Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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13. Kapitel

Was sonsten in diesem Winter fürgefallen, intem wie im Frühjahr die Zauberei im Dorfe anhebt

Sonsten ist in diesem Winter nichts Sonderliches fürgefallen, als daß der barmherzige Gott großen Segen gab, im Achterwasser wie in der Sehe, und wieder gute Nahrung in der Gemeine kam, so daß auch von uns konnte gesaget werden, wie geschrieben stehet: »Ich hab dich ein klein Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammlen.«Jesaias 54,7. Dannenhero wurden wir auch nit müde, dem Herrn zu danken, und tät die Gemeine der Kirchen viel Gutes, kaufete auch wieder neue Kanzel- und Altartücher, da der Feind die alten geraubet, item wollte mir das Geld vor die neuen Kelche wiedererstatten, so ich aber nit genommen hab.

Doch hatte es noch bei zehen Bauern im Kapsel, die ihr Saatkorn zum Frühjahr nit schaffen kunnten, angesehen sie ihren Verdienst vor Vieh und das liebe Brotkorn ausgegeben. Machte also mit ihnen einen Vertrag, daß ich ihnen wölle das Geld dazu fürstrecken, und könnten sie es mir in diesem Jahr nicht wieder aufbringen, möchten sie es im nächsten mir wiedererstatten, welches sie auch dankbarlich annahmen, und schickten wir bei sieben Wagens nacher Friedland in Mecklenburg, vor uns alle Saatkorn zu holen. Denn mein lieber Schwager Martin Behring in Hamburg hatte mir allbereits durch den Schiffer Wulf, der zu Weihnachten schon wieder binnen gelaufen war, vor den Bernstein 700 Fl. übermachet, die ihme der Herr gesegnen wölle.

Sonsten starb diesen Winter die alte Thiemksche in Loddin, so eine Großmutter im Kapsel ware und auch mein Töchterlein gegriffen hat. Aber sie hat in letzter Zeit wenig Arbeit gehabt, inmaßen ich in diesem Jahre nur zwei Kinder getaufet, als Jung seinen Sohn und Lene Hebers ihr Töchterlein, so die Kaiserlichen gespießet. Item sind es fast fünf Jahr, daß ich die letzten Brautleute vertrauet. Dannenhero männiglich schließen mag, daß ich hätte mögen zu Tode hungern, wenn der gerechte Gott mich nit auf andere Weis so grundgütig bedacht und gesegnet hätte. Darumb sei ihm allein die Ehr. Amen.

Hierzwischen aber begab es sich nicht lange darauf, als der Amtshauptmann das letzte Mal dagewesen, daß die Zauberei im Dorfe begunnte.

Saß eben und traktierte mit meinem Töchterlein den Virgilium im Zweiten Buch, von der greulichen Verwüstung der Stadt Troja, so doch noch erschröcklicher gewesen denn unsere, als das Geschreie kam, daß unsern Nachbauern Zabel seine rote Kuh, so er sich vor wenigen Tagen gekaufet, im Stalle alle viere von sich gestoßen und verrecken wölle und solches ein seltsam Ding wäre, angesehen sie noch vor einer halben Stunden wacker gefressen. Mein Töchterlein möchte doch hinkommen und ihr drei Haare aus dem Schweif ziehen und selbige unter der Stallschwellen verscharren. Denn sie hätten in Erfahrung gebracht, wenn solches eine reine Jungfer tät, würde es besser mit der Kuh. Tät ihnen mein Töchterlein also den Willen, dieweil sie die einige Jungfer im ganzen Dorf war (denn die andern seind noch alle Kinder), und schlug es auch von Stund an, so daß sich männiglich verwunderte. Aber es währete nit lange, so kam Witthahnsche ihrem Schwein beim gesunden Fressen auch was an. Selbige kam also angelaufen, daß mein Töchterlein sich umb Gotts willen erbarmen und ihrem Schwein auch etwas gebrauchen wölle, da böse Menschen ihme was angetan. Dannenhero erbarmte sie sich auch, und es half alsogleich wie das erste Mal. Doch hatte das Weib, so schwanger war, von dem Schröcken die Kindesnot überkommen, und wie mein Töchterlein kaum aus dem Stalle ist, geht sie jünsend und sich an allen Wänden stützend und begreifend in ihre Bude, rufet auch ringsumbher die Weiber zusammen, da die rechte Großmutter, wie bemeldet, verstorben war, und währet es nit lange, so schießt auch etwas unter ihr zur Erden. Doch als sich die Weiber darnach niederbücken, hebt sich der Teufelsspök, so Flügel gehabt, wie eine Fledermaus von der Erden, schnurret und burret in der Stuben umbher und schießt dann mit großem Rumor durch das Fenster, daß das Glas auf die Straßen klinget. Wie sie aber nachsehen, ist allens fort. Nun kann man genugsam bei sich selbsten abnehmen, welch ein groß, gemein Geschrei hieraus entstande. Und judizierete fast das ganze Dorf, daß niemand nit denn den alten Seden sein gluderäugigt Weib solchen Teufelsspök angerichtet.

