Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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29. Kapitel

Von unsrer großen abermaligen Trübsal und letzlicher Freud

Und hätten wir jetzunder wohl zufrieden sein und Gotte Tag und Nacht auf unsern Knien danken mögen. Denn unangesehen, daß er uns so gnädiglich aus so großer Trübsal erlöset, hatte er auch das Herze meiner lieben Beichtkinder also umbgekehret, daß sie nicht wußten, was sie uns Gutes tun söllten. Brachten alle Tage Fische, Fleisch, Eier, Würste und was sie mir sonsten bescheren täten und ich wieder vergessen hab. Kamen auch den nächsten Sonntag alle zur Kirchen, groß und klein (außer der Klienschen in Zempin, so unterdessen einen kleinen Jungen gekriegt und annoch ihre Wochen hielt), allwo ich über Hiob 5, Verse 17, 18, 19, meine Dankpredigt hielte: »Siehe, selig ist der Mensche, den Gott strafet, darum weigere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht. Denn er verletzet und verbindet, er zerschmeißet, und seine Hand heilet. Aus sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in der siebenten wird dich kein Übel rühren.« Wobei ich oftermalen von wegen dem Heulen ein wenig innehalten mußte, daß sie sich verpusten könnten. Und hätt ich mich in Wahrheit anjetzo mit dem Hiob, nachdeme ihn der Herr wiederumb gnädig aus seinen Trübsalen erlöset, wohl mügen in Vergleichung stellen, wenn nit mein Töchterlein gewesen wäre, so mir abereins viel Herzeleid bereitete.

Sie weinete schon, als der Junker nicht absteigen wollte, und wurde letzlich, da er nicht wiederkam, immer unruhiger von einem Tag in den andern. Saß bald und las in der Bibel, bald in dem Gesangbuch, item in der Historie von der Dido bei dem Virgilio, oder lief auch auf den Berg und holete sich Blümekens. (Hat alldorten auch der Bernsteinader wieder nachgespüret, aber nichts befunden, daraus männiglich die List und Bosheit des leidigen Satans abnehmen mag.) Solches sahe ich etzliche Zeit mit Seufzen an, doch ohne ein Wörtlein zu sagen (denn, Lieber, was kunnte ich sagen?), bis es immer ärger wurd, und da sie jetzunder mehr denn jemalen zu Hause und im Felde ihre Carmina rezitierete, besorgete ich, daß das Volk sie wiederumb in ein Geschrei bringen würde, und ginge ihr eines Tages nach, als sie wieder auf den Berg lief Gott erbarm's! Sie saß auf ihrem Scheiterhaufen, so noch da stunde, doch also, daß sie ihr Antlitz zur Sehe gekehret hatte, und rezitierete die Verse, wie Dido den Scheiterhaufen besteiget, um sich aus Brunst zum Aeneas zu erstechen. Als ich solches sahe und hörete, wie weit es mit ihr kommen, entsatzte ich mich auf das höchste und rief: »Maria, mein Töchterlein, was machstu?« Sie erschrak, als sie meine Stimme hörete, blieb aber auf ihrem Scheiterhaufen sitzen und gab zur Antwort, indem sie das Gesicht mit ihrem Schurzfleck bedeckete: »Vater, ich brenne mein Herze!« Trat also näher, zog ihr den Schurzfleck fort und sprach: »Willtu mich denn noch einmal zu Tode grämen?« Worauf sie ihre Augen mit den Händen bedeckete und lamentierete: »Ach, Vater, warumb bin ich hier nicht gebrennet? So hätte meine Pein doch nur eine kurze Zeit gewähret, nun aber währet sie, solange ich lebe!« Tat noch immer, als merkete noch nichtes, und sprach: »Warumb leidest du denn so viel Pein, mein liebes Kind?« Worauf sie zur Antwort gab: »Ich habe mich so lange geschämt, es Ihme zu sagen: umb den Junker, umb den Junker, mein Vater, leide ich so viele Pein! Er gedenket mein nit mehr und verachtet mich, obwohl er mich gerettet, denn sonst wäre er wohl ein wenig vom Roß gestiegen und hineinkommen, aber wir seind ihm viel zu schlecht!«

