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Kastell-Reinard ist voll Geräusch.
So lange seine Mauern ragen
An der Dürance Inselbord,
Hat niemals es sich zugetragen,
Daß Pracht und Prunk in solcher Fülle
Man in dem stolzen Schloß gesehn,
Wie es in diesen Ehrentagen
Nach langer, stiller Zeit geschehn.
Sankt Petri hartbedrängtes Schiff
Lag wohlgeborgen an dem Riff,
Das dorten ragt. Der Oberhirte,
Auf sicherm Boden angelangt,
War frei und die Gewalt des Amtes
Hatt' er sich voll zurückerlangt.
Aus der Provence, aus Frankreich selbst,
Zu Fuß, zu Roß, in hellen Haufen,
Den freigewordnen Papst zu sehn
Kam Groß und Klein herbeigelaufen,
Laut rufend: »Benedict soll leben!
Gott mög' ihm lange Herrschaft geben!«
Der tapfre König Fourcauquiés,
Neapels und vom heil'gen Grabe,
War zugereist in großem Prunk
Mit seinem Adel, Hof und Stabe;
Atlas und glänzenden Brocatstoff
Und blaßroth köstlichen Damast,
Mit Hermelin, mit Grün auf Goldgrund,
Umdrängt des Landvolks grober Bast.
Der junge Provençalenkönig
Inmitten der Vasallen Schaar
Will, daß der Papst ihm eigenhändig
Den Ehbund segne am Altar:
»Ihr seid,« spricht er zum heil'gen Vater,
Bei mir jetzt und in meiner Hut,
Ich will doch seh'n, wer da, wo ich bin,
Noch etwas Euch zum Schaden thut!
Papst Clemens (mög' ihn Gott erhöh'n)
Geruht' in Avignon zu salben
Mein siebenjährig Königshaupt,
Deß denk' ich dankbar allenthalben!«
Yolanthe, seine holde Braut,
Aus Aragonien zu geleiten
Sind Spaniens Abgesandte hier
Bei König Ludewig dem Zweiten.
In ihrem grünen Prachtgewand,
Stolz überblickend das Gedränge,
Antwortet durch ein Lächeln nur
Yolanthe auf den Gruß der Menge.
Das Volk sagt: »Welche Königin!
Seht wie sie blickt, wie sie sich wendet,
Der Bräutigam ist zwar recht schmuck,
Doch ihre Anmuth ist vollendet!
Die anderen Damen neben ihr,
Was sind sie? Nichts! Sie ist vollkommen,
Ihr Auge strahlt wie Sonnenschein,
Der Reif und Schnee hinweggenommen!«
»In ihrer Diamanten Pracht
Wird übermorgen vom Gemahle
Nach Arles die Königin geführt
In Sankt Trophimi Kathedrale« . . .
»Die Erde muß in Lieb' erglühen
Für die Prinzeß von Aragon!«
»Das Volk wird Farandole tanzen
Von Nizza bis nach Taraskon!«
»Von jedem Zweig' an ihrem Wege
Sei ihr ein Willkomm zugewinkt!«
»Man will, so heißt es, Münzen werfen,
Bis ringsumher der Boden blinkt« . . .
»Und wer jetzt mit dem heil'gen Vater
Anbinden will zu neuem Streit,
Dem steht der kleine König Ludwig
Mit seinem guten Schwert bereit!«
»Dono Yolanth' ist überreich:
Neun Gallionen, goldbeladen,
Warten auf Wind zur Einfahrt nur . . .
Das ist die Mitgift ihrer Gnaden.«
»Potz Blitz, nur schnell stromauf damit!
Da fliegen Truhen auf und Thüren!«
»Neun Gallionen, Element!
Jetzt kann der König Kriege führen« . . .
»Und, wenn er will, dem armen Volk
In der Provence die Steuern mindern« . . .
