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Vom ersten Verhör und was daraus erfolget
Am andern Morgen, als ich auf dem Vorhof auf und nieder ginge, dieweil ich den Büttel vielmals umbsonst gebeten, mich zu meinem Töchterlein zu geleiten (er wollte mir aber nit einmal sagen, wo sie säß), und letztlich für Unruhe dorten umherlief, kam gegen 6 Uhren auch schon ein Wagen von Usedom, auf welchem Seine Edlen, Herr Samuel Pieper, Consul dirigens, item der Camerarius Gebhard Wenzel und ein Scriba saßen, so ich zwar erfahren, wie er geheißen, es aber wieder vergessen hab. Auch mein Töchterlein hat es wieder vergessen, angesehen sie sonst ein fast trefflich Gedächtnis hat, mir auch das meiste von dem, was nunmehro folget, vorgesagt, alldieweil mein alter Kopf fast bersten wollte, so daß ich selbsten wenig mehr davon behalten. Trat also gleich an den Wagen und bate, daß Ein ehrsam Gericht mir erlauben wölle, bei dem Verhör zugegen zu sein, inmaßen mein Töchterlein noch unmündig wär, welches mir aber der Amtshauptmann nicht zugestehen wollte, so inzwischen auch an den Wagen getreten war von dem Erker, wo er übergeschauet. Doch Seine Edlen, Herr Samuel Pieper, so ein klein, kurz Männeken war mit einem feisten Bäuchlein und eim Bart, grau mengelieret und ihme bis auf den Gürtel herabhängende, reichte mir gleich die Hand und kondolierete mich als ein Christ in meiner Trübsale: sölle nur in Gottes Namen in das Gerichtszimmer kommen, und wünsche er von Herzen, daß allens erstunken und erlogen wär, so man gegen mein Töchterlein fürgebracht. Aber ich mußte noch wohl bei zween Glockenstunden ausharren, ehe denn die Herren wieder den Windelstein herabkamen. Endlich gegen 9 Uhren hörete ich, daß der Büttel die Stühl und Bänken im Gerichtszimmer rückete, und da ich vermeinete, daß nunmehro die Zeit gekommen, trat ich hinein und setzte mich auf eine Bank. Es war aber noch niemand nicht da außer dem Büttel und sein Töchterken, so den Tisch abwischte und ein Röslein zwischen den Lippen hielt. Selbige ließ ich mir verehren, umb daran zu riechen, und meine ich auch, daß man mich heute tot aus der Stuben getragen, wenn ich sie nicht gehabt. So weiß der Herr uns selbst durch ein schlecht Blümlein das Leben aufzuhalten, wenn es ihm geliebt!
Endlich kamen die Herren und satzten sich umb den Tisch, worauf Dn. Consul auch allererst dem Büttel winkete, mein Töchterlein zu holen. Hierzwischen aber fragete er den Amtshauptmann, ob er Ream habe schließen lassen, und als er »Nein!« sagete, gab er ihm einen Verweis, so daß es mir durch das Mark zog. Aber der Amtshauptmann entschuldigte sich, daß er, angesehen ihres Standes, solches nit getan, sie aber in ein fest Gewahrsam habe bringen lassen, aus dem es unmöglich sei zu entkommen, worauf Dn. Consul zur Antwort gab, daß dem Teufel viels möglich sei und sie nachhero würden die Verantwortung haben, wenn Rea fortkäme. Das verdroß den Amtshauptmann, und er vermeinete, wenn der Teufel sie könne durch das Gemäure fahren, so bei sieben Fuß Dicke und drei Türen vor hätte, könne er ihr auch gar leichte die Ketten abreißen, worauf Dn. Consul antwortete, daß er sich nachhero selbsten die Gefängnis besehen wölle. – Und meine ich, daß der Amtshauptmann bloß darum so gütig gewest, weil er noch immer in Hoffnung gestanden (wie man solches auch nachmals erfahren wird), mein Töchterlein zu seinem Willen zu beschwatzen.
