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Wie die Kaiserlichen mir alles übrige geraubet, auch die Kirchen erbrochen und die vasa sacra entwendet, item was sonsten fürgefallen
Nach etzlichen Tagen, als unsere Notdurft fast verzehret, fiel mir auch meine letzte Kuh umb (die andern hatten die Wülfe, wie oben bemeldet, allbereits zerrissen), nicht ohne sonderlichen Verdacht, daß die Lise ihr etwas angetan, angesehen sie den Tag vorhero noch wacker gefressen. Doch lasse ich das in seinen Würden, dieweil ich niemand nit verleumden mag; kann auch geschehen sein durch die Schickung des gerechten Gottes, dessen Zorn ich wohl verdienet hab. – Summa: Ich war wiederumb in großen Nöten, und mein Töchterlein Maria zerriß mir noch mehr das Herze durch ihr Seufzen, als das Geschreie anhub, daß abermals ein Trupp Kaiserlicher nach Ockeritze gekommen und noch greulicher denn die ersten gemarodieret, auch das halbe Dorf in Brand gestecket. Derohalben hielt ich mich nicht mehr sicher in meiner Hütten, sondern nachdem in einem brünstigen Gebet alles dem Herrn empfohlen, machte mich mit meinem Töchterlein und der alten Magd Ilsen auf in den Streckelberg, wo ich allbereits ein Loch, einer Höhlen gleich und trefflich von Brommelbeeren verranket, uns ausersehen, wenn die Not uns verscheuchen söllte. Nahmen daher mit, was uns an Notdurft des Leibes geblieben, und rannten mit Seufzen und Weinen in den Wald, wohin uns aber bald die alten Greisen und das Weibsvolk mit den Kindern folgten, welche ein groß Hungergeschrei erhoben. Denn sie sahen, daß sich mein Töchterlein auf einen Stubben satzte und ein Stück Fleisch und Brot verzehrete, kamen also die kleinen Würmer mit ausgereckten Händeleins angelaufen und schrien: »Uck hebben, uck hebben!« Wannenhero, da mich solch groß Leid billig jammerte, meinem Töchterlein nit wehrete, daß sie alles Brot und Fleisch, so vorrätig, unter die hungrigen Kindlein verteilete. Erst mußten sie aber dafür »Aller Augen« beten, über welche Wort ich dann eine tröstliche Ansprach an das Volk hielte, daß der Herr, welcher jetzunder ihre Kindlein gespeiset, auch Rat wissen würde, ihren eigenen Bauch zu füllen, möchten nur nit müde werden, ihm zu vertrauen.
Aber söllich Trost währete nicht lange. Denn nachdem wir wohl an die zween Stunden in und um der Höhlen uns gelagert, huben die Glocken im Dorfe so kläglich an zu gehen. daß es einem jeglichen schier das Herze brach, angesehen auch dazwischen ein laut Schießen, item das Geschrei der Menschen und das Bellen der Hunde erschallete, so daß männiglich schließen kunnte, der Feind sei mitten im Dorfe. Hatte dannenhero genug mit den Weibern zu tüschen, daß sie nicht durch ihr unverständig Lamentieren dem grimmigen Feind unsern Schlupfwinkel verraten möchten, zumalen als es anfing schmokig zu riechen und alsobald auch die helle Flamme durch die Bäume glitzerte. Schickete derohalben den alten Paasch oben auf den Berg, daß er umbherlugen sollt, wie es stünde, hätte sich aber wohl zu wahren, daß man ihn nicht vom Dorfe erschaue, anerwogen es erst zu schummern begunnte. Solliches versprach er und kam alsbald auch mit der Botschaft zurücke, daß gegen 20 Reuter aus dem Dorfe gen Damerow gejagt wären, aber das halbe Dorf in roten Flammen stünd. Item erzählete er, daß durch seltsame Schickung Gottes sich sehr viel Gevögel in den Knirkbüschen und anderswo sehen ließ, und meinete, wenn man sie nur fangen könnte, daß sie eine treffliche Speis vor uns abgeben würden. Stieg also selbsten auf den Berg, und nachdem ich alles so befunden, auch gewahr worden, daß durch des barmherzigen Gottes Hülf das Feuer im Dorfe nachgelassen, item daß auch mein Hüttlein wider mein Verdienst und Würdigkeit annoch stünde, stieg ich alsbald herunter, tröstete das Volk und sprach: »Der Herr hat uns ein Zeichen gegeben und will uns speisen wie einst das Volk Israel in der Wüsten, denn er hat uns eine treffliche Schar von Krammetsvögeln über die wüste Sehe gesendet, welche aus jedem Büschlein burren, so man ihm nahet. Wer will nun in das Dorf laufen und schneiden die Mähnhaare und den Schwanz von meiner gefallenen Kuh weg, so hinten auf der Wörte liegt?« (Denn Roßhaare hatte es im ganzen Dorf nicht, dieweil alle Roß vom Feinde längst genommen oder erstochen waren.) Aber es wollte sich niemand nit finden, angesehen die Angst noch größer war als der Hunger, als meine alte Ilse anhub: »So will ich schon gehen, denn ich fürchte mich nit, dieweil ich auf Gottes Wegen bin, gebet mir nur einen guten Stock.« Als ihr nun der alte Paasch seinen Stecken hingereichet, begunnte sie vor sich zu singen: »Gott, der Vater, wohn uns bei« und verlief sich bald in das Gebüsche.
