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Fünftes Kapitel.

Niklas erscheint bei den Verbannten. – Eisenlohr erforscht die Insel. – Das Wrack. – Die Bergung des Strandgutes. – Die erste Seefahrt mit dem Pontonfloß.

 

Die Passagiere des »Paladin«, der Ingenieur Eisenlohr nebst Frau und Söhnchen und der Doktor Cellarius mit Frau und Töchterchen, waren, wie wir wissen, von Wenzel auf einer Südseeinsel ausgesetzt worden.

Es lag in der Natur der Sache, daß der energische und nie um Hilfsmittel verlegene Ingenieur gleich von vornherein die Führung der kleinen Gesellschaft übernahm, einen Posten, den ihm der Doktor von Herzen gern überließ, der sich obendrein noch glücklich schätzte, sein Los mit einem so umsichtigen und tatkräftigen Unglücksgefährten teilen zu dürfen.

Zuerst ging es an die Errichtung von Zelten, wobei das große Marssegel, das man ihnen mitgegeben hatte, zur Verwendung kam. Die Arbeit war zur Hälfte getan, und man hatte sich gerade zum Frühstück niedergesetzt, als plötzlich ein Mann aus dem Walde kam und auf die Gesellschaft zuschritt.

Die Herren griffen nach den neben ihnen liegenden Gewehren und sprangen auf. Dann aber erkannte Eisenlohr den Herankommenden.

»Niklas!« rief er erstaunt. »Sie hier? Ich meinte, die Meuterer wären um diese Zeit längst wieder auf hoher See!«

Niklas nahm seine Kappe ab und drehte sie befangen in den Händen.

»Das sind sie auch, Herr Eisenlohr«, antwortete er, »ich aber bin hier und hier will ich auch bleiben, mit Ihrer gütigen Erlaubnis. Ich bin nämlich von dem »Paladin« abgelaufen. Zuerst wollt' ich ja auch mit unter die Piraten gehen, denn der Markus Wenzel hatte mich ja förmlich en Loch in den Kopp geredet, denn der Halunk kann reden wie sieben Advokaten. Nachher aber tat mich das wieder leid, und nu bin ich hier, und wenn Sie mir haben wollen, dennso will ich gern bei Sie bleiben und mir nach Kräften nützlich machen und alles tun, was Sie und die andern Herrschaften mich auftragen. Ich bin von Hause aus Grobschmied, kann aber auch mancherlei andre Arbeit tun.«

»Sie sind uns sehr willkommen, Niklas,« erwiderte der Ingenieur; «solch einen Mann wie Sie können wir brauchen. Setzen Sie sich und essen Sie mit uns.«

Niklas machte eine linkische Verbeugung vor den Damen, dann ließ er sich nieder und langte wacker zu. Die Unterhaltung wurde beinahe ganz allein von dem Ingenieur geführt, dessen Stimmung nicht so niedergedrückt war wie die des Doktors und der Damen.

»Das Klima dieser Insel ist gut, auch scheint der Boden sehr fruchtbar zu sein, aber mein Leben möchte ich dennoch nicht hier zubringen,« sagte er, »und ich werde nicht eher ruhen, bis ich Mittel und Wege gefunden habe, wieder von hier fortzukommen.«

»So denke auch ich,« sagte der Doktor; »wir alle verlassen uns auf Sie, Freund, und werden nach bestem Vermögen Ihre Pläne fördern helfen.«

Der Ingenieur nickte.

»Einer für alle und alle für einen,« sagte er. »Als wir von Bord gingen, steckte Heinz, der Prachtjunge, mir einen Zettel in die Hand, auf dem unter anderm auch ein Wrack angegeben ist, das hier bei der Insel innerhalb eines Riffs liegen soll. Doch davon später. Das nächste Festland soll von den Europäern feindlichen Menschen bevölkert sein; wir können daher unser Augenmerk nur auf Hongkong oder Singapore, oder auf einen westaustralischen Hafen richten. Um dorthin gelangen zu können, müssen wir uns ein Fahrzeug bauen und zwar ein sehr festes, da diese Breiten häufig von schweren Orkanen heimgesucht werden.