Aber die Gemein wurde bald in solchem Glauben irrig. Denn desselbigen Weibes ihre Kuh kriegt es bald auch so wie alle andern ihre Kühe. Kam dahero auch wehklagend herbeigelaufen, daß mein Töchterlein sich ihrer erbarmen wöll, wie sie sich der andern erbarmet, und umb Gottes willen ihrer armen Kuh helfen. Hätte sie ihr verarget, daß sie von dem Dienst beim Amtshauptmann etwas gesaget, so wäre es ja aus gutem Herzen geschehen etc. Summa: sie beredete mein unglücklich Kind, daß sie auch hinginge und ihrer Kuh half.

Unterdessen lag ich an jeglichem Sonntag mit der ganzen Gemein auf meinen Knien dem Herrn an, daß er dem leidigen Satan nit wölle gestatten, uns dasjenige wiederumb zu nehmen, was seine Gnad uns nach so vielerlei Not zugewendet, item daß er den Urheber von solchem Teufelsspök an das Tageslicht bringen wölle, umb ihm die verdiente Straf zu geben.

Aber es half allens nit. Denn allererst waren wenige Tage verstrichen, so kam Stoffer Zuter seiner bunten Kuh auch was an, und kam er wieder, wie all die andern, zu meinem Töchterlein gelaufen. Ging sie also auch hin, aber es wollte nit anschlagen, sondern das Viehe verreckete fast unter ihren Händen.

Item hatte Käte Berow von dem Spinngeld, das sie diesen Winter von meim Töchterlein erhalten, sich ein Ferkelken angeschaffet, so das arme Weibstück wie ein Kind hielte und bei sich in der Stuben laufen hatte. Selbiges Ferkelken kriegt es auch wie die andern im Umbsehen; doch als mein Töchterlein hierzu gerufen wird, will es auch nit anschlagen, sondern es verrecket ihr abermals unter den Händen, und erhebt das arme Weibsbild ein groß Geschrei und reißt sich für Schmerz die Haare aus, so daß es mein Kind erbarmet und sie ihr ein ander Ferkelken verspricht, wenn meine Sau werfen würd.

Hierzwischen mochte wohl wieder eine Woche verstreichen, in währender Zeit ich mit der ganzen Gemein fortfuhre, den Herrn umb seinen gnädigen Beistand, wiewohl umbsonst, anzurufen, als Sedensche ihr Ferkel auch was ankömmt. Läuft dahero wieder mit großem Geschrei zu meiner Tochter, und wiewohl diese ihr sagt, daß sie ja sähe, es wölle nit mehr helfen, was sie vor das Vieh gebrauchte, hörte sie doch nit auf, selbiger mit großem Lamentieren so lange anzuliegen, bis sie sich abermals aufmachte, ihr mit Gotts Hülfe beizustehn. Aber es war auch umbsonst, angesehen das Ferkelken schon verreckete, bevorab sie den Stall verlassen. Was tät aber nunmehro diese Teufelshure? Nachdeme sie mit großem Geschrei im Dorfe umbhergelaufen, saget sie, nun sähe doch männiglich, daß mein Töchterlein keine Jungfer mehr wäre, denn warumb es sonst jetzt nit mehr helfen sollte, wenn sie dem Viehe was gebrauchte, so es doch vorhero geholfen? Hätte wohl ihre Jungferschaft in dem Streckelberge gelassen, wohin sie diesen Frühjahr so fleißig trottiere, und wüßte Gott, wer selbige bekommen! Doch weiter sagt sie noch nichts, und erfuhren wir das allens nur hernachmals. Und ist wahr, daß mein Töchterlein diesen Frühjahr ist mit und ohne mich in den Streckelberg gespazieret, umb sich Blumen zu suchen und in die liebe Sehe überzuschauen, wobei sie nach ihrer Weis diejenigen Versus aus dem Virgilio, so ihr am besten gefallen, laut gerezitieret (denn was sie ein paarmal lese, das behielte sie auch).

