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Gebt mir die Macht, ein Fieber zu erzeugen, und ich will jede Krankheit heilen!

Einst wurde der berühmte französische Arzt und Gelehrte Charcot von einem Hexenschuß befallen. Er legte sich zu Bett und war für niemanden zu sprechen. Alsbald aber erzwangen sich zwei kräftige, entschlossene Männer, Deputierte aus dem Süden, Eintritt. Sie drangen in das Zimmer und schleppten einen kraftlosen Greis hinter sich her.

»Erlauchter Meister,« sprach der eine, »hier unser großer Naquet. Er ist blutleer, neurasthenisch. Wir bitten Sie im Namen Frankreichs um ein wirksames Heilverfahren, welches dem eminenten Naquet die Kräfte wiedergibt. Die Ehre der Republik und das Heil des Vaterlandes stehen auf dem Spiel.«

Charcot erwiderte von seinem eisernen Bett aus: »Meine Herren, Sie haben eine falsche Idee von der Heilkunde. Und Sie, Herr Naquet, Sie haben gewiß eine alte Bonne zu Hause. An sie, nicht an mich müssen Sie sich wenden. Da sehen Sie mich durch ein Lumbago, das mir Marterqualen verursacht, ans Bett gefesselt. Ich habe nach keinem meiner Kollegen geschickt. Meine alte Haushälterin hat mir einen Sack gebrannter Gerste auf die Lenden gelegt. Tun Sie dasselbe, Herr Naquet, verlangen Sie von Ihrer alten Bonne ein Heilmittel.«

Diese Anekdote stammt aus einer Zeit, in der sich der gelehrte Arzt noch weniger wie heute mit den verachteten Heilmethoden des Volkes beschäftigte. Aber die Erfahrungen der Menschheit haben einen langen Atem. Sie können warten, bis man sie wieder nach Gebühr beachtet.

Allmählich hat man angefangen, dem Sinn dieser alten Heilmethoden nachzuforschen. Denn daß sie wirksam sind, illustriert nicht nur die Anekdote von Charcot, sondern alte, lange Erfahrung. Nun hat man schließlich erkannt, daß diese heißen Umschläge, die spirituösen Einreibungen, die heißen Bäder mit schweißtreibenden Prozeduren einzig und allein dadurch wirken, daß sie künstlich » Entzündung« und » Fieber« erzeugen. Damit hat sich unerwartet eine Erklärung gefunden für die oft sinnlos und lächerlich erscheinenden Methoden der Volksmedizin.

Der Körper besitzt, wie wir wissen, in der Entzündung und im Fieber von Natur aus ein wahres Universalmittel gegen alle möglichen Krankheiten. Da ist es zweifellos ein verlockender Gedanke, diese heilsame Erscheinung systematisch künstlich hervorzurufen. Also einfach das Verfahren der Natur nachzuahmen. Ein Gedanke, dem der griechische Arzt Rufus von Ephesus schon vor 2000 Jahren Ausdruck gegeben hat: »Das Fieber ist ein großes Heilmittel, von dem nur zu wünschen wäre, daß man es künstlich erzeugen könne.«

Bevor ich zur Hauptfrage, wie dieses Fieber künstlich zu erzeugen ist, komme, muß ich zuerst die Frage beantworten, ob es überhaupt nützlich und angebracht ist, den Körper in seinen natürlichen Heilbestrebungen zu beeinflussen.

Die Antwort darauf ist nicht schwer, wenn wir uns vor Augen halten, wie aus einer akuten (heftigen, kurzdauernden) Krankheit eine chronische (langdauernde, schleichende) wird.

Der Rheumatismus gibt uns ja das treffendste Beispiel. Einerseits akuter, heftiger Verlauf, von Schmerzhaftigkeit und Fieber begleitet, aber gutartig, zur Heilung neigend, falls man die Natur in ihrem Wirken nicht stört. Anderseits die schleichende, chronische Form, ohne Fieber oder nur zeitweise mit geringem Fieber, welche Jahre dauert, ohne daß der Organismus Anstalten zur Heilung macht, und welche schließlich in allgemeines Siechtum mit fortschreitender Versteifung übergeht. Die akute, schnell verlaufende, heftige Krankheit ist das Natürliche, die heimtückische, chronische, das Unnatürliche. Bei dem akuten Übel ist unsere Beihilfe selten nötig. Denn das Fieber und damit die Heftigkeit, der Hochdruck, mit dem die Lebensprozesse vor sich gehen, gibt die Gewähr, daß der Körper alles tut, um sich des Feindes zu entledigen.