»Ich zweifle nicht daran, daß es mir gelingen wird, ein solches Fahrzeug zu konstruieren, allein die Ausführung wird sehr schwierig sein und auch eine lange Zeit erfordern, da wir nur drei Männer sind. Und während dieser Zeit müssen wir doch auch ein Unterkommen, Nahrung und Kleidung haben.

»Unsre nächste Aufgabe ist daher, die Insel zu erforschen und einen Platz ausfindig zu machen, auf dem ein Gebäude errichtet werden kann, das uns nicht allein als Wohnung, sondern auch als eine von Wilden uneinnehmbare Festung zu dienen hat. Erst wenn dieses Gebäude fertig ist, können wir an den Bau des Fahrzeugs gehen.«

Der Doktor und Niklas waren derselben Ansicht. Die Erforschung der Insel wollte der Ingenieur allein unternehmen, und schon am folgenden Tage machte er sich auf den Weg, wohlbewaffnet mit seinem Repetiergewehr, einem Jagdmesser und einem Beil.

Er steuerte direkt dem Innern der Insel und dem Berge zu, der grau und massig über den Wald emporstieg und die hervorragendste Landmark des Eilandes bildete. Im Walde entdeckte er allerlei nützliche Baumarten wie Kokospalmen, Dattelpalmen, Brotfruchtbäume und verschiedene Arten von Bananen.

Da der Wald fast ganz frei von Unterholz und Schlinggewächsen war, kam er mit ziemlicher Schnelligkeit vorwärts, und nach einem Marsch von zwei Meilen befand er sich plötzlich am Rande eines schroff abfallenden Tales, in dessen Tiefe sich ein Wasser dahinzog, das er anfänglich für einen Fluß hielt, das sich aber bald als ein Meeresarm herausstellte.

Er kletterte hinab und ging an dem Wasser entlang, das hier etwa eine Viertelmeile breit war, und so kam er nach einiger Zeit zu einer seeartigen Erweiterung, die etwa eine Meile im Durchmesser haben mochte und in deren Mitte eine kleine bewaldete Insel lag, die der Ingenieur auf den ersten Blick als den geeignetsten Ort für die Erbauung des festen Hauses erkannte.

Um den in einem weiten Bergkessel liegenden See herumschreitend, kam er zu einer Stelle, wo sich ein ziemlich breiter Strom in denselben ergoß, wodurch eine Strömung in dem Meeresarm entstand, die mit der Schnelligkeit von einem halben Knoten dem Ozean zufloß. Unterhalb des Sees verengte sich die Wasserstraße auf eine kurze Strecke, so daß die Strömung hier erheblich stärker wurde; sogleich kam unserm Forscher der Gedanke, daß der Ort sehr wohl zur Anlage einer Mühle passe, und er beschloß, dies im Gedächtnis zu behalten.

Weiter wanderte er, stundenlang, über Berg und Tal, fast immer durch bald dichteren und bald lichteren Wald, bis er endlich die kahlen Felshänge des großen Berges erreichte, an denen er bis zum Gipfel, zum höchsten Punkte der Insel, emporklomm.

Von hier aus hatte er einen Ausblick von unbeschreiblicher Schönheit. Den Horizont bildete rings die weite See; zu seinen Füßen lag die Insel ausgebreitet wie eine Landkarte, mit all ihren Höhen und Tälern, ihren Strömen und Bächen, mit dem Meeresarm in der breiten Schlucht und dem See mit der kleinen Insel. Durch sein Teleskop erkannte er sogar das weiße Zelt auf dem grünen Rasen an der Waldgrenze und auf dem hellen Sande des Strandes zwei winzig kleine Wesen – sein Söhnchen Willy und des Doktors Töchterchen Lucie.

