Georges Ohnet
Die lichtscheue Dame – Zweiter Band
Georges Ohnet

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Zwölftes Kapitel.

In seinem großen, ernsthaften Arbeitszimmer saß Lichtenbach am Kamin und hörte an, was ihm der junge Vertot, sein Wechselmakler, mit großer Redseligkeit vortrug.

»Baradier & Graff werden ihr Engagement in Sprengstoffaktien nicht mehr lange behaupten können,« sagte Vertot. »An der Börse wundert man sich schon, daß sie nicht losschlagen. Die bevorstehende Liquidation wird entscheidend sein. Wenn Baradier & Graff eigensinnig an den Werten festhalten, kann es sie werfen, wenn sie die Geschichte aber im letzten Moment fahren lassen, gibt's einen gehörigen Rummel.«

Um die Lippen des Bankiers spielte ein Lächeln.

»Das warte ich mit Spannung ab.«

»Mein Gott, Herr Lichtenbach, ich will Ihnen nicht verhehlen, daß man in der Geschäftswelt von einem Zweikampf zwischen den Firmen Baradier-Graff und Lichtenbach spricht. Eine von beiden soll dabei auf dem Platz bleiben . . .«

»Ich weiß es, aber ich bin ohne Sorge!«

»Da ich in dieser Finanzoperation für Sie gearbeitet habe, kenne ich ja Ihr Verfahren, das bis hierher geradezu bewunderungswürdig ist . . . Kurz gesagt, alles, was jene gekauft, haben Sie verkauft.«

»Ja, ich habe ihr Geld, sie meine Papiere. Nun passen Sie gut auf, was geschehen wird, Vertot. Die Sprengstoffaktien, die ihren höchsten Kurs erreicht haben, werden sehr bald stark fallen . . .«

»Sind Sie dessen sicher?«

»Unbedingt sicher.«

»Aber wieso?«

»Weil eine neue Gesellschaft in der Bildung begriffen ist, eine Gesellschaft, die ein Patent besitzt auf ein Produkt, das in kurzer Zeit alle bisher gebrauchten Sprengmittel ersetzen und das um die Hälfte billiger in den Handel kommen wird. Was sagen Sie dazu?«

»Das ist ja . . . das wäre ja ein Knalleffekt!«

»Ein sehr passend gewählter Ausdruck! Lesen Sie heute abend meine Zeitung; Sie werden darin den ersten einer ganzen Reihe von Artikeln finden, die der Welt die neue Entdeckung verkündigen sollen. Infolge davon wird die gut geschmierte und begossene Presse überall einfallen und vorwärts geht's mit Pauken und Trompeten! Das wird das Zeichen zum Sinken der alten ›Sprengstoff‹ sein . . . von heute an in zwei Monaten will ich Baradier & Graff am Boden liegen sehen!«

»O, die sind nicht so leicht unterzukriegen.«

»Wird sich zeigen.«

»Sie geben mir also Auftrag, die ›Sprengstoff‹ auf meine Rechnung zu verkaufen?«

»Von morgen an schlagen Sie los, was Sie können. Es sind fünfhundert Mark pro Stück zu verdienen! Sie werden sehen, wie die Bewegung in Gang kommt . . . meine Aufträge werden alle an auswärtigen Plätzen vergeben, machen Sie sich die Gelegenheit zu nutze!«

»Werde nicht verfehlen . . .«

»Jetzt machen Sie, daß Sie fortkommen, Vertot, ich habe Dienst . . . meine Tochter erwartet mich.«

»Empfehle mich gehorsamst und großen Dank.«

Der Wechselmakler ging, ohne daß Lichtenbach aufgestanden wäre, um ihn zu verabschieden. Nachdenklich lehnte er sich im Lehnstuhl zurück. Ein Brief aus Venedig stimmte ihn einerseits sehr zuversichtlich, und versetzte ihn doch in einige Unruhe. Sophia Grodsko schrieb ihm: »Das Schießpulver ist ein Triumph. Die Versuche, die man in Triest und La Spezzia mit Marinegeschützen angestellt hat, sind geradezu großartig ausgefallen. Panzerplatten von Stahl Siemens 0,30 Stärke wurden durchlöchert wie Papier. Wir haben zwei Millionen erhoben, der Rest wird folgen. Die Sache wird weittragende Folgen haben. Nicht ganz so gut steht es mit dem Sprengstoff für industrielle Zwecke. Hans arbeitet seit vierzehn Tagen daran in Schwalbach mit Prünier aus Zürich, ist aber bis jetzt sehr enttäuscht. Alle Versuche sind unbefriedigend ausgefallen; die beiden haben die Materialien auf verschiedene Weise behandelt, aber immer ohne genügendes Ergebnis. Der Sprengstoff leistet keineswegs mehr als das Dynamit, allerdings ist er billiger, bleibt aber weit hinter unseren Erwartungen zurück. Das muß anders werden, denn offenbar beruht die Herstellung auf irgend einem Geheimnis, das wir nicht kennen, das Hans aber sucht. Er gibt die Hoffnung noch nicht auf, aber bis hierher ist's ein Fiasko! Lassen Sie den Mut nicht sinken, und anerkennen Sie, daß ich Ihnen die ganze Wahrheit sage, Agostini empfiehlt sich Ihnen aufs ergebenste und läßt Ihren sagen, daß der Freiherrntitel nicht lange mehr ausbleiben wird . . .«

»Baron!« brummte Lichtenbach vor sich hin. »Was mach' ich damit, wenn die Geschichte schief geht!«

Er stand auf und reckte sich trotzig.

»Sie wird aber nicht schief gehen. Hans versteht sich auf Chemie und wird's schon herausbringen . . . Im Notfall mache ich kehrt, man wird mich nicht leicht überrumpeln . . .«

Er lächelte . . . seine Tochter war eingetreten. Sie war jetzt nicht mehr die Klosterschülerin in der schlichten Uniform, sondern eine elegante anmutige Pariserin.

»Du bist schon fertig?« sagte Lichtenbach, sie mit Wohlgefallen betrachtend.

»Freilich, Papa, wir hatten doch vier Uhr verabredet.«

»Richtig. Und wohin führst du mich eigentlich?«

»Zum Wohlthätigkeitsbazar für die elsaß-lothringischen Waisen, wobei du sicher nicht fehlen darfst.«

»Ich hätte ja mein Scherflein schicken können.«

»Ich muß persönlich erscheinen. Die Mutter Sainte Alix hat eine Verkaufsbude, woran meine früheren Mitschülerinnen beschäftigt sind, und ich habe bestimmt versprochen zu kommen.«

»Gut, also gehen wir.«

Im Saal der französischen Gartenbaugesellschaft fand der Verkauf statt. Schon auf der Treppe vernahm man Stimmengewirr und sah die Menge lebhaft auf und ab wogen. Am Eingang des Saals stand in einer Gruppe grüner Blattpflanzen eine Marmorbüste der Alsatia mit schwarzem Trauerflor über die Brust, rechts und links von Fahnentrophäen flankiert. Die Frau des Geheimratspräsidenten und Abgeordneten der Vogesen empfing, von einem Stab von Beamtenfrauen umgeben, die Gäste, junge Leute eilten als Flügeladjutanten geschäftig hin und her, um Personen von Rang und Bedeutung an die einzelnen Verkaufsstände zu führen. Auf einem Rundsofa in der Mitte des Saals zwischen den beiden Reihen von Buden waren die bekanntesten Familien des Elsaß wie Lothringens vertreten durch weißhaarige Großmütter, unversöhnliche Gegnerinnen des Feindes, der sie aus der Heimat vertrieben hatte, während die eleganten jungen Damen lachend und sorglos Politik Politik sein ließen und das Leben auch in »der Verbannung«, wo sie geboren und erzogen worden waren, sehr erträglich zu finden schienen.

Lichtenbach und seine Tochter, die mit großer Auszeichnung empfangen wurden, verweilten eine Zeitlang im Kreis der Vorstandsdamen. Das Ansehen des reichen Bankiers und einflußreichen Zeitungsbesitzers wurde hier ohne Widerspruch anerkannt. Man begrüßte ihn mit der größten Verbindlichkeit, und je eifriger republikanisch gesinnt man sich wußte, desto schmeichlerischer umgab man den Reaktionär, der er war. Marianne teilte etwas unsicher lächelnd diese Ehren, und ihre Augen durchflogen den Saal, um die Mutter Sainte Alix zu suchen.

Eines von den jungen Komitee-Mitgliedern, das nach der Ehre geizte, eine so reiche junge Erbin zu führen, stellte Marianne seine Dienste zur Verfügung und lotste sie zwischen plaudernden, lachenden Käuferinnen und Verkäuferinnen hindurch bis zu dem Stand, wo ihre Schulgefährtinnen um die Klosterschwester geschart, Kleidungsstücke für arme Leute zum Verkauf ausboten und für ein Jäckchen, das kaum einen wert war, mit Leichtigkeit fünf Franken erlösten. Genoveva von Trémont, noch in tiefer Trauer, hatte die Abteilung für Strumpfwaren unter sich.

»Bist du allein da?« fragte sie, die Freundin umarmend.

»O nein! Mein Vater spricht nur noch mit den Damen am Eingang . . .«

»Er wird dich doch eine Weile bei uns lassen?«

»Ich weiß es nicht. Mich später abzuholen, wäre ihm vielleicht unbequem.«

Marianne wandte sich an die Klosterschwester.

»Sind Sie zufrieden mit dem Geschäft, Mutter? Ist die Einnahme gut?«

»Wir haben seit Mittag dreitausend Franken eingenommen, mein Kind. Aber jetzt ist's bald fünf Uhr, der Verkauf dauert nur noch eine Stunde und wir haben noch ein Drittteil unserer Waren.«

»Was übrig bleibt, Mutter, schicken Sie nur mir! Ich werde es Ihnen abnehmen,« sagte das junge Mädchen einfach.

»O mein liebes Kind, wie bin ich Ihnen dankbar! Aber was wird Ihr Herr Vater dazu sagen?«

»Mein Vater?« versetzte Marianne lächelnd. »Der ist mit allem einverstanden. Ueberdies habe ich auch eigenes Geld.«

Und sie hielt ein gehäkeltes Beutelchen, das von blanken Goldstücken strotzte, in die Höhe.

»Und wenn's nicht reicht, wird er mir Vorschuß geben!«

»Sieh einmal dort hinüber.« sagte Genoveva von Trémont. »Gerade gegenüber von uns. Dort ist Frau Baradiers und Amaliens Stand.«

Marianne wurde rot. Was ihr der Vater von den Feindseligkeiten zwischen ihm und dieser Familie erzählt hatte, stand ihr vor der Seele. Zwischen ihr und jenen konnten ja keine Beziehungen angeknüpft werden, und mit einemmal mußte sie an den blonden freundlichen Sohn des Hauses Baradier denken. Aber die Feindseligkeit der Eltern schien sich doch nicht auf die Kinder zu übertragen, wie hätte er sonst Lichtenbachs Tochter so liebenswürdig behandeln können, als sie in die Provencerstraße gekommen war?

Jetzt erst wagte sie, Genovevas Aufforderung zu gehorchen und hinüberzusehen, und siehe da, der, an den sie eben gedacht hatte, stand vorn an die hölzerne Schranke des Vorverkaufsstands gelehnt, wo seine Mutter und Schwester ihren Handel trieben. Er plauderte lachend mit einem älteren Herrn, der eben eine Porzellanvase von ungewöhnlicher Häßlichkeit erstanden hatte, und nahm ihm jetzt das Ungeheuer ab, um es wieder in die Auslage zu stellen.

»Das ist schon das dritte Mal, Onkel Graff,« hörte ihn Marianne lachend sagen, »daß man uns dieses kleine Scheusal bezahlt und dagelassen hat! Man entschließt sich, Geld herzugeben, aber so aufopfernd ist niemand, daß er die Vase mitnähme.«

Der Herr steckte seine Börse in die Tasche und sagte: »Wo ist nun Fräulein von Trémonts Stand?«

»Dahin begleite ich dich! Das ist ja genau, was du brauchen kannst: Kinderlätzchen und Windeln! Unentbehrlich für einen Junggesellen!«

»Galgenstrick!«

Sie gingen hinüber und mit einemmal war Marcels Uebermut verflogen; er hatte Marianne Lichtenbach erkannt. Auch sie sah ihn kommen und stand zitternd und verlegen, ohne daß sie ihn anzusehen gewagt hätte.

»Nun, Fräulein Genoveva,« sagte Onkel Graff mit gewohnter Freundlichkeit, »was gibt's denn bei Ihnen? Kapuzen und Röckchen für die ganz Kleinen? Was kostet das Dutzend?«

»Sechzig Franken, Freundschaftspreis für Sie, Herr Graff, und obendrein dürfen Sie uns die Sachen lassen!«

»Um so besser, denn ich wäre wirklich in einiger Verlegenheit, was ich damit machen sollte.«

»Und wir gar nicht, wir übergeben Ihren Einkauf dem Haus der Heiligen-Kindheit, und was uns nachher noch übrig bleibt, übernimmt eine liebe Freundin von uns unbesehen.«

»Wer ist die junge Dame?« fragte Graff.

»Fräulein Marianne Lichtenbach.«

Graff überlief's: er konnte seine Züge nicht ganz beherrschen.

»Die Tochter . . .« murmelte er, unwillkürlich einen Schritt zurückweichend, als eine unendlich sanfte Stimme sagte: »Auf dem Gebiet der Wohltätigkeit gibt es keine Gegnerschaft, mein Herr, höchstens streitet man sich, wer am meisten Gutes thue.«

»Sie haben vollständig recht, mein gnädiges Fräulein,« sagte Graff, sich verbeugend, »und ich werde Ihren Rat unverzüglich verwerten.«

Er beugte sich zu der Klosterschwester hinüber und fragte: »Was kostet Ihr ganzer Warenvorrat?«

»Aber mein Herr . . .« stammelte Mutter Sainte Alix in ihrer Ueberraschung.

»Sind zweitausend Franken hinreichend?«

»Nein! Das ist ja kein Preis!« warf eine singende Stimme dazwischen. »Ich gebe viertausend!«

Und lächelnd, elegant, mit hochgedrehtem Schnurrbart schob sich der Graf Cesare Agostini an Fräulein Lichtenbachs Seite.

