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F. Schürer v. Waldheim:
Rheumatismus der Muskeln und Gelenke gibt Gelegenheit zu überraschenden Schnellkuren. Rheumatische Neuralgien werden oft mit einem Schlag beseitigt.
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H. Lippert:
Bei Rheumatismus und seinen vielfachen Arten, sei es, daß er die Muskeln, Nerven oder Gelenke befällt, geben die Heißluftbäder überraschende Erfolge.
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W. His:
Salyzilate und andere Antirheumatica sind nur Palliativmittel beim chronischen Muskelrheumatismus und heilen nur die leichteren Fälle. Wirksamer sind Heißluftbäder, doch sind die Kranken auf dem Nachhauseweg besonders disponiert zu Erkältungen. Daher sind Heißluft-Prozeduren, die im Hause genommen werden können, meist vorzuziehen.
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A. Frey:
Durch die gesteigerte Zirkulation werden die bei den gichtischen Gelenken abgelagerten Massen entfernt und es kann, wenn noch keine zu tiefen Veränderungen bestehen, eine vollständige Wiederherstellung eintreten. Durch regelmäßigen Fortgebrauch der Bäder sehen wir die Gicht selbst ganz verschwinden.
Nur jetzt, da ich dem schwerleidenden Ministerialrat nicht helfen konnte, begann ich mich mit dem Zimmerschwitzapparat zu befassen. Bevor ich ihn meinem Kranken empfahl, wollte ich jedoch mit dem Prinzip » non nocere«, auf deutsch »nur nicht schaden«, ins reine kommen. Ich überzeugte mich davon, daß der Apparat, selbst wenn er nichts nützen würde, unter keinen Umständen Schaden anrichten kann.
Nun ließ ich das Schwitzbad kommen und war auf die Wirkung und den Erfolg wirklich neugierig.
Ich gebe hier die objektive Erklärung zur Ehre der Wahrheit, daß ich mich an einen ähnlichen glänzenden Erfolg in meiner ganzen Praxis nicht erinnere. Der Patient, welcher so viele Leiden ausgestanden hatte, veränderte sich gänzlich, er fühlte sich wie neugeboren, der Zustand wurde von Tag zu Tag besser und die Anfälle wiederholten sich bis heute nicht!
Den dauernden Erfolg schreibe ich auch dem Umstande zu, daß mein Patient nach Beendigung des Anfalls weiterhin regelmäßig Schwitzbäder nahm. Er ließ sich diesmal die Schmerzen zur Warnung sein und befolgte fleißig meine Ratschläge bezüglich der Körperbewegung und Diät. Er mied schwere Weine, ebenso scharfe gewürzte Delikatessen, lebte vorwiegend vegetarisch und schränkte das Rauchen auf zwei Zigarren täglich ein.
Als ich den Ministerialrat behandelte, hatte ich noch keine festen Ansichten über das Schwitzbad und seine Wirkungen. In meiner Universitätszeit wurde darüber nichts gelehrt und auch in der medizinischen Literatur war diese Frage mehr historisch behandelt. Ich ließ mich nun bei meinen Anordnungen einfach von der Überzeugung leiten, daß der Körper selbst imstande ist, über Zuträglichkeiten und Schädlichkeiten solcher Prozeduren zu entscheiden. Ich steigerte also die Wärme so weit, als sie behaglich empfunden wurde, unter ständiger Kontrolle durch die Gefühle des Patienten. Dabei kam ich ungefähr auf 65 Grad Celsius und habe damit unbewußt ungefähr das Richtige getroffen.
Auch heute folge ich noch dem Prinzip, dem Kranken keine höheren Temperaturen aufzubürden, als er leicht und angenehm aushalten kann. Im allgemeinen werden hohe Temperaturen erstaunlich gut ertragen. Und zwar schon von Patienten, welche nie vorher Schwitzbäder benützten. Schulung und Gewohnheit spielen natürlich hier wie in allen Dingen eine große Rolle und führen zu einer Anpassung des Körpers an die höchsten Temperaturen. Bei empfindlichen Kranken beginnt man mit geringeren Wärmegraden, um allmählich, nachdem sich der Körper daran gewöhnt hat, zu höheren Temperaturen überzugehen, wobei es jedoch niemals nötig ist, 60-63 Grad Celsius zu überschreiten.
Inzwischen habe ich zahllose Personen mit Heißluftbädern behandelt. Jedesmal habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Patienten im Bade lustiger werden, daß ihre Miene sich aufhellt, sobald die behagliche Wärme den Körper durchdringt.
Jüngst hatte ich einen äußerst übellaunigen Menschen in Behandlung, einen »Revolutions-Querulanten« schlimmster Sorte. Aber auch dieser konnte der aufmunternden Wirkung des Schwitzbades nicht widerstehen, wenn er es auch nicht direkt zu erkennen gab.
Er kam in meine Behandlung, nachdem er alle möglichen Kuren durchgemacht hatte. Es ist kein Genuß für den Arzt, Patienten zu haben, die vorher schon bei vielen anderen Ärzten, bei Masseuren oder gar bei »Wunder-Doktoren« und »Gesundbetern« behandelt wurden. Aberglaube, Mißmut und Mißtrauen erschweren da ebenso Diagnose wie Heilversuch.