Hierzwischen vermahnete ich nun das Volk, alsbald Hand anzulegen, kleine Rütlein zu den Dohnen zu schneiteln und Beeren zu suchen, dieweil es Mondschein ware und allwärts viel Gänseflieder, auch Ebereschen auf dem Berge stunden. Die kleinen Kindlein aber hütete ich mit meiner Marien, dieweil die Gegend nicht sicher für Wülfen war. Hatten derohalben ein lustig Feuer angemacht, umb welches wir uns setzten und dem kleinen Volk die Gebot verhöreten, als es hinter uns knisterte und knasterte und mein Töchterlein mit den Worten: »Proh dolor, hostis!«»O Jammer, der Feind ist da!« – Über die wunderbare Bildungsweise des Mädchens erklärt sich unser Verfasser später. auf- und in die Höhlen sprang. Aber es waren nur die rüstigen Kerls, so im Dorfe verblieben und nun kamen, uns Botschaft zu bringen, wie es alldorten stünde. Dahero rief ihr gleich zu: »Emergas, amici!«, wo sie denn auch mit großen Freuden wieder herfürsprang und bei uns zum Feuer niedersaß. Alsobald verzählete nun mein Fürsteher Hinrich Seden, was derweilen fürgefallen und wie er nur durch sein Weib Lise Kolken sein Leben geborgen. Jürgen Flatow, Chim Burse, Clas Peer und Chim Seideritz aber wären erschlagen, und läge letzterer recht auf dem Kirchsteig. Zwölf Katen hätten die grimmigen Mordbrenner in Asche geleget, und wär es nit ihre Schuld, daß nicht das ganze Dorf draufgegangen, angesehen der Wind ihnen nicht gepasset. Hätten zum Hohn und Gespötte die Glocken dazu geläutet, ob niemand kommen wöllt und löschen, und als er und die drei andern jungen Kerle herfürgesprungen, hätten sie die Musketen auf sie angedrückt, aber mit des großen Gotts Hülfe niemand nit getroffen. Darauf wären seine Gesellen über die Zäune gesprungen, ihn aber hätten sie erwischet und schon das Gewehr über ihm ausgerecket, als sein Weib Lise Kolken mit eim andern Trupp aus der Kirchen herfürgetreten und ihnen gewinket, daß er Ruhe gehabt. Lene Hebers aber hätten sie in ihrem Wochenbett erstochen, das Kindlein gespießet und über Clas Peers Zaun in den Nessel geworfen, wo es annoch gelegen, als sie abgelaufen. Wäre jetzunder im ganzen Dorf derohalben keine lebendige Seele mehr und noch schwerer ein Bissel Brots, so daß, wenn den Herren nit ihre Not jammerte, sie alle des elendiglichen Hungertodes würden sterben müssen. (Da sage nun einer, das wöllen Christenmenschen sein!)