An der inneren Seite des langen Riffs, das mit der Küste der Insel eine Bucht bildete, gewahrte er einen Gegenstand, der nichts andres als das von Heinrich auf dem Zettel aufgezeichnete Wrack sein konnte.

Nachdem er etwas von dem mitgebrachten Brot und Salzfleisch zu sich genommen hatte, machte er sich an den Abstieg in der Richtung des Riffs und des Wracks. Es währte lange, bis er den Strand erreichte, auf dem hier und da Planken, Balken und allerlei andre angetriebene Wrackstücke lagen.

Das verunglückte Schiff saß eine halbe Meile von der Küste entfernt auf den Klippen, am Saume des weißen Wassers, das unaufhörlich dumpf brausend über das Riff herbrach. Es lag auf der Seite, das Deck der Insel zugeneigt, so daß es der Ingenieur mit seinem Glase von vorn bis achtern überblicken konnte. Es war ein großes hölzernes Fahrzeug, entweder eine Bark oder ein Vollschiff; alle drei Masten waren dicht über dem Deck abgebrochen und trieben mit allem Geschirr, von dem Leinen- und Takelwerk festgehalten, langseit. Die Deckhäuser und die Schanzkleidung waren weggefegt; in den Davits hingen noch die Vorder- und Achtersteven einiger Boote, woraus hervorging, daß die Besatzung keine Zeit mehr gehabt hatte, an ihre Rettung zu denken.

Eisenlohr hatte zuerst daran gedacht, zu dem Wrack hinüberzuschwimmen; als er jedoch die schwarzen, dreieckigen Rückenflossen einiger Haie oberhalb des Wasserspiegels hin- und herstreichen sah, da nahm er davon Abstand und schaute sich nach Wrackstücken um, aus denen sich ein Floß herstellen ließe.

Während er suchend am Strande dahinschritt, stieß er auf die Leichen von sieben armen Schiffbrüchigen, die nach vergeblichem Kampfe mit der grausamen See von dieser hier ausgeworfen worden waren.

Grauen und Entsetzen packten ihn, denn die Körper waren von den Seevögeln und den Landkrabben – die letzteren krochen zu hunderten in der Nähe herum – in einen schrecklichen Zustand versetzt worden. Er bezwang sich aber, zimmerte mit seinem Beil aus einem Plankenstück eine Art von Spaten zurecht, grub sieben flache Gräber in den weichen Grund, wälzte die Leichname hinein und bedeckte sie mit Sand.

Darauf richtete er seine Gedanken wieder auf den Bau des Floßes. Er sammelte eine Menge kleiner Holzstücke, in denen Nägel steckten, und schichtete sie auf einen Haufen, den er mit Hilfe von dürrem Grase und der als Brennglas verwendeten Linse seines Teleskopes in Brand steckte.

Sodann trug er eine Anzahl Planken herbei, zimmerte sie zurecht und fügte vermittelst der aus der Asche gewonnenen Nägel ein Floß daraus zusammen, das stark genug war, nicht nur ihn selber, sondern auch noch andere Lasten zu tragen.

Ein Paar Bootsremen fanden sich unter dem Treibholz, die Dollen dazu waren bald am Floß angebracht, und nun zögerte er nicht mehr, die Fahrt zum Wrack zu wagen. Nicht ohne Mühe brachte er das ungefüge Fahrzeug zu Wasser, dann entledigte er sich der Mehrzahl seiner Kleidungsstücke, watete »an Bord« und stieß vom Strande.

Das Floß ließ sich leichter handhaben, als er gedacht hatte; nach einer halben Stunde konnte er langseit des Wracks anlegen. Er machte sein Fahrzeug an einer der vielen herabhängenden Leinen fest und kletterte an Deck hinauf.

Hier nahm er mit Freude wahr, daß die Havarie nicht so schwer war, wie er gefürchtet hatte, und hauptsächlich in dem Verlust der Masten, der Schanzkleidung und der Aufbauten bestand. Die Kajüte war mit dem achterlichen Deckhause verschwunden; das Matrosenlogis aber befand sich vorn unter Deck, und in dieses stieg er nun hinab.

Es war zu erkennen, daß die Mannschaften der Freiwache in größter Eile aus ihren Kojen gesprungen waren, als das Schiff auf die Klippen rannte; wahrscheinlich hatten dann die überkommenden Seen die Ärmsten wenige Augenblicke später über Bord gerissen.

Der Ingenieur öffnete einige der Seekisten, ob vielleicht unter der armseligen Habe der unglücklichen Janmaaten etwas wäre, was ihm oder seiner Gesellschaft nützlich werden könnte; er fand jedoch nichts. Eine der Kisten aber war die des Zimmermanns; ihrem Gewicht nach mußte sie voll von Werkzeug sein.

Das war ein unschätzbarer Fund; er beschloß daher, sich sogleich in den Besitz der Kiste zu setzen, und schaffte sie unter Aufbietung aller seiner Kräfte an Deck hinauf, um sie demnächst an Bord des Floßes zu bringen. Darauf wendete er sich achteraus; da die Kajüte jedoch weggerissen war, gab es hier, außer den Dingen, die der Achterraum enthielt, nichts für ihn.

Er lugte über das Heck nach dem Namen des Schiffes – es war die »Undine« von Ragusa.

Wo das Achterhaus gestanden hatte, war das Deck noch mit buntem Linoleum benagelt, ebenso die Falltür, die von der Kajüte aus in den Proviantraum geführt hatte. Er öffnete sie und stieg hinunter. Die Vorräte waren unbeschädigt geblieben. Er erbrach einige der Kisten, die teils Wein in Flaschen, teils allerlei Konserven in Blechbüchsen enthielten; auch Hartbrot fand er, von dem er etwas zu sich steckte, da sein aus dem Zeltlager mitgebrachter Vorrat beinahe zu Ende war. Eine Büchse mit konservierter Suppe und eine Flasche Wein nahm er mit an Deck.

Die bereits tiefstehende Sonne mahnte ihn, an Land zurückzukehren. Er ließ die Zimmermannskiste auf das Floß hinab, was ein schweres Stück Arbeit war, dann stieg er selber hinunter, wobei er die Büchse und die Flasche nicht vergaß, auch nicht eine Fischleine, die er im Matrosenlogis gefunden hatte.

Er erreichte mit seiner Beute glücklich den Strand, und hier war sein erster Gedanke, sich ein Abendbrot zu bereiten. Die Suppe kalt zu verzehren, war nicht verlockend; er mußte sie daher wärmen. Dazu brauchte er ein Gefäß. Er erinnerte sich, weiter unten am Strande eine riesige Muschel von der Gattung Tridaena gesehen zu haben, die sich sehr wohl zum Kochtopf eignen würde. Er schleppte sie herbei, füllte sie mit Seewasser und stellte die Blechbüchse hinein, deren Deckel er zuvor mit dem Beil geöffnet hatte. Darauf suchte er ein Dutzend Kiesel, so groß wie eine halbe Faust, zündete ein Feuer an und legte die Steine hinein, um sie glühend werden zu lassen. Dann tat er sie in das die Muschel füllende Wasser, das dadurch schnell auf den Siedepunkt gelangte und die Suppe erwärmte, die er mit einer kleineren Muschel bald ausgelöffelt hatte; ein Bissen Brot und ein Schluck Wein machten den Beschluß dieses Abendessens.

Inzwischen war die Sonne untergegangen und die sternenfunkelnde Nacht heraufgezogen. Unser von den Strapazen des Tages ermüdeter Entdecker streckte sich in das lange weiche Gras, und bald umfing ihn tiefer Schlaf.