Und hube ich nun zwar an, sie zu trösten und ihr die Gedanken auf den Junker auszureden, aber je mehr ich tröstete, je ärger wurd es. Doch sahe ich, daß sie noch heimlich eine steife Hoffnung hatte von wegen dem Adelsbrief, den ich ihme hatte tun müssen. Solche Hoffnung wollte ich ihr auch nicht benehmen, dieweil ich sie selbsten hatte, besondern, umb sie nur zufriedenzustellen, flattierete ich letzlich ihrer Hoffnung, worauf sie auch etzliche Tage geruhsamer wurde und nicht wieder auf den Berg lief, wie ich ihr verboten. Nahm auch ihre kleine Pate, die Paaschin, wieder im Katechismus für, angesehen der leidige Satan sie mit des gerechten Gottes Hülfe nunmehro wieder gänzlich verlassen. Doch quinete sie noch und sahe also blaß aus wie ein Laken. Als aber bald hiernach das Geschrei kam, niemand in der Burg zu Mellenthin wisse, wo der Junker verblieben, und vermeine man, daß er totgeschlagen wäre, nahm ihr Jammer wieder überhand, also daß ich meinen Ackersknecht zu reuten nacher Mellenthin schicken mußte, umb Kundschaft von wegen ihme einzuholen. Und hat sie wohl an die zwanzig Malen nach seiner Wiederkunft aus der Türen und über das Hackelwerk geschauet, ist ihm auch bis an die Ecke gegen Pagels entgegengelaufen, als sie letzlich sahe, daß er wiederkam. Aber, du lieber Gott! Er brachte uns bösere Nachricht, denn das Geschreie uns gebracht, sagend, die Burgleute hätten ihm verzählet, daß ihr junger Herr gleich noch selbigen Tages abgeritten, als er die Jungfer gerettet. Und wär er zwar nach dreien Tagen zur Begräbnis seines Vaters retournieret, aber auch gleich hierauf wieder abgeritten, und hätten sie nun an die fünf Wochen weiter nichtes von ihme gehöret, wußten auch nicht, wohin er gefahren, und vermeineten, daß ihn böse Lotterbuben wohl erschlagen hätten.

Und nunmehro hube mein Jammer größer an, denn er jemalen gewesen. Denn so geduldig und gottergeben sie sich vorhero erwiesen, daß keine Märtyrin hätt mügen stärker in Gott und Christo ihrem letzten Stündlein entgegengehen, so ungeduldig und verzweifelt war sie anjetzo. Hatte alle Hoffnung aufgeben und sich steif in den Kopf gesetzet, daß in dieser schweren Kriegeszeit die Schnapphanichen den Junker erschlagen. Nichts wollte davor helfen, auch das Beten nit, denn wenn ich mit ihr auf meinen Knien den Herrn anrief, fing sie letzlich immer an so erschrecklich zu lamentieren, daß sie der Herre verstoßen und sie nur zum Unglück auf Erden erwählet sei, daß es mir wie ein Messer mein Herze durchschnitt. Lag auch des Nachts und winselte, dieweil sie keinen Schlaf bekam. Rief ich ihr dann aus meinem Bette zu: »Mein liebes Töchterlein, willtu denn noch nit aufhören, so schlafe doch!« So gab sie zur Antwort: »Schlaf Er nur, mein Herzensvater, ich kann nit schlafen, ehe denn ich den ewigen Schlaf schlafe! Ach, mein Vater, warumb bin ich nicht gebrennet?« Aber wie hätte ich schlafen mügen, da sie nicht schlafen kunnte? Verfiel auch wieder in großen Unglauben, also daß ich nicht beten kunnte noch mochte. Doch der Herre handelte nicht mit mir nach meinen Sünden und vergalt mir nicht nach meiner Missetat, besondern seine Gnade sollte auch über mir elenden Knecht bald höher werden denn der Himmel über der Erden.Psalm 103, 10.