Fragte nunmehro, als er schwiege (mit wieviel Seufzen jedoch, kann man leichtlich schließen), nach meiner Hütten, wovon sie aber nichts wußten, als daß sie annoch stünde. Ich dankete dannenhero dem Herrn mit einem stillen Seufzerlein, und alsobald den alten Seden fragend, was sein Weib in der Kirchen gemachet, hätte ich schier vergehen mügen für großen Schmerz, als ich hörete, daß die Lotterbuben, als sie heraußergetreten, die beiden Kelche nebst den Patenen in Händen getragen. Fuhr dahero die alte Lise fast heftig an, welche nun auch angeschlichen kam durch das Buschwerk, worauf sie aber trotziglich zur Antwort gab, daß das fremde Volk sie gezwungen, die Kirche aufzuschließen, da ihr Kerl ja sich in den Zaun verkrochen und niemand anders nit dagewesen. Selbige wären sogleich für den Altar getreten, und da ein Stein nicht wohl gefuget (was aber eine Erzlüge war), hätten sie alsobald angefangen, mit ihren Schwertern zu graben, bis sie auch die Kelche und Patenen gefunden. Könnte auch sein, daß ein anderer ihnen den Fleck verraten. Möchte dahero ihr nicht immer die Schuld beilegen und sie also heftig anschnauzen.
Hierzwischen kamen nun auch die alten Greisen und Weiber mit trefflich vielen Beeren an, item meine alte Magd mit dem Kuhschwanz und den Mähnhaaren, welche verzählete, daß das ganze Haus umbgewühlet, die Fenster zerschlagen, die Bücher und Skripturen auf der Straßen in den Kot getreten und die Türen aus den Hespen gehoben wären. Solliches aber war mir ein geringer Leid denn die Kelche, dahero nur das Volk vermahnete, Biegel und Schneere zu machen, umb am nächsten Morgen mit des barmherzigen Gotts Hülfe unser Jagdwerk zu vollführen. Klöbete dahero selber die Rütlein bis um Mitternacht, und da wir eine ansehnliche Zahl gefertiget, ließ ich den alten Hinrich Seden den Abendsegen beten, den wir alle kniende anhöreten, worauf ich endiglichen noch ein Gebet tat und das Volk sodann vermahnete, die Männer apart und die Weiber auch apart sich für der Kälte (dieweil es schon im Monat Septembri war und fast frisch von der Seekante herwehete) in dem Buschwerk zu verkriechen. Ich selbsten stieg aber mit meinem Töchterlein und der Magd in die Höhlen, hatte aber noch nicht lange geschlummert, als ich den alten Seden fast heftig wimmern hörete, weil ihn die Kolik überfallen, wie er klagte. Stand dahero wieder auf und gab ihm mein Lager und setzte mich wieder zum Feuer und schneitelte Dohnen, bis ich ein halb Stündlein entschlief und der Morgen anbrach, worauf es besser mit ihm worden war und ich nun auch alsobald mich aufmachte und das Volk zum Morgensegen weckte. Dieses Mal tät ihn der alte Paasch, kunnte aber nit recht hineinkommen, weshalb ich ihm aushelfen mußte. Hatt' er ihn vergessen, oder tat's die Angst, das lasse ich ungesagt. Summa. Nachdem wir all recht inniglichen gebetet, schritten wir alsofort zum Werk, keilten die Dohnen in die Bäume und umbhingen sie mit Beeren, unterdessen mein Töchterlein die Kinder hütete und Brummelbeeren vor sie zum Frühstück suchete. – Nun soll man aber wissen, daß wir quer durch den Busch gen den Weg nach Ückeritze hin keileten, und da merke nun männiglich wieder die sonderbare Gnadenschickung des barmherzigen Gotts. Denn als ich mit dem Beil in der Hand (es war Seden sein Beil, so er in der Frühe aus dem Dorfe geholet) in bemeldeten Weg trate, nehm ich auf der Erden ein Brot wahr bei eines Armes Länge, worauf ein Rabe pickete und welches sonder Zweifel ein kaiserlicher Reuter tags vorhero aus seinem Schnappsack verloren, dieweil noch frische Roßtrappen im Sande dabeistunden. Knöpfe mir es also heimlich über den Wanst, so daß niemand nichtes merkete, obschon bemeldeter Paasch dicht hinter mir schritt, item alle andern in nicht gar guter Ferne ihm folgeten. Als wir nun so die Dohnen bestellet in großer Frühe, hatte es schon gegen die liebe Mittagszeit eine so große Menge Vögel darinnen, daß Käthe Berow, welche mir zur Seiten schritt, als ich sie abbande, dieselben in ihrem Schurzfleck fast nit zu lassen wußte und auf dem andern Ende der alte Pagels auch nit viel weniger aus seinem Brustlatz und Rocktaschen herfürlangte. Mein Töchterlein setzte sich also mit dem andern Frauenvolk hin, das Gevögel zu rupfen, und da es an Salz gebrach (denn dessen hatten die meisten von uns lange nicht mehr gekostet), vermahnete sie ein paar Männer, zur Sehe zu steigen und in einem Grapen, so noch von Staffer Zuter geborgen war, ein wenig gesalzen Wasser zu holen, was sie auch täten. In solchem Wasser tunketen wir nunmehro die Vöglein und brieten sie darauf bei einem großen Feuer, wobei uns allen schon von dem süßen Geruch das Maul zu wässere begunnte, da wir so lange keiner Speisen nicht gekostet.
Sage dahero, als alles fertig und das Volk sich auf der Erden gelagert hat: »Nun schauet. wie der Herr sein Volk Israel in der Wüsten noch immerdar mit frischen Wachteln speiset; sollt er nun ein übriges tun und uns auch ein Stücklein Mannabrot vom Himmel senden, was meinet ihr, würdet ihr dann jemalen müde werden zu glauben und nit vielmehr alle Not, Trübsal, Durst und Hunger williglich tragen, so er euch förder nach seinem gnädigen Willen auferlegen söllte?« Worauf sie alle antworteten und sprachen: »Ja, sicherlich!« Ego: »Wöllt ihr mir das wahrhaftiglichen versprechen?« Worauf sie wiederumb sageten: »Ja, das wollen wir!« Da zog ich mit Tränen das Brot von meinem Wanst herfür, hub es hoch in die Höhe und rufete: »Nun schau, du armes, gläubiges Häuflein, welch ein süßes Mannabrot dein treuer Erlöser dir durch mich gesendet!« Worauf alles schrie, ächzete, weinete, auch die kleinen Kinder abermals herbeisprangen und die Händelein ausrecketen, indem sie schrien: »Kiekt Brot, kiekt Brot!« Da ich aber vor Wehmut selbsten nit beten kunnte, ließ ich Paasch sein klein Mägdlein das Gratias beten, in währender Zeit meine Maria das Brot zerschnitt und einem jeglichen sein Teil reichete. Und nun langeten wir allesamt freudig zu dem lieben Gottesmahl in der Wüsten.
Hierzwischen mußte nun aber erzählen, wie ich das liebe Mannabrot gefunden, wobei nit versäumte, sie abermals zu vermahnen, daß sie wöllten das große Wunderzeichen sich zu Herzen gehen lassen, so der barmherzige Gott, wie weiland an dem Propheten Elias, an ihnen auch getan, angesehen, wie ein Rab in der großen Hungersnot demselbigen das Brot in der Wüsten zugeführet, der Herr auch mir dieses Brot durch einen Raben zugeführet, daß ich es finden gemüßt, da ich ihm sonst wohl in meiner Trübsal vorbeigeschritten und es nimmer gesehen hätte.
Als wir endiglichen unsern Bauch mit Notdurft gefüllet, hielte die Danksagung über Lukas 12, V. 24, wo der Herre spricht: »Nehmet wahr den Raben, sie säen nicht, sie ernten auch nit, sie haben auch keine Keller noch Scheunen, und Gott nähret sie doch. Wieviel aber seid ihr besser denn die Vögel?« – Aber unsere Sünden stunken vor dem Herrn. Denn da die alte Lise, wie ich bald in Erfahrung gebracht, ihre Vögel nit verzehret, weil sie ihr zu nüchtern fürkamen, sondern selbige in den Knirkbusch geworfen, ergrimmete sein Zorn über uns wie weiland über das Volk Israel, und wir hatten zur Nacht nur sieben Vögel auf den Schneeren, am andern Morgen aber nur zween. Auch kam kein Rab wieder, der uns Brot wiese. Darumb schalt ich die alte Lise und vermahnete das Volk, sollich gerechte Strafe des höchsten Gottes williglich auf sich zu nehmen, fleißig zu beten, in seinen verlassenen Hütten zurückzuwallen und zu sehen, ob der grundgütige Gott vielleicht auf der Sehe mehr bescheren möcht. Würde ihn auch in mein Gebet Tag und Nacht anrufen, doch noch eine Zeitlang mit meinem Töchterlein und der Magd in der Höhlen verbleiben und der Dohnen hüten, ob sich sein Zorn wenden möcht. Sollten mir inzwischen mein Pfarrhaus nach besten Kräften wieder zurichten, damit ich es bald wieder beziehen könnt, sintemalen die Kälte mir fast schwerfiele. Solliches gelobten sie auch zu tun und schieden mit Seufzen von dannen. Welch ein klein Häuflein! Fande nur noch bei 25 Köpfen, da deren doch sonsten über 80 gewest, alle andern hatte der Hunger, das Schwert und die PestilenzFand im Jahre 1628 statt und häufte das Elend des