Am nächsten Morgen brachte er vor allem die Werkzeugkiste weiter auf das Land hinauf, um sie aus dem Bereich der Flut zu schaffen. Dann rojte er mit dem Floß in die Bucht hinaus, um sich zum Frühstück einen Fisch zu fangen. Als Köder steckte er ein Muscheltier an den Haken, mit so großem Erfolg, daß er bereits nach wenigen Minuten einen lachsähnlichen Fisch von etwa sechs Pfund Gewicht an Land bringen konnte.

Jetzt entstand die Frage der Zubereitung. Er erinnerte sich, einmal von einem Verfahren gelesen zu haben, das bei den Südseeinsulanern im Schwange war und das ihm für den vorliegenden Fall sehr geeignet erschien. Dazu war Lehm erforderlich, wovon zum Glück ein großes Quantum an einem nahen Hügelhang zu Tage lag. Er wickelte den Fisch wie er da war dicht in große Baumblätter und überzog ihn dann mit einer starken Lehmschicht. Darauf machte er aus dürrem Buschholz ein Feuer an, wartete, bis nur noch ein Haufen glühender Kohlen davon übrig war, legte den lehmumhüllten Fisch in die Glut und häufte wieder Buschholz darüber. Nach einer halben Stunde bekam der Lehm Risse, ein Zeichen dafür, daß der Fisch gar war. Er zog ihn aus der Asche, bröckelte den Lehm ab, und da lag der köstliche Fisch vor ihm, eine Mahlzeit für einen König!

Nachdem er sich gesättigt hatte, zog er das Floß aufs Trockene, legte die Remen dazu, bedeckte die Werkzeugkiste zum Schutz gegen die Witterung mit Palmblättern und machte sich dann auf den Heimweg, der ihn dieselbe Strecke wieder zurückführte, auf der er gestern hergekommen war.

Gegen zwei Uhr nachmittags stand er wieder am Ufer des Sees und gegenüber der kleinen Insel. Um den Seinen einen genauen Bericht über diesen ihm so wichtig erscheinenden Ort erstatten zu können, beschloß er, hinüberzuschwimmen. Er band von trocknem Rohr und Schilf ein großes Bündel zusammen, legte seine Kleider und Waffen darauf und schob es durchs Wasser vor sich her bis zum Gestade der Insel, die er, nachdem er sich wieder angekleidet hatte, sogleich nach allen Richtungen durchstreifte.

Das Wasser des unmittelbar mit dem Ozean in Verbindung stehenden Sees war brackisch und daher zum Trinken und zum Kochen ungeeignet. Des Ingenieurs Freude war daher groß, als er eine Quelle fand, aus der in reicher Fülle klares, kühles Trinkwasser sprudelte. Schlangen, die auf dem Festlande häufig genug waren, gewahrte er hier nirgends, was ihm im Hinblick auf die Kinder sehr lieb war.

Nach einem Bauplatz für das feste Haus brauchte er nicht lange zu suchen, ebensowenig nach einer Stelle am Strande, die zur Errichtung einer Werft für das auf Stapel zu setzende seetüchtige Boot geeignet erschiene.

Zufrieden mit seinen Wahrnehmungen verließ er das Eiland und wanderte längs des Kanals weiter bis zu dessen Mündung, die durch vorgelagerte hohe Felsen den Blicken draußen vorübersegelnder völlig entzogen wurde.

Endlich, nach einem langen und erschöpfenden Marsch über den gewundenen Strand, bekam er das Zeltlager in Sicht, wo seine Frau und sein Söhnchen, die Familie Cellarius und der ehemalige Meuterer Niklas sehnlichst seiner warteten. –

Eisenlohrs Erzählung von seinem Besuch auf dem Wrack, die Schilderung des Eilandes in dem Binnensee und die Zuversichtlichkeit, mit der er von der Erbauung des Fahrzeugs redete, das sie alle aus ihrer Inselgefangenschaft wieder befreien sollte, erweckte in den ehemaligen Passagieren des »Paladin« beinahe schon die Überzeugung, daß die Tage ihrer Verbannung gezählt wären.