Denn was geschahe am nächsten Samstag? Siehe, unsere alte Magd kam außer Atem in die Türe gefahren, daß ein Reuter über den Herrenberg käme, hätte einen großen Federbusch an seinem Hut wehend, und glaube sie, es wäre der Junker. Als mein Töchterlein, so auf der Bank saß, umb sich ihre Haare auszukämmen, solches hörete, tät sie einen Freudenschrei, daß es einen Stein in der Erden hätte erbarmen mügen, und rannte alsogleich aus der Stuben, umb über das Hackelwerk zu schauen. Währete auch nit lange, so kam sie wieder zurücke gelaufen, fiel mir umb meinen Hals und schrie in einem weg: »Der Junker, der Junker!« Wollte darauf abereins heraus, ihme entgegen, was ich ihr aber wehrete, und sölle sie sich lieber ihre Haare wegstecken, was sie auch einsah und, lachend, weinend und betend zugleich, sich ihre langen Haare wieder aufbund.

Nunmehro kam aber auch der Junker schon umb die Ecken galoppieret, hatte ein grün sammet Wammes an mit roten seidinen Ärmeln und einen grauen Hut mit Reiherfedern. Summa: war stattlich angetan, wie eim Bräutigam gebühret. Und als wir nunmehro aus der Türen liefen, rief er meinem Töchterlein auf lateinisch schon von ferne entgegen: »Quomodo stat, dulcissima virgo?« Worauf sie zur Antwort gabe: »Bene, te aspecto!« Sprung also lächelnd vom Roß und gab solches meinem Ackersknecht, so mit der Magd auch herbeikommen war, umb sein zu pflegen, verschrak sich aber, als er mein Töchterlein also blaß sahe, und sprach, sie bei ihrer Hand fassend, auf deutsch: »Mein Gott, was fehlet Ihr, liebe Jungfer? Sie sieht ja blasser aus, denn da Sie auf den Scheiterhaufen sollte!« Worauf sie zur Antwort gab: »Ich bin auch alle Tage zum Scheiterhaufen gefahren, seitdem Er uns verlassen, lieber Herre, ohne bei uns einzusprechen oder uns kund zu tun, wo Er geblieben.« Solches gefiel ihme und sprach, wir wöllten nur allererst in die Stube gehen, sie sölle allens erfahren. Und nachdem er sich alldorten den Schweiß abgewischet und auf die Bank bei meim Töchterlein niedergesetzet hatte, verzählete er wie folget:

Er hätte ihr ja alsogleich versprochen, er wölle ihre Ehre erstlich vor aller Welt restituieren, und hätte ihm dannenhero noch am selbigen Tage, als er uns verlassen, Ein ehrsam Gericht ein kurz Gezeugnis ausstellen müssen von allem, was fürgefallen, insonderheit aber von dem Bekenntnis des dreusten Büttels, item meines Ackerknechtes Claus Neels, womit er annoch in der Nacht, wie er versprochen, gen Anklam geritten und des nächsten Tages nacher Stettin zu unserm gnädigen Herrn, dem Herzogen Bogislav. Selbiger hätte sich fast heftig verwundert, als er von der Bosheit seines Hauptmanns vernommen und wie er's mit meinem Töchterlein gemachet, auch gefraget, ob sie des Pastoren Tochter sei, so einstmalen in Wolgast im Schloßgarten den Siegelring Sr. Fürstlichen Gnaden, Philippi Julii, christmilden Gedächtnisses, gefunden? Und da er solches nicht gewußt, ihn abereins gefraget, ob sie auch lateinisch verstünde? Und als er, der Junker, letztes bejahet und gesaget, sie könne besser Lateinisch denn er, hätte Se. Fürstliche Gnaden geantwortet: »So will sie es genugsam sein.« Sich alsogleich die Brille aufgesetzet und selbsten die Akta für sich genommen. Hierauf, und nachdeme Se. Fürstliche Gnaden das Gezeugnis Eines ehrsamen Gerichtes kopfschüttelnd gelesen, hätte er demütig umb eine Ehrenerklärung vor mein Töchterlein gebeten, auch Se. Fürstliche Gnaden ersuchet, ihm literas commendatitias an unsern allergnädigsten Kaiser nacher Wien mitzugeben, umb meinen Adelsbrief zu renovieren, angesehen er gesonnen sei, kein ander Mädken in seinem Leben zu heiraten denn mein Töchterlein.

