Frederi Mistral
Nerto
Frederi Mistral

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VII.
Der Teufel.

                 

Von Zorn und Ungeduld verzehrt
Und schlimmer als ein Heide fluchend,
Trat Rodrich aus den Aliscamp,
Vergebens rings nach Nerto suchend:
»O großer Geist der Finsterniß,
Du, König in den Höllenschlünden,
Deß Auge durch das Dunkel dringt,
Du, Wühler in der Erde Gründen,
O Lucifer!« sprach Roderich,
»Wenn ich Dir jemals angehangen,
Wenn ich Dir tapfer je gedient,
So laß' mich jetzt den Lohn verlangen:
Bei jenen fürchterlichen Worten,
Die ich Dir sagen will, entsprich
Jetzt unverzüglich meinem Wunsche
Und führe zur Geliebten mich;
Ich bin für Nerto's junge Schönheit
In glühn'der Leidenschaft entflammt,
Du mußt in meinen Arm sie geben,
Wär ich auch ewig drum verdammt!«
Und in die Nacht hinaus sagt Rodrich
Mit halber Stimme, dumpf und schwer,
Gen Mitternacht und gegen Mittag,
Ein Höllenvaterunser her . . .

Und gleich spricht eine tiefe Stimme:
»Dir sei des Glückes Gunst beschert,
Ich baue Dir zu Nacht ein Schlößchen
Mit Allem was Dein Herz begehrt:
Geh morgen frühe nach Laurado
Und willst Du voll befriedigt sein,
So hast Du dort die sieben Sünden
Und Nerto geb' ich Dir noch drein.«

Rodrigo war, hier sei's gesagt,
Trotz allem tollen Saus und Brause,
Trotz seiner Laster Uebermaß,
Ein Sohn aus altem, gutem Hause
Und Großmuth seines Wesens Kern.
Allein, durch schlimmen Zufalls Walten
Vier Jahre und elf Monden lang
Von Boucicaut im Schach gehalten,
Im Papstpalaste eingesperrt,
Zu langer Weile ohne Thaten
Verurtheilt, war der junge Herr
In's heilige Archiv gerathen
Und hatte in den Büchereien
Der Päpste, bis zum letzten Band,
Durchstöbert, was in langen Reihen
Sich dorten aufgestapelt fand.
Nun war der Papstpalast die Kufe,
In die des Menschengeistes Kraft
Geschäftig abgekeltert wurde.
Der Welt geheime Wissenschaft,
Verbotne Frucht, verborgne Kunst,
Des Irrthums und der Lüge Dunst,
Der Nekromanten frecher Trug,
Albertus Magnus und Adepten,
Viel Pergamente dunklen Sinns
Mit bösen Zanbertrank-Recepten,
Die Hexerei, Agrippa's Buch,
Der Ketzer fluchbeladne Thesen,
Beschwörung, Talmud, Kabbala,
Der Alchimie geheimstes Wesen,
Hermet'sche Kette, Stein der Weisen,
Salomonschlüssel, Drudeneisen,
Des Teufels ganze Waffenkammer,
Jedwedes sündige System
Und Alles, was der Päpste Weisheit
Mit Acht belegt und Anathem,
Lag hier dem Crucifix zu Füßen;
Denn, wie das Meer der Flüsse Lauf,
So nimmt die heil'ge Mutter Kirche
Der Menschheit ganzes Wissen auf
Und muß erst jede Meinung kennen,
Um sicher falsch von wahr zu trennen.

In diesem wilden Sumpfgestrüppe
Von Schlamm und schnöder Narrethei,
Im diesem dichtbelaubten Walde
Voll Finsterniß und Ketzerei
Versteckte sich der Teufel gern
Und sorgte, daß der schöne Neffe
Des Papstes eines Tags mit ihm
Von ungefähr zusammentreffe.

Mensch, Du willst wissen, wissen, wissen:
Wenn, was Dein Hirn erfaßt und sinnt,
Zur Ehre deß' dient, deß' die Ehre,
Gut! Aber füllst Du Dich mit Wind,
Willst, weil ein Elsternnest erstiegen,
Nun gleich bis in die Wolken fliegen
Und hinter Gottes Engeln jagen,
Das wirst Du schwerlich gut vertragen,
Und wenn Du auf die Nase fällst,
Darfst Du Dich weiter nicht beklagen.