Der Patient war zu jener Zeit schon der Quälgeist seiner Familie geworden, und als er in mein Sprechzimmer mit den mürrischen Worten trat: »Sie werden mir auch nicht helfen, ebensowenig wie die anderen«, blieb mir nichts übrig, als ihn zu fragen: »Warum sind Sie dann gekommen?«
Der ganze Mensch war ein einziges Leiden. Er behauptete, er könne nicht stehen, nicht gehen, nicht sitzen, nicht liegen, nicht schlafen. Alles täte ihm weh, er sei sicher, daß die Ärzte seine Krankheit nicht richtig verstünden. Es müsse ein inneres Leiden sein, seine Nerven seien kaput und er wisse bestimmt, daß das Rückenmark erkrankt sei.
Es war keine Kleinigkeit, ihn, nach genauer Befragung und Untersuchung, in das Heißluftbad zu dirigieren, das ich in einem Raum neben meinem Sprechzimmer für derartige Fälle stets bereithalte. Zuerst erklärte er, das Schwitzen könne er nicht vertragen. Trotzdem ich ihm das auszureden versuchte, zeigte er eine lächerliche Angst vor der einfachen Prozedur.
Die Scheu vor dem Schwitzbad ist übrigens weit verbreitet. Sie stützt sich einerseits auf den Glauben, daß man in demselben leicht ohnmächtig würde, und andererseits, daß Schwitzbäder das Herz angreifen. Bei der Benützung des Kastenbades habe ich, auch bei Herzleidenden, niemals bedenkliche Erscheinungen gesehen, dagegen kann wohl das gemeinsame Bad in den öffentlichen Anstalten zuweilen ein ängstliches Gefühl erzeugen. Der Grund dafür ist, daß sich die Lunge gegen die mit schlechten Stoffen geschwängerte Atemluft durch Zusammenziehen der feinen Luftröhrenäste zu schützen sucht. Auf diese Weise entsteht ein asthmaähnlicher Zustand. Darauf deutet auch der volkstümliche Ausdruck: »Es hat mir den Atem verschlagen« hin. Wir haben es hier mit einer Erscheinung zu tun, welche man auch in Kirchen und vollen Sälen oft beobachten kann. Schon Pettenkofer hat die frühere Erklärung zurückgewiesen, nach welcher ein Mangel an Sauerstoff an dem »Schlechtwerden« schuld sei. Er nahm an, daß von der Menschenmenge Stoffe ausgeatmet würden, welche eingeatmet bei empfindlichen Personen Ohnmachtsanfälle auslösen. Die Frage, ob Schwitzbäder das Herz schwächen, werde ich weiter unten beantworten.
Mein Patient saß im Kasten. Das Thermometer stieg. Es zeigte 40 Grad, die ersten Schweißperlen wurden auf seiner Stirne sichtbar. »Im Schweiß deines Angesichts sollst du hier dein Geld losbekommen«, sagte er. »Deinen Rheumatismus, Freund« antwortete ich. Das Thermometer stieg weiter. Als 50 Grad überschritten waren, brach der Schweiß in Strömen aus. Nun wurde er mutig. Er behauptete, diese Hitze sei noch gar nichts, wenn es bei ihm wirksam sein sollte, so müßte es noch ganz anders kommen. Als eingefleischter Krakehler schimpfte er auf den »Hokuspokus mit dem Schwitzen«, aber jetzt schon in einer halb humoristischen Weise. »Bewegen Sie lieber einmal Ihr Bein«, sagte ich ihm, »oder drücken Sie auf die Stellen, welche sonst immer schmerzen, statt unaufhörlich zu nörgeln.« Und nun mußte er zugeben, daß die Schmerzen schon nachgelassen hatten.
Es ist erstaunlich, wie schnell oft die Schmerzen schon beim ersten Bade geringer werden. Patienten, welche sich vorher kaum zu rühren getrauten, fangen im Bade an, schüchterne Bewegungsversuche zu machen. Bald wächst ihre Zuversicht, sie merken, daß die Schmerzen bedeutend schwächer sind als vorher, ja, daß sie manchmal geradezu wie weggeblasen erscheinen. Ich habe da schon wahre Freudenausbrüche erlebt, weil sich die Kranken wie durch ein Wunder geheilt glaubten. So schnell geht es nun freilich nur in den seltensten Fällen. Ich mußte deshalb stets den Jubel etwas dämpfen, indem ich meine Kranken darauf vorbereitete, daß die Schmerzen, wenn auch in geringerem Maße, wieder auftreten können, und zwar ist dies um so wahrscheinlicher, je älter die Krankheit ist. Um hartnäckige Rheumatismen zu vertreiben, bedarf es schon einer ganzen Anzahl Bäder.
Der Kranke vertrug das Bad ausgezeichnet. Ich forderte ihn auf, dasselbe zu verlassen, nachdem er etwa 20 Minuten bei 60 Grad Celsius im Kasten verweilt hatte.
Er gehörte nicht zu den enthusiastischen Naturen, sondern sagte: »Unsinn«, obwohl er gleichzeitig zugeben mußte, daß er sich nun wohl, frisch und augenblicklich schmerzlos fühlte. Noch während er in seiner verärgerten Art weiterbrummte, fragte er mich nach der Adresse, wo er einen solchen Kasten bekommen könne. Ich lächelte, da der alte Rheuma-Skeptiker seine Bekehrung um keinen Preis eingestehen wollte.