Als sie solches hörete, tat sie einen Freudenschrei und fiel in Unmacht mit dem Kopf an die Wand. Aber der Junker begriff sie in seine Arme, gab ihr an die drei Küssekens (so ich nunmehro auch ihme nicht weigern wollte, da ich mit Freuden sahe, wo es hinauslief), und als sie wieder bei sich kommen, fragete er, ob sie ihn nicht wölle, daß sie bei seinen Worten einen solchen Schrei getan? Worauf sie sprach: »Ob ich Ihn nicht will, mein Herre? Ach, fast so lieb als meinen Gott und Erlöser will ich Ihne! Nunmehro hat Er mir erstlich mein Leben gerettet und mein Herze vom Scheiterhaufen gerissen, auf dem es ohne Ihn gebrennet hätte sein Leben lang!« Weinete hierauf für Freuden, als er sie auf seinen Schoß niederzog, und umbfing mit ihren Händekens seinen Nacken.

Saßen auch also und karessiereten eine ganze Zeit, bis der Junker wieder mein ansichtig wurde und sprach: »Was sagt Er dazu, es ist doch auch Sein Wille, Ehre Abraham?« Ei, Lieber, was hätte ich wohl dazu sagen können denn alles Guts? Weinete ja selbsten für Freuden wie mein Kind und gab darumb zur Antwort, warumb es nicht mein Wille sein sollte, da es doch Gottes Willen wäre? Aber ob der gute und rechtschaffene Junker auch bedacht hätte, daß er seinem adligen Namen einen Abbruch tun würde, wenn er mein Töchterlein, so als eine Hexe im Geschrei und nahe vor dem Scheiterhaufen gewest, sich zu seiner Frauen nähme?

Hierauf sprach er: »Mitnichten!«, diesem hätte er längstens vorgesorget, und fuhr nunmehro fort, uns zu erzählen, wie er es angefangen. Nämlich Se. Fürstlichen Gnaden hätten ihme versprochen, alle Scripta, so er begehret, inner vier Tagen fertig zu halten, wo er von der Begräbnis seines Vaters heimzukehren hoffe. Wäre derohalben auch gleich wieder nach Mellenthin abgeritten, und nachdem er seinem Herrn Vater die letzte Ehre erwiesen, hätte er sich auch alsogleich wieder aufgemacht und befunden, daß Se. Fürstliche Gnaden unterdes ihr Wort gehalten. Mit solchen Scriptis wäre er nacher Wien abgeritten, und wiewohl er viel Leid, Mühe und Gefahr unterwegs ausgestanden (so er uns ein andermal erzählen wölle), wäre er doch glücklich in diese Stadt gelanget. Alldorten hätte er aber von ungefährlich einen Jesuiten getroffen, mit welchem er einstmalen als Studiosus etzliche Tage sein Quartier in Prag gehabt, und selbiger ihme auf sein Anliegen geantwortet, er solle guten Muts sein, angesehen Seine Majestät in diesen schweren Kriegsläuften Geld gebrauche, und wölle er, der Jesuit, allens machen. Solches wäre auch beschehen, und hätte die Kaiserliche Majestät nicht bloß meinen Adelsbrief renovieret, besondern auch die Ehrenerklärung Sr. Fürstlichen Gnaden, des Herzogen, bestätiget, so daß er nunmehro männiglich Red und Antwort von wegen seiner Braut stehen könne wie nachgehende von wegen seiner Frauen. Und als er nunmehro die Akta aus seinem Busen herfürzog und mir selbige in die Hand gab, sprach er: »Aber jetzunder muß Er mir auch einen Gefallen tun, Ehre Abraham, nämlich mich morgen, wo ich mit meiner Braut zu Gottes Tisch zu gehen verhoffe, mit seinem Töchterlein einmal für allemalen abzukündigen und nachgehende schon übermorgen zu trauen. Sage Er nit nein hiezu, denn mein Pfarrer, Ehre Philippus, spricht, daß solches bei Adligen in Pommern nicht ungebräuchlich, wannenhero ich auch zum Montage die Hochzeit in meiner Burg allbereits angesaget, als wohin wir fahren wollen und wo ich auch mein Beilager zu halten gedenke!« Gegen solches Ansehen hätte nun mancherlei zu monieren gehabt, aber da ich meim Töchterlein ansahe, daß sie auch gern recht bald Hochzeit hätt, kunnt ich es ihnen nicht abschlagen, sondern versprach allens, was sie wollten. Hierauf vermahnete sie beide zum Gebet, und nachdem ich meine Hände auf ihr Haupt geleget, dankete ich dem Herrn so brünstiglich, wie ich ihm noch immer gedanket, also daß ich letzlich für meinen Tränen nicht weiterkommen kunnte, sondern sie mir meine Stimme ersäufeten.

Hierzwischen war aber des Junkers sein Wagen mit vielen Truhen und Koffers vor der Türen angelanget, und sprach er: »Jetzo soll Sie auch sehen, liebe Jungfer, was ich Ihr mitgebracht!« und gab Befehl, allens in das Zimmer zu tragen. Ei, Lieber, welche schöne Sachen hatte es darinnen, so ich mein Lebtage nit gesehen! Als mein Töchterlein dieses allens sahe, wurde sie aber betrübt, daß sie ihme nichts mehr geben könne denn ihr Herz allein und die Ketten von dem schwedischen König, so sie ihme umb den Hals hing und ihn weinend bate, sie vor ein Brautgeschenk zu behalten. Solches versprach er auch letzlich, und daß er sie mit in seinen Sarg nehmen wölle.

Doch mit der Magd begab sich noch ein seltsamer Fürfall, so ich allhier noch notieren will. Denn nachdem das alte, treue Mensch gehöret, was hieselbsten geschehen, war sie für Freuden außer sich, sprang und klatschete in ihre Hände und sagete letzlich zu meim Töchterlein, nunmehro würde sie sicherlich nicht mehr weinen, wenn der Junker in ihr Bette liegen wölle, worüber selbige also erschamrotete, daß sie aus der Türen lief. Und als der Junker nunmehro wissen wollte, was sie damit sagen wölle, verzählete sie ihme, daß er schon einmal, als wir von Gützkow kommen, in meines Töchterleins Bette geschlafen, worüber er den ganzen Abend seinen Kurzweil mit ihr hatte, als sie wiederkam. Der Magd versprach er aber, da sie schon einmal meines Töchterleins Bette vor ihn gemacht, sölle sie es auch zum andernmal machen, und übermorgen, wie auch mein Ackersknecht, mit nacher Mellenthin fahren, damit Herrschaft und Gesinde sich nach so viel Trübsal zusammen freuen könnten.

Und da der liebe Junker bei uns die Nachtherberge nehmen wollte, mußte er bei mir in der kleinen Achterstuben schlafen (denn ich kunnte doch nit wissen, was fürfallen würde). Schlief auch bald wie ein Dachs, aber in meine Augen kam kein Schlaf für Freuden, sondern betete die ganze liebe Nacht oder gedachte an meine Predigt. Erst umb die Morgenzeit drusete ich ein wenig ein, und als ich aufstund, saß der Junker schon in der Vorderstuben bei meim Töchterlein, welche allbereits das schwarze seidine Kleid anhatte, so er ihr mitgebracht, und wie durch ein Wunderwerk frischer aussahe, denn da der schwedische König kam, so daß ich sie mein Lebtage nit frischer und hübscher gesehen. Item hatte der Junker schon ein schwarz Wammes an und suchte ihr die besten Zweigleine zum Myrthenkranz aus, den sie sich wunde. Legte aber ihren Kranz sogleich auf die Bank, faltete ihre Händeleins und betete nach ihrer Gewohnheit den Morgensegen, als sie mich ankommen sahe, welche Demut den Junker sehr erfreuete, und er bat, es in Zukunft bei ihme auch also zu halten, was sie auch zu tun versprach.

Bald hierauf gingen wir auch zur lieben Kirchen in die Beichte, und dieweil der Junker mein Töchterlein unter ihren Arm gefasset, blieb alles Volk für Verwunderung stehen und rissen den Hals auf, so weit sie kunnten. Sollten sich aber annoch mehr verwundern, als ich nach der Predigt erstlich die Ehrenerklärung Sr. Fürstlichen Gnaden mit der Bestätigung der Kaiserlichen Majestät und nachgehende meinen Adelsbrief auch deutsch ihnen fürlas und letzlich mein Töchterlein mit dem Junker zu kündigen begunnte. Lieber, da mürmelte es in der Kirchen nit anders, als wenn die Bienen summen. (N. N. Diese Scripta seind jedoch bei dem Feuer, so vor einem Jahr in der Burg auskam, wie ich nachgehende vermelden werde, verbrennet, wannenhero ich sie allhier nicht nach dem Original zitieren kann.)

Darauf gingen meine lieben Kinder mit vielen Volk zu Gottes Tisch, und nach der Kirchen kamen sie fast alle umb sie und wünscheten ihnen Glück. Item kam der alte Paasch noch auf den Nachmittag zu mir ins Haus und bat mein Töchterlein abereins umb Vergebung, daß er sie unwissend beleidiget. Er wölle ihr gerne ein Hochzeitsgeschenke verehren, aber er hätte jetzunder nichtes, doch sölle seine Frau ihr zum Frühjahr ein Huhn setzen, und wölle er dann selbsten die Küken nacher Mellenthin bringen. Hierüber mußten wir allzumalen lachen, insonderheit der Junker, welcher letzlich sprach: »So du mir ein Hochzeitsgeschenke machest, mußtu auch zur Hochzeit geladen werden, darumb magstu wohl morgen mitkommen!« Worauf mein Töchterlein sprach: »Und Eure kleine Marie, meine Pate, soll auch mitkommen und soll meine Brautjungfer sein, wenn es mein Herre erlaubet!« Und als er solches versprach, hieß sie den alten Paasch sein Mädken ihr anhero zu schicken, umb ihr ein neu Kleid anzupassen, welches allens den alten, guten Kerl so erbarmete, daß er laut zu weinen begunnte.

Als er weg war und der Junker nichts anders täte, denn mit seiner Braut schwätzen, beides, deutsch wie lateinisch, macht ich es besser und ging auf den Berg zu beten, wobei ich ihr nachfolgete und auf den Scheiterhaufen stieg, umb hier einsamlich dem Herrn mein ganzes Herze zu einem Dankopfer zu bringen.

Die Nacht nahm ich den Junker wieder bei mir, aber als am andern Morgen kaum die Sonne auf...

Hiermit enden diese interessanten Mitteilungen, die ich nicht die Absicht habe, mit eigenen Zutaten zu verwässern. Meine Leser, und insonderheit meine schönen Leserinnen, mögen sich nun nach Gefallen das Glück dieses vortrefflichen Paares weiter ausmalen.

Alle weiteren historischen Spuren seines Daseins, wie des Daseins des Pfarrers, sind verschwunden, und nur ein in die Wand der Kirche zu Mellenthin gefügter Denkstein ist übriggeblieben, auf welchem der unvergleichliche Junker mit seinem noch unvergleichlicheren Weibe abgebildet ist, noch die güldene Ketten mit dem Konterfei des schwedischen Königs auf seiner treuen Brust. Beide scheinen kurz hintereinander gestorben und in einem Sarge begraben zu sein. Denn im Kirchgewölbe sieht man einen großen Doppelsarg, in welchem, der Tradition zufolge, sich auch eine goldene Kette von unschätzbarem Wert befinden soll. Vor einigen zwanzig Jahren wollte der Gutsbesitzer v. M., welcher durch seine unerhörte Verschwendung nahe an den Bettelstab gekommen war, diesen Sarg öffnen lassen, um daraus das kostbare Kleinod zu entwenden, aber er vermochte es nicht. Wie durch einen mächtigen Zauber wurde er in seinen Fugen festgehalten und ist bis auf den heutigen Tag noch uneröffnet geblieben.


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