Wenn der Organismus selbst es aufgegeben hat, seine volle Kraft gegen die Krankheit zu wenden, also wenn mit anderen Worten das chronische Stadium eingetreten ist, so ist für uns die Zeit des Handelns gekommen. Der Weg liegt klar vor uns. Wir brauchen ja nur zu tun, was der Organismus selbst tun würde, wenn ihm nicht die Kraft dazu fehlte. Nachdem wir sicher wissen, daß jede Heilung eine fieberhafte Erwärmung zur Vorbedingung hat, so brauchen wir nur die Bluttemperatur über das gewohnte Niveau zu erhöhen, und wir besitzen das natürlichste aller Heilmittel. Wir erzeugen ein » künstliches Fieber« als » Mittel, dem Körper beizustehen, daß er sich selbst helfen könne«.

I.
Alte und neue Heilmethoden.

Die Erzeugung von künstlichem Fieber ist, wie ich schon erwähnte, keine neue Erfindung. Ja, bei näherer Betrachtung stellt es sich heraus, daß die übergroße Mehrzahl der überlieferten Heilmittel letzten Endes dadurch wirksam ist, daß sie künstliches Fieber oder künstliche Entzündung hervorrufen. Die Erfahrung ist hier, wie so oft, den Theorien der Wissenschaft weit vorausgeeilt, denn früher fehlte die richtige Deutung, weshalb man den oft mystischen Nebensächlichkeiten die Heilwirkung zuschrieb.

Gerade beim Rheumatismus bedient sich die Volksmedizin seit den ältesten Zeiten der Einreibung mit scharfen Substanzen, welche die Haut röten und künstliche Entzündung hervorrufen.

Daher der unendlich verbreitete Gebrauch von alkoholischen Essenzen, die noch besonders hautreizende Zusätze enthalten, wie Salz (Franzbranntwein), Pfeffer, Perubalsam, Kampfer, Brennesseln und Ameisensäure (Kampfer-, Brennessel-, Ameisenspiritus). Eine ähnliche Rolle spielt die Salzlauge, der Essig, das Terpentinöl, der Salmiak. Ich nenne weiter Pflaster mit Senf, Meerrettich, spanischen Fliegen usw. Ableitend wirken diese Sachen nicht, wie man früher glaubte, sondern im Gegenteil erhitzend und blutanlockend.

In manchen Gegenden hat man die Rheumatiker durch Peitschen mit Brennesseln behandelt, um eine mächtige Entzündung zu erregen. Sogar das Gift des Bienenstiches benützte man, um Entzündung bei den Gelenkrheumatismen zu erzeugen. Oder Nadelstiche unter nachheriger Einreibung der Wunde mit scharfem Öl (Baunscheidtismus). Auch die alten Schröpfköpfe, die übrigens mit den Bier'schen Saugglocken wieder neu erstanden sind, sollen dabei nicht vergessen sein.

Dem Erfolg, eine scharfe Entzündung hervorzubringen, dient im Orient das Brennen der schmerzenden Stellen mit dem Glüheisen oder der aus glimmendem Pflanzenmark bestehenden » Moxa«. Schon Hippokrates übte ein ähnliches Verfahren mit brennenden Flachsfasern.

Eines der einfachsten Hausmittel gegen den Rheumatismus ist der warme Umschlag.

Wer hätte einen solchen, wie ihn der gelehrte Professor Charcot bei seinem Hexenschuß benützte, nicht schon selbst gegen das Reißen und gegen Leib-, Zahn- und Halsschmerzen angewandt? Die Zahl der warmen Umschläge ist Legion. Von der unappetitlichen Auflage von warmem Kuhmist, wie man ihn heute noch in Steiermark gebraucht, geht die Reihe zu den heißen Kleien- und Sand-, Brei-, Kamillen-, Leinsamen, und Kartoffelsäckchen, dem Hafendeckel, der gewärmten Serviette, dem heißen Bügeleisen, den Wärmedosen der Japaner, den Wärmeflaschen, Thermophoren, bis zu den modernen Elektrokompressen.