Innerhalb der nächsten drei Wochen nahm er die Schwitzkuren in seinem eigenen Kasten, und zwar, wie verordnet, täglich ein Bad. Je mehr veraltet ein Leiden ist, desto stärkere Mittel muß man zu seiner Bekämpfung anwenden, falls es der Zustand des Kranken gestattet. Es ist deshalb nichts dagegen einzuwenden, wenn in solchen Fällen zwei Bäder pro Tag genommen werden. Schweninger hat von den viel angreifenderen Heißwasserbädern mit 45 Grad Celsius oft drei pro Tag verordnet. Ich merkte, daß mein Patient sich immer wohler fühlte, vermied es aber, ihn durch viele Fragen zum Widerspruch zu reizen. Aber seine Frau, die seinen »störrischen Rheumatismuscharakter« kannte, verriet mir, daß seine »Nerven« besser seien.
Ich habe es sehr nützlich gefunden, wenn man die allgemeine Fiebertherapie mit dem Schwitzbad noch dadurch unterstützt, daß man an den kranken Muskeln oder Gelenken wärmende Verbände anbringt. Meinem Kranken hatte ich empfohlen, den Schweningerschen Öl-Guttapercha-Verband zu machen. Dieser besteht in einer Einölung der schmerzhaften Stellen, darüber kommt Guttaperchapapier oder ein anderes fettdichtes Papier, dann Watte und schließlich eine Binde oder ein Flanelltuch. Er machte diesen Verband in Form eines Wickels, welcher ihn tagsüber in keiner Weise behinderte. Nachts im Bette kann man einen Heißwasserbeutel oder eine Elektrokompresse auf den kranken Teil legen.
Es schien ihm im übrigen doch ernst mit der Kur zu sein, denn wie seine Frau mir erzählte, mied er seither das Wirtshaus auf meine Erklärung hin, daß der Alkohol den Rheumatismus fördert. Auch mit dem Rauchen tat er sich aus dem gleichen Grund Zwang an und stellte das wüste Zigarettenrauchen (40-50 Stück pro Tag) so ziemlich ein. Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen, daß diese Reizmittel am Entstehen des Rheumatismus mit schuld sind und daß die beste Kur auf die Dauer nutzlos ist, wenn diese Mitursachen nicht ausgeschaltet werden.
Einen Monat später war sein »von Schmerzen überschütteter Humor« so weit wieder hergestellt, daß er mir seine »großartige Besserung, ja, Heilung mit dem Kasten« freudig eingestand.
Nun ist die Schmerzlosigkeit bei veralteten Rheumatismen immer erst die erste Etappe zur Heilung. Die zweite Etappe muß darin bestehen, daß man die Schutzvorrichtungen, welche der Körper gegen die Erkältung besitzt, so weit bringt, daß sie ihren Dienst wirklich erfüllen. Nur auf diese Weise kann es gelingen, Rückfälle, welche bei geringen Erkältungen wieder auftreten, für die Zukunft auszuschließen. Wie man eine solche systematische Abhärtungskur betreibt, werde ich weiter unten näher beschreiben.
Ich will nun die Behandlung einer Neuralgie schildern, und zwar wollen wir diejenige Form auswählen, welche allen Heilversuchen am hartnäckigsten widersteht, die Gesichts-(Trigeminus-)Neuralgie.
Ich hatte in München Gelegenheit, eine Dame mit Gesichtsneuralgie, welche ich seinerzeit in Kairo traf, zu besuchen. Sie war, verursacht durch gräßliche Schmerzen, zur Morphinistin geworden. Ihren Herzenswunsch, dieses ersehnte Gift zu verordnen, konnte ich nicht erfüllen. Später fand sie einen Arzt, welcher ihr Morphium verschaffte, weshalb sie die von mir vorgeschriebene Kur nicht durchführte.
Sie erzählte mir, daß sie in Kairo noch eine gewisse Besserung verspürt habe, die ich meinerseits mit dem trockenheißen Wüstenklima erklärte. Aber auf dem Schiff, mit dem sie nach Triest überfuhr, hatte sie einen neuen Anfall erlitten, den sie auf die ständige Schiffsbewegung und die Seeluft zurückführte und den sie wiederum mittels Morphium, das ihr der Schiffsarzt gewährte, überstanden hatte. Der Anfall hatte einen Tag lang angehalten und sei wie immer »unerhört reißend« und »über alle Höllenqual hinaus« gewesen.
Ich erklärte ihr genau Methode und tieferen Sinn des Heißluftbades. Sie war intelligent genug, meinen Ausführungen zu folgen und sofort bereit, es mit Heißluftbädern zu versuchen. Ich empfahl ihr das »Kreuz-Thermalbad«, weil dieses eine Vorrichtung besitzt, nämlich die sogenannte »Kopfmaske«, mit der man die hohe Temperatur auch im Gesicht anwenden kann, während eine durch Gummikissen abgedichtete Atemvorrichtung die ungehinderte Einatmung der frischen Außenluft während des Bades gestattet.
Bei dieser Gelegenheit erwähne ich, daß der genannte Apparat auch mit einem »Bauchschild« ausgestattet ist, welches die Teilbehandlung der unteren Körperhälfte in idealer Weise gestattet. Ich denke hierbei insbesondere an die Ischias, wie auch an Rheumatismen der unteren Körperhälfte, bei denen ich es oft nützlich fand, zwischen Halb- und Ganzbädern abzuwechseln. Die Halbbäder können auch für Fälle in Betracht kommen, in denen man eine langsame Gewöhnung an den Kurgebrauch für nötig hält.
