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De confrontatione testium
Als wir wieder vorgefordert wurden, war die ganze Stuben voll Menschen, und schudderten sich etzliche, als sie uns sahen, etzliche aber greineten. Und war meines Töchterleins Sage ganz so wie hiebevor vermeldet worden. Als aber unsre alte Ilse fürgerufen ward, so hinten auf einer Bank gesessen, also daß wir sie nit sehen konnten, war die Kraft, womit sie der Herr angetan, wieder zu Ende, und wiederholete sie des Heilands Worte: »Der mein Brot isset, tritt mich mit Füßen« und hielt sich an meim Stuhl fest.
Auch die alte Ilse kunnte vor Jammer nit gerade gehn, weder vor Tränen zu Worte kommen, sondern sie rang und wand sich wie eine Gebärerin für dem Gerichte. Als sie aber Dn. Consul bedräuete, daß der Büttel ihr gleich sölle zu Wort helfen, bezeugete sie, daß mein Kind gar oft zu nachtschlafender Zeit heimlich aufgestanden und den bösen Feind laut angerufen hätte.
Q. Ob sie gehöret, daß Satanas ihr Antwort geben?
R. Hätte sie niemalen nit gehöret.
Q. Ob sie gewahr worden, daß Rea einen Geist gehabt und in welcher Gestalt? Sie sölle an ihren Eid gedenken und die Wahrheit reden.
R. Hätte sie niemalen nit verspüret.
Q. Ob sie wohl gehöret, daß sie zum Schornstein herausgefahren?
R. Nein, sie wäre immer heimlich aus der Türen gangen.
Q. Ob sie nie am Morgen einen Besenstiel oder Ofengabel vermisset?
R. Einmal wäre ihr Besen fortgewest, sie hätte ihn aber hinter dem Backofen wiederfunden, und möchte sie selbsten ihn wohl in Gedanken dort hingesetzet haben.
Q. Ob sie nie gehöret, daß Rea einen Zauber vorgehabt oder diesen und jenen verwünschet?
R. Nein, niemalen, sondern sie hätte ihrem Nächsten nur Gutes angewünschet, auch in der bittern Hungersnot sich selbsten den Bissen aus dem Mund gezogen und ihn andern abgeteilet.
Q. Ob sie denn auch nicht diese Salbe kenne, so man in Rea Koffer fürgefunden?
R. O ja, die Jungfer hätte sie sich vor die Haut aus Wolgast mitgebracht, auch ihr abgeteilet, als sie einmal spröde Hände gehabt, und hätte solches wacker angeschlagen.
Q. Ob sie sonsten noch was zu sagen wisse?
R. Nein, nichtes denn alles Gute.
Hierauf wurde mein Ackersknecht Claus Neels aufgerufen. Selbiger trat auch weinend hinzu, antwortete aber auf alle Fragen mit »Nein« und bezeugete endlich, daß er nie Unrechtes von meinem Töchterlein gesehn noch gehöret, auch von ihrem nächtlichen Wandel nichts vernommen, angesehen er im Stall bei den Pferden schliefe, und auch sicher gläube, daß böse Leute, wobei er auf die alte Lise sah, ihr dies Herzeleid bereitet und sie ganz unschuldig sei.
Als nunmehro auch an dies alte Satanskind die Reihe kam, so ein Hauptzeugnis ablegen sollte, erklärete mein Töchterlein abermalen, daß sie das Gezeugnis der alten Lisen nit annehmen müge und das Gericht um Gerechtigkeit anriefe, denn sie wäre ihr von Jugend auf gram und länger in dem Geschrei der Zauberei gewest denn sie selbsten.