Zur innerlichen Erwärmung des Körpers bedient man sich des heißen Tees aus Eibischwurzeln, Lindenblüte, Heidekraut, Spitzwegerich und Wollblumen. In Südtirol gebrauchen die gichtkranken Bauern Heubäder, indem sie sich in das frische, gärende und deshalb Wärme entwickelnde Heu einpacken lassen.

Das nächstliegende Mittel, um den ganzen Körper zu erwärmen, ist das heiße Bad in allen möglichen Formen, wie etwa die heißen Wasserbäder der Japaner, Bäder mit hautreizenden Substanzen, Schlamm- und Fangopackungen, Sole-, Schwefel-, Senf-, Asche- und Ameisenbäder.

Das wichtigste von allen fiebererzeugenden Mitteln ist jedoch das Heißluftbad, auf welches ich weiter unten zurückkommen werde.

Weniger harmlos sind die Methoden, bei denen man dem Kranken irgendeine Infektionskrankheit eingeimpft hat, um den Körper zur fieberhaften Reaktion herauszufordern.

Hat man doch neuerdings Paralytiker durch Einspritzung von Malariablut künstlich mit Malaria infiziert, um so ein fieberhaftes Aufbäumen des Organismus zu provozieren.

Seitdem es bewiesen ist, daß gewöhnliches Pferdeserum (Pferdeblutwasser) genau dieselbe Wirkung tut wie die verschiedenen, raffiniert hergestellten Arten von Heilserum, kann ich nicht mehr daran glauben, daß das Ziel anders erreicht wird als durch mittelbare Erzeugung von Fieber. Wird ja heute sogar das Behring'sche Diphterieserum, an dem man nicht zweifeln durfte, ohne als Ketzer zu gelten, schon durch neutrales Pferdeserum ersetzt.

Auch die alte Bluttransfusion wurde durch Bier als fiebererzeugendes Mittel erkannt und durch Injektion von Hammelblut nachgeahmt. Buchner und andere erzeugten Fieber durch Injektion von abgetöteten Bakterien, Landerer, indem er Zimtsäure, Mikulicz, indem er Nucleinsäure einspritzte, während Matthes, Dehio und Krehl Eiweißstoffe dazu verwendeten.

Die Einspritzung von Fremdstoffen, insbesondere von fremdem Eiweiß, erzeugt, wie wir wissen, immer eine große Störung in dem Laboratorium des Körpers, die mit Fieber verbunden ist. Auch beim Rheumatismus hat man derartige »Umwegskuren« schon mit mehr oder weniger Erfolg versucht.

Auch die Radium- und Röntgenbestrahlung, die Einwirkung ultravioletter Strahlen auf die Haut, ja selbst die forcierte Kaltwasserbehandlung sind fiebererregende Methoden.

Ohne auch nur im entferntesten das ungeheure Material erschöpfen zu wollen, habe ich in Kürze gezeigt, wie vielfältig die Methoden sind, welche der menschliche Erfindungsgeist hervorgebracht hat, um Fieber und Entzündung zu erzeugen. Daraus kann man schließen, daß diesen Mitteln der Erfolg nicht ganz gefehlt haben kann. Anderseits aber beweist wieder die Tatsache, daß der Methoden so viele sind, augenscheinlich, daß keine ihren Zweck vollständig erfüllt hat. Die meisten sind unzulänglich, weil sie die Bluttemperatur nicht erheblich steigern, wenn man nicht Übertreibungen riskieren will. Gegen die andere Gruppe muß man protestieren, weil schädliche, ja gefährliche Nebenwirkungen auftreten.