Da sie mich, etwas nervös und ängstlich, bat, dem ersten Versuch selbst beizuwohnen, konnte ich mit Schrecken sehen, daß sie mager wie ein Skelett war. »Ich war vor meiner Krankheit rund, glauben Sie mir«, sagte sie wehmütig, als sie den Schwitzraum betrat.
Weil auch diese Patientin Befürchtungen wegen der Wirkung des Heißluftbades auf das Herz aussprach, so will ich diese Gelegenheit benützen, um darüber einiges zu sagen.
Den Grund, warum in den gemeinsamen Schwitzbädern starke Pulsbeschleunigungen und asthmaähnliche Anfälle auftreten können, habe ich schon bei dem Fall des Tischlermeisters dargelegt. Diese Ursache, die schlechte Einatmungsluft, kommt beim Kastenschwitzbad nicht in Betracht.
Neuere Beobachtungen haben gezeigt, daß das Herz im Schwitzbad nicht einer höheren Anstrengung ausgesetzt ist, sondern daß gerade das Gegenteil der Fall ist. In der Wärme erweitern sich nämlich die Hautblutgefäße, der Blutdruck verringert sich. So verkleinert sich das Herz wie ein Gummiball, der unter geringem Druck steht, eine Tatsache, die man im Röntgenschatten leicht nachweisen kann. Wenn eine derartig verkleinerte Pumpe trotzdem die gleiche Menge Blut befördern soll, so muß eine vermehrte Anzahl von Zusammenziehungen stattfinden. Daher erklärt sich die Beschleunigung des Pulses im Schwitzbad, welche man als Überanstrengung des Herzens gedeutet hat. Dieses arbeitet aber nur in einem schnelleren Tempo, dagegen mit geringerer Kraftanstrengung, niedrigerer »Übersetzung«. Daß im Schwitzbade eine Erniedrigung des Blutdrucks stattfindet, beweisen die Untersuchungen von Winternitz und anderen. Kluge konstatierte regelmäßig ein Absinken des Druckes, und zwar bereits vor Ausbruch des Schweißes oder gleichzeitig mit demselben.
Ich habe selbst in meiner Praxis, wie schon bemerkt, niemals bedenkliche Erscheinungen beobachtet und kann mich ganz der Erfahrung, welche die schon mehrmals zitierten Autoren Frey und Heiligenthal als Badeärzte von Baden-Baden gemacht haben, anschließen. Diese schreiben, daß nach langjähriger Beobachtung auch Kranke, welche an Herzerweiterung, an mäßigen Fettablagerungen in und um den Herzmuskel, an nervösen Herzstörungen leiden, die Bäder ohne Bedenken benützen dürfen. Selbst Kranke mit wirklichen Herzklappenfehlern sind vom Gebrauche des Bades nicht ausgeschlossen, wenn man die Grundregel befolgt, die allen, nicht nur den herzkranken Patienten gegenüber zu beachten ist, die Wirkung auf den Körper durch das Gefühl des Wohlbehagens, welches der Kranke empfinden soll, zu kontrollieren.
Nach allgemeiner Meinung sollen bei Arterienverkalkung überhaupt keine Schwitzbäder benützt werden. J. Fodor hielt auf einem Ärztekongreß einen Vortrag, worin er ausführte, daß er die, mehr theoretisch konstruierte Angst vor Wärmeanwendung bei Arterienverkalkung nicht billigen könne. Er stützt sich dabei auf seine Beobachtungen in der öffentlichen Schwitzbadeabteilung des Zentralbades in Budapest, wo täglich eine große Anzahl von Leuten sich langen Einwirkungen von Dampf und Trockenheißluft aussetzen, unter welchen nicht wenige ältere Personen sind, bei denen sich die Diagnose »Arterienverkalkung« auf Distanz stellen läßt. Im Laufe von sechzehn Jahren hatte er kein einziges Mal Veranlassung, bei einem solchen Badegast ärztlich zu intervenieren.
Doch zurück zu unserer Patientin. Auch sie erkannte bald, daß ihre Befürchtungen grundlos gewesen waren. Sie schaute ganz fröhlich aus dem Fenster, welches in der Kopfmaske angebracht ist, heraus, während die Schweißtropfen über ihr Antlitz rollten. Der Erfolg des ersten Bades könnte nicht gebucht werden, wenn man nicht die frohe Laune, welche sich einstellte, als Erfolg ansehen will, da die Dame gerade einige Tage ohne Schmerzen war. Ich bat sie, die Schwitzbäder, die sie offenbar glänzend vertrug, nun regelmäßig täglich zu nehmen, und zwar am besten abends vor dem Schlafengehen. Als Temperatur verordnete ich, daß sich der ganze Körper mit Einschluß des Kopfes im Bade befand, etwa 56 Grad, bei einer Badedauer von 20 bis 30 Minuten.
Das Zimmer, in dem gebadet wird, soll gut erwärmt sein und eine Temperatur von zirka 20 Grad Celsius haben. Nach dem Bade ist stets eine kurz dauernde Abkühlung vorzunehmen. Diese Abkühlung bedeutet nicht etwa eine Abschwächung des »künstlichen Fiebers«, sondern im Gegenteil eher eine Verstärkung, da die Abkühlungprozedur von einer neuerlichen Reaktion gefolgt ist. In dem vorliegenden Fall empfahl ich Abwaschungen mit einem in kaltes Wasser getauchten Schwamm, welche nicht ganz so schroff empfunden werden wie die übliche Abduschung. Besonders Empfindliche mögen die Abwaschung mit Wasser von Zimmertemperatur vornehmen, es wird sich bald das Bedürfnis nach kaltem Wasser einstellen.
Die kalte Dusche ist eine etwas schroffe Form der Abkühlung, welche nur dann zu empfehlen ist, wenn die Blutgefäße gut arbeiten. Während nämlich, wie wir gesehen haben, das Schwitzbad die Herzaktion nicht erschwert, sondern im Gegenteil erleichtert durch Wegleitung des Blutes vom Herzen, erschweren schroffe und langdauernde kalte Prozeduren dieselbe, weil durch Abkühlung der Oberfläche die innere Blutmenge steigt. Wer also in dieser Hinsicht irgendwelche Bedenken hat, soll die Abwaschung mit dem Schwamm vorziehen.
In der behandlungsfreien Zeit wurden die empfindlichen Stellen des Gesichts durch einen Umschlag aus Flanell und Watte vor Kälte geschützt, beim Ausgehen sollte ein dichter Schleier die Zugluft möglichst abhalten. Bei Männern, welche an Gesichtsneuralgie leiden, empfehle ich, sich zur Warmhaltung der kranken Gesichtspartien einen Vollbart stehenzulassen.
Nach drei Wochen ließ sie mich zu sich rufen und erklärte mir, sie habe meine Verordnungen getreu befolgt und habe in den ganzen drei Wochen nur einen ganz leichten Anfall erlitten. »So mehr eine Mahnung, als ob einer kommen wollte«, erklärte sie ganz glücklich. »Und das Morphium?« fragte ich vorsichtig. »Ich habe keines,« sagte sie leise, »ich möchte gerne welches haben, nur zur Vorsicht, wenn doch noch ein Anfall kommen sollte«. »Das hier ist jetzt Ihr Morphium,« sagte ich und wies auf den Schwitzkasten hin, »und eines, das Sie nicht körperlich und moralisch ruiniert.«
Ich hatte Angst, daß mir die Heilung der Morphiumsehnsucht mehr zu schaffen mache als die der Neuralgie. Die Neuralgie schien ja auf die Heißluftbehandlung glänzend zu reagieren, wie ja überhaupt bei rheumatischen und neuralgischen Leiden immer gute Resultate erzielt werden, ja oft solche, welche selbst den Facharzt verblüffen. Aber es gibt so viele Fälle, wo sich Patienten bei schmerzvollen Erkrankungen an Morphium und ähnliche Gifte gewöhnen und der Morphinismus nach Heilung des Übels als schlimme Nachkrankheit bestehen bleibt oder der Alkoholismus und der »Nikotinismus«.
Die Tapferkeit meiner Patientin ließ jedoch bald diese Besorgnis als grundlos erscheinen. Als sie fühlte, daß durch die regelmäßigen Schwitzbäder ihre Neuralgie geheilt wurde, als die Anfälle immer seltener und schwächer wurden und schließlich ganz verschwanden, fand sie auch die Kraft, ihre Morphiumsucht zu unterdrücken.
Ich betonte auch dieser Patientin gegenüber, daß es nicht genügt, durch einen augenblicklichen Kraftaufwand, nämlich das künstliche Fieber, wie wir es im Heißluftbad erzeugen, die Krankheit zu heilen und damit die Schmerzen zu beseitigen, sondern daß wir auch die Bildung des Erkältungsgiftes für die Zukunft verhindern müssen. Dies geschieht durch eine regelrechte Abhärtungskur, auf deren nähere Beschreibung bei der nächsten Krankengeschichte ich verweise.
Den vorstehenden Krankengeschichten, welche ich hauptsächlich niederschrieb, um die nötige Belehrung in die ansprechendere Form der Erzählung zu kleiden, füge ich noch eine weitere bei, welche zu den besten Erinnerungen aus meiner Praxis zählt.
Es handelt sich um einen jetzt 50jährigen Politiker, dessen in der Öffentlichkeit wohlbekannten Namen zu nennen ich mir begreiflicherweise versagen muß. Der eine Grund, mich dieser Erinnerung zu freuen, ist die Tatsache, daß ich es hier in der Eintönigkeit, die jede Sprechstunde zuweilen annimmt, mit einer ganz hervorragenden Persönlichkeit zu tun hatte, die mir neben der ärztlichen auch viele menschliche Anregung bot. Ein zweiter Grund für die Erinnerung an diesen Fall ist, daß mir hier die vollkommene Heilung eines beschwerlichen, hartnäckigen und hinderlichen Leidens gelang.
Herr B. war als Junge seinen Eltern durchgebrannt, hatte in Amerika ein abenteuerliches Leben geführt, sich als Schiffsjunge, Reklamezettelverteiler und Liftboy umhergetrieben. Bei dieser Lebensweise erlitt er in jungen Jahren seinen ersten Anfall an akutem Gelenkrheumatismus mit den üblichen Symptomen, Fieber, Schüttelfrost und unerträglichen Gelenkschmerzen, welche in den Hand- und Ellenbogengelenken begannen. In dem dortigen Krankenhaus wurde er in einem Saal mit zehn anderen Kranken mit Fiebermitteln, Aspirin usw. behandelt und in Watte gepackt. Im Laufe der nächsten Woche wurden sämtliche Arm- und Beingelenke befallen. Schließlich wurde er nach zwei Monaten endlich entlassen und nahm als heimatloser junger Abenteurer außer dem, was er am Körper trug, als einzigen Besitz nur noch die guten Ratschläge des alten Doktors mit, sich vor Erkältungen und Rückfällen zu hüten.