Zu Avignon im Papstpalaste
War, wie es scheint, zu jener Zeit
Dem Bösen große Macht gegeben;
Denn uneins war die Christenheit
Im Großen Schisma, jenem Kreuz,
Das alle Frommen schwer bedrückte
Und Satan eine Freiheit gab,
Bei der ihm mancher Fischzug glückte;
Den größten aber that der Böse,
Als, eben jetzt, es ihm gelang,
Beim Mondlicht Rodrich zu erhaschen,
Des Papstes Neffe! Welch ein Fang!

Satan, Ihr wißt's, thut nach Belieben,
Sobald ihn Gott nicht streng bewacht.
Nun, diesmal baut der große Spötter
Ein ganzes Schloß in einer Nacht,
Ein Schloß im Flurbann von Laurado.
Am Ufer, dort beim großen Moor,
Nicht ferne von Sankt Gabriels Haine
Ragt wundervoll der Bau empor:
Nicht provençalisch und nicht gothisch,
Doch saracen'scher Kunst verwandt,
Erhoben sich in heiterm Prunke
Phantastisch Thürme, Dach und Wand.
Das Gold, der Schmelz, der Karmoisin
Erglänzten an den schlanken Bogen,
Um welche, wie ein Zauberkreis,
Sich bunte Arabesken zogen;
Gewundne Säulchen, schlangengleich,
Traufröhren in Gestalt von Drachen
Und Säulenschäfte, deren Fuß
Verschlungne Teufelchen bewachen;
Dann Thürmchen, die der Marabuts
Symbole auf den Spitzen tragen
Und mit des Halbmonds Hörnerpaar
Wie drohend in den Himmel ragen.
Und ringsum in den schmucken Friesen,
Ein Wirrwarr, bunt und dichtgeschaart
Von abenteuerlichen Zeichen
In Koranschrift, nach Maurenart.
Ganz oben, von des Giebels Spitze,
Gleißt eine Krone weit in's Land,
Aus Erz und Gold gewaltig ragend
Und reich verziert mit Teufelstand.
Das Schloß umgeben Zaubergärten
Mit Pflanzen, die das Land nicht kennt,
Mit Pfaden, deren Zickzack folgend
Der Wandrer in's Verderben rennt,
Wo hinter Büschen, hinter Bäumen,
Er falschen, süßen Lockruf hört,
Wo ihm ein Rauch von Wohlgerüchen
Im Augenblick den Sinn bethört . . .
Und dieses Schloß mit seinen Schätzen
Ist Rodrichs Herrschaft eingeräumt:
Hier findet er die Freuden alle,
Die sein verderbter Geist geträumt.

Der Säle sieben zählt das Schloß,
Darin die sieben Haupt-Dämonen
In unumschränkter Herrschermacht,
Die schwarzen Flügel regend, thronen.
Der große Fürst der sieben Sünden,
Der Stolz, bewohnt den ersten Saal,
Des Weihrauchs dichte, weiße Wolken
Verdunkeln hier des Tages Strahl;
Auf seiner Laute in dem schwülen
Gemache spielt ein Troubadour
Und Rodrichs hohe Thaten preisend,
Singt er zu seinem Ruhme nur;
Der, von des Wissens Früchten pflückend,
Des Höllenfürsten werther Gast,
Sein Herrschgebiet zu weiten wußte
Bis zum dämonischen Palast.
Er singt vom reifgewordnen Volke,
Deß ferner Freiheitsruf erklingt,
Von einer weisen Zukunftsmenschheit,
Die siegend die Naturkraft zwingt,
Allein des Weltalls Herrin bleibt
Und Gott aus seinen Tempeln treibt.

Im Zweiten ist das Reich des Neides.
Hier herrscht die schnöde Politik,
Hier sind die glühenden Verschwörer,
Zähnfletschend, heulend, Haß im Blick:
»Wann wird der Catilina kommen,
Der, eine Fackel in der Hand,
Umhergeht und in Roms Paläste
Zu schlendern wagt den Feuerbrand?
O! welches Glück, wenn Alles bärste,
Der Himmel selbst in Stücke fiel',
Es lebe Satan, hoch Leviathan!
Zerstörung sei das letzte Ziel!«