Zuvörderst aber mußte über ihre nächste Zukunft beraten werden. Das kleine Eiland im See wurde einstimmig als Wohnsitz erkoren, da aber das Material zu dem Hausbau zum größten Teil das Wrack herzugeben hatte, so mußte das letztere vor allen Dingen abgebrochen werden. Das war eine mühevolle und zeitraubende Arbeit, und dann kam der Transport der Wrackteile – der Planken, Balken, Rundhölzer, Eisenteile usw. – nach dem Eiland, der ebenfalls viel Zeit und Mühe erfordern würde.

Man kam daher überein, das gegenwärtige Lager aufzugeben und ein andres am Strande der Bucht, gegenüber dem Wrack zu errichten, und dieser Plan wurde auch sehr bald ins Werk gesetzt. Mit allem Nötigen bepackt machte sich die kleine Karawane auf den Weg, der den Frauen und Kindern bald sehr beschwerlich fiel, so daß es nur langsam vorwärts ging; allein sie hielten wacker aus und waren am Nachmittag des zweiten Marschtages am Ziel.

Nun mußte zunächst ein Obdach geschaffen werden. Doktor Cellarius machte sich an das Fällen einiger junger Bäume, Eisenlohr aber und Niklas rojten zum Wrack hinüber, nicht nur um Proviant, sondern auch um noch ein großes Segel für den Zeltbau zu holen.

Der langseit treibende Wirrwarr von Masten, Stengen, Raaen, Wanten, Pardunen, Segeln und Leinen war so verschlungen und verwickelt, daß es äußerst schwierig gewesen wäre, an Ort und Stelle ein Segel unbeschädigt herauszulösen; der Ingenieur und sein Gehilfe entschieden sich daher dafür, die ganze treibende Masse vom Wrack loszuhauen und zum Strande hinüberzuwarpen.

Während Niklas mit wuchtigen Axtstreichen die Taljereepen durchhieb, durchsuchte Eisenlohr das halb mit Wasser gefüllte Hellegat und kam bald mit einem kleinen Warpanker wieder an Deck.

Nun schor er so viel Leinen aus den im Wasser liegenden Brassen-, Schoten- und Geitaublöcken, als er erlangen konnte, band sie aneinander und befestigte das Ende an dem Warpanker. Als er mit diesen Vorbereitungen fertig war, hatte auch Niklas seine Arbeit beendet. Die Warpleine wurde auf dem Floß aufgeschossen, wo auch der Anker niedergelegt wurde. Der Ingenieur rojte dem Lande zu, Niklas aber blieb mit dem andern Ende der Leine auf dem treibenden Getrümmer.

Als die volle Länge der Leine vom Floß ins Wasser gelaufen war, ließ Eisenlohr den Anker in den Grund, und nun begann Niklas an der Leine zu holen und zog auf diese Weise das Getrümmer dem Strande zu. Das war eine langsame Prozedur; der mit dem Leinenende aus dem Grunde gehobene Anker wurde wieder auf das Floß gelegt, weiter landwärts gebracht, abermals versenkt und das Einholen der Leine begann aufs neue. Auf diese Weise schaffte man endlich nach anderthalbstündiger Arbeit das Getrümmer in das flache Wasser des Strandes.

Jetzt war es leicht, das Großsegel von der Raa abzulösen und an Land zu bringen, wo es zum Trocknen ausgebreitet wurde. Es reichte aus, zwei geräumige Zelte daraus herzustellen.

Während der nächsten Tage wurde ein großer, fester Schuppen erbaut und dicht mit Palmblättern eingedeckt; hier sollten die vom Wrack geborgenen Gegenstände untergebracht werden, um in der Regenzeit, die nach Eisenlohrs Berechnung nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, gegen Nässe geschützt zu sein.