Bei dem trostlosen und armseligen Wanderleben, welches er führte, konnte er sich um diese Ratschläge nicht kümmern. Nach zwei Jahren setzte wieder ein Fieberanfall ein, doch war die Krankheit diesmal weniger lästig, das Fieber geringer, die Gelenke weniger schmerzhaft, das Ganze war in drei Wochen überstanden. Er achtete bald nicht mehr auf die gefährliche Anlage seiner Gelenke und hoffte, auch hier sein Lebensmotto durchsetzen zu können: Der Wille allein macht es aus! Und wirklich, die akuten Anfälle blieben aus, es zeigte sich kein Fieber mehr, »mein Wille siegte«, sagte er, »oder aber«, fügte er schmerzlich lächelnd hinzu, »hat mich allmählich ganz zum Krüppel gemacht durch die Vernachlässigung, zu der er mich antrieb«.
Er entkleidete sich und zeigte mir die Folgen seiner Willensgymnastik, mit der er einen wahrhaft chronischen Gelenkrheumatismus durch ständige Vernachlässigung und »Zähne-Zusammenbeißen« großgezüchtet hatte.
Fast sämtliche Gelenke waren verdickt. Besonders die Fingergelenke waren bis zur Versteifung angeschwollen. Die Fußgelenke waren noch am gesündesten, doch schmerzten auch sie gleich den anderen Gelenken ständig. Der Gang war durch die Schmerzhaftigkeit der Hüftgelenke behindert. Das rechte Knie war vor allem in Mitleidenschaft gezogen, es sah vollständig deformiert und plump aus.
Die Untersuchung bestätigte mir neuerdings die interessante Beobachtung Kothes, welcher feststellte, daß die Haut an chronisch-rheumatischen Gelenken fast immer um ein bis zwei Grad kälter ist als an gesunden. Diese Erscheinung zeigt deutlich, daß beim chronischen Gelenkrheumatismus der Körper auf jede Gegenwirkung (Entzündung) verzichtet hat, ja geradezu seine Apathie durch eine niedrigere Temperatur zum Ausdruck bringt.
Wie schon früher erwähnt, zeigen die Rheumatiker oft eine blasse, schlecht ernährte und schlecht reagierende Haut. Ich glaube, daß unsere Medizin dieser Erscheinung viel zu wenig Beachtung schenkt. In diesem Punkt könnte sie manches von dem Bauern Prießnitz lernen. Prießnitz betrachtet geradezu den Zustand der Haut als den Barometer der »Lebenskraft«. Wenn zu ihm ein Chronisch-Kranker kam, prüfte er durch Reizung der Haut mit kaltem Wasser usw. die Fähigkeit der Hautgefäße auf ihr »Spiel«: Erweiterung und Reaktion. War eine gute Reaktion da, so wünschte Vinzenz Prießnitz seinem Patienten Glück, denn gute Gefäße geben die Prognose auf schnelle Heilung. War jedoch die Haut stumpf und schlecht, so hieß es, sich auf lange Zeit rüsten. »Müssen erst kräftiger werden«, war der stereotype Bescheid. Es muß dabei bemerkt werden, daß er sich bei diesen Prognosen kaum je irrte, sondern die Heilungsdauer ziemlich genau voraussagte.
Ich untersuchte meinen Patienten auf seine Reaktion gegenüber Druck und Kälte und konstatierte zu meiner Freude, daß sie besser war, als man sie sonst bei Rheumatikern zu finden pflegt, was meine Hoffnung stärkte, bei diesem veralteten, schwierigen Fall doch noch zu einem leidlichen Resultat zu kommen.
Nun fragte ich ihn, was er bisher dagegen getan habe. Er antwortete mir mit dem Galgenhumor der Resignation: »Aspirin hilft nichts, heiße Packungen ebensowenig, ständig am Ofen sitzen oder im Bett liegen, kann ich mir nicht erlauben, die verschiedenen Badeorte habe ich schon ausprobiert.«
Als ich ihm die Theorie und Praxis des Heißluftbades auseinandersetzte, horchte er interessiert auf. Seltsamerweise war ihm diese Therapie noch unbekannt, und von der Möglichkeit, die Heilmethoden der Natur durch Erzeugung von künstlichem Fieber nachzuahmen, hatte er nie etwas gehört. Er griff sofort die darin liegenden Möglichkeiten auf, seine Geschichtskenntnisse ermunterten ihn ebenfalls, meinem Rat zu folgen. »Ich bin für alles Alte, Erprobte und Natürliche,« sagte er, »und das ist das Schwitzen sicher.« Er erzählte mir sogar von Indianerstämmen, bei denen das Schwitzen als heilige Prozedur rituell vorgenommen würde. Diese Tatsache war mir neu, und ich stimmte ihm zu, als er sagte: »Jeder Religionsritus von Naturvölkern hat einen medizinischen Hintergrund.«
So wurde also der Versuch mit dem Heißluftbad gemacht.
Herr B. ließ sich noch am selben Tage einen Badeapparat schicken. Am nächsten Tage sollte er in meiner Gegenwart in Funktion gesetzt werden. Mein Patient war aber einer von jenen Menschen, welche alles, was sie beginnen, sogleich mit Leidenschaft und Tatkraft ins Werk setzen. Deshalb wartete er den nächsten Tag gar nicht ab, sondern begann die Kur gleich auf eigene Faust.