Im dritten Saale wohnt der Geiz:
Da sitzen mit gesträubten Haaren,
Entflammten Aug's, gestreckten Arm's,
Die Mammons feile Knechte waren;
Sie treiben den Betrug der Spieler.
Italiens, Frankreichs, Spaniens Gold,
Das Gold aus den Provencer Städten,
Auf ihren Tischen gleißt und rollt:
Und die Gesichter, bleich wie Wachs,
Sie folgen angstgespannt dem Balle,
Der klirrend durch das Glücksrad rollt . . .
»Wer setzt noch mehr? Wie! Schlafen alle?«
Und lachend reckt die Goldne ZiegeDie goldne Ziege (prov. La Cabro d'Or) ist, nach der Ueberlieferung, die gespenstische Hüterin eines Schatzes, den die Saracenen unter einem der alten Denkmäler der Provence vergraben haben sollen. Sie ist wahrscheinlich ein Anklang an den alttestamentarischen Bericht vom goldenen Kalbe. Die Sage von einem verborgenen und durch ein abenteuerliches Thier bewachten Schatze ist in unzäligen, durch die Oertlichkeit bedingten Gestalten so weit über die Welt verbreitet, wie die menschliche Goldsucht. In der Gegend, in welcher die vorliegende Erzählung spielt, glaubten die Einen, die goldene Ziege laufe jeden Morgen beim ersten Frühstrahle über den Hügel von Mount-Majour; andere behaupteten, sie liege unter dem Mausoleum von Saint-Remy oder in der Grotte von Cordo bei Arles, in deren Nähe die Saracenen zur Zeit Karl Martell's ein Lager aufgeschlagen hatten; wieder andere wollten sie in den Felsen von li Baus, der einstigen Feste des gleichnamigen provençalischen Fürstengeschlechtes, gesehen haben u. s. w. von Land zu Land.
Die Hörner durch der Spieler Riege.

Der Schlemmerei gehört der Vierte;
Hier tobt das schwelgerische Mahl
Beim heitern Klang der Prunkgeschirre;
Festgeber ist Sardanapal.
Ein Strom von roth und weißen Weinen
In goldnen Bechern schäumt und blinkt,
Der Courtisanen und der Prasser
Berauschte Horde ißt und trinkt;
Gelächter lohnt den frechsten Scherz . . .
Und während so, mit trunknem Lallen,
Die Zecher auf den Marmorflies
In Lachen Weines niederfallen,
Liegt draußen, vor dem offnen Thor,
Ihr Jauchzen hörend, der Gerechte . . .
»Stirb Du vor Hunger, Lazarus!
Beschimpft vom Trosse unsrer Knechte!«

Ein prächtig Ballfest gibt im Fünften
Der Wollust siebenhäuptig Thier.
Die Priesterinnen der Kythere
Und alle Töchter Baals sind hier;
Die reuelosen Sünderinnen,
Die ihren Leib zum Spiel gemacht
Und der Verdammniß Strafen leiden,
Durchtanzen eine tolle Nacht.
Gespenster spielen ihnen auf,
Sie kreisen wild und immer wilder;
Die nackten Leiber leuchten weiß,
Wie marmorkalte Götterbilder;
Beim Kerzenscheine schweben sie
Im Zug vorüber: Es ist Laïs,
Für die ganz Asien einst entbrannt,
Es ist Kleopatra mit Thaïs,
Es ist Aspasia, Messalina,
Der Strom ist's, der das Land verheert . . .
Sie lachen, doch in ihren Augen
Glüht eine Flamme, die verzehrt.

Im sechsten ist des Zornes Wohnung,
Des brüllenden. Der Wände Zier
Besteht aus Rüstungen und Waffen,
Und Blut bedeckt den Boden hier.
Man sieht zwei Fechter, schwertbewehrt,
Zum Tigersprung die Rücken beugen;
Auf Tod und Leben ringen sie,
Befeuert von des Zweikampfs Zeugen:
Hie Ismaël! Hie Israël!
Dem Einen geht die Kraft zur Neige . . .
Der Tod steht lauernd auf dem Flur
Und krazt dabei auf einer Geige.

Im letzten Saal, auf weichem Pfühl,
Dehnt sich die Trägheit. Hell beschienen
Von hundert Lampen liegen schlaff
Die nur des Leibes Pflege dienen.
In Weiberkleidern lauschen sie
Dem Spiel der Bühne. Süße Weisen
Berauschen sie . . . sie schlummern ein . . .
Doch schon erklirrt des Feindes Eisen
Und auf die Wälle Ninive's,
Des unbewehrten, mordend, zündend,
Steigt der Barbaren Uebermacht,
Das Strafgericht des Himmels kündend.