Für einen Teil dieser Bergungsarbeiten genügte das vorhandene Floß, um aber größere und schwerere Stücke nach dem Eiland im Binnensee befördern zu können, mußte man an die Erbauung eines großen, festen Segelfloßes gehen, und ohne Zögern entwarf der Ingenieur den Plan zu einem solchen.

Das Segelfloß sollte aus zwei Pontons bestehen, jeder vierundzwanzig Fuß lang, sechs Fuß breit und ebenso tief, mit geraden Seiten und flachem Boden, vorn und hinten scharf.

Die Arbeit wurde sogleich in Angriff genommen. Das Material dazu lieferte das bereits vom Wrack an Land getriebene Holzwerk.

Die Mittellinien dieser Pontons liefen parallel. Die Bodenplanken wurden querschiffs gelegt; vier davon liefen in gleichen Entfernungen von Ponton zu Ponton, beide miteinander fest verbindend; der Zwischenraum zwischen ihnen betrug sechs Fuß. Jeder erhielt ein festes Deck; mittschiffs, auf eine Strecke von zwölf Fuß, liefen die Planken ebenfalls von einem Ponton zum andern. Dadurch hingen die Fahrzeuge unbeweglich zusammen und bildeten ein starkes Floß, das in der Mitte ein Deck oder eine Plattform von zwölf Fuß Länge und achtzehn Fuß Breite hatte.

Im Mittelpunkt des Decks erhob sich ein starker, auf beiden Seiten von Pardunen gehaltener Mast, an dem ein großes lateinisches Segel geheißt werden konnte, das an einer außerordentlich langen Raa, aus mehreren aneinander gelaschten Bambusstangen bestehend, befestigt war.

Diese Raa wurde genau in ihrer Mitte aufgehängt; Eisenlohr hoffte durch diese Einrichtung das Fahrzeug mit gleicher Leichtigkeit vor- und rückwärts bewegen zu können, in derselben Weise, wie die Eingebornen der Ladronen-Inseln ihre Prahus handhaben.

Die Erbauung dieses Fahrzeugs verursachte keine großen Schwierigkeiten; die Hauptsache war, daß die Pontons wasserdicht gefugt wurden.

Dennoch verging ein ganzer Monat, ehe das Pontonfloß gebrauchsfähig wurde; als man dann aber Segelversuche mit ihm anstellte, da fielen diese so günstig aus, wie sich keiner der drei Männer auch nur im entferntesten hatte träumen lassen.

Jetzt erst war man imstande, sich in allem Ernst über das Wrack herzumachen. Man errichtete ein Hebezeug an Deck, heißte damit die Stückgüter aus dem Raum und fierte sie über die Seite direkt auf das Floß. Da bei dieser Arbeit schwer zu erkennen war, was die Kisten und Ballen, die Säcke, Körbe usw. enthielten, so transportierte man die gesamte Ladung an Land; dort hatte man Zeit und Muße, sich das Brauchbare auszuwählen.

Beim Abbruch des Wracks mußte sehr sorgfältig verfahren werden, da das Holzwerk nach Möglichkeit für den Bau des geplanten Seebootes verwendet werden sollte und daher nicht allzusehr beschädigt werden durfte. Es vergingen vier Wochen, ehe das letzte brauchbare Stück zum Strande geschafft worden war.

Die Anwesenheit von Haien innerhalb des Riffs, die Eisenlohr gleich bei seinem ersten Besuch festgestellt hatte, gab ihm die Überzeugung, daß zwischen der Bucht und der See draußen eine Verbindung bestehen müsse, denn sonst hätten die Haie nicht hereinkommen können.

Um diese Verbindung aufzufinden, machte er sich eines Morgens mit Niklas an Bord des Pontonfloßes auf den weg. Zuvörderst führte er jedoch probeweise einige Evolutionen mit dem Segel aus, das nach demselben Prinzip zu handhaben war, das die Ladroneninsulaner bei ihren Prahus anwendeten. Man konnte vorwärts und rückwärts fahren, wobei das Segel stets auf der einen Seite des Mastes blieb. Hierbei waren zwei breite Steuerremen notwendig, einer an jedem Ende, und eine lange Leine, die an beiden Nocken der Raa befestigt war und deren Bucht bis an Deck herabhing; auf diese Weise konnte die Nock, welche den jeweiligen Hals bilden sollte, an Deck niedergeholt und dort befestigt werden.