Bei meinem Besuch erzählte er mir dann, daß er sich in der Heißluft sehr wohl gefühlte habe, und daß er, da ihm die Wärme gar keine Beschwerden bereite, sondern im Gegenteil ein höchst angenehmes Gefühl, ein halbstündiges Bad mit 70 Grad genommen habe. Viele erschrecken, wenn man ihnen zumutet, ein Schwitzbad von solcher Temperatur zu gebrauchen. In Wirklichkeit sind sogar Temperaturen bis 100 Grad zu ertragen. Man muß dabei bedenken, daß die Luft ein dünnes Medium ist, weshalb, dem Gefühl nach, ein Heißluftbad bis zum Fieberpunkt (zirka 60 Grad) einem Dampfbad von kaum 42 Grad oder einem Wasserbad von 38 Grad Celsius entspricht.
Er erzählte, wie seine Gelenke beim Schwitzen selbst von ihren Hemmungen erlöst, schmerzfrei und beweglicher geworden seien. Ja, er habe geradezu die Empfindung gehabt, als ob die Krankheit mit einem Male von ihm wegginge. Leider müsse er mir gestehen, daß inzwischen die Schmerzen ärger geworden seien als vorher. Darüber war ich gar nicht erstaunt, betrachtete dies sogar im Gegenteil als gutes Zeichen. Jeder Arzt kennt diese Erscheinung, welche man auch in Moor-, Sand-, Sole- und Radiumbädern regelmäßig beobachtet und als »Badereaktion« bezeichnet hat. Dies läßt sich dadurch erklären, daß eine gewisse Aktivierung der Krankheit, sozusagen eine kurze Akutmachung eintreten muß, wenn der Körper sein Heilungswerk vollziehen soll.
Schon nach dem dritten Bad begannen die Schmerzen ersichtlich nachzulassen. Er nahm täglich ein halbstündiges Bad, aber nicht, wie ich angeordnet hatte, mit 60 bis 63 Grad, sondern bis zu 80 Grad Celsius, denn er wollte am liebsten die ganze Krankheit, nachdem er den Erfolg sah, mit forcierten Anwendungen niederschlagen. Ich riet ihm wiederholt, sich lieber durch regelmäßige Bäder der angegebenen Temperatur auszuheilen und die » Coups d'Etat«, die Gewaltkuren, seiner Politik zu überlassen.
Und wirklich gelang das große Werk, ihn von seinem alteingesessenen Rheumatismus in wenigen Wochen zu heilen. Es versteht sich, daß ich auch ihm die Warmhaltung der Gelenke während der behandlungsfreien Zeit empfahl, nachts durch elektrische Wärmekompressen, tagsüber durch Flanellwattebinden. Außerdem verordnete ich eine anfangs mäßige, später strengere Gymnastik. Diese wurde, solange die Gelenke noch lebhaft schmerzten, stets gleich nach dem Bade gebraucht, da im erhitzten Zustand die Schmerzen am wenigsten oder gar nicht zu spüren sind.
Zuerst verschwanden die Schmerzen, hernach die Bewegungseinschränkungen. Die Verdickungen sind noch nicht ganz verschwunden, doch bedeutend vermindert. Erstaunlich schnell erholte sich auch die abgemagerte Muskulatur zugleich mit der Heilung der Gelenke, eine Beobachtung, welche ich schon oftmals gemacht habe und welche auch mit den Erfahrungen Biers übereinstimmt.
Der Patient lebte rasch auf und begann schon wieder auf seine eiserne Natur zu sündigen. Er war starker Raucher und auch sonstigen Reizmitteln, besonders dem Alkohol, nicht abhold. Es kostete deshalb nicht wenig Mühe, ihn von diesen Gewohnheiten, welche die Reaktionskraft des Organismus gegen Erkältung und Rheumatismus vermindern, abzubringen.
Ich erklärte ihm nun, daß die Kur noch nicht beendigt sei, sondern daß die Vorsicht gebiete, an jede Rheumatismusbehandlung noch eine Abhärtungskur anzuschließen.
In bezug auf die Abhärtung gilt das alte Sprichwort: Was dem Schmied wohl tut, bringt den Schneider um. Nun würden die üblichen schroffen Kaltwassergüsse vielleicht für den Schmied recht gut geeignet sein. Aber der robuste Schmied hat es gar nicht nötig, sich abzuhärten, dagegen um so mehr der empfindliche Schneider. Diese Schneidernaturen, und zwar nicht nur die Schwächlinge, sondern alle Rekonvaleszenten und Kälteempfindlichen, würden durch grobe Kaltwasserprozeduren die Erkältung geradezu künstlich provozieren. Auch Chodounsky macht sich darüber lustig, daß dieselbe Abkühlung, welche den einen krank mache, den anderen vor Erkältung bewahren soll.
Ich erklärte meinem Patienten, welcher eine Vorliebe für schroffe Maßnahmen hatte, daß wir in der üblichen Weise nicht vorgehen dürfen. Der Körper müsse stets vor der Anwendung des kalten Wassers gegen Schädigung gesichert werden. Und zwar besteht die Sicherung in einer vorhergehenden allgemeinen Erwärmung des Körpers im Heißluftbad. Im erhitzten Zustand vermag nämlich der Organismus die durch Abkühlung entzogene Wärme sogleich zu ersetzen, und es besteht nicht die Gefahr, daß der Patient, statt sich abzuhärten, eine neue Erkältung akquiriert. Man braucht nur die Opfer robuster Kaltwasserkuren zu betrachten, bleiche, blutarme, nervöse Leute, um einzusehen, wie wichtig die genannte Sicherung durch Erwärmung ist.