II.
Das Schwitzbad.

Wenn man frei ist von jenem medizinischen Aberglauben, der den einzelnen Heilmitteln mystische Wirkungen andichtet, so drängt sich von selbst die Frage auf: »Wozu diese umständlichen Methoden? Warum geht man nicht direkt ohne Umweg auf das Ziel los und erwärmt den Körper so lange, bis er die nötige Temperatur hat?«

Unsere Vorfahren, ebenso auch die meisten Völker des Erdballs, die zwar wenig Wissenschaft, aber einen gesunden Instinkt hatten, besaßen diese Methode schon vor mehreren tausend Jahren und wendeten sie mit größtem Erfolge und viel fleißiger an als wir. Dieses Mittel ist nichts anderes als das Schwitzbad. Weniger das Heißwasserbad der Japaner, das viel zu anstrengend für den allgemeinen Gebrauch ist, wenn man nicht von Jugend auf daran gewöhnt ist. Auch nicht das Dampfbad, das, ebenso wie das Wasserbad, die Schweißbildung behindert, die Regulierungsvorrichtungen des Körpers ausschaltet und überwiegend nur die Haut erhitzt. Sondern das Heißluftbad.

Ansicht der Stabianer Thermen, eines altrömischen Schwitzbades, nach den Ausgrabungen in Pompeji rekonstruiert. Das Schwitzbad spielte eine große Rolle im Leben des alten Römers, sowohl als Heilmittel wie auch als Stätte der Geselligkeit.

»Durch sechs Jahrhunderte hindurch bedurfte das badende Rom keines Arztes«, sagt ein römischer Schriftsteller. Die Heißluftbäder, welche man mit verschwenderischer Pracht ausstattete, versorgten es mit dem natürlichsten aller Medikamente, mit Wärme. Schon im grauen Altertum, 3000 Jahre vor unserer Zeit, erzählt der Dichtervater Homer von der Sitte, Krankheiten mit Hilfe des Schwitzbades zu heilen. Die Griechen brachten über ihren Wohnungen Terrassen, sogenannte »Solarien« an. Hier empfingen die Kranken und Schwachen von der Sonne des Südens die mächtige Arznei »Wärme«. Aber auch richtige Schwitzstuben, sogenannte »Pyriai«, besaß das alte Griechenland.

Unsere Urgroßväter im Mittelalter waren überaus eifrige »Schwitzer«. Sie trugen ihren Rheumatismus und ihre Gicht in die öffentlichen Badestuben, von denen sich in jeder Stadt eine Anzahl befanden. So fleißig waren sie im Gebrauch des Schwitzbades, daß der Erzbischof von Speyer einstmals Klage führen mußte, daß durch den enormen Holzverbrauch der Badestuben die Wälder verwüstet würden. Aber man badete nicht nur in den öffentlichen Schwitzbädern, sondern auch viele Privathäuser hatten ihre Badestuben. Mancherorts mußte allerdings ein Weinfaß als Schwitzkasten herhalten, welches durch heiße Ziegelsteine erhitzt wurde. Ja, in Ermangelung anderer Mittel wurde auch der Backofen als Schwitzraum benützt.

Das altmexikanische Schwitzbad, Temescale genannt, welches bei den Eingeborenen noch heute als Universalmittel gegen Erkältungen, rheumatische Schmerzen und andere Krankheiten gebraucht wird. Vorne ist der Heizofen sichtbar, durch den der Baderaum erwärmt wird.

Badestuben, welche dem deutschen Bade ganz ähnlich sind, findet man heute noch überall in Finnland und Rußland, wo kein Dorf, ja kaum ein Bauernhof ohne Schwitzkammer ist. Eine weitere Heimstätte hat das Schwitzbad im mohammedanischen Osten, daher der Name » türkische Bäder«. Sie fehlen in keiner Stadt, keinem Dorfe des Orients. Allein Konstantinopel hat 169 öffentliche Schwitzbäder, und mancher unserer Soldaten hat im Kriege dort Gelegenheit gefunden, sein Gliederreißen zu behandeln.

Als Cortez im Jahre 1519 nach Mexiko kam, traf er schon einfache, kuppelförmig gebaute Schwitzbäder an, Temescale genannt. Aus den Berichten von Forschungsreisenden kann man entnehmen, daß auch die wilden, unkultivierten Völker überall, selbst auf den weltabgeschiedenen Inseln im Ozean, ähnliche Einrichtungen benützen, soweit Sonne und heißer Sand nicht alle künstlichen Vorrichtungen überflüssig machen.