»Setzt' er nur erst das Salz herab,
Wir wären froh mit unsern Kindern!«
Derweil die Menge also plaudert
Und das Gewühl sich stets vermehrt,
Geht Nerto, der die bange Sorge
Das arme, blonde Haupt beschwert,
Zum Papst hinab in die Kapelle,
Erzählt ihm Alles, was geschehn:
»Ich habe Euch gerettet,« spricht sie,
So laßt jetzt mich um Rettung flehn!
Ihr seht mein fürchterlich Geschick,
Auf Euch muß ich mich jetzt verlassen,
Denn bald, vielleicht gar morgen schon,
Kommt der Verderber mich zu fassen!
O heil'ger Vater, steht mir bei,
Euch ist ja die Gewalt gegeben,
Ihr habt die Schlüssel in der Hand
Zur Hölle wie zum ew'gen Leben!
O schützt mit Eurem Einfluß mich,
Um Gottes Willen, habt Erbarmen,
Beschwört des Lügengeistes Macht,
O Vater, Vater, helft mir Armen!«
Der Papst bleibt eine kleine Weile
Wie in Gedanken tief versenkt;
Dann ruft er laut: »Der sei mein Zeuge,
Der meines Herzens Willen lenkt,
Daß ich für dieser Seele Heil,
Die so verrathen und verlassen,
Die heiligen Gewässer möcht'
Aus ihren Ufern treten lassen!
Allein, mein armes Kind, es gibt
Von uns zur Hölle keine Brücke
Und meinem Reich ward keine Macht,
Zu bändigen des Satans Tücke . . .
Ich kann wohl aus des Fegefeuers
Geheimnißvoller Flammenpein
Mit Hülfe von Gebet und Ablaß
Die Seelen vor der Zeit befrei'n;
Hat Euch jedoch der Gottseibeiuns
In seine Reusen erst verstrickt,
Ist's nur ein Wunder aus der Höhe,
Das seiner Herrschaft Stäbe knickt . . .
Drum bitten wir den lieben Gott
Und die mit ihm den Himmel leiten,
Maria, Petrum und Sankt Paul,
Daß sie die Palme Dir bereiten!
Um Michaels, des Helden, Schutz
Und seiner Engel laß' uns beten,
Und um zu bitten wie sich's ziemt,
Sieh, mußt Du in ein Kloster treten.
Du weißt, daß morgen man nach Arles,
Des Königs Hochzeit halber, reitet;
So Gott will gehn wir Alle mit . . .
Und Du, mein Kind, wirst dann begleitet
Nach Sankt Caesari Nonnenhort –
Dies muß geschehn – und bist Du drinnen
Und betest eifrig, spät und früh,
So wirst Du auch das Heil gewinnen.«
Im Monat Mai sind kurz die Nächte.
Am Morgen früh', noch tagt es kaum,
Ist auf der ganze Hof. Die Zelter
Mit prächtigem Geschirr und Zaum
Wiehern und scharren vor dem Schlosse.
In seidnen Mantel eingehüllt,
Das Haar in Flechten aufgebunden,
Besteigt, erfrischt und mutherfüllt,
Manch' edle Dame flink ihr Roß.
Die Herrn, mit höfischer Geberde,
Wetteifern an Geschicklichkeit
Und Papst und König sind zu Pferde. –
Indeß der reichgeschmückte Zug
Sich ordnet um davon zu reiten, –
Mit spitzer Mütze auf dem Kopf,
Vom Volk bestaunt von allen Seiten,
Erscheint des Königs Astrolog
Um wahrzusagen. Seine Witze
Reißt drauf der Narr und auf den Zwerg,
Den Buckligen, zielt ihre Spitze.
Der schneidet gräuliche Gesichter
Und über diese lacht der Mohr;
Aus seiner maulbeerschwarzen Larve
Blinkt schneeweiß das Gebiß hervor.
Zur Seite, in den Oelbaumgängen,
Die an des Hügels Fuße blühn,
Sieht man zu Roß die jungen Dämchen
Sich um den Preis im Rennen mühn,
Derweil die Pagen, lustgetragen,
Sich neckend mit den Rüden jagen.