Nunmehro aber ging die Türe auf, und mein arm Kind trat herein mit dem Büttel, aber rücklingsDies lächerliche Verfahren schlug man in der Regel bei dem ersten Verhör einer Hexe ein, weil man in dem Wahne stand, sie bezaubere sonst von vornherein die Richter mit ihren Blicken. Hier wäre der Fall nun allerdings gedenkbar gewesen. und ohne Schuhe, so sie draußen mußte stehenlassen. Es hatte sie der Kerl bei ihren langen Haaren gegriffen und leitete sie also vor den Tisch, worauf sie sich erst umbkehren und die Richter ansehen mußte. Dabei hatte er ein groß Wort und war in alle Wege ein dreuster und mutwilliger Schalk, wie man bald weiters hören wird. Nachdeme nun Dn. Consul einen großen Seufzer gelassen und sie von Kopf bis zu den Füßen sich angesehen, fragete er erstlich, wie sie heiße und wie alt sie wär, item ob sie wüßte, warumb sie hierher gefordert. Auf letzten Punkt gab sie zur Antwort, daß der Amtshauptmann solches ja bereits ihrem Vater vermeldet, und wölle sie niemand Unrecht tun, gläube aber, daß der Amtshauptmann selbsten ihr zu dem Geschrei einer Hexen verholfen, umb sie zu seinem unkeuschen Willen zu bringen. Hierauf verzählete sie, wie er es vom Anfang an mit ihr getrieben und sie durchaus zu einer Ausgeberschen verlanget. Da sie aber solches nicht hätte tun wöllen, obgleich er selbsten unterschiedliche Malen zu ihrem Vater ins Haus gekommen, hätte er einsmals, als er aus der Türen gegangen, für sich in den Bart gemummelt: »Ich will sie doch wohl kriegen!«, wie solches ihr Ackersknecht Claus Neels im Pferdestall, wo er gestanden, mit angehöret. Und solches habe er alsobald zu vollenführen gesucht, indeme er viel mit einem gottlosen Weibe, so Lise Kolken hieße und früher bei ihme im Dienst gestanden, konversieret. Selbige möchte wohl die Zauberstückchen gespielet haben, so man ihr andichte, sie wisse von keinem Zauber. Item verzählete sie, wie der Amtshauptmann es gestern abend mit ihr gemacht, als sie kaum angekommen, und wäre er nunmehro auch zum ersten Male frisch mit der Sprache herfürgerücket, weil er gläube, sie in seiner Gewalt zu haben. Ja, er wäre selbsten diese Nacht wieder ins Gefängnis zu ihr gekommen und hätte ihr abermals die Unzucht angetragen, und wölle er sie schon frei machen, wenn sie seinen Willen täte. Da sie ihn aber abgestoßen, habe er mit ihr gerungen, wobei sie ein laut Geschrei erhoben und ihne an der Nasen gekratzet, wie annoch zu sehen wäre, worauf er sie verlassen. Darumb könne sie den Amtshauptmann nicht vor ihren Richter anerkennen und hoffe zu Gott, daß er sie retten würd aus der Hand ihrer Feinde, wie weiland er die keusche Susanna gerettet.
Als sie hierauf mit lautem Schluchzen schwiegen sprang Dn. Consul auf, nachdem er dem Amtshauptmann, wie wir alle, nach der Nasen gesehen und alldorten auch die Schramme befunden, und rief wie verstürzet: »Sprech Er, umb Gottes willen, sprech Er, was muß ich von Sr. Gestrengen hören?« Worauf der Amtshauptmann, ohne sich zu verfärben, also zu Antwort gab, daß er zwar nicht nötig habe, vor Sr. Edlen zu sprechen, angesehen er das Oberhaupt vom Gericht wäre und aus zahllosen Indizien herfürgehe, daß Rea eine boshafte Hexe sei und darumb kein Zeugnis gegen ihn oder männiglich ablegen könne, daß er aber dennoch sprechen wölle, umb dem Gericht keine Ärgernis zu geben. Alle Anschuldigungen, so diese Person gegen ihn herfürgebracht, wären erstunken und erlogen. Doch hätte er sie in alleweg vor eine Ausgebersche mieten wöllen, inmaßen er umb eine solche sehr benötigt gewest, da seine alte Dorte schon schwach würde. Auch hätte er sie zwar gestern insgeheimb fürgenommen, umb sie im Guten zum Geständnis und dadurch zur Milderung ihrer Strafe zu persuadieren, angesehen ihn ihre große Jugend gejammert, hätte aber kein unartiges Wort zu ihr gesaget, noch wäre er in der Nacht zu ihr kommen, besonderen die Schramm hätte ihm sein kleines Schoßhündlein, Below geheißen, gekratzet, mit dem er heute morgen gespielet. Solliches könne seine Dorte bezeugen, und hätte die schlaue Hexe dieses gleich benutzet, umb das Gericht uneinig zu machen und dadurch mit des Teufels Hülfe ihren Vorteil zu gebrauchen, alldieweil sie fast eine verschmitzte Kreatur wäre, wie das Gericht auch bald weiters ersehen würde.