An manchen Orten gibt es natürliche Heißluft- und Dampfgrotten. Eine der berühmtesten ist die von Monsummano in Italien.

Über ihre Entdeckung erzählt man, daß der Arbeiter Benedetti, der seit Jahren an rheumatischen Schmerzen litt, die Grotte aus reiner Neugierde betrat und ungefähr eine Stunde darin verweilte. Da er Erleichterung seiner Schmerzen verspürte, kehrte er auch in den folgenden Tagen zurück, und mit ihm gingen andere Kranke hin. Der Erfolg war ein derartiger, daß die Grotte in kurzer Zeit berühmt wurde.

Der englische Weltreisende Urquhardt hatte sein Augenmerk auf die Schwitzbäder der verschiedenen Völker gelenkt und in fernen Schriften eindringlich auf sie hingewiesen. Er schreibt: »Wo das Schwitzbad Volksgebrauch ist, da können Gicht, Ischias und Rheumatismus nicht aufkommen, wenn es regelmäßig genommen wird.«

III.
Heißluftbad und Körperwärme.

Ein Grundirrtum bei der Anwendung von Schwitzbädern besteht darin, daß die Leute gewöhnlich nur darauf bedacht sind, einen möglichst starken Schweißausbruch zu erzielen, in der Idee, auf diese Weise eine recht ausgiebige Menge von Krankheitsstoffen aus dem Körper zu entfernen. Nun liegt aber die Quintessenz dieses Verfahrens nicht in der Ausscheidung, obwohl diese nützlich, ja unentbehrlich ist, sondern in der fieberhaften Erhitzung des Körpers.

Nach Vorgang der Ärzte Frey und Heiligenthal, welche eingehende Untersuchungen in den Schwitzbädern von Baden-Baden anstellten, habe ich mich ebenfalls mit vielfachen Versuchen über die Wirkung des Heißluftbades auf den Körper beschäftigt. Zu diesen Experimenten bediente ich mich des von der Firma Kreuzversand Klotz G. m. b. H. in München gelieferten »Kreuz-Thermalbades«, eines Kastenschwitzbades, bei dem sich der Kopf des Badenden im Freien befindet.

Das interessante Resultat dieser Versuche ist, daß man geradezu zwei Sorten von Heißluftbädern unterscheiden kann, nämlich » Schwitzbäder«, welche nur der Schweißausscheidung dienen, und » Erhitzungsbäder«, welche hauptsächlich künstliches Fieber erzeugen.

Bis zu einer Temperatur von 55 Grad Celsius nimmt die Schweißausscheidung mit dem Steigen des Thermometers zu, um bei dieser Temperatur den Höhepunkt zu erreichen. Diesen Höhepunkt der ersten Wärmestufe nennen wir den

 

Schwitzpunkt.

Mit weiterer Steigerung der Hitze im Heißluftbad wird die Schweißausscheidung nicht, wie man annehmen könnte, weiter vermehrt, sondern im Gegenteil verringert. Die Bluttemperatur dagegen beginnt nur langsam zu steigen und es gelingt ohne Beschwerden, dieselbe im Zeitraum einer halben Stunde um etwa 2 Grad Celsius zu erhöhen. Die zweite Wärmestufe, welche über 55 Grad beginnt, erzeugt also erst jenen Zustand der Erhitzung, welchen wir als künstliches Fieber bezeichnen. Wir nennen den Punkt der Thermometerskala, etwa 60 Grad Celsius, bei dem die Erhitzung des Blutes am günstigsten vor sich geht, den

 

Fieberpunkt.

Die durch das Schwitzbad erzeugte höhere Körperwärme verschwindet nicht mit dem Verlassen des Bades, sondern hält Stunden, ja in Ausnahmefällen sogar ein bis zwei Tage an. Das kann jeder leicht an sich selbst erproben, wenn er mit dem Fieberthermometer nach dem Bade Messungen (im After, nicht in der schweißfeuchten Achselhöhle) anstellt. Das Schwitzbad ist also nicht nur eine Prozedur, welche imstande ist, die Körperwärme zu steigern, sondern es vermag auch eine länger dauernde Wärmesteigerung zu erhalten.