Aber die alte Vettel rief: »Gott vergebe dir deine Sünden! Das ganze Dorf weiß, daß ich ein fromm Weib bin und meinem Gott diene, wie sich gebühret!« Worauf sie den alten Zuter Witthahn und meinen Fürsteher Claus Bulk aufrief, welche auch für sie Zeugnis ablegeten. Aber der alte Paasch stund und schüttelte das Haupt. Doch als mein Töchterlein sagte: »Paasch, warumb schüttelt Ihr mit dem Kopf?«, verzufzete er sich und gab zur Antwort: »I, nicks!«
Dieses wurde aber auch Dn. Consul gewahr und fragete ihm, ob er etwas Unartiges wider die alte Lise fürzubringen habe, so möge er Gott die Ehre geben und solches bekennen; item stünde es einem jeglichen erlaubt, solches zu tun, ja das Gericht beföhl es ihme an zu sprechen, so er etwas wüßte.
Aber aus Furcht vor dem alten Drachen schwiegen sie alle so mäusekenstill, daß man die Fliegen kunnte brummen hören umb das Tintenfaß. Da stund ich Elender auf und streckete meine Arme über mein verzagt und verstürzetes Volk aus und sprach: »Könnt ihr mich also kreuzigen mit meim arm Kinde, hab ich das umb euch verdienet? Sprecht doch, ach, will niemand sprechen?« Aber ich hörete wohl etzliche heulen, doch niemanden sprechen, und jetzunder mußte sich mein arm Töchterlein wohl zufriedengeben.
Und war die Bosheit der alten Vettel so groß, daß sie meinem Kinde nicht nur die erschröcklichste Zaubereien fürhielt, besondern auch die Zeit ausrechnen wollte, wann sie sich dem leidigen Satan ergeben, umb ihr zugleich ihre jungfräuliche Ehr zu rauben, inmaßen sie behauptete, daß dazumalen Satanas ihr sonder Zweifel wohl die Jungfrauschaft genommen, als sie nit mehr hätte das Viehe heilen mügen, sondern es gestorben wär. Hierzu sagte mein Töchterlein aber nichtes, denn daß sie die Augen niederschlug und verschamrotete über solche Unfläterei, und auf die andere Lästerung, so die Vettel mit vielen Tränen ausstieß, daß sie nämlich ihren Mann lebendig dem Satanas übergeben, antwortete sie, wie oben gedacht worden. Doch als die Vettel auf ihre Umtaufe in der Sehe kam und fürgab, daß sie im Busch nach Erdbeeren gesuchet, worauf sie alsbald meines Töchterleins Stimm erkannt und herangeschlichen wäre und so das Teufelswerk gewahret, fiel selbige ihr lächelnd in die Rede und gab zur Antwort: »Ei, du böses Weib, wie kannstu meine Stimm, wenn ich an der Sehe spreche, oben auf dem Berg in der Heiden hören? Du leugst ja, denn das Mürmeln der Wellen macht es dir unmöglich!« Solches verdroß den alten Drachen, und wollt er's besser machen, macht es aber noch ärger, indem er sprach: »Du rührtest ja das Maul, wie ich sehen kunnte, und daraus habe ich abgenommen, daß du den Teufel, deinen Buhlen, angerufen!« Denn mein Töchterlein versetzte alsobald: »O du gottlos Weib, sagst ja, du wärst' in der Heiden gewest, als du meine Stimm gehöret; wie magstu denn in der Heiden sehen, ob ich unten am Wasser das Maul rühre oder nit?«
Solche Widersprechung verwundene auch Dn. Consulem, und hub er an, die alte Vettel zu bedräuen, daß sie doch noch am Ende würde gerecket werden, wenn sie solche Lügen fürbrächte, worauf selbige aber zur Antwort gab: »So sehet denn, ob ich lüge! Als sie nacket ins Wasser ginge, hatte sie noch kein Zeichen an ihrem Leib, als sie aber wieder daraus herfürstieg, sahe ich, daß sie zwischen den beiden Brüsten ein Zeichen bei eines Wittens Größe hat, woraus ich abnahm, daß der Teufel ihr solches geben, obwohl ich ihn nicht umb sie gesehen noch sonst einen Geist oder Menschenkind, sondern es den Anschein hatte, daß sie ganz allein war.«
Hierauf sprang der Amtshauptmann von seinem Sessel auf und rief, daß solchem gleich müßte nachgeforschet werden, worauf Dn. Consul zur Antwort gab: »Ja, aber nit durch uns, sondern durch ein paar ehrsame Weiber.« Denn er achtete nit, daß mein Töchterlein sagte, solches wäre ein Muttermal, und hätte sie es von ihrer Jugend auf gehabt. Dannenhero mußte den Büttel seine Frau kommen, welcher Dn. Consul etwas ins Ohr mürmelte, und als kein Bitten und Weinen helfen wollte, mußte mein Töchterlein mitgehen. Doch erhielt sie es, daß die alte Lise Kolken ihr nicht folgen durfte, wie sie es zwar gewollt, sondern unsre Magd, die alte Ilse. So ging ich auch mit in meinem Gram, weilen ich nicht wissen kunnte, was die Weibsbilder mit ihr fürnehmen würden. Sie weinete heftig, als selbige sie auszogen, und hielt sich für Scham die Hand für die Augen.
