die Vornemsten Griechen sind in Egypten / Indien vnd Franckreich gereiset / die weißheit zue erlernen. Vnd / vber diß das wir so viel Vorneme Poeten / so heutiges tages bey vns erzogen worden / vnter augen können stellen / erwehnet Tacitus von den Deutschen in dem buche das er von jhnen geschrieben / das ob wol weder Mann noch Weib vnter jhnen zue seiner zeit den freyen künsten ob zue liegen pflegeten / faßeten sie doch alles was sie im gedächtniß behalten wolten in gewisse reimen vnd getichte. Wie er denn in einem andern orte saget / das sie viel von des Arminius seinen thaten zue singen pflegeten. Welches sie vieleichte den Frantzosen nachgethan haben / bey denen / wie Strabo im fünfften buche anzeiget / Dreyerley Leute waren / die man in sonderlichen ehren hielt: Bardi, Vates vnnd Druiden. Die Barden sungen Lobgetichte vnnd waren Poeten; Die Vates opfferten vnd betrachteten die Natur aller dinge; Die Druiden pflegten vber die Natürliche Wissenschaft auch von den gueten sitten zue vnterrichten. Welches auch Marcellinus im fünfften buche bekrefftiget: Die Barden / saget er / haben berümbter männer ritterliche thaten mit heroischen Versen beschrieben / vnd mit süßen melodien zue der leyer gesungen. Vnd Lucanus im ersten buche des bürgerlichen Krieges:

Vos quoque qui fortes animas belloque peremptas
Laudibus in longum vates demittitis æuum,
Plurima securi fudistis carmina Bardi.

Das ich der meinung bin / die Deutschen haben eben dieses im gebrauche gehabt / bestetiget mich / vber das was Tacitus meldet / auch der alten Cimbrer oder Dänen ebenmäßiger gebrauch / die von jhren Helden schöne und geistreiche Lieder ertichtet haben / deren nicht wenig von alten jahren her in Dennemarck noch verhanden sind / vnd von vielen gesungen werden. So ist auch Hiarnes bey jhnen einig vnnd alleine deßentwegen zum Königreiche kommen / weil er dem vorigen Könige zue ehren ein solch grabgetichte gemacht / das vor allen andern den preiß behalten.

Vnd vber diß / sind doch eines vngenannten Freyherrns von Wengen / Juncker Winßbeckens / Reinmars von Zweter / der ein Pfältzischer von Adel vnd bey Keyser Friedrichen dem ersten vnd Heinrichen dem sechsten auffgewartet hatt / Marners auch eines Edelmannes / Meister Sigeherrens / vnd anderer sachen noch verhanden / die manchen stattlichen Lateinischen Poeten an erfindung vnd ziehr der reden beschämen. Ich wil nur auß dem Walter von der Vogelweide / Keyser Philipses geheimen rahte / den Goldast anzeucht / einen einigen ort setzen; darauß leichtlich wird zue sehen sein / wie hoch sich selbige vorneme Männer / vngeachtet jhrer adelichen ankunfft vnd standes / der Poeterey angemaßet:

Nun sende vns Vater vnd Suhn den rechten Geist heraben /
Das wir mit deiner süssen füchte ein dürres hertze erlaben.
Vnkristenlichen dingen ist al al dui kristenheit so vol /
Swa kristentum ze siechhus lit da tut man jhm nicht wol.
Ihn dürstet sehre
Nach der lehre
Als er vom Rome was gewon
Der jhn da schancte
Vnd jhn da trancte
Als é da wurde er varende von.
Swas im da leides je gewar
Das kam von Symonis gar.
Vnd ist er da so fründebar
Das er engetar
Nicht sin schaden genügen.
Kristentum vnd Kristenheit
Der disü zwei zusamne sueit
Gelih lanc / gelih breit /
Lieb vnd leit
Der wolte auch das wir trügen
In kriste Kristenliches leben
Sit er vns vf eine gegeben
So suln wir vns nicht scheiden / &c.

Das nun von langer zeit her dergleichen zue vben in vergessen gestellt ist worden / ist leichtlicher zue beklagen / als die vrsache hiervon zue geben. Wiewol auch bey den Italienern erst Petrarcha die Poeterey in seiner Muttersprache getrieben hat / vnnd nicht sehr vnlengst Ronsardus; von deme gesaget wird / das er / damit er sein Frantzösisches desto besser außwürgen köndte / mit der Griechen schrifften gantzer zwölff jahr sich vberworffen habe; als von welchen die Poeterey jhre meiste Kunst / art vnd liebligkeit bekommen. Vnd muß ich nur bey hiesiger gelegenheit ohne schew dieses erinnern / das ich es für eine verlorene arbeit halte / im fall sich jemand an vnsere deutsche Poeterey machen wolte / der / nebenst dem das er ein Poete von natur sein muß / in den griechischen vnd Lateinischen büchern nicht wol durchtrieben ist / vnd von jhnen den rechten grieff erlernete hat; das auch alle die lehren / welche sonsten zue der Poesie erfodert werden / vnd ich jetzund kürtzlich berühren wil / bey jhm nichts verfangen können.


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