Rodrigo geht von Saal zu Saal.
Doch von der Provençal'schen Nonne,
Die Satan ihm versprochen hat,
Von seines Herzens lichter Sonne,
Sucht er vergebens eine Spur . . .
Er findet Qual und Ekel nur . . .
Und, um das Herzweh zu zerstreuen,
Das ihn verzehrt, geht er hinaus
Und späht, beim Abenddämmerlichte,
In's weite Feld nach Nerto aus.
Der Tag versank; es war die Stunde,
Die dem Verliebten Thränen bringt,
So oft ihm nicht, im stillen Garten,
Des Liebchens leichter Schritt erklingt;
Die Angst bringt oder süße Wonne,
Lust oder der Verzweiflung Nacht,
Die Leben gibt dem Tiefstgebeugten,
Den Tapfersten erzittern macht.
Und aus dem schwarz gewordnen Walde
Tritt Nerto jetzt, voll Furcht, hervor.
Vor ihr erglänzt, mit dichtem Sumpfgras
Durchsetzt, das weite, todte Moor;
Das Wasser der Lagune blinkt,
Blaß leuchtend schwimmen auf dem Becken
Seerosen, die den Spiegel rings
Mit ihren breiten Blättern decken . . .
Wohin des Wegs, Du armes Kind? . . .
Als Nerto sich zur Seite wendet,
Ist plötzlich ihr erstaunter Blick
Vom hellbeglänzten Schloß geblendet
Und, wie die Lerche nach dem Spiegel,
Der Falter nach der Lampe fliegt,
So, meiner Treu, eilt unbesonnen,
Sie nach dem Licht, das vor ihr liegt,
Dem Schlosse zu, deß offne Fenster
Buntfarbig strahlen durch die Nacht,
Und dessen Giebel weithin leuchtet
In zauberhafter Flammenpracht . . .

»Nerto!« erschallt des Jünglings Ruf;
Und auf des Gartens ebnen Wegen
Eilt er der Nonne, die erschöpft
Herbeikommt, windesschnell entgegen;
Und auf die Kniee sinkt er nieder.
»Wo sind wir?« fragt das arme Kind,
»Was ich hier sehe, flößt mir Furcht ein!«
Und er, wie träumend: »Wo wir sind?
Wir sind vereint, mein süßes Mädchen,
O Seligkeit! Noch faß' ich's kaum,
Wir sind vereint im Paradiese,
Und Wahrheit wird mein goldner Traum!
Mein Auge sieht, von Glück berauscht,
Des Himmels höchste Wonnen winken;
O laß' mich, holde Blume Du,
Aus Deinem keuschen Kelche trinken!
Seitdem ich Dich zum ersten Male
In Avignons Palast gesehn,
Voll edler Anmuth und voll Kühnheit
Zum Papste sprechend: Laßt uns gehn!
Seitdem ich weiß, welch reines Sinnen
Und Trachten Deine Seele lenkt,
Hat sich das Banner meines Stolzes
Vor Dir, Du Liebliche, gesenkt!
Im Angesicht der ew'gen Sterne,
Bei ihrem heilig milden Licht,
O Nerto, heute, hier, versprich mir,
Was meine Seele Dir verspricht:
Liebe, Liebe!«

                        Und Don Rodrigo,
Die Hand der süßen Freundin fassend,
Drückt glühend Kuß um Kuß darauf;
Sie aber tritt zurück, erblassend,
Und spricht: »Ich bin dem Herrn geweiht!
Der heil'ge Schleier, den ich trage
Und dies Gewand, sie binden mich,
Und Gott gehören meine Tage . . .
Indessen muß ich Euch gestehn:
Wenn hinter meines Klosters Gitter
Dem Herzen ein Bedauern bleibt,
So ist's um den bescheidnen Ritter,
Der, aus der tödlichen Gefahr,
Am Tag von Arles, mein Retter war . . .
Dann haben sie mich weggetragen,
Bei Nacht, durch eines Klosters Thor,
In Wirbeln lebender Gespenster,
Ein Traum, deß Faden ich verlor.
Doch eines blieb mir treu im Sinn
Und an mein Denken festgekettet,
Der Ritter, dessen Tapferkeit
Mich vor gewissem Tod errettet,
War Roderich! Und könnte je
Vor allen Schrecken und Gefahren,
Vor allem Bösen, das mir droht,
Ein Freundesopfer mich bewahren,
Des Unheils finstre Schatten bannen,
So ist es Roderich allein,
Mir sagt's mein Herz, der dies vermöchte!«
Und er zu ihr: »So soll es sein!
Komm mit mir!« Und er führt sie fort,
Er triumphirend, sie halb zagend,
Ins Schloß, das ihres Kommens harrt,
Im Feuerschein gen Himmel ragend.