Jetzt reitet in die Morgenfrische
Die lange Reihe froh hinaus.
Das Lied »Die schöne Margot« blasend
Sprengt ein Trompetertrupp voraus.
Die Nachtigall begrüßt den Morgen,
Die Blumenkelche thun sich auf
Und senden, aus dem grünen Schimmer
Der Felder, süßen Duft herauf.
Im Winde ob den Häuptern wehen
Die Banner und die Fahnen bunt:
Es flattert auf den seidnen Falten
Die Lilie, weiß auf blauem Grund,
Und in des Morgenlichtes Flut
Schwimmt Aragoniens Gold und Blut.
Die Sonne steigt, es spinnen sich
Goldfäden ab von ihrem Rocken;
Sie lacht die Damen an und küßt
Den Thau aus ihren feuchten Locken.
Der Papst, der König und Yolanthe
Gemächlich ziehn. Der König spricht:
»Im nächsten Monat, wenn im Golfe
Am günst'gen Wind es nicht gebricht,
Bin ich entschlossen nach Neapel
Zu segeln. Diesmal kostet's Blut,
Und Lancelot, der Kronenräuber,
Sei wohl vor mir auf seiner Hut!
In Marseille liegen meine Schiffe,
Tartanen und Galeeren viel
Und wohlbemannte Brigantinen
In bestem Stand vom Top zum Kiel.
Manch prächtigen Camargo-Hengst
Soll meine Flotte südwärts tragen,
Dreitausend Reiter schiff' ich ein,
Des Frevlers Stunde hat geschlagen:
Ich wär' ein Narr, gäb' ich verloren
Den Anspruch auf Neapels Land,
Das schon vor über hundert Jahren
Mein Vorfahr unserm Haus verband;
Dolce paese, lind umflossen
Von blauer, sonnbeglänzter Fluth;
Die Königsgrafen der Provence
Verzichten nicht auf solches Gut!
Man stammt nicht vom erlauchten Karl
Um Königlein zu sein in Arles.«
Die schöne Braut aus Aragonien
Spricht drauf zum König: »Theurer Sire,
Nehmt Ihr mich mit?« – »Wenn ich Euch bitte,«
Versetzt der König, daß Ihr hier
An unsrer Statt des Reiches waltet,
So wolle Euer edles Herz
Es mir verzeihn: Doch Niemand könnte
Mein armes Land aus Noth und Schmerz
Wie Ihr erheben, seine Wunden
Wie Ihr mit sanfter Hand gesunden.
Denn jener Gaugraf von Tureno,
Deß Kriegsruf: »Murre Bauer!« war,
Hat dieser Gegend schweren Schaden
Und Leid gebracht, wohl zwanzig Jahr!
Die Klöster und die Städte plündernd,
Den Bauern raubend Geld und Gut,
Die Frauen schändend und die Männer
Erwürgend, tobte seine Wuth;
Die Königsmacht war sein Gespötte,
Ihr Drohen schlug er in den Wind,
Denn meine Mutter war verwittwet
Und ich ein zartes Königskind.
Doch endlich siegt des Volkes Abscheu,
Entrüstet, zornig steht es auf,
Die Rufer eilen durch die Thäler,
Milizen rotten sich zu Hauf:
Von Taraskon bis Fourcauquié
Ertönt der Glocken Sturmgeläute,
Der Bauer waffnet sich und jagt
Den grimmen Wolf von seiner Beute,
Die Sensenmänner ziehn durch's Land,
Man hängt die Räuber kurzer Hand,
Man stürzt sie köpflings in die Brunnen,
Tureno selber, schwer bedrängt,
Gehetzt, umzingelt und erschrocken,
Hat in der Rhone sich ertränkt.«
Dieweil der König also redet
Lenkt sacht ein junger Kavalier
Sein schwarzes Pferd an Nerto's Seite
Und neigt mit Lächeln sich vor ihr.