Nunmehro aber fassete ich mir auch ein Herze und stellte für, daß alles so wahr sei, wie es mein Töchterlein ausgesaget, und ich gestern abend selbst vor der Türen mit angehöret, daß Se. Gestrengen ihr einen Antrag getan und Narrenteidinge mit ihr zu treiben versucht, item daß er sie schon in Koserow einmal hätte küssen wöllen, item was Se. Gestrengen mir sonsten für Herzeleid von wegen dem Mistkorn zugefüget.
Aber der Amtshauptmann überschrie mich alsobald und sprach, wenn ich ihne, als einen unschuldigen Mann, in der Kirchen von der Kanzel verleumdet, wie die ganze Gemeinde sein Zeuge wär, würd es mir ein leichtes sein, solches auch hier für Gericht zu tun, unangesehen ferner, daß kein Vater für sein Kind ein Zeugnis ablegen könne.
Aber Dn. Consul wurde ganz wie verstöret und schwiege und stützete darauf sein Haupt in tiefen Gedanken auf den Tisch. Hierzwischen fing aber der dreuste Büttel an, ihm zwischen den einen Arm durch an seinen Bart zu fingerieren, und gläubete Dn. Consul wohl, es wäre eine Fliege, und schlug, ohne emporzuschauen, mit der Hand darnach. Als er aber auf den Büttel seine Hand traf, fuhr er in die Höhe und fragete ihn, was er wölle? Worauf der Kerl zur Antwort gab: »Oh, Em kröp da man ehne Luus, de ick griepen wollde.«
Solche Dreustigkeit verdroß Se. Edlen also heftig, daß er dem Büttel eine Maultasche stach und ihm bei harter Strafe befohl, aus der Türen zu reisen.
Hierauf wendete er sich an den Amtshauptmann und schrie für Zorn: »Was alle zehn Teufel, wie hält Se. Gestrengen den Büttel in Respekt? Und überhaupt ist das allens ein seltsam Ding, woraus ich nicht klug werden kann.« – Aber es antwortete der Amtshauptmann: »Nicht also? Sollte Er nit klug daraus werden, wenn Er an die Aale gedenkt?«
Hierauf wurde Dn. Consul mit einmal ganz blaß, also daß er zu zittern begunnte, wie es mir fürkam, und er den Amtshauptmann abseiten in ein ander Zimmer rief. Habe niemals erfahren können, was solches zu bedeuten gehabt, so er von den Aalen sagte.
Hierzwischen saß aber Dominus Camerarius Gebhard Wenzel und käuete eine Feder und schauete dabei mit vielem Grimm bald auf mich, bald auf mein Töchterlein, doch ohne ein Wörtlein zu sagen, auch antwortete er dem Scriba nicht, der ihm oft etwas ins Ohr bliese, denn daß er brummete. Endlich kame die zwo Herren wieder zur Türen herein, und begunnte Dn. Consul, nachdem er sich mit dem Amtshauptmann wieder gesetzet, mein arm Kind fast heftig anzufahren, daß sie Ein löblich Gericht zu turbieren versuchet, inmaßen Se. Gestrengen ihme das Hündlein selbst gezeiget, so ihm die Schramme gekratzet, und dieses auch von seiner alten Ausgeberschen bezeuget wurde. (Ja, die wollte ihn auch wohl nicht verraten, denn die alte Vettel hat es jahrelang mit ihm gehalten und auch einen gadlichen Jungen von ihm, wie man noch weiters erfahren wird!)
Item sagete er, daß so viel Indizia ihrer Übeltat fürhanden, daß es unmöglich sei, ihr Glauben zu stellen, sie sölle dannenhero Gott die Ehre geben und in allen Stücken aufrichtig bekennen, umb ihre Strafe zu mildern. Möchte alsdann noch, ihrer Jugend halben, mit dem Leben davonkommen etc.
Hierauf setzte er sich die Brille auf die Nase und hube an, sie bei vier Stunden zu verhören aus eim Papier, so er in Händen hielte. Und waren solches etwan die Hauptstücke, so wir beide davon behalten haben: