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Wie das Interim dem Volk beigebracht wurd; item: von der erschröcklichen Pestilenz an der bayerisch – österreichischen Greinzen.
So gelangeten wir denn glücklich nach Franken, und nu konnten wir mit eignen Augen sehen, wie das Ding mit dem Interim gewachsen. In vielen Orten war schon wieder Alles katholisch gemachet, hielten Meß mit Kerzen und Weihrauch, hatten die Bilder der Heiligen wieder aufgerichtet, empfingen wie vor Alters die heiligen Sacramente nach katholischem Brauch, nur allein, daß ihnen der Kelch im heiligen Nachtmahl belassen worden. Und erinnerte ich mich wohl, wie mir der Bischof von Augsburg erzählet, daß, wann es weiter nichts wär, man den Protestirenden den Kelch immer lassen könnte; sei in manchen Gemeinden vor Alters auch üblich gewest, in zweierlei Gestalt zu communicirende, wiewohlen an den meisten Orten nur unter einer Gestalt. Denn da der Herr nit todt, sondern lebendig im heiligen Sacramente gegenwärtig, wär er so gut in der Brots- als in der Weinsgestalt, wie denn ein lebendiger Mensch Fleisch und Blut nit getrennet, sondern zugleich an sich hab. Habe darum der Herr selbsten bei Johannes 6. Cap. nur von der Einen Gestalt des Brots geredet, sprechende: das Brot, welches ich geben werd, ist mein Fleisch und Blut. Der Kelch sei nur im heiligen Meßopfer nothwendig, wