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Die melancholische Pose des Alten Fritz wird in Sanssouci allen Fremden erzählt: Quand je serais là, je serais sans souci … Der König spricht das Wort zu d'Alembert, da beide eines Tages vor Friedrichs früherbauter Gruft ein wenig rasten, die später seine Leiche nicht barg. Schnell weiß des Königs Freund den Namen für das Lustschloß. In Krieg und Unrast war's erbaut. Vorschläge, Berichte, Gayettes Karte, die alle Anlagen verzeichnet, müssen ihm ins Feldlager nachgeschickt, im Feldlager erledigt werden. Aber kurz nach dem Dresdener Dezemberfrieden mit Habsburg, der Fritz noch einmal als Herrscher Schlesiens bestätigt, seit 1746 soll heitere Inschrift unter der Kuppel in lichten Lettern glänzen: »Sans, Souci« … Die Enthusiasten König Friedrichs freilich meinen, daß seine Überlegenheit auch vor dem Kampfe schon ohne Sorge war. Und sie verweisen mit erneutem anekdotischen Reiz auf den Tag, der den ersten Befehl bringt, das Rokokovermächtnis hier zu schaffen. In Schlesien rücken am 11. August 1744 gegen Maria Theresia die Truppen Preußens ein. Friedrich reist ab. Am 10. hat er vorher dekretiert, daß man beginne, Terrassen über den Hügel vor Potsdam zu breiten.
Von Anbeginn warb hier die Landschaft um Gunst, selbst der »wüste Berg« inmitten von Potsdams hellen Wäldern, die im weiten Umkreise bald See um See, diese frischen und kühlen, sonnenglanzklaren und sonnenglanzversponnenen Havellandseen, bald ein Wiesenidyll, bald ein Inselmärchen vor stets überraschten Besuchern entschleiern. Der »wüste Berg« trug einmal Eichenschmuck, den Friedrich noch als Kronprinz sah, dann war's »Hütung und bergiger Acker mit Haferboden«, als der König 1744 Bericht für seine Pläne forderte. Und Wäldchen um den kleinen Hügel, Wäldchen und Wiesen: das »Dämmcheneichholz«, wo Friedrich Wilhelm Schießstände für sein »Schnepperschießen« baute, die »Dämmchenwiesen«, die »alte Fasanerie« des Großen Kurfürsten, die dann als »Rehgarten« ein Teil in Friedrichs Park von Sanssouci wird. Nördlich von Marly, dem Obst- und Küchengarten, wird der Park und Sommersitz des Königs sein, der hier überall gern in jungen Jahren weilte, wenn unten in Marly oder Potsdam bei Tabakrauch des Herrn Vaters gesellschaftliche Vergnügungen »allzu laut und lustig« wurden. Mühselig ist die Arbeit auf dem Hügel. Was heute blüht, war überall neue Pflanzung. Mitten im kargen Boden der Mark hat Friedrich Liebhaberpläne feinster Kulturen. In Ruppin schon pflanzt er kostbaren Wein, in Rheinsberg schlingt sich ein Labyrinth um einen Bacchustempel, worin er Reben zieht. Und Reben sollen auch hier sich leicht zur Höhe ranken. Man nennt den Hügel zunächst den »königlichen Weinberg«. Der König selbst bestimmt die auserlesenen Sorten, er selbst wählt sich das Edelobst, das in Spalieren reifen soll. Von Jordan bestellt er Feigen, allerlei Arten in großen Mengen, Weinstöcke werden ihm aus Marseille geschickt. In Werder holt der König kräftige Frucht mit zähem Fleiß aus bloßem Sand hervor. Was er, der Feinschmecker, mit Gästen und Generalen an der Tafel wünscht, werden in Sanssouci fortan die Terrassen spenden.
Und die Terrassen geben viel zu schaffen. »La Majesté en traça Elle-même le premier dessin.« Der König steuert eine Federzeichnung bei, die – man trifft sie noch unter den Reliquien im Schloß – den Architekten Dietrich und Boumann alle Wünsche deutlich machen will. Die Terrassenzahl ist drei, ist vier, dann wird ein halbes Dutzend die Entscheidung. Man biegt sie »parabolisch« ein, umschließt sie alle mit einer Umfassungsmauer, die Friedrich – gleich den ersten Grundbauten seiner Orangerie – wieder niederreißen läßt: so gut gefällt sie ihm … Er kommt im Dezember 1744 aus dem Kriege heim, hält drei Monate in Potsdam Rast, eh das Kämpfen in Schlesien weitergeht, und zum erstenmal kann er in flüchtigem Eindruck die Wirkung des Geschaffenen prüfen. Kaum die Mittelterrassen stehen, undeutlich in den Umrissen, noch sieht man weder Nischen, noch Spaliere, noch Treppen. Die Terrassenflügel scheinen einmal auch zu kurz geraten. Sie werden gedehnt. Friedrich scheut weder Kosten, noch Mühen. Und Herr C. L. Häberlin, »genannt Belani«, der unter Mitwirkung des Gartendirektors Lenné und des Hofbaurates Hesse ein alleruntertänigstes Büchlein über Sanssouci, Potsdam und Umgebung mit verblüffender Trockenheit schreibt, hat all die Summen addiert: siebenundvierzigtausendneunhundertneun Taler für die Terrassen allein. Auch ihre Fenster (840), ihre Nischen (168) hat er mit glaubwürdiger Sorgfalt gezählt, überdies verrät er, daß jede dieser sechs Freitreppen in elegantem Schweben zwanzig Stufen umfassen und dann alle im Verein 2970 Fuß überspannen. Nach Belani zählt Höckendorf in fleißiger Gründlichkeit die Nischen und Terrassenfenster anders, uns dünkt die Zahl nicht ganz so wichtig, wie die mattspiegelnde, lichte Wirkung der Scheiben. Den beiden Flanken schenkt Friedrich Lärchenwäldchen. Sie drängen oben bis dicht ans Schloß heran, das den »genannten Belani« zur Angabe noch höherer Ziffer zwingt, als vielleicht Friedrich selbst im Anfang auszuwerfen dachte. »La Majesté résolut, d'y bâtir une espèce de vuide«, meldet Bielfeld, ein Freund, der mit aus Rheinsberg kam, in Briefen, »mais ce, vuide bouteille commença par être une Retraite de Roi, et finit par former un Palais d'Eté digne de Frédéric«. So kostet Friedrichs »Retraite«, das Haus an sich, knapp eine Million. Im Januar 1745 erhält Dietrich den Befehl, das Lustschloß zu erbauen.
Aber Knobelsdorff gebührt der Ruhm. Man weiß, daß er Friedrich die alte Oper in Berlin, das Charlottenburger Schloß, daß er ihm Rheinsberg schon und alle Bauten schuf, die den Namen von Friedrichs Bauepoche tragen. Dietrich, des Königs Architekt, der Sanssoucis Fundament zu legen hat, wird zwei Wochen, nachdem er die Arbeit begonnen, plötzlich wieder abgedankt. Er war der Handwerker, der an überwiesene Pläne sich zu halten hatte und sich vielleicht nicht ganz so hielt, nicht ganz so mit der Tüchtigkeit der Treue, die die Absichten Friedrichs befahlen. Mit dem Holländer Boumann, der selbst in seiner Jugend gezimmert und getischlert, Friedrich Wilhelm schon an einigen Bauten geholfen hatte und jetzt für alles Material sorgen, alle Ausführungen überwachen wird: mit dem Kastellan Boumann, der ein Verläßlicher ohne überwältigende Gedanken war, wird Baron Knobelsdorff fortan arbeiten – und mit dem König. Voll Bestimmtheit versichert Friedrichs Lobrede auf Knobelsdorff, als er, der Soldatensohn, den vom Felde der Ehre die Kunst fortgelockt, 1753 nach glanzvoller Karriere stirbt, daß nur der Marmorsalon – den Menzel mit der Tafelrunde zeigt – des Künstlers Schöpfung sei. Und sie ist hübsch, diese kleine Eitelkeit des Königs, der also viel auf seine Federskizzen gibt, viel hübscher noch als Bonapartes Eitelkeit, der ab und zu auch Schlachten gewinnt, die ihm ein tapferer Marschall ausfocht. Aber vom Schlosse zeigt die eine Skizze Friedrichs – noch eine zweite war von ihm entworfen: der Ostteil des Parkes – gerade nur die Aufeinanderfolge der Zimmer. Und wer einmal in Rheinsberg war, wird oft genug und unwillkürlich an das Prinzenschloß zurückdenken müssen, das Knobelsdorff, der Baumeister-Offizier, dem Jungvermählten einst besorgte. Sicherlich ist Friedrichs Anteil an der Art, wie das Lustschloß zu Schönheit, Charakter und Reife kam, mehr als lebhafte Andeutung, mehr als geistreiches Wünschen von Einzelheiten, die einem Souverän jeder Architekt bewilligt. Das zärtliche weiche Rokoko, die spielenden Formen, die verschwebenden Linien, all die Grazie, die jeden Teil an First und Front und leisen Flügelnischen als Vers oder Strophe in ein einziges Gedicht vergleiten läßt: all das ist Friedrichs Geist. Ihm legt die Strenge Knobelsdorffs, der den Klassizismus der Franzosen fast noch mit des Sonnenkönigs starren Rhythmen übt, gewiß oft Zügel an. Knobelsdorffs Antikensehnsucht stellt vor der Rückfront eine Kolonnade auf, achtundachtzig Korinthersäulen, wie er sie in Rom einst bei Sankt Peter sah. Er schafft die Front. Die Säulen sind imposant in ihrem kühlen Halbrund, schlank tragen sie, je zwei und zwei, ein weitgeschweiftes Dach und lassen in der Tiefe die Rasenrampe frei, über die allein der Alte Fritz – nur später tat's Napoleon noch – zum Schloßhof reitet. Doch Knobelsdorff hat Differenzen mit dem König. Sie scheinen entscheidend, da alle Pläne fertig liegen. Der Künstler will, daß das Palais hart an die oberste Terrasse rücke, daß alle, die von Potsdam kämen, den Bau als letzte Krönung deutlicher empfänden. Ein wenig Eitelkeit also auch bei Knobelsdorff. Der König will, daß sein Haus von unten nur halb sichtbar sei, vornehm und verschwiegen zwischen den Wäldchen, ganz intim. Und der König, dem man beistimmt, beharrt bei seinem Willen. Dann wünscht Knobelsdorff Unterkellerung des Hauses: Feuchtigkeit könnte Schaden tun. Der König widerstrebt. Später gibt er dem Verlangen Knobelsdorffs zwar recht, später holt er einiges von dem Versäumten nach, so gut dies bei fertigem Bauwerk möglich: jetzt freilich entzweit er sich mit dem Baron. Das Bauen schreitet vorwärts, ohne daß Knobelsdorff sich weiter um das Haus seines Herrn bekümmert. Boumann schafft nach den Ordres weiter, Boumann kann nichts mehr verderben. Dann holt man Knobelsdorff, um den Rundsalon zu bauen. Dann holt man Knobelsdorff, um droben auf dem Ruinenberg, wohin der Blick durch die Säulenkolonnade wandert, das künstliche Fragment einer Amphitheaterwand zu improvisieren. Mit dem Riesenbassin, der Speisekammer für all die revoltierenden Parkfontänen, soll sie für bereitwillige Phantasten der Schauplatz römischer Seespiele sein. 1765 stellt man nach Knobelsdorffs posthumen Zeichnungen noch eine Marmorkolonnade in den Park, willkommen für Friedrich Wilhelm IV., der den Marmor für ein Marmorpalais in der Stadt fortschafft … Friedrichs Lobrede auf den toten Baumeister hätte in der Akademie nicht ganz so sparsam sein müssen, da er von Sanssouci sprach.
Und man speist an einem Sommertag 1746 zum erstenmal zur Mittagstafel. Der König hält nach einer Jagd hier Rast. Noch ist das Schloß nicht fertig: man schmückt die Räume erst. Ein Jahr später im Mai melden die »Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen«, daß des Königs neues Lusthaus die Weihe der Vollendung empfangen habe. Zweihundert Gäste saßen bei Friedrich zu Tisch. Indes ist's nur die offizielle Form der Einweihung. Das Schloß macht noch ein ganzes Jahr zu schaffen: erst 1748 wäre in keinem Zimmer noch etwas zuzufügen. Auch im Park hatten die Gärtner, die Baumeister nicht viel Muße. Man pflanzt, man verbessert, man baut immerzu. Auch hier gibt's mancherlei, was nach Knobelsdorffs Entwurf zu endigen ist … Doch seit 1748 hat Friedrich sein Sanssouci: sein Schloß, seine Gruft, seine Kulturen, seinen Park, – die Wasserkomödie hebt später an.