Wenn ein so getakeltes Fahrzeug wenden soll, dann wird sein Achterteil vermittelst des Steuerremens nach Luward geworfen, worauf der Remen eingezogen wird; das an Deck befestigte Ende der Raa wird losgemacht und das andre Ende niedergeholt und befestigt; die Schot des Segels wird von dem einen Ende des Fahrzeugs nach dem andern genommen und der Steuerremen jenes Endes ausgelegt, worauf das Fahrzeug in der gewünschten Richtung weitersegelt.

Es ist dies die einfachste Segelmethode, die jemals von der seefahrenden Menschheit angewendet wurde, und zugleich die einzige Art des Wendens, die niemals versagt; aus diesem Grunde hatte Eisenlohr sie für sein Pontonfloß adoptiert.

Die Segelversuche ergaben die besten Resultate und bewiesen, daß das Floß unter keinen Umständen kentern konnte; seine Schnelligkeit belief sich bei frischer Brise auf sechs Knoten.

Nach diesen Proben segelte Eisenlohr längs des Riffs dahin. Er fand mehrere Durchfahrten, die aber so eng und gewunden waren, daß sie nur im Notfall in Betracht kommen konnten. Am Nordende des Riffs aber, wo es mit dem Lande zusammenzuhängen schien, hatte er bessern Erfolg, denn dort entdeckte er einen Kanal, der gegen hundert Fuß breit war und in nordwestlicher Richtung das Riff durchbrach.

Da das Fahrwasser hier nirgends brandete und daher klippenfrei war, lief er ohne langes Besinnen hinein und erreichte auch sehr bald die offene See, denn der Kanal war kaum eine Viertelmeile lang.

Auch in der langen Schwell, die hier draußen stand, bewährte das Fahrzeug sich vortrefflich; einige Besorgnis, die der Ingenieur wegen der Festigkeit des Pontongefüges gehegt hatte, verschwand schnell, und nun hielt er weiter in die See hinaus, um aus dem Lee der hohen Strandfelsen zu kommen, und segelte an der nördlichen Küste der Insel entlang.

Nach einer Stunde befand er sich dem Meeresarm gegenüber, den er vor einiger Zeit erforscht hatte; die Mündung desselben war so wenig erkennbar, daß er einigemal vorbeilief, ehe er sie gefunden hatte. Er segelte mit günstigem Winde hinein und gelangte glücklich in den See. Hier ging er mit Niklas auf der kleinen Insel an Land und sammelte eine Menge von Baumfrüchten verschiedener Art, die ihm schöner und wohlschmeckender erschienen, als die auf dem Festlande wachsenden. Sie sollten für die Frauen und Kinder ein Gruß aus ihrem künftigen Eilandheim sein.

Dann machten sie sich auf den Rückweg zur Wrackbucht, wo sie zur Freude der andern wohlbehalten wieder eintrafen.

Sie fanden den Doktor eifrig bei der Untersuchung der geborgenen Ladung. Es befanden sich darunter viele Gegenstände, die dem Ingenieur bei der Konstruktion des kleinen Schiffes von größtem Nutzen sein würden; am meisten aber freute er sich über eine große Kreissäge. Bei ihrem Anblick sah er im Geiste schon die Sägemühle im Betrieb, die er in dem engen Teile des Seestromes zu errichten gedachte.

Diese Bezeichnung hatte er dem Meeresarm gegeben, weil derselbe durch den wasserreichen Fluß, der, von den Höhen herabkommend, in den See mündete, eine sehr bemerkbare Strömung erhalten hatte und auf diese Weise selber zu einer Art von Strom geworden war.


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