Und solche Gänge weigerte ich ihr auch nicht, denn Wülfe hatte es nicht mehr im Streckelberge, und wenn es auch noch einen hatte, so fleucht er vor dem Menschen zur Sommerszeit. Doch nach dem Bernstein verbot ich ihr zu graben. Denn da er nunmehro schon zu tief fiele, und wir nicht wußten, wo wir mit dem Aufwurf bleiben söllten, daß es nit verraten würd, nahm ich mir für, den Herrn nicht zu versuchen, besondern zu warten, bis mein Fürrat am Gelde fast klein würde, bevorab wir wieder grüben.

Solliches tat sie aber nicht, wiewohl sie es versprochen, und ist aus diesem Ungehorsam all unser Elend herfürgegangen. (Ach, du lieber Gott, welch ein ernst Ding ist es doch um dein heilig viertes Gebot!) Denn da Ehre Johannes Lampius von Krummin, so mich im Frühjahr heimgesuchet, mir verzählet, daß der Kantor in Wolgast die Op. St. Augistini verkaufen wölle, und ich in ihrer Gegenwärtigkeit gesaget, daß ich solche wohl vor mein Leben gerne kaufen möchte, aber das Geld davor nit übrig hätte, stunde sie ohne mein Wissen des Nachts auf, umb nach Bernstein zu graben, solchen auch, so gut sie könnte, in Wolgast zu versilbern und zu meinem Geburtstag, welcher den 28sten August einfällt, mir heimlich die Op. St. Augustini zu verehren. Den Aufwurf hat sie aber immer mit tännen Zweigen bedecket, so es genugsam in der Heiden hat, damit niemand nichtes verspüren möchte.

Hierzwischen aber begab sich, daß der junge Nobilis Rüdiger von Nienkerken eines Tages angeritten kam, umb Kundschaft von dem großen Zauber zu überkommen, so hier im Dorfe sein sölle. Als ich ihme nun solchen verzählet, schüttelte er ungläubig das Haupt und vermeinete, daß es mit aller Zauberei fast Lüg und Trug wäre, wovor ich mich heftiglich perhorreszierete, angesehen ich diesen jungen Herrn für einen klügeren Mann gehalten, und nun sehen mußte, daß er ein Atheiste war. Solches aber merkete er und gab lächelnd zur Antwort, ob ich jemals den Johannen WierumEin niederländischer Arzt, der 1590 in einer Schrift das Unwesen des Zauberglaubens seiner Zeit angriff, dafür aber selbst für den ärgsten Hexenmeister verschrien wurde. gelesen, so nichts wissen wölle von der Zauberei und argumentiere, daß alle Hexen melancholische Personen wären, die sich selbsten nur einbildeten, daß sie einen Paktum mit dem Teufel hätten, und ihm mehr erbarmens- denn strafwürdig furkämen.

Hierauf gab ich zur Antwort, daß ich solchen zwar nit gelesen (denn sage, wer kann allens lesen, was die Narren schreiben?), aber der Augenschein zeige ja hier und allerorten, daß es ein ungeheurer Irrtum sei, die Zauberei zu leugnen, inmaßen man alsdann auch leugnen könnte, daß es Mord, Ehebruch und Diebstahl gäb.

Aber dieses Argumentum nannte er ein Dilemma, und nachdem er viel von dem Teufel gedisputieret, so ich vergessen, da es arg nach Ketzereien roch, sagete er, er wölle mir von einem Zauber in Wittenberg erzählen, so er selbsten gesehen.