»Ich hatte,« spricht sie, »nicht gehofft,
So bald Euch wieder zu begegnen.«
»Der Falter fliegt der Rose nach,«
Erwidert er, »die Kugeln regnen
Nicht mehr auf Benedicts Palast;
Als Boucicaut die Flucht vernommen,
Zog er davon mit seinem Heer,
Und also bin ich hergekommen . . .
Allein der Weg wird viel zu kurz
Und viel zu groß das Glück mir scheinen,
Dürft' ich in dieses Festes Lauf
Als Euer Ritter Euch mich einen.«
»Euch geht es wie dem Mandelbaum,
Dem Frost zerstört die Blüthenwonne,
Denn morgen, Jugend fahre wohl!«
Versetzt sie, »bin ich eine Nonne.
In's Große Kloster muß ich treten
Und Tag und Nacht um Rettung beten.«
»Ihr glaubt, das Kloster könne Euch,«
Spricht Rodrich, »vor dem Teufel schützen?
Was wird's bei ihm, der klettern kann
Wie eine wilde Katze, nützen!
Er, der durch Schlüssellöcher schlüpft,
Was kümmern ihn die höchsten Mauern?
Er kennt die Wege hundertfach,
Euch nach Belieben aufzulauern!
Und, wenn er will, mein armes Kind,
Braucht er die Flügel nur zu wetzen,
Um als ein Mückchen, sum, sum, sum,
Auf Euer Meßbuch sich zu setzen!
Was kümmern Riegel ihn und Schlösser
Und unaufhörliches Gebet,
Ihn, den, als Veilchenduft, ein Windhauch
Vielleicht in Eure Zelle weht,
Der als ein feiner Sonnenstrahl,
Als einer Laute süßes Girren
Sich einschleicht in der Kirche Chor,
Das arme Herz Euch zu verwirren!
Weihwasser könnt Ihr lange sprengen,
Er wird, wie eine Fledermaus,
Im Hof sich an die Balken ducken,
Und wenn Ihr schlaft, fliegt er in's Haus;
Und in den Faden Eures Traumes,
An Euer Polster still gelehnt,
Verflicht er Euch den Schatten dessen
Nach dem, vielleicht, Ihr Euch gesehnt!
Und seufzend denkt man beim Erwachen
An ein geliebtes, theures Bild,
Man öffnet weit die weißen Arme,
Doch ach! das Herz bleibt ungestillt . . .
Das Blendwerk winkt aus weiter Ferne
Und fliegt zum Himmel in die Sterne!«
»O schweigt,« ruft Nerto, »bitte, schweigt,
Ich hör' Euch gern, ich sag' es offen,
Und doch, so oft Ihr etwas sprecht,
Bleib' ich, ich weiß nicht wie, betroffen.
Ein Purpurtrank sind Eure Worte,
Denn wenn man Eurer Rede lauscht,
Ist sie, wie junger Wein, erquickend,
Doch plötzlich fühlt man sich berauscht . . .
Nun seht, schon red' ich wirre Dinge . . .
Und wüßt ich Euch nicht nah verwandt
Und treugesinnt dem heil'gen Vater,
Glaubt' ich vom Bösen Euch gesandt!«
Und längs der Arlatiner Straße,
Im Paßgang bald und bald im Trab,
Ritt frohgemuth der edlen Damen
Und Herrn Geleit, bergauf, bergab,
Durch Wiesen, Gärten, Weizenfelder;
Voll Neugier blicken auf das Fest
Vom Ulmenbaum die jungen Elstern
Aus ihrem dornumsäumten Nest
Und schreien laut: »Was soll das heißen,
Von Gold und Silber solch' ein Gleißen!«
Der König sprach: »Ich muß als Sieger
Italien mir zu Füßen sehn:
Die Florentiner und Sienesen
Sind ganz bereit, mit uns zu gehn,
Bologna, Pisa wollen mir,
Wenn ich's verlange, Truppen senden,
Und in Calabrien wird sich bald
Das Blatt zu unsern Gunsten wenden;
Dann wollen wir den Berg Vesuv
Ringsum mit unsern Zelten zieren
Und uns mit Hof und Ritterschaft
Im Castell' Uovo einquartiren . . .