Ach Gott, sie war geradeso weiß auf ihrem Leibe wie meine Selige, da sie doch in ihrer Jugend, wie ich mich erinnere, fast gelb gewest, und sah ich mit Verwundrung den Fleck zwischen ihren Brüsten, von dem ich vorhero auch nie was in Erfahrung gezogen. Aber alsobald schrie sie heftig auf und sprang zurücke, angesehen den Büttel sein Weib, wie niemand gewahr worden, ihr eine Nähnadel in den Fleck gestoßen, also daß das rote Blut ihr über die Brüste lief. Darob erzürnete ich heftig, aber das Weib gab für, daß sie solches auf Geheiß des Richters getanMan nahm nämlich an, daß dergleichen Male bei den Hexen alsdann unzubezweifelnde Zeichen des Teufels wären, wenn sie kein Gefühl hatten, und wurde diese Prozedur mit jedem der Zauberei Verdächtigen vorgenommen. , wie es auch nicht anders war. Denn als wir wieder in das Gerichtszimmer kamen und der Amtshauptmann fragete, wie es stünd, bezeugete sie, daß alldorten zwar ein Mal bei eines Guldens Größe und gelblich anzusehen fürhanden, daß aber Gefühl in selbigem wäre, angesehen Rea laut aufgeschrien, als sie unvermerkt mit einer Nadel hineingestoßen. Hierzwischen sprang aber Dn. Camerarius plötzlich auf und trat für mein Töchterlein, ihr die Augenlider auseinanderschiebend, worauf er zu zittern begunnte und ausrief: »Sehet hier das Zeichen, welches nimmer trügt!« Worauf das ganze Gericht aufsprang und ihr das kleine Mal beschauete, so sich unter dem rechten Lide wies, was von eim Gerstenkorn gekommen, aber niemand nit gläuben wollte. Besondern Dn. Consuln sprach: »Sieh, der Satan hat dich gezeichnet an Leib und Seelen, und du fährest dennoch fort, dem Heiligen Geist zu lügen, aber es wird dir nichtes helfen, du machst dein Urteil nur schwerer. O du schamlos Weibsbild, willtu der alten Lisen ihr Gezeugnis nit annehmen, willtu es dann auch nicht dieser Leute Zeugnis, so dich sämtlich haben auf dem Berge mit ihr deinen Buhlen, den Teufel, anrufen hören, worauf er dir als ein haarigter Riese erschienen und dich geherzet und geküsset?«
Hierauf traten der alte Paasch, Witthahnsche und Zuter herfür und bezeugeten, daß solches umb Mitternacht geschehen und sie auf solch Bekenntnis leben und sterben wollten. Die alte Lise hätte sie in der Samstagnacht bei 11 Uhren gewecket, ihnen einen Krug Bier fürgesetzet und sie beredet, der Priestertochter heimlich nachzugehen, umb zu sehen, was sie in dem Berg täte. Und hätten sie zu Anfang nit gewollt, aber umb der Zauberei im Dorf auf den Grund zu kommen, hätten sie sich endlich nach einem andächtigen Gebet willig finden lassen und wären ihr in Gottes Namen gefolget.
Hätten die Hexe auch bald durch das Buschwerk im Mondschein gesehen, wo sie getan, als wenn sie gegraben und laut in einer absonderlichen Sprachen geredet, worauf der grimmige Erzfeind plötzlich erschienen und ihr umb den Hals gefallen. Nunmehro wären sie verstürzet fortgerannt und mit des allmächtigen Gottes Hülfe, auf den sie von Anbeginn ihr Vertrauen gesetzet, auch erhalten und beschützet worden vor der Macht des bösen Feindes. Denn wiewohlen er sich nach ihnen umbgesehen, als es im Busch gerustert, hätte er ihnen doch nit schaden mögen.
Endlich wurde es meim armen Töchterlein auch noch als ein Crimen ausgelegt, daß sie unmächtig worden, als man sie von Koserow nacher Pudagla abgeführet, und wollte es abereins ihr niemand gläuben, daß solches vor Verdruß über der alten Lisen ihren Gesang geschehen sei und nicht aus bösem Gewissen, wie der Richter fürgab.
Als nunmehro sämtliche Zeugen verhöret waren, befragete Dn. Consul sie noch, ob sie letztlich das böse Wetter gemacht, item was die Pogge zu bedeuten gehabt, so ihr in den Schoß gefallen, item der Schweinsigel, so vor ihm mitten im Wege gelegen, worauf sie zur Antwort gab, daß sie so wenig das eine getan, als sie umb das andre wisse, worauf aber Dn. Consul abermals mit dem Kopf schüttelte und sie dann letzlich fragete, ob sie wölle einen Advokaten haben oder allens der besten Einsicht des Gerichtes anheimstellen, worauf sie zur Antwort gab, daß sie in alle Wege einen Advokaten wölle, und schickere ich dannenhero des nächsten Tages meinen Ackersknecht Claus Neels nach Wolgast, umb den Syndikus Michelsen zu holen, der ein frommer Mann ist und bei dem ich etzliche Male eingekehret bin, wenn ich zur Stadt gefahren, dieweil er mich höflichst invitieret.
Auch muß ich noch notieren, daß meine alte Ilse nunmehro wieder bei mir zog, denn nachdeme die Zeugen fortgangen waren, blieb sie annoch allein im Zimmer und trat mutiglich für mich, bittend, daß ihr müget vergönnet werden, ihren alten Herrn und ihre liebe Jungfer wieder zu pflegen. Denn nunmehro hätte sie ihre arme Seel gerettet und allens geoffenbaret, was sie wüßte. Darum könne sie es nit länger mit ansehen, daß es ihrer alten Herrschaft so traurig ginge und sie nicht einmal einen Mundvoll Essen hätten, angesehen sie in Erfahrung gezogen, daß die alte Seepsche, so die Kost vor mich und mein Kind bis dato bereitet, oftermalen die Grütze hätte anbrennen lassen, item die Fische und andere Kost versalzen. Auch wäre ich vor Alter und Gram ja also schwach, daß ich Beistand haben müßte, und wölle sie mir solchen getreulich leisten, auch gerne im Stall schlafen, wo es sein müßte. Lohn verlange sie nicht dafür, und sölle ich sie nur nicht verstoßen. Solche Gutheit erbarmte mein Töchterlein zu Tränen, und sprach sie zu mir: »Siehe, Vater, die guten Menschen kommen schon wieder zu uns, sollten uns die guten Engel denn auf immer verlassen? Ich danke dir, alte Ilse, ja, du sollst mir die Kost bereiten und sie mir immer bis an die Gefängnistür tragen, wenn du nit weitergehen darfst, und letzlich darauf achten, was der Büttel damit fürnimmt, hörstu?«
Solches versprach die Magd zu tun, und nahm sie von jetzo an in meinem Stall ihre Herberge. Gott lohn es ihr am Jüngsten Gerichte, was sie für mich und mein arm Kind getan!