»Ich bin der Abgesandte Ihres Herrn Vaters, gnädiges Fräulein,« erklärte er mit einer Verbeugung, »der mir auf dem Fuß folgen wird und es sicher nicht geduldet hätte, daß man Sie um ein so Billiges um den Ruhm Ihrer Großmut bringt.«

Er sah sich im Kreis der Umstehenden um und legte die freudigste Ueberraschung an den Tag, als er Marcel erkannte.

»Ah, Herr Baradier! Wie mich dieses Zusammentreffen freut! Seit ich nicht mehr das Vergnügen hatte, Sie zu sehen, haben Sie viel Verdruß gehabt? Ich hörte flüchtig davon, als ich meine Schwester abholte. Wir haben sehr bedauert, Ihnen nicht persönlich unsere Teilnahme aussprechen zu können, nachdem Sie uns so viel Freundlichkeit erwiesen hatten in Ihrem reizenden Ars.«

Er sprudelte die Worte in seinem singenden Ton ohne die leiseste Spur von Befangenheit heraus, eine Frechheit, die Marcel geradezu verblüffte. Er starrte Agostini an und fragte sich, ob er denn nicht träume, ob denn dieser selbstgewisse Geck, der ihn mitten in Paris, in einem Wohlthätigkeitsbazar so unbefangen anredete und keineswegs Miene machte, sich aus dem Staube zu machen, thatsächlich der Mann sein könne, den er im Verdacht hatte, ihn in Ars hinters Licht geführt zu haben und der Mitschuldige von Mördern und Brandstiftern zu sein, jedenfalls der Genosse von allen Ränken der rätselhaften Frau, deren Gedächtnis sein Herz immer noch erfüllte.

Die Verblüffung gewaltsam abschüttelnd, fragte er: »Und Ihre liebenswürdige Schwester, Frau von Vignola . . .

»Ach, die arme Anetta!« unterbrach ihn Cesare. »Die muß jetzt langweiliger Familiengeschichten halber in Venedig sitzen, wird aber wahrscheinlich diesen Sommer nach Paris kommen, um meiner Hochzeit beizuwohnen.«

»Ei, Sie verheiraten sich, Herr Graf?«

»Ja. Herr Lichtenbach hat meine Werbung gütigst angenommen.«

Die Ankündigung dieser Verbindung zwischen Lichtenbach und Agostini wirkte wie ein elektrischer Schlag auf Marcel, und gab ihm all seine Geistesschärfe zurück.

Den Italiener mit spöttischem Blick von oben bis unten messend, sagte er: »Sie werden in Herrn Lichtenbachs Familie eintreten? Das ist ganz in der Ordnung, es wäre schade gewesen, wenn es anders gekommen wäre!«

»Ich verstehe nicht recht . . .«

»Ach, Sie verstehen mich recht gut, Herr Graf, und sollten Sie dazu weiterer Aufklärung bedürfen, so wenden Sie sich nur an Ihre Frau Schwester.«

»Aber, mein Herr,« sagte der Italiener herausfordernd, »ich muß sagen, daß Ihre Worte mir überaus seltsam vorkommen.«

»Jeder nach seinen Gaben; seltsame Handlungen bringt nun einmal nicht jeder fertig.«

Agostini wollte antworten, und die beiden jungen Männer sahen sich drohend in die Augen, als eine Hand sich auf den Arm des Italieners legte und Fräulein Lichtenbachs sanfte Stimme sagte: »Ich bitte, kommen Sie, Herr Graf . . . mein Vater sucht Sie.«

Cesare warf Marcel noch einen drohenden Blick zu und sagte dann mit schmeichlerischer Unterwürfigkeit: »Ihr Wunsch ist für mich Befehl, gnädiges Fräulein, und Ihnen zu gehorchen meine höchste Freude . . . aber ich werde diesen Herrn wieder treffen . . .«

Marianne runzelte die Stirn und sagte mit klarem, entschlossenem Blick: »Das verbiete ich Ihnen!«

»Gut . . . Sie haben unbeschränkte Gewalt über mich.«

Jetzt trat Lichtenbach zu der Gruppe, an Graff vorübergehend, scheinbar ohne ihn zu sehen.

»Was höre ich, Graf?« wandte er sich zu Agostini. »Sie steigern den Preis dieser Auslage und zwar bis zu viertausend Franken? Eine elende Summe! Sie müssen es mit armseligen Mitbewerbern zu thun gehabt haben.«

Mit einem verächtlichen Blick auf Graff und Marcel setzte er hinzu: »Ich habe widerstandsfähigere Gegner gekannt . . . die Geldschlacht scheint sie mürbe gemacht zu haben.«

Damit zog er sein Checkbuch heraus, schrieb einige Zahlen hin und reichte der Nonne ein Blatt.

»Hier, liebe Schwester! Dafür erhalten Sie bei jeder Bank zehntausend Franken.«

»Ach, wie kann ich Ihnen dafür danken!« fragte die Schwester betroffen.

»Schließen Sie mich in Ihr Gebet ein,« sagte Elias voll Demut.

Ein kleiner Menschenauflauf hatte sich gebildet, man lauschte und staunte und ein Murmeln der Bewunderung kitzelte Lichtenbachs Ohr aufs angenehmste.

»Eine fürstliche Gabe!« rief Agostini begeistert.

»Komm, mein Kind, gehen wir jetzt,« sagte Elias.

Gesenkten Blickes, um Marcel nicht ansehen zu müssen, umarmte Marianne die Freundin, dann folgte sie mit Agostini dem Vater. Als sie an Graff vorüberging, hörte sie ihn murmeln: »Um zehntausend Franken Gebete! Zwanzig Sous per Gemeinheit, dann macht er immer noch ein gutes Geschäft!«

»Nicht so laut, Onkel!« unterbrach Marcel diesen Ausbruch der Gereiztheit. »Seine Tochter könnte dich hören. Das arme Kind! Ihre Schuld ist's ja nicht.«

Mariannes Herz krampfte sich schmerzlich zusammen. Sie empfand die Rücksicht, die der Neffe auf sie nahm, noch demütigender, als die Verachtung des Vaters, die der Onkel so unumwunden äußerte. Diesen Schmerz mußte sie mit sich forttragen.

Seit seiner Rückkehr nach Paris hatte Marcel mit dem Vater Frieden geschlossen. Graffs Schilderung des Brandes und des Rettungswerkes, das der Neffe vollbracht hatte, war dem alten Lothringer sehr zu Herzen gegangen. Die Gefahr, worin sein Schwager, Cardez und Baudoin geschwebt hatten, war ihm nachträglich noch ein furchtbarer Schreck gewesen, und das Eingreifen des Sohnes in der letzten entscheidenden Minute, nachdem allen anderen der Mut versagt hatte, erfüllte ihn mit Begeisterung. Er hatte Marcel in die Arme geschlossen und zu der weinenden Mutter und Schwester gesagt: »Ihr macht ja ganz verblüffte Gesichter? Habt ihr etwa je daran gezweifelt, daß dieser leichtsinnige Schlingel im Grunde doch ein wackerer, braver Bursche sei? Ich nie, ich hab's wohl gewußt, daß er, wenn's gilt, das Herz auf dem rechten Fleck hat! Gerade weil ich wußte, was in ihm steckt, habe ich die Zügel scharf angezogen, wenn er mir vom rechten Weg abschweifen wollte. Zum Kuckuck auch, es ist ja ein Baradier!«

Dann folgte noch eine Umarmung, und als sie am Abend allein waren, sagte Baradier zu seiner Frau: »Ich habe wahrlich meine Herzensfreude an unserem Marcel! Graff hat mir ein paar Geschichtchen erzählt, die mich wahrhaft gerührt haben, und ich fange an zu hoffen, daß er ein ganz hervorragender Mann wird, wenn Jugend und Leichtsinn sich ausgetobt haben. Das einzige, woran's fehlt, ist die Ordnung, aber das wird sich schon machen. Er hat einen klaren Kopf und hat Gemüt . . . am besten wär's, man würde ihn verheiraten!«

»Er ist erst fünfundzwanzig Jahre alt . . .«

»Gerade das richtige Alter! Jung heiraten, wie ich, und eine gute Frau, das gibt dem Leben Halt . . . Wie steht er denn eigentlich mit Genoveva?«

»Ganz brüderlich.«

»Gar kein bißchen Verliebtheit dabei?«

»Von ihrer Seite wäre es nicht unmöglich, aber er ist ganz und gar unbefangen dabei.«

»Klopfe doch bei Amalie ein wenig auf den Busch!«

»Das werde ich gelegentlich thun.«

Marcel hatte natürlich von diesen väterlichen Gedanken keine Ahnung, ihm wäre alles eher in den Sinn gekommen, als eine Heirat. Die Rückkehr in die Familie hatte ihm wohlgethan. Er hing ja zärtlich an den Eltern und hatte selbst in den Zeiten der tollsten Jugendstreiche nie aufgehört, im Vaterhaus zu wohnen, sich nie glücklich gefühlt, wenn er nicht in Paris oder Ars um den Vater sein konnte. Als Sohn einer aus der angestammten Heimat vertriebenen Familie hatte er vielleicht ein stärkeres Gefühl für das Elternhaus als andere. Er hatte so häufig den Vater wie den Onkel um das alte Haus in Metz, die Freunde dort, die Landschaft, die Lebensgewohnheiten klagen hören, daß er sich um so inniger an das väterliche Dach angeschlossen hatte und daß ihm fern von den Seinigen stets eine wesentliche Glücksbedingung fehlte. Ihn verlangte dann sowohl nach dem liebevollen Zank des Vaters, als nach dem tröstlichen Lächeln der Mutter.

Seit seiner Rückkehr war er selten auf dem Comptoir, ging auch des Abends wenig aus, sondern widmete sich einer Arbeit, deren einziger Vertrauter sein Onkel Graff war. Baradier war etwas erregt über die Wendung, die das Geschäft mit den Sprengstoffaktien nahm, ließ aber nur dem Schwager und Teilhaber gegenüber seine Besorgnis laut werden.

»Die Augen müssen wir offen halten,« sagte dann Graff mit gewohnter Ruhe und Zuversicht, »dürfen aber die Gefahr auch nicht übertreiben. Ich habe die bestimmte Hoffnung, daß alles gut ablaufen wird,«

»So? Du rechnest wohl auf ein Wunder?« grollte Baradier. »Die ›Sprengstoff‹ fallen und fallen, trotz all unserer Anstrengungen, den Kurs zu halten. Gestern war an der Börse das Gerücht verbreitet, daß ein Engländer Namens Dalgetty in England, Frankreich und Deutschland ein Patent angemeldet habe für ein Verfahren, wovon man sich Wunder verspricht und das dem Dynamit den Garaus machen werde. Man behauptete sogar, dieses neue Produkt sei trotz seiner fabelhaften Brisanz so leicht zu behandeln und so harmlos, daß man daran denke, es als treibende Kraft für Maschinen zu verwenden, es wäre demnach ein Ersatz für Dampf, Gas, Petroleum, Benzin bei den Motoren, geradezu eine Umwälzung! Wenn nur der vierte Teil dieser Behauptungen sich bestätigt, so sind wir verloren! Ganz ohne Zweifel ist von nichts anderem die Rede, als von Trémonts Erfindung, und Dalgetty ist ein Strohmann, den die Räuber aufgestellt haben.«

»Kann wohl sein,« gab Graff mit Seelenruhe zu.

»Das ist das Gescheiteste, was du zu sagen weißt?« schrie ihn Baradier wütend an. »Man bestiehlt uns, man vernichtet uns, und du sagst: ›Kann wohl sein!‹«

»Ich warte ab, wie sich das Dalgettysche Produkt im Gebrauch bewähren wird. Es kann ja in der That Trémonts Sprengstoff sein, aber möglicherweise auch nicht. Und wenn es nicht Trémonts Erfindung ist, so taugt es sicher gar nichts.«

»Wenn wir aber zu Grund gehen, während du abwartest?«

»Dann werden wir nachher um so höher steigen.«

»Aber dieser Bandit, dieser Lichtenbach, führt ja den ganzen Feldzug gegen uns. Man schreibt es mir aus Brüssel, aus London.«

»So laß ihn doch. Je weiter er sich vorwagt, desto gründlicher seine Niederlage.«

»Ich möchte nur wissen, woher du diese Zuversicht nimmst?«

»Die beziehe ich von Marcel, von deinem Sohn! Dieser junge Mann ist ganz allein stärker als Trémont, als du und ich und die anderen zusammengerechnet. Du wirst schon sehen!«

»Könntest du mir nicht wenigstens sagen . . .«

»Nichts kann ich dir sagen, als daß die Aktien fallen. Laß diesen Dalgetty machen und vor allen Dingen, verkaufe nicht! Behalte die Aktien, was auch geredet werden mag. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

Die Ruhe und Sicherheit seines Schwagers machten auf Baradier Eindruck, aber nur vorübergehend. Wenn er wieder allein war in seinem Arbeitszimmer und die Post durchsah, die ihm nichts als schlimme Nachrichten brachte, stellten sich die schwarzen Gedanken alsbald wieder ein und gewannen die Oberhand. Er wußte, daß Marcel arbeitete, er sah ihn ins Laboratorium der Gewerbeschule gehen, woran einer seiner früheren Lehrer jetzt Professor war. Aber was mochte er dort treiben? Ohne Zweifel beschäftigte er sich mit irgend einer Vervollkommnung von Trémonts Erfindung, vielleicht auch nur mit der genauen Abwägung der einzelnen Bestandteile, denn wer konnte wissen, daß er die Zusammensetzung kannte, die Trémonts eigenste Schöpfung war? Und Baradier, dem das Blut so leicht zu Kopf stieg, setzte seinen Hut auf und ging ins Freie, um sich Erleichterung zu schaffen.

Abends zur Essensstunde traf er dann den Sohn bei Mutter und Schwester oder am Klavier, mit Genoveva von Trémont vierhändig spielend. Er war ja durch und durch musikalisch, dieser Sohn, dem die Natur ihre Gaben so verschwenderisch verliehen hatte. Der Onkel Graff, ein leidenschaftlicher Musikfreund, saß dann wohlig zurückgelehnt in einem tiefen Armsessel, wiegte mit verzückter Miene sein Haupt zu irgend einem Schubertschen Lied oder Schumannschen Klavierstück und machte den auf den Zehenspitzen hereintretenden Baradier auf das anmutige Bild des jungen Paares aufmerksam, das mit vollem Eifer bei der Sache war und gewissenhaft seine Pausen zählte.

»Wie füreinander geschaffen,« murmelte er dann vor sich hin. »Sie braun, er blond, die beste Kreuzung! Und als Mitgift das Trémontsche Pulver.«

»Man könnte auch sagen Rauch,« brummte Baradier.

»Nein! Denn es ist rauchloses Pulver,« entgegnete Graff leise, mit sorglosem Lächeln.

In dieser Zuversicht des sonst in Geschäftssachen überbedenklichen Teilhabers lag ein gewisser Leichtsinn, der Baradier geradezu verblüffte. Offenbar braute Marcel etwas ganz Außerordentliches zusammen, wovon sein Onkel Kenntnis hatte und worein er die größten Hoffnungen setzte. Aber was konnte es sein und wie konnte man mit solcher Sicherheit auf irgend etwas bauen, während jene Banditen die Welt durchzogen, um neue Missethaten zu unternehmen, wozu die Regierung die Augen zudrückte? Und dann tobte Baradier wieder, was gar nicht so übel war, denn es beschäftigte ihn wenigstens.

Baudoin war mittlerweile sehr thätig gewesen. Sein erster Besuch hatte dem Oberst Vallenot gegolten, den er auf dem Kriegsministerium angetroffen hatte, wenn auch stark in Anspruch genommen von einer Interpellation, die dem Minister in der Kammer bevorstand. Ein sozialistischer Abgeordneter erhob Klage, daß man den anarchistischen Zeitungen den Eingang in die Kaserne verwehre, denn wie solle das Volk je reif werden, wenn man dem Soldaten nicht zeigen dürfe, weshalb er seine Vorgesetzten verachten müsse? Der gute Oberst war infolgedessen heute die reine Kratzbürste. Seit vierundzwanzig Stunden hatte der sehr aufgeregte Minister ihn schlecht behandelt, und seine üble Laune redlich an dem Bureauchef ausgelassen. Vallenot hatte sie dann seinem ersten Kanzleivorstand auch nicht vorenthalten, und so hatte sich der Ärger des Ministers von Grad zu Grad fortgepflanzt, bis zum Pförtner hinunter. Dieser gab wenigstens noch seinem Hund eine Tracht Prügel, deren Veranlassung sich das gute Tier nicht erklären konnte, und darin bestand der einzige Unterschied zwischen Haustier und Beamten.

»Was wollen Sie?« fuhr der Oberst Baudoin an, der in tadelloser soldatischer Haltung vor ihm stand. »Den Minister sprechen? Da treffen Sie's nett! Hineingehen können Sie, ob Sie aber wieder herauskommen, dafür kann ich nicht gutstehen! Und was wollen Sie ihm auch noch melden? Daß der Agent, den er Ihnen zur Verfügung stellte, verschwunden ist? Denn wir wenigstens sind seit drei Wochen ohne jede Nachricht von ihm,«

»Die bringe ich eben.«

»So? Und was ist denn aus ihm geworden?«

»Tot ist er.«

»Donnerwetter! Und wie ging das zu?«

»Er wurde ermordet.«

»Von wem, wo?«

»Von denselben Leuten, die den Herrn General von Trémont ermordet haben.«

»In welcher Absicht?«

»In der nämlichen . . . um General von Trémonts Geheimnis zu stehlen.«

»Und ist ihnen das gelungen?«

»Ja.«

»Also haben sie jetzt das Pulver?«

»Sie haben es.«

»Eine saubere Geschichte! Es schwante uns so etwas. Wir sind benachrichtigt worden, daß im Ausland Versuche gemacht würden mit einem rauchlosen Pulver von außerordentlicher Kraft.«

»Das ist meines Generals Pulver.«

Der Oberst dachte nicht mehr an die Interpellation in der Kammer. Wütend an seinem Schnurrbart zerrend, fragte er: »Und wann ist der arme Laforêt ermordet worden?«

»Es sind schon vierzehn Tage her, aber den Beweis seines Todes konnten wir erst viel später liefern. Er ist in den Fluß gestürzt worden und die Strömung hat den Körper fortgetragen bis zum Wassergang einer Mühle, wo er lange an einem Pfosten hängen blieb und zwar in beträchtlicher Tiefe. Erst vor kurzem kam die Leiche an die Oberfläche, man hat sie herausgezogen, die Persönlichkeit festgestellt und mit allen Ehren begraben, die einem einstigen Soldaten und braven Menschen zukommen. Jetzt liegt Laforêt auf dem Kirchhof von Ars friedlich unterm grünen Rasen.«

»Und seine Mörder?«

»Deretwegen will ich ja mit dem Minister sprechen. Ich kenne sie, die Halunken!«

Vallenot sprang auf.

»Diese Spione? Sie wissen, wer sie sind?«

»Und Sie kennen sie wahrscheinlich auch, Herr Oberst, denn es sind keine Anfänger, und das Ministerium muß schon viel Schererei mit ihnen gehabt haben. Es sind gewerbsmäßige Verräter.«

»Zum Teufel!« rief der Oberst, dessen Gesicht sich ganz verändert hatte. »Das ist ja eine Ablenkung für unsere Excellenz, der sie nicht widerstehen wird! Da wage ich mich schon ungerufen zu ihm hinein, denn das wird einen Wetterumschlag herbeiführen! Warten Sie hier auf mich, Baudoin . . .«

Vallenot ging zu einer Seitenthüre hinaus. Baudoin, der in der Nähe des Kamins stehen blieb, hörte im anstoßenden Zimmer sprechen, dann wurde die Thüre hastig aufgerissen und eine Kommandostimme rief: »Baudoin!«

Der alte Soldat trat in dienstlicher Haltung auf die Schwelle und sah, daß der Minister noch röter im Gesicht war als sonst und mit gefurchter Stirn auf und ab ging.

»Eintreten!« befahl der Gewaltige.

Baudoin that, wie ihm geheißen war. Der Minister, der Zivil trug, machte noch ein paar Schritte, Vallenot stand zuwartend in der Fensternische.

»Wie mir der Herr Oberst gemeldet hat, haben Sie mir wichtige Nachrichten sowohl über den Tod des Generals von Trémont als über den meines Agenten mitzuteilen?«

»Zu Befehl, Excellenz.«

»Sie glauben die Schurken zu kennen, die beide Thaten ausgeführt haben?«

»Zu Befehl, Excellenz.«

»Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«

»Zu Befehl, Excellenz. Ich bitte aber zu gestatten, daß ich mit Excellenz allein spreche. Das Geheimnis berührt das Leben von Personen, die mir zu wert sind, als daß ich es außer Excellenz jemand anvertrauen könnte.«

»Vor dem Herrn Oberst können Sie doch reden?«

»Excellenz, ein Geheimnis, das mehrere wissen, ist keines mehr,« versetzte Baudoin kühl. »Ich werde es entweder Excellenz, oder dem Herrn Oberst anvertrauen.«

»Da haben Sie nicht unrecht . . . bitte, ziehen Sie sich zurück, Herr Oberst. Die Vorsicht des wackeren Burschen ist nur zu loben und kann niemand kränken,«

Vallenot grüßte lächelnd und ging. Er wäre sichtlich gerne geblieben, aber der Befehl litt keine Einsprache. So kehrte er denn in sein Arbeitszimmer zurück und zwar in sehr erleichterter Stimmung, denn der Sturm hatte sich ja wirklich gelegt. Nach Verlauf einer Viertelstunde klingelte es am Haustelephon.

»Bringen Sie mir das Aktenfascikel Z, Nummer drei im Geheimschrank.«

Vallenot öffnete einen sehr starken feuerfesten Schrank, griff ins dritte Fach und suchte ein gelb eingeschlagenes Aktenbündel heraus, womit er ins Zimmer des Ministers ging. Baudoin stand vor dem Schreibtisch, während der Minister mit aufgestützten Ellbogen und dem Ausdruck gespannter Erwartung an seinem gewohnten Platz saß.

Wieder verging eine Viertelstunde, dann klingelte es abermals.

»Schicken Sie mir den Hauptmann Rimbert, der im Fall Valence Berichterstatter war,« lautete der neue Befehl, den Vallenot durch seinen Aufwärter ausführen ließ.

Jetzt verstrich eine halbe Stunde, dann ging die Thüre auf, und der Minister in Person begleitete Baudoin heraus. Er schien außerordentlich befriedigt zu sein.

»Also, Baudoin, das wäre abgemacht?« sagte er.

»Zu Befehl, Excellenz.«

»Sie werden Herrn Marcel Baradier bestellen, daß ich um seinen Besuch bitte?«

»Zu Befehl. Excellenz.«

»Und benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Sie auch nur das Geringste erfahren.«

»Zu Befehl, Excellenz.«

»Auf Wiedersehen, Baudoin . . . kommen Sie zu mir herein, Vallenot.«

Baudoin ging und die beiden Herren begaben sich ins Privatzimmer des Ministers, wo der junge Hauptmann Rimbert noch stand.

»Oberst Vallenot, ich bitte, daß Sie mir selbst einen kurzen Auszug aus den Akten Espurzheim und Vicomte de Fontenailles zusammenstellen. . . . Ich glaube, daß wir der Schelmin auf der Spur sind, die meinen Vorgänger so genarrt und auch mich vor zwei Jahren mystifiziert hat . . . wenn ich sie unter die Hände kriege, werde ich mein Mütchen an ihr kühlen!«

»Das wäre also wohl die Person, die nacheinander verschiedene Namen trug, die Frau Ferranti im Fall Espurzheim . . .«

»Und die Gräfin Vervelde im Fall des armen Fontenailles,« schaltete Rimbert ein.

»Kurz, die berühmte Lichtscheue,« sagte der Minister.

»Die hat uns Mühe, Zeit und Geld genug gekostet, und ist uns doch immer entschlüpft,« rief Vallenot.

»Nun, meine Herren, wir wollen sehen, ob wir sie dieses Mal nicht zu fassen kriegen! Machen Sie mir die Notizen zurecht, Vallenot, wie ich sagte, und Sie, Herr Hauptmann, halten reinen Mund.«

Der Oberst und Rimbert traten ab, der ganz aufgeheiterte Minister aber rieb sich, im stillen frohlockend, die Hände. Baudoin ging mittlerweile am Quai entlang und stand Schlag vier Uhr im Justizpalast, wo er unverzüglich in den zweiten Stock ging und vor Mayeurs Reich Halt machte. Er hatte im Vorzimmer des Untersuchungsrichters so manche Stunde in Gesellschaft des Kanzleidieners und des Polizeiwachtmeisters verbringen müssen, daß er hier wie ein alter Kamerad aufs freundlichste begrüßt wurde.

»Sie, Herr Baudoin?« rief der Kanzleidiener. »Sind Sie jetzt in einer anderen Sache auch Zeuge?«

»Gott bewahre, ich möchte ganz einfach mit dem Herrn Untersuchungsrichter sprechen . . . ist er beschäftigt?«

»Stets! Gegenwärtig hat er die Bande der Bilderdiebe, wissen Sie, die das Haus eines Marquis auf den Elyseeischen Feldern ausgeräumt hat, und dann noch das übrige.«

»Kann man ihn vielleicht sprechen?«

»Sobald er klingelt, melde ich Sie an, aber er ist höllisch übler Laune. Ich weiß nicht, was los ist mit dem Staatsanwalt, aber die beiden sagen sich gegenwärtig keine Artigkeiten.«

Ein Glockenzeichen ertönte, die Thüre ging auf und von Schutzleuten geführt traten drei Männer mit richtigen Galgenphysiognomieen, bartlose, freche, vom Absinth heruntergekommene Pariser Pflastertreter schleppenden Schritts und spähenden Blicks heraus. Doch leider waren hier weder Thüren noch Fenster zu entdecken, durch die man hätte entspringen können, und so mußten sie sich bequemen, die Treppe wieder hinunterzusteigen, die zu ihrer Mausefalle führte.

»Wollen Sie die Güte haben, einzutreten,« meldete der Kanzleidiener jetzt im Amtston. »Der Herr Untersuchungsrichter erwartet Sie.«

Baudoin trat ein; der Gerichtsschreiber warf ihm einen neugierigen, forschenden Blick zu, Mayeur deutete mit einem etwas unsicheren Lächeln auf einen Stuhl, schob seine Papiere zusammen und herrschte den Schreiber an: »Sie können gehen. Bringen Sie die Aktenfascikel an ihren Platz. Ich brauche Sie heute nicht mehr.«

Der Schreiber schnitt ein Gesicht, von dem schwer zu sagen gewesen wäre, ob es Unterwürfigkeit oder Unverschämtheit ausdrücken sollte, und verschwand, Mayeur, der offenbar an diesem Tag des Fragenstellens schon müde geworden war, begnügte sich damit, Baudoin durch einen Blick zum Reden aufzufordern.

»Herr Richter,« begann der ehemalige Offiziersbursche, »als Sie mich das letzte Mal vorließen, gab ich mein Wort, Sie von allem zu unterrichten, was in der Suche von Vanves etwa noch ermittelt würde. Dieses Wort will ich heute einlösen,«

»Hat sich denn etwas ereignet, was uns Klarheit brächte?«

»Es hat sich mehreres ereignet.«

»Was denn?«

»Eine Feuersbrunst, ein Diebstahl, ein Mord.«

»Und wo wurden diese Verbrechen begangen?«

»In Ars bei Troyes.«

Der Freudenschimmer, der die Züge des Beamten verklärt hatte, erlosch jählings.

»Bei Troyes? Dann geht es uns nichts an. Ist Sache des dortigen Landgerichts,«

»Ich bitte um Verzeihung, es geht uns sehr an. Weil nämlich die Leute, die dort geraubt, gemordet und gesengt haben, dieselben sind, die das Verbrechen von Vanves begangen haben, und weil man sie der ersten That wegen, die nur die zweite nach sich gezogen hat, verfolgt.«

»Ja, kennen Sie denn diese Leute jetzt?« rief der Richter.

»Ich kenne sie.«

»Und wissen, wo man sie verhaften kann?«

»Nein! Aber ich werde Ihnen Mittel und Wege zeigen.«

»Dann soll also die Untersuchung, die man vor zwei Monaten so kläglich stecken lassen mußte, wieder aufgenommen werden können? Und wir haben Aussicht auf Erfolg?«

»Daran ist gar nicht zu zweifeln. Wenn Sie das Nötige thun, muß es dieses Mal zum Klappen kommen.«

»Ich?« schrie Mayeur förmlich, dunkelrot vor Aufregung. »An mir soll's wahrhaftig nicht fehlen, nach all den Scherereien, die ich hatte, den Demütigungen, die ich mir gefallen lassen mußte . . .«

Er wurde plötzlich inne, daß er sich verraten hatte, und an Stelle des leidenschaftlich erregten Menschen trat wieder der frostige, gelassene Beamte. Er stieß einen Seufzer aus, hob die Hände einen Augenblick in die Höhe, wie um den Blutumlauf in ein ruhigeres Geleise zu bringen, griff nach einem Papiermesser, das ihm zur Ablenkung für die Nervenunruhe dienen konnte, und sagte mit festem Ton: »Erzählen Sie mir die Sache im einzelnen.«

Baudoin schilderte getreulich und folgerichtig, was sich in Ars zugetragen hatte. Er verweilte bei der Persönlichkeit dieser Frau von Vignola, der fremdartigen Erscheinung Agostinis und erklärte dann das plötzliche Eingreifen des furchtbaren »Hans«. Der Richter hörte ihm unbewegt, aber mit größter Aufmerksamkeit zu und schrieb kurze Notizen nieder, um den Faden der Erzählung festzuhalten. Die Zeit verstrich, die Sonne sank tiefer und tiefer und ihr Schein färbte die Seine blutig rot. Dann trat die Dämmerung ein und jetzt erst ging Mayeur vom Zuhörer zum Frager über.

»Dieser Cesare Agostini ist also in Paris?«

»Ja! Herr Graff hat ihn gesehen und der junge Herr Baradier hat mit ihm gesprochen. Es scheint, daß er mit Fräulein Lichtenbach verlobt ist.«

»Der Tochter des Bankiers? Wie kann ein Mann in Lichtenbachs Verhältnissen, bei seinen Beziehungen, sich von einem Abenteurer beschwindeln lassen? Ist das denkbar?«

»Sie werden's ja sehen! Wenn Sie wissen wollen, wo Agostini sich aufhält, so lassen Sie Lichtenbach überwachen. Die sind Gevattern und Geschäftsteilhaber!«

»Und die Frauensperson . . . die Vignola?«

»Agostini wird Sie auf ihre Spur leiten, und wenn Sie einmal die Vignola haben, dann erwischen Sie auch den Hans und die übrigen Mitschuldigen, falls ihrer noch mehr sind, was ich glaube. Es muß eine ganze Bande sein.«

»Und was wird Herr Marcel Baradier vornehmen?«

»Der wird schon thun, was an ihm ist, ich bitte aber, sich gar nicht mit ihm zu beschäftigen. Er möchte nicht als Zeuge erscheinen. Gewissensbedenken! Wenn man die Huld einer Frau genossen hat, mag man nicht gegen sie auftreten, so verworfen sie auch sein mag, das ist begreiflich,«

»Wenn aber erneute Angriffe gegen ihn ins Werk gesetzt werden? Wäre es nicht wünschenswert, Maßregeln zu seinem Schutz zu treffen?«

»Nein, er ist ja alt genug, um selbst auf sich acht zu geben, und dann bin ich auch noch da.«

»Laforêt war auch da!«

»Wohl, aber so ist nun einmal der Wille meines Herrn. Thun Sie nicht mehr, als von Ihnen verlangt wird. Ich meine, Sie könnten recht zufrieden sein mit dem Ergebnis, es hat uns genug gekostet! Aber wenn man damit herauskommt, wenn mein General und der arme Laforêt gerächt werden, kann man sich doch sagen: Quitt!«

»Gut,« sagte der Richter. »Und wo finde ich Sie, falls ich Sie brauchen sollte, Baudoin?«

»Bei meiner Herrschaft, Bankhaus Baradier & Graff.«

»Schön! Nachdem Sie so fleißig waren, kommt die Reihe jetzt an mich. Das Volk soll sich nicht ungestraft über die Justiz lustig gemacht haben!«

»Ja, und zwar machen die sich schon recht lange lustig, wie ich aus manchem schließe, was ich auf dem Kriegsministerium gehört habe.«

»Ich werde mich mit den Herren dort ins Benehmen setzen, und wir werden gemeinsam vorgehen. Glück auf, Baudoin! Wir gehen mit frischen Kräften ans Werk.«

Der Richter begleitete Baudoin selbst bis zur Thüre, dieser aber schüttelte seinen Bekannten im Vorzimmer die Hand, und ging dann spornstreichs in die Provencerstraße zurück. Marcel bewohnte im Zwischenstück des elterlichen Hauses eine kleine, nach rückwärts gelegene Wohnung von drei Zimmern, die eine eigene Treppe unmittelbar nach dem Hof hatte. Er konnte also aus und ein gehen, ohne daß jemand außer dem Pförtner etwas von seinen Lebensgewohnheiten erfuhr.

Baudoin suchte ihn jetzt in seinem Wohnzimmer auf, wo Marcel mit größter Aufmerksamkeit die Zeichnung einer Maschine studierte und Skizzen zu einer Verbesserung daran entwarf, Als Baudoin eintrat, schob er die Risse beiseite und fragte: »Sie haben's besorgt?«

»Ja, Herr Marcel.«

»Und den Minister selbst gesprochen?«

»Jawohl, Herr Marcel. Er hat beim ersten Wort fast einen Luftsprung gemacht und will Sie durchaus selbst sprechen. Seiner Meinung nach muß die betreffende Dame eine Spionin gefährlichster Art sein, die der Polizei seit mindestens sechs Jahren ein Schnippchen ums andere schlägt. Diese Frau müsse eine ganze Menge von Schlechtigkeiten auf dem Gewissen haben . . .«

»Danach habe ich nicht gefragt,« schnitt ihm Marcel das Wort ab. »Was ich wissen möchte ist, ob man die nötigen Schritte thun wird, um Agostini und seine etwaigen Spießgesellen zu überwachen?«

»Der Kriegsminister sagte, das sei Sache der Sicherheitsbehörde, und hat mir befohlen, den Untersuchungsrichter vom Fall Trémont aufzusuchen. Von dem komme ich jetzt, und das kann ich sagen, der wird sich nicht auf die faule Haut legen! Er hat sofort alle nötigen Maßregeln getroffen; die verfluchte Geschichte hat ihm so viele Nasen von seinen Vorgesetzten eingetragen, daß er ihre Urheber mit persönlichem Haß verfolgt,«

»Gut.«

Das Bimmeln einer Glocke im Hof unterbrach die Unterredung. Die Baradiers hatten von der Provinz her die patriarchalische Sitte beibehalten, die Hausgenossen auf diese Weise zu Tisch zu rufen, Marcel vertauschte den Arbeitsrock rasch mit einem Jackett und begab sich durch einen Privatgang ins Wohnzimmer, wo die ganze Familie nur auf ihn wartete, um ins Speisezimmer zu gehen. Es herrschte gediegener Luxus im Hause, kein aufdringlicher Prunk, Behagen, nicht Schaustellung. Zwei Diener warteten bei Tisch auf, die Speisen waren mit Sorgfalt zubereitet, in allem und jedem zeigte sich wohlhabendes, fest in sich beruhendes Bürgertum. Die Speisestunde diente in der Regel dazu, daß alle Hausgenossen über ihre persönlichen Erlebnisse des Tages berichteten, heute aber schien jeder mehr verschweigen als mitteilen zu wollen.