Und kniet der Widersacher erst
Besiegt an unsres Thrones Stufen,
Und liegt die Macht in unsrer Hand,
So werden wir nach Rom berufen
Ein Oekumenisches Concilium,
Das in der abendländ'schen Welt
In Eure Obedienz, o Vater,
Die sämmtlichen Gewissen stellt.«
»Gott helfe Euch, mein edler Sohn!«
Sprach drauf der Papst, »Er wolle geben,
Daß Ihr von Allem, was Ihr plant,
Die reichste Ernte mögt erleben!
Da nun die Krone Aragons
Euch durch Yolanthe's Gunst verbunden,
So könnt' es sein, daß die Provence
Den Gipfel ihrer Macht gefunden,
Und daß, als Hort der Christenheit,
Die drei katholischsten Nationen,
Mit der Provence als führend Haupt,
Bald unter einem Scepter wohnen:
Er hat es leider nicht erlebt,
Doch Aehnliches hat vorgeschwebt
Dem großen Kaiser Constantin,
Als er, inmitten seiner Siege,
Das neue Weltreich gründen wollt'
Und Arles erkor zu dessen Wiege.«
Von Zeit zu Zeit wird das Gespräch,
Das so sie führen, abgeschnitten,
Weil auf der Straße Leute knien,
Die um des Papstes Segen bitten.
Denn dicht am Wege lag das Volk
In langen Reihen, Männer, Frauen,
Von links und rechts herbeigeeilt,
Zum heil'gen Vater aufzuschauen:
Die Bauern all' mit Weib und Kind,
Fuhrleute, Knechte, Feldgesind.
Der Papst schlägt mit der magern Hand
Das Kreuzeszeichen nach den Armen:
»Die Mühsal,« spricht er, »werd' Euch leicht
Durch Gottes himmlisches Erbarmen;
Er gieße seinen Segen aus
Auf Eure Kind' und Kindeskinder!
Auf Eure Scheunen, auf das Feld,
Auf Eure Ernten und nicht minder
Auf den, der nur die Aehren liest!
Er laß' aus Wen'gem Vieles werden,
Er segne Euer schwarzes Brot!
Die Hirten segn' er und die Heerden!
Sein Friede sei mit Euch, er ist
Die höchste Freude doch von Allen!
In Perlen wandle Tropfen er,
Die von des Armen Stirne fallen!«
Die Damen, unterdessen, riefen:
»Wie herrlich glänzt der Sonnenschein!
O seht, wie die Narcissen sprießen!
Und plötzlich sprengen querfeldein
Die Vordersten im langen Zug,
Die andern nach, und in die weiten
Paiado, wo der Weizen blüht,
Sieht man sie lustig winkend reiten.
Die Herzogin von Ravousseto
Trägt einen Falken auf der Hand;
Sie ruft: »Auf, laßt uns Lerchen jagen!«
Und löst behend das Kappenband
Des großen Vogels: Hoch und höher
Schwingt er sich in den Himmelsraum;
Ihm folgen Alle mit den Blicken,
Man sieht ihn wie ein Pünktchen kaum;
Und jetzt beginnt es Blut und Federn
Zu regnen auf die grüne Au.
Gefolgt von zwanzig Kavalieren
Sprengt im Galopp die schöne Frau
Durch halbgereifte Weizenstände.
Zermalmend stampft der Rosse Huf
Des Bauern Hoffnung in den Boden;
Die Luft erdröhnt von Jubelruf.
»Seid Ihr der Weltlust noch nicht satt?
Ihr solltet Euch gewiß bekehren!«
Spricht Nerto jetzt zu Roderich,
»Denn seht, nach unsrer Kirche Lehren
Gibt es nichts Schöneres auf Erden,
Als wenn die Sünder heilig werden,
Wenn unserm Heiland eine Jugend
In ihrem Blüthenmai sich weiht,
Und wenn zu Gott ein reuig Herze
Aufsteigt im Durst nach Seligkeit!
Bedenkt doch, bitte, daß das Grab,
Wer weiß wie bald schon, auf uns lauert
Und daß, was wir auf Erden thun,
Dies kurze Dasein überdauert
Und uns begleitet auf der Reise,
Daß unser Leben, wie ein Fluß,
Sich in das Meer der Ewigkeiten
Einst, ohne Umkehr, stürzen muß;
Daß hier wir nur zur Prüfung sind,
Daß uns das Glück erst jenseits winket,
Und daß die Hoffnung unsres Lohns
Mit unsern Thaten steigt und sinket . . .
O denkt daran, Herr Roderich!
Es stumpft den Zahn die saure Traube
Und von den Freuden dieser Welt
Bleibt nichts als Staub, fehlt uns der Glaube!«
Begeistert tönten Nerto's Worte,
Erleuchtet schien ihr Angesicht.
Die Morgenfrische, unterdessen,
Verdunstete im Mittagslicht;
Von fern erblickt man Mount-Majour,
Der Sonne Gold glänzt an den Ecken
Der Mauern, die in Benedict
Wehmüthiges Erinnern wecken.
»O honigreiches Palästina,
Sei mir gegrüßt«, rief er gerührt,
»Abtei, in der ich einst als Erster
Sankt Benedict's Legion geführt!
O Paradies! O Mount-Majour,
Wo glücklich meine Tage flossen!
Wo im geweihten Klosterhain
Vom Felsen bunte Blumen sprossen!
Denk' ich der herrlichen Erquickung
Durch ruhig Studium und Gebet,
Denk' ich des kühlen Gottesschattens,
Der Deine Hallen lind durchweht,
So scheint dem Greise, dessen Glanz
Im Schwinden, dieser Zeit Bedrängniß,
Für seiner Mönchszeit Ehrgeiztraum,
Fast wie ein strafendes Verhängniß!«
Und fernher wird den »Großen Clar«,
Im Mittag leuchtend, man gewahr.
Ein Mann der That, ein rasches Blut,
War Roderich gewohnt zu sehen,
Daß Eis und Schnee, wohin er schaut,
Im Feuer seines Blicks zergehen,
Und daß der Tapferkeit und List
Kein Widerstand gewachsen ist.
Allein vor dieser holden Lilie,
In ihrer Reinheit Zuversicht,
Fühlt er, daß machtvoll, herzerwärmend,
Ein neu Empfinden in ihm spricht.
»Ihr redet eitel Heiligkeit,
O Nerto!« ruft der junge Ritter,
»Doch sieht man, glaubt mir, nie das Glück
Durch eines Klosterfensters Gitter.
Die Nachtigall, im Monat Mai,
Kann Euch zur Weltlichkeit bekehren,
Euch zeigen, wie man fröhlich sei
Und Lust an Sang und Freiheit lehren . . .
Ich war jetzt, seht, fünf Jahre lang
In einer Festung eingeschlossen,
Ich weiß, wie gut es draußen ist,
Seitdem ich Moderluft genossen!
Blickt um Euch: Dort das junge Volk
Belustigt sich im Gras vorzüglich
Und hier der Bauer hinterm Pflug
Pfeift sich ein Liedchen, ganz vergnüglich;
Die Jäterinnen dort im Klee,
Hört, wie sie lachen, wie sie singen;
Der Treiber läßt, auf schmalem Pfad,
Die Schellen seines Maulthiers klingen;
Die Mäher in den bunten Wiesen,
Die Fischer an des Baches Rand,
Die jungen Mädchen in den Höfen,
Die Jäger aus dem Haideland,
Das Alles kommt und geht und regt sich,
Es strotzt von Kraft das frische Blut,
Um uns herum ertönt ein Summen
Und Brausen, wie von Meeresfluth . . .
Ein unaufhörliches Gemurmel
Steigt aus der Wiese, aus dem Rohr,
Im Bache plätschern Silberwellen
Und blitzend schnellt der Fisch empor;
Es rinnt und rieselt überall,
Der Thau erquickt die Ackerkrume,
Es strömt der Saft durch Baum und Ast
Und Honig quillt in jeder Blume.