Das Prinzip aller Abhärtungsmaßregeln ist, mit Hilfe von Temperaturkontrasten die Hautgefäße abwechselnd zur Ausdehnung und Zusammenziehung zu bringen, ersteres durch die Wärme, letzteres durch die Kälte. Wie ein Turner durch oftmalige Wiederholung einer Bewegung, durch wiederholtes Strecken und Beugen der Arme an Kraft und Gewandtheit zunimmt, so kann man auf diese Weise auch die Hautgefäße auf Ausdehnung und Zusammenziehung trainieren. Dadurch gewinnen sie wieder die Fähigkeit zur prompten Reaktion, jener kurz dauernden Entzündung, welche wir als Schutzeinrichtung gegen die Erkältung kennen. Je größer das Temperaturgefälle zwischen warm und kalt ist, um so größer ist auch die Wirkung auf das Gefäßsystem, so daß schon von diesem Gesichtspunkt aus die vorherige Erwärmung des Körpers anzuraten ist.
Zur Reaktion gehört aber nicht nur die Elastizität der Hautgefäße, sondern auch die Elastizität der inneren Wärmeerzeugung, welche dem gesteigerten Bedarf sofort zu folgen vermag. Während der Zeit der regelmäßigen Anwendung des Schwitzbades ist ohnehin ein gewisser Überschuß an Wärme im Körper vorhanden. Für spätere Zeiten, nach Beendigung der eigentlichen Abhärtungskur, ist, wie die Praxis zeigt, die innere Wärmeerzeugung verbessert, was wohl auf die allgemeinen Wirkungen des Schwitzbades im Verein mit den beschriebenen »Temperaturübungen« zurückzuführen ist.
Abhärtung durch heiße Bäder ist übrigens nichts Neues, sondern in Japan schon seit alten Zeiten üblich. So erzählt Bronsart v. Schellendorf aus dem Russisch-Japanischen Kriege, daß der japanische Soldat täglich ein heißes Bad nahm und daß die Leute, krebsrot und vollständig nackt, bei eisiger Lufttemperatur aus den Bädern in ihre Hütten liefen. Daß sie den ganzen Feldzug bei schwerster Kälte ohne auffällig hohen Krankenstand durchgemacht haben, ist bekannt, ebenso, daß sie überhaupt gegen Kälte sehr fest sind und wenig darunter leiden.
Wie aus den vorstehenden Erklärungen ersichtlich ist, enthält die eigentliche Rheumatismuskur schon gleichzeitig die Voraussetzungen der Abhärtungskur. Der einzige Unterschied ist, daß man bei der ersteren mit dem kalten Wasser vorsichtiger umgeht und erst allmählich die Temperatur desselben herabsetzt. Für die Abhärtung, die sich noch auf längere Zeit hinziehen muß, ja, die man überhaupt nie ganz einstellen sollte, ist das »künstliche Fieber« nicht nötig, wir werden also nur Temperaturen bis zum Schwitzpunkt (55 Grad Celsius) anwenden.
Nach einem halben Jahre war mein Patient, wenn ich von einigen nicht mehr zu entfernenden anatomischen Spuren des überstandenen Gelenkrheumatismus absehe, vollständig gesund und in Haltung und Gang kaum mehr wieder zu erkennen.
Die Heilung seines Leidens, welche er nicht mehr erhofft hatte und welche er offensichtlich einzig und allein dem Heißluftbad verdankte, machte meinen Patienten zu einem begeisterten Anhänger dieser Methode. Er dachte »amerikanisch«, daß man das als richtig Erkannte unbedingt propagieren, praktisch durchführen und der Allgemeinheit zugänglich machen müsse. Ich habe selbst schon längst die Überzeugung, daß unser armes Volk ein ungeheures Mehr an Gesundheit und damit an Arbeitskraft gewinnen würde, wenn man ihm allerorts Gelegenheit zu Schwitzbädern geben würde. Zu diesem Zwecke wären öffentliche Anstalten, jedoch nicht nach dem System des üblichen Massenbades, sondern nach dem Kastensystem zu errichten, die jedermann gegen billiges Eintrittsgeld zugänglich sind. Diese Idee fand bei meinem Patienten vollen Beifall, und er wollte zu ihrer Verwirklichung seine ganze Tatkraft einsetzen. Leider zerstörte der Krieg, wie so viele Projekte, auch diesen schönen Plan.
Als ich später in Kriegsgefangenschaft geraten war, sprach ich mit einem englischen Truppenarzt über Nachkriegshygiene, und er sagte mir ungefähr folgendes: »Man wird Krüppelheime, Blindenanstalten und ›Geschlechtskranken-Gefängnisse‹ bauen müssen, aber man müßte auch in jedem Dorf ein römisch-irisches Schwitzbad bauen, um die Wärme von vier Jahren wieder zu ersetzen, die den Soldaten verlorengegangen ist.«
Auf absehbare Zeit kann leider mit solchen Projekten nicht gerechnet werden. Deshalb muß man es bis auf weiteres dem einzelnen überlassen, sich selbst ein Hausbad zu besorgen, oder, wo die Mittel nicht reichen, leihweise von Vereinen und Krankenkassen zu beschaffen.