Im Schlosse angelangt, betreten
Sie einen kleinen, stillen Saal,
Und Rodrichs Liebesworten lauschend
Bebt Nerto's Herz in Glück und Qual.
»O meine schöne Nonne!« spricht er,
Auch ich darf mein Geheimniß Dir,
Das schreckliche, nicht länger bergen:
Im Schloß des Teufels sind wir hier . . .
Er ist mein Freund, sei ohne Bangen.
Wenn Gott der Herr sein Schläfchen hält,
Muß Jemand doch für ihn regieren;
Ob Himmel oder Unterwelt
Ist gleich. Ein Thor verschmäht die Nacht,
Woher sie sei; und seine Gnaden,
Der Satan, nützt mir, wo er kann,
Denn wir sind alte Kameraden . . .

Auf schreit die Nonne, schreckensstarr:
»O Gott! Nun kann mir nichts mehr frommen!
Da ich in seinem Hause bin,
So ist der böse Tag gekommen.
So hört denn, in der dunkeln Stunde,
In der mein Seelenheil versinkt
Im Abgrund meines grausen Schicksals,
Den Schrei, der sich der Brust entringt:
Ja! Nerto liebt Euch! . . . Wehe mir! . . .
Und wär's, daß unser Loos uns eine:
Kann den Verdammten Liebe blühn?
Nein! In der Hölle gibt es keine!
Doch wie, wenn Ihr die Ketten brecht,
Die Eure Seele jetzt umschlingen,
Um, durch der Reue Flügelschlag,
In jene Höhen Euch zu schwingen,
Wo Liebe ohne Ende wohnt,
Wo die Geläuterten und Reinen
In wonnetrunkner Dankbarkeit
Am Busen Gottes sich vereinen!
Dann glaub' ich, wär' zu gleicher Zeit
Erlösung auch für mich gefunden,
Denn, Himmel oder Höllennacht,
Untrennbar doch sind wir verbunden.«

»Nerto!« entgegnet er betrübt,
»Du mußt den Widerspruch vergeben,
Ach, Deine Rede tönt so süß,
Doch sieh, so sündhaft war mein Leben,
Daß ich, wie ein Galeerensklave,
An meine Bank gekettet bin;
Ob gern, ob ungern, muß ich rudern,
Wär' noch so reuevoll mein Sinn!
Zu viel, zu viel hab' ich gesündigt,
Ein ganzes Meer wäscht es nicht fort . . .
Du siehst sie, jene weiten Säle,
Des Lasters fluchbeladnen Ort?
Was dort geschieht, ist meines Lebens
Getreues Bild! Und nun, zu sehn,
Daß Du, Unschuld'ge, Engelreine,
Mich liebst, läßt mich vernichtet stehn« . . .

»Rodrigo! Eine echte Reue
Wiegt eine lange Buße auf,«
Spricht Nerto, »Muth! Der Herr ist gütig!
Nur einen Blick zum Himmel auf!«

Als sie verstummen, pocht es dreimal
Ans Hauptthor, wie von Riesenhand;
Die Riegel schieben sich geräuschlos
Von selbst aus ihrem Eisenband;
Die Lichter alle rings erbleichen,
Ein Schauder rieselt durch's Gemach
Und wie vor einem Wirbelsturme
Erzittern plötzlich Wand und Fach.
Ein großer Herr mit spött'scher Miene
Erscheint: In schwarzem Schleppgewand,
Die rothe Feder auf dem Hute,
Den Rock voll goldnen Flittertand.