Steigerung der Bluttemperatur bei langsamer Erwärmung im Heißluftbad. (Im Mund gemessen. Das Körperinnere hat etwas höhere Wärmegrade.)

Es scheint ein Gesetz der Weltgeschichte zu sein, daß alles wieder von neuem erfunden und »in Mode gebracht« werden muß. Ich beschäftige mich schon lange mit dem Studium des Schwitzbades und staune immer wieder darüber, daß ein so heilsamer Brauch unseres Volkes fast ganz in Vergessenheit geraten konnte. Nun, nachdem die Gründe für seine Wirkung aufgedeckt sind, nachdem es bewiesen ist, daß die Steigerung der Blutwärme auf ungefährliche, absolut harmlose Weise mit dem Heißluftbad erreicht wird, steht seiner umfassenden und zielbewussten Anwendung nichts mehr im Wege.

An Hand der obigen Versuchsresultate kann man auch verstehen, warum Schwitzprozeduren manchmal ohne durchgreifenden Erfolg gebraucht werden. Die Temperatur wird nämlich gewöhnlich zu niedrig gewählt. Darum bleibt die fieberhafte Erwärmung des Blutes, die unerlässliche Vorbedingung des Erfolges, aus. Wie man sieht, haben wir durch diese wissenschaftlichen Versuche einen großen Fortschritt gegenüber früheren Zeiten erzielt. Denn wir vermögen nun die Temperatur so zu bemessen, daß wir bewußt künstliches Fieber erzeugen, welches als Grundlage der Heilung anzusehen ist.

IV.
Ausscheidung.

Der Glaube, dass das giftige Kontagium durch den Schweiß ausgeschieden werde, ist uralt. Schon der römische Arzt Galen war der Ansicht, daß die Heilung der inneren Krankheiten durch Austreibung der Krankheitsstoffe erfolge. Insbesondere würden Stoffe von dünnerer Beschaffenheit durch die Haut auf dem Wege der Ausdünstung entfernt.

Das Vorkommen von Giftstoffen im Schweiß wurde vielfach nachgewiesen.

Schottin und Leube fanden kleine Harnsäurekristalle auf der Haut Nierenkranker. Köhler stellte fest, daß ein großer Teil der Harnsäure, welche sonst die Nieren ausscheiden, im Schweiß entfernt wird, ein Umstand, der für die Behandlung der Gicht bemerkenswert ist. Devoto gelang es, Aceton im Schweiß von Zuckerkranken nachzuweisen. Zu erwähnen ist, daß medikamentöse Gifte, wie Quecksilbersalze, Jodkalium und Arsen im Schweiße wieder zutage treten, weshalb Schwitzkuren schon lange zu dem Zwecke geübt werden, den Kranken, besonders Syphilitikern, vorher einverleibte Medikamente wieder aus dem Körper zu entfernen.

Wir können das Vorkommen des Erkältungsgiftes im Schweiß nicht direkt durch chemische Analyse nachweisen, da es sich hier anscheinend um hochorganisierte Produkte handelt, denen gegenüber unsere Kunst versagt.

Der italienische Gelehrte Queirolo hat nun den indirekten Beweis für die Ausscheidung desselben erbracht, indem er Kaninchen mit dem Schweiß von Rheumatikern impfte.

Vorerst stellte er fest, daß der Schweiß gesunder Menschen, wenn man ihn Kaninchen einspritzt, keinerlei krankmachende Wirkung ausübt, also ungiftig ist.

Nun stellte er denselben Versuch mit dem Schweiß von Rheumatikern an mit dem Resultat, daß die Kaninchen bald darauf verendeten.

Er machte auch ähnliche Experimente mit der Absonderung von Pocken-, Malaria- und Typhuskranken, bei denen er, um die Übertragung von Bakterien auszuschließen, den Schweiß wiederholt filtrierte und dann im Dampfsterilisierapparat sterilisierte, so den Beweis erbringend, daß der bald darauf erfolgende Tod der Kaninchen stets auf reine Giftwirkung (nicht Bakterienwirkung) zurückzuführen war.

Ähnliche Versuche wurden von Brunner, Röhrig, Arloing, Capitan und Gley, Mavrojannis und anderen gemacht, und zwar mit demselben Erfolg. Interessant ist, daß sich der Schweiß vom Menschen nach starker Muskelarbeit (Ermüdungsgifte) ebenfalls als giftig erwies und gewöhnlich den Tod der Versuchstiere herbeiführte.

Trotz dieser Beweise, welche so deutlich für die Wichtigkeit des Schwitzens sprechen, darf man nicht übersehen, daß die darauf gegründete Theorie, welche mit der Schweißausscheidung allein die Wirkung des Schwitzbades begründen will, eine große Lücke aufweist.

Organische Gifte stehen nämlich nicht so ohne weiteres der Ausscheidung zur Verfügung. Verbleiben sie doch gewöhnlich nicht im Blutkreislauf, sondern nisten sich, wie wir zur Genüge erfahren haben, baldigst in jenem Gewebe ein, das auf sie die meiste Anziehungskraft ausübt. Der Organismus ist also keine Retorte, aus der man mißliebige Dinge kurzerhand herausdestilliert. Alles, was sich im Körper einmal festgesetzt hat, unterliegt vorerst unweigerlich komplizierten inneren Prozessen, ähnlich dem Verdauungsvorgang im Magen und Darm. Erst wenn die Zermürbung, Verdauung oder Neutralisierung der Giftstoffe stattgefunden hat, erst dann und nicht früher sind die Krankheitsprodukte reif zur Ausscheidung durch die Haut. Wenn es aber ohne Fieber keinen Heilvorgang gibt, so hat erst die Wärme ihre Arbeit zu tun, nämlich die inneren Gewalten aufzurühren und die Feinde zu vernichten; dann erst können die Schweißdrüsen die Abfuhr des Unrats übernehmen.

Die fieberhafte Erhitzung ist also das Primäre, die Schweißausscheidung, wenn auch wichtig, ja unentbehrlich, das Sekundäre.

Nachdem die Schweißproduktion im Dampfbad nach Frey nur 200 bis 500 Gramm (nach Winkler 400 bis 600 Gramm) beträgt, im Heißluftbad dagegen 1000 bis 1500 Gramm, so ist der Vorteil des Heißluftbades gegenüber dem Dampfbad auch von diesem Standpunkt aus augenscheinlich.

Ein weiterer Vorteil des Heißluftbades ist, daß es besser vertragen wird als das Dampfbad. Deshalb können auch Patienten, welchen das letztere zu angreifend wäre, sich ohne Gefahr des ersteren bedienen. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß Dampfbäder die Schweißproduktion hindern, anstatt sie zu fördern, weil in dem feuchten Medium keine Verdunstung erfolgen kann. Damit ist es ähnlich wie bei heißen Sommertagen, an denen bei Luftfeuchtigkeit die Hitze doppelt drückend empfunden wird.

Weil die Absonderung des kranken Menschen giftig ist, so muß man es vermeiden, sowohl den eigenen Schweiß wie auch die Ausdünstung fremder Menschen einzuatmen, wie dies in den öffentlichen Badeanstalten gewöhnlich der Fall ist. Darum ist das Heißluftbad im Schwitzkasten, wobei der Kopf ins Freie ragt und reine Luft eingeatmet wird, jeder anderen Form des Schwitzbades vorzuziehen.

Das Schwitzbad am Südpol (nach Amundsen »Zum Südpol«). Wie sich die Polarfahrer in ihrer Eishöhle ein Schwitzbad zurechtmachen.

Das Resultat dieser Betrachtungen ist in kurzen Worten:

Das Heißluftbad ist ein Mittel, welches zwei Wirkungen in glücklichster Weise vereinigt. Erstens die Vernichtung der Krankheitsstoffe durch Fieberhitze und zweitens deren Ausscheidung mittels der Schweißdrüsen durch die Haut.


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