Zum Leben drängt sich Alles vor,
Ringsum nur Keime, Knospen, Sprossen,
Die sich des jungen Daseins freun,
Vom hellsten Lichte übergossen . . .
Ja, selbst das junge Königspaar
Freut sich der schönen Maiensonne,
In Amors großem Siegeszug
Zu reiten dünkt sie sel'ge Wonne.
O Nerto! Nehmen doch am Feste
Auch wir Theil! Aus dem Ginsterstrauch,
Dem Weißdorn und den Schlehenbüschen
Umweht uns lind ein süßer Hauch . . .
Und Ihr verlangt, ich soll ihn hemmen
Den Aufschwung meines ganzen Seins,
Ihr bötet heißen Liebesküssen
Die Kälte eines todten Steins?
Ihr wolltet, daß den Traubenschoß
Ich risse von den jungen Reben?
Auch ich bedarf des Purpurtranks,
Auch mich verlangt nach Lieb und Leben!
Nerto! Entschlagt Euch Eurer Furcht!
Das Meer ist still, der Himmel helle . . .
Kommt, mit dem Freunde schifft Euch ein,
Vertraut Euch doch der sanften Welle;
In's Weite lassen wir uns treiben,
Wo ewig heitrer Morgen ist,
Wo holde Freude wohnt . . . O! Nützen
Wir dieses Daseins kurze Frist!
»Seht dort die Lerchen«, sagte Nerto,
»Zum Himmel fliegen sie hinan;
Ach! wenn wir auch so fliegen könnten,
Rodrigo, seht die Schwalben an!
Sie haben uns mit leichtem Fluge
Gestreift, sie bringen Glück, nicht wahr?
Ihr Zwitschern tönt wie Christi Name,
Ihr Flug beschützt uns vor Gefahr . . .
Als Nerto schweigt, bemerken beide,
Daß eine große Reiterschaar
Von Arles her, auf der breiten Straße,
Indeß in Sicht gekommen war.
Die Consuln, Zunftherrn und Prälaten,
Senat und Volk und Ritterschaft
Der freien Stadt, sie ziehn dem König
Entgegen und dem Papste.
»Kraft
Des Freibriefs, der von unsern Vätern
Vererbt uns wurde«, sprechen sie
Zum König, »sind wir freie Männer,
Und die Stadt Arles erkannte nie
Ein andres Königthum zu Rechte
Als das des Löwen: Aber, Sire,
Ihr könnt als König furchtlos einziehn,
Seid Ihr in guter Absicht hier.
Blickt durch die Pappeln bis zur Krümmung,
Die dort der Fluß beschreibt, hinab:
Seht Ihr dort eine Säule ragen?
Man nennt sie Sankt Trophimi Stab . . .
Und ihren Schatten durfte nie
Ein fremder König überschreiten,
Der nicht den Freibrief anerkannt.
So halten wir's seit alten Zeiten.«
Der König sprach: »Gott schenke Euch
Gedeihen! Es will uns gefallen,
Der edlen Stadt, die uns empfängt,
Von ihren Privilegien allen
Kein Jota anzutasten. Offen
Erklären wir's für Schändlichkeit
Und Frevel, wollte je man rütteln
An ihrer Unverletzlichkeit.«
Und allsogleich erschallt ein Rufen:
»Der Leu von Arles, er lebe hoch!«
Und »Hoch der Provençalenkönig!
Der heil'ge Vater lebe hoch!
Die schöne Maienkönigin,
Sie lebe! Dreimal hoch sie Alle!«
Dann sprengt das glänzende Geleit
Mit schmetterndem Trompetenschalle,
Die Sporen ihren Rossen gebend,
Die Männer hoch die Degen hebend,
Bei Trommelschlag, in Wolken Staubes,
Und blitzend hellem Sonnenschein,
Barette, Hütchen und Gewänder,
In großem Prunk nach Arles hinein. |