Nerto ergreift den Rosenkranz;
Bleich steht sie, ohne sich zu regen.
Rodrigo, stolz wie Artaban,
Geht dem Gefürchteten entgegen
Und durch die dämmrigen Gemächer,
Wo auf geschmückter Sündenbahn
Das freche Laster wandelt, treten
Die Beiden einen Rundgang an.
Und schnell vor ihrem Herrn und Meister
Von rechts und links, von Raum zu Raum,
Verbeugen tief sich Herrn und Damen;
Er aber achtet ihrer kaum.
»Nun? Jene hübsche, kleine Nerto?«
Spricht Satan jetzt, »ich hoffe sehr,
Daß Du mit mir zufrieden sein wirst?«
»Ich wär' es freilich noch viel mehr,«
Sagt Rodrich, »wenn der Schandvertrag,
Den damals, an dem Unglückstag,
Ihr Vater mit Dir schließen wollte,
Von heut' an nichts mehr gelten sollte« . . .
»Ei, ei, mein Freundchen,« grinst der Böse,
»Dich stach ein kleines Bienchen wohl?
Du bist doch sonst ein kecker Bursche,
Die Hand nicht faul, den Kopf nicht hohl,
Hat Dich ein Nönnlein in drei Tagen
Mit Vaterunsern breit geschlagen?
Es ist ja wahr, sie ist ganz reizend,
Ein weißes Träublein, süß und fein,
Des Teufels Schönheit, sechszehn Jahre:
Und eine Nonne obendrein!«

»Herr Satan, reden wir vernünftig,«
Erwidert Roderich empört,
»Zunächst, verschont mit Euren Scherzen
Dies arme Kind, das mir gehört;
Ihr wißt, daß Rittern schmachvoll scheint
Zu lachen, wenn die Liebe weint!«
Und, auf die Lippen beißend, führt er
Die Hand zum Schwertgriff . . . Aber der,
Die Feueraugen furchtbar rollend,
Lacht höhnisch: »Was? Ich bitte sehr!
Das Dir gehört? Du willst wohl sagen:
Das uns gehört, mein kluger Sohn . . .
Sieh' da, Du hast mich wohl zum Besten,
So sät man Dank und erntet Hohn!
Ich habe sie Dir zugeführt,
Verliebt, unschuldig und ergriffen,
Ich habe Dir das Brot gebracht,
Das Messer Dir dazu geschliffen,
Auf meinem Tisch, in meinem Schloß,
Ich wollte alle Herrlichkeiten,
So viel Du ihrer nur begehrst,
Im Nu zu Deinen Füßen breiten
Und Du, noch immer nicht zufrieden,
Hast Dir ein Märchen ausgemalt
Und willst mich um die Seele prellen,
Die ich mit schwerem Gold bezahlt?
Die ich ganz neu für mich gekauft;
Du hältst mich wohl für einen Andern?
Ja, schwarze Seelen, pfui wie schwarz,
Seh' ich genug zur Hölle wandern,
Doch seit ich in den Tiefen herrsche,
War mir noch nie ein Fang geglückt
Wie dieser, eine reine Seele,
Die mein zu wissen mich entzückt.
Nerto, mein weißer Seraph, wird
Die Perle meiner Sammlung bilden,
Sie sei mein Ruhm und mein Triumph!
Denn sie auf höllischen Gefilden
Straft Lügen Euren ganzen Plunder,
Erlösung, Taufe, Gnadenwunder . . .
Laß' nur die Mitternacht erst kommen,
Dann wird sie, pst! hinabgenommen!«

Kaum hatte des Verworfnen Rede
Geendet, als in heller Wuth
Des Papstes ritterlicher Neffe
Sich auf ihn stürzt, mit Löwenmuth.
Den Kreuzesknauf am blanken Degen
Hält er dem Höllischen entgegen:
»Hie Vater, Sohn und heil'ger Geist!
Weist Du, Verruchter, was das heißt?
Zurück, zurück, Du alter Drache!«
Schreit er. Ein starker Donnerschlag
Folgt auf des heil'gen Kreuzes Zeichen:
Die Blitze wandeln Nacht in Tag,
Ein Ungewitter, fürchterlich,
Im Kampf der losgelassnen Stürme
Verschlingt in seines Tobens Wuth
Die Giebel, Wände, Dach und Thürme,
Den Garten mit den seltnen Bäumen,
Das ganze schöne Zauberschloß,
Fegt Alles weg, sammt Don Rodrigo,
Dem Teufel und des Teufels Troß.

Nichts als ein Nonnenbild aus Stein
Blieb stehn. Die Nachgebornen fanden
Es aufrecht, mitten auf dem Plan,
Am Platze wo das Schloß gestanden.


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