Als dorten nämlich ein kaiserlicher Hauptmann vor dem Elstertore eines Morgens sein gutes Roß bestiegen, umb sein Fähnlein zu inspizieren, hebet solches alsobald an, so grimmig zu toben, bäumet, schüttelt mit dem Kopfe, prustet, rennet und brüllet, nit wie Pferde sonst tun, daß sie wiehern, sondern es ist anzuhören gewest, als wenn die Stimm aus einem Menschenhalse käme, so daß männiglich sich verwundert und allens das Rößlein für bezaubert gehalten. Es hätte auch alsobald den Hauptmann abgeworfen, ihm mit seinem Huf den Schädel eingeschlagen, daß er dagelegen und gezappelt, und hätte nunmehro ins Weite wöllen. Da hätte ein Reutersmann sein Handröhr auf das verzauberte Roß abgedrucket, daß es gleich auf den Weg zusammengeschossen und verrecket sei. So wäre er auch mit vielen hinzugetreten, dieweil der Obrist alsofort Befehlig an den Feldscherer gegeben, daß Roß aufzuschneiden, umb zu sehen, wie es innerlich mit ihm stünde. Wäre aber alles gut gewest, und beide, der Feldscherer und Feldmedikus, hätten testifizieret, daß es ein kerngesund Roß sei, wannenhero allens denn noch weit heftiger über Zauberei geschrien. Hierzwischen aber hätte er selbsten (verstehe: den jungen Nobilis) gesehen, daß dem Rößlein ein feiner Rauch aus der Nasen gezogen, und als er sich niedergebucket, hätte er alsobald einen Lunten herfürgezogen, fast bei eines Fingers Länge, so noch geschwelet und ihme ein Bube mit einer Nadel heimlich zur Nase hineingestoßen. Da wäre denn die Zauberei auf einmal vergeschwunden, und man hätte den Täter nachgespüret, so auch alsobald gefunden wär, nämlich der Reutersknecht von dem Hauptmann selbsten. Denn da sein Herr ihm das Wammes ausgeklopfet, hätte er einen Eid getan, es ihm zu gedenken, so aber der Profoß selbsten gehöret, der von ungefährlich im Stall gestanden und geharnet. Item hätte ein anderer Kriegsknecht bezeuget, daß er gesehn, wie der Kerl ein Stück von der Lunten geschnitten, kurz zuvor ehe denn er seinem Herrn das Roß vorgeführet. – Also, meinte nun der junge Edelmann, wär es mit jeglicher Zauberei, so man damit auf den Grund ginge, wie ich ja auch selbsten in Gützkow gesehen, wo der Teufelsspök ein Schuster gewest, und würd es auch hier im Dorf wohl auf gleiche Weis zugestehn. Vor solche Rede wurde ich aber dem Junker von Stund an als einem Atheisten abhold, wiewohlen ich in Zukunft leider Gottes gesehen hab, daß er fast recht gehabt, denn wäre der Junker nit gewest, wo wäre dann mein Kind?

Doch will ich nichtes übereilen! – Summa: Ich ging fast verdrüßlich über diese Wort in der Stuben umbher, und fing der Junker nunmehro an, mit meinem Töchterlein über die Zauberei zu disputieren, bald deutsch und bald lateinisch, wie es ihm ins Maul kam, und sollte sie auch ihre Meinung sagen. Aber sie gab ihm zur Antwort, daß sie ein dumm Ding sei und keine Meinung haben könnte, daß sie aber dennoch gläube, der Spök hier im Dorfe ginge nit mit rechten Dingen zu. Hierüber rief mich die Magd abseiten (weiß nit mehr, was sie wollte), doch als ich wieder in die Stuben kam, war mein Töchterlein so rot wie ein Scharlachen, und der Junker stunde dicht vor ihr. Fragete sie dannenhero gleich, als er abgeritten, ob etwas fürgefallen, so sie aber leugnete und erst nachgehende bekannte, daß er in meinem Abwesen gesaget, daß er nur einen Menschen kenne, so zu zaubern verstünde. Und als sie ihn gefraget, wer derselbige Mensch denn wäre, hätte er sie bei der Hand gegriffen und gesaget: »Sie ist es selbsten, liebe Jungfer, denn sie hat meinem Herzen etwas angetan, wie ich verspüre!« Weiteres aber hätte er nichtes gesaget, als daß er sie dabei mit brennenden Augen ins Angesicht geschauet, und darüber wäre sie so rot worden.

Aber so seind die Mädchens, sie haben immer ihre Heimlichkeiten, wenn man den Rücken drehet, und ist das Sprüchwort wahr: »Mätens to höden un Kücken to möten, sall den Düwel sülfst verdreten!«Das ist etwa: »Mädchen und Küchlein zu hüten, soll den Teufel selbst verdrießen!« – wobei jedoch zu bemerken, daß die hochdeutsche Sprache das malerische Wort »möten« nicht ausdrücken kann, welches eigentlich bedeutet, mit vorgestreckten Armen das Korn oder einen andern lockenden Gegenstand vor dem Andrange der Tiere zu schützen., wie man leider nachgehende noch weiter finden wird.


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