Dreißigjährigen Krieges auf der hiesigen Insel auf das unerträglichste. Schade, daß die Schilderung des alten Pfarrers, welche er ohne Zweifel in dem Vorhergehenden gegeben, verloren ist. gewürget. Blieb dahero noch mit meinem Gebet für Gott eine Zeitlang einsam und traurig in den Höhlen und sendete nur mein Töchterlein nebst der Magd mit zum Dorfe, daß sie sich umbsehen sollten, wie es in den Widemen stände, item die Schriften und Bücher wieder zusammenlegen, auch mir Kundschaft bringen, ob Hinze, der Zimmermann, den ich alsobald ins Dorf zurückgesendet, die Särge vor die elenden Leichname zusammengehämmert, daß ich sie des nächsten Tages begraben möchte. Darauf schritt ich zu den Dohnen, aber nur ein einig Vögelein war darinnen zu verspüren, woraus ich denn merkete, daß der Zorn Gottes noch nit vorüber. Traf jedoch einen schönen Brummelbeerenbusch, woran ich bei einer Metze Beeren pflückete, mit dem Vogel selbige in Staffer Zuter seinen Grapen tät, den der gute Kerl uns noch eine Frist gelassen, und zur Nachtkost auf ein Feuer setzete, wann mein Kind mit der Magd zurückkehren würd. Währete auch nicht lange, als sie durch den Busch brachen und von dem Greuel der Verwüstung erzähleten, so der leidige Satan unter Zulassung des gerechten Gottes im Dorf und in der Widemen angerichtet. Mein Töchterlein hatte noch ein paar Bücher zusammengelesen, die sie mit sich trug, vor andern einen Virgilium und eine griechische Bibel. Und als sie darauf verzählet, daß der Zimmermann erst morgen fertig würd, wir auch alsbald unsern Bauch zur Notdurft gestillet, mußte sie mir zur Stärkung meines Glaubens noch einmal den locum von den lieben Raben, Lukas am 12ten, aus dem Griechischen fürlesen, item den schönen locum parallelum, Matth. am 6ten, worauf die Magd den Abendsegen betete und wir uns nach der Höhlen zur Nachtruh begaben. Als ich nun am andern Morgen erwachte, als eben die liebe Sonne aus der Sehe herfürbrach und über den Berg schauete, hörete ich, daß mein arm hungrig Töchterlein schon vor der Höhlen stand und das schöne Liedlein von den Freuden des Paradieses rezitierte, so der heilige Augustinus gefertiget und ich ihr gelernet. Bei diesen Worten wurde ich selbsten weich, und als sie schwiegen fragte ich: »Was machst du da, mein Töchterlein?« Worauf sie mir zur Antwort gabe: »Ich esse, Vater!«, was mir erst recht die Tränen herfürtrieb, so daß ich anfing sie zu loben, daß sie die arme Seele speisen wöllt, da sie es nicht ihren armen Leib künnte. Hatte aber noch nit viel gesprochen, als sie aufschrie, daß ich das große Wunderwerk doch betrachten söllte, so sich aus der Sehe herfürtät und allbereits über der Höhlen hereinbrach. Denn siehe, eine Wolke, ganz wie ein Kreuz geformet, kam über uns und ließ dicke, schwere Tropfen (bei einer guten Erbsen groß und darüber) auf uns niederfallen, worauf sie alsbald hinter das Gehäge sank. Richtete mich dannenhero sogleich in die Höhe und rannte mit meinem Töchterlein flugs auf das Gebirge, ihr nachzuschauen. Sie zog gen das Achterwasser, wo sie sich weit auseinandertät und hinterwärts alsbald einen großen blauen Streifen formierete, welchen wunderlich die Sonne beschien, so daß er schier wie eine güldne Brücken anzuschauen war, wie mein Töchterlein sagte, auf welcher die lieben Engel tanzten. Fiel daher mit ihr sogleich auf die Knie und dankete dem Herrn, daß unser Kreuz fürüber gezogen; aber ach, unser Kreuz sollte erst anheben, wie man weiterlesen wird.