Beim Braten entschloß sich Graff, wenigstens die Frage hinzuwerfen: »Die Börse war heute wohl besser?«

»Hübsch besser!« brummte Baradier ärgerlich, und dann trat noch lastendere Stille ein als vorher.

Aber der Onkel fuhr mit echt lothringischer Beharrlichkeit fort: »Cardez schreibt mir, daß man mit dem Neubau schon am zweiten Stockwerk ist. Die Versicherungssumme wurde ausbezahlt, so wird bald alles wieder im Lot sein.«

»Sind die Arbeiter jetzt ruhig?« fragte Frau Baradier.

»Die armen Tröpfe! Es reut sie ja bitterlich, so aufgetreten zu sein, und man kann sie auch nicht verantwortlich machen dafür! Die verfluchten Anstifter! Hol's der Teufel!«

»Hat man den Platz für eine neu aufzustellende Dampfmaschine genau studiert?« fragte Baradier, dessen Verstimmung immer wich, wenn von der Fabrik die Rede war.

»Vater, ich mochte dich bitten, mit der Ausführung dieses Planes noch zu warten,« sagte Marcel entschieden, »Es könnte sein, daß wir in Zukunft für die Fabrik eine ganz andere Betriebskraft verwenden . . . ich bitte dich, noch etwas Geduld zu haben.«

»Wieder Chimären und Hirngespinste, irgend ein Erfindertraum!«

»Nein, keine Chimäre,« entgegnete Marcel mit Wärme. »Ein Erfindertraum freilich, und wenn er sich ausführen läßt . . . meine liebe Genoveva, Ihrem Vater würde dann der Ruhm gebühren, denn er hat zuerst den Gedanken gehabt. Ich glaube an dessen Ausführbarkeit, und wenn die Sache gelingt, soll das Werk seinen Namen tragen.«

»Das ist wohl die Sache, womit du dich gegenwärtig so eifrig beschäftigst?« fragte Baradier neugierig.

»Nicht nur gegenwärtig, sondern schon seit zwei Jahren, Vater. Auch mit dem General selbst habe ich an der regulierbaren . . . regulierbar, das ist des Pudels Kern! . . . Anwendung des Sprengstoffs Trémont gearbeitet und wir waren nahe daran, die Lösung des Problems zu finden, als er verschwand. Doch war ich im Besitz aller Zeichnungen, Pläne und Berechnungen, so daß ich die Arbeit allein fortsetzen konnte,«

»Und du glaubst am Ziel zu sein?«

»Ich glaube es.«

»Und dieses Ziel ist?«

»Die Entbehrlichkeit von Kohle, Petroleum, Elektrizität zur Krafterzeugung. Verfolge den Gedanken nur weiter . . . Kriegsschiffe, die keine Kohlen schleppen müssen, könnten viel mehr Geschütze und Bemannung führen, die Lokomotive wäre um den Tender erleichtert und die ganze Industrie könnte die Steinkohle den Schmelzöfen und Heizungszwecken überlassen.«

»Oho! Oho! Und wodurch willst du den Dampf ersetzen?«

»Das wirst du erfahren, lieber Vater, am Abend des Tages, an dem die Patente für die ganze Welt eingelaufen sein werden.«

»Und wann meldest du die Patente an?«

»Morgen, wenn du mir die vierzigtausend Franken vorstreckst, die dazu nötig sind.«

»Die kannst du von mir haben,« rief der Onkel Graff feurig. »Ich habe Vertrauen in die Sache.«

»Und wer sagt denn, daß dir meine Kasse nicht offen stehe?« fragte Baradier. »Schon um Trémonts Andenken zu ehren, stelle ich dir die Summe zur Verfügung.«

»Und ich stehe dir gut dafür, Papa, daß du noch keine so glänzende Kapitalanlage gemacht hast in deinem Leben,« rief Marcel fröhlich. »Es ist eine Entdeckung, die unsere ganze Industrie umgestalten wird, und dabei so einfach!«

»Wie alle wirklich fruchtbaren Erfindungen! Die Konstruktion der Maschine steht also im engsten Zusammenhang mit Trémonts Sprengmasse?«

»Gewiß, Vater.«

»Und die hat man uns gestohlen!«

Marcel lächelte wehmütig.

»Ja, Vater, das ist so, und was das Schießpulver anlangt, so ist es ein großes Unglück, denn der General wollte Frankreich mit diesem wunderbaren Erzeugnis beschenken, das uns auf mehrere Jahre ein Uebergewicht über die anderen europäischen Heere verliehen hätte. Natürlich nur auf Jahre, denn man weiß ja, wie das geht, die anderen Staaten würden gearbeitet, unser Geheimnis ausfindig gemacht oder gekauft haben, und dann stünde man sich wieder gleich. Jetzt wird dieser Vorsprung keinem Volk zu gute kommen, denn morgen werde ich dem Kriegsministerium das Trénontsche Schießpulver übergeben. Dann stehen sich die Mächte wieder gleich gewappnet gegenüber und in einem etwaigen Krieg müssen Tüchtigkeit und Intelligenz den Sieg entscheiden. Was den Sprengstoff für die Industrie betrifft, liegt die Sache ganz anders; man konnte mir die Formeln entreißen, man kann ihn auch zur Not danach herstellen, aber die Verwendung für den von mir geplanten Zweck wird niemand herausbringen, dafür stehe ich ein.«

»Es ist ein Geheimnis dabei?«

»Ja, Vater, und zwar habe ich es im Zusammenarbeiten mit Trémont rein zufällig entdeckt. Das Wunderbare an diesem Stoff ist, daß er unter gewöhnlichen Verhältnissen explosiv wie kein anderer, durch leichte Reibung entzündbar, kurz höchst gefährlich in der Behandlung, nach unserer Methode verwendet, sich völlig dem Geheiß fügt und seine dynamischen Wirkungen so regulierbar sind, daß ich ein kleines Uhrwerk damit treiben könnte, wenn mir's Spaß machte.«

Die Tischgenossen hörten mit Spannung und bewegtem Herzen zu; die Bedeutung dieser Sache und das erbärmliche Schicksal ihres Urhebers standen in zu traurigem Gegensatz.

»Du sollst morgen früh dein Geld haben,« brach Baradier das beinahe feierliche Schweigen, »und wenn deine Erfindung nur zum hundertsten Teil hält, was du von ihr erwartest, wird Genoveva ein reiches Mädchen und der arme Trémont noch im Grab weltberühmt.«

»Und was die Aktiengesellschaft betrifft,« sagte Graff halblaut zu seinem Schwager, »so wird die Geschichte wohl abgethan sein! Wenn's einen Krach gibt, trifft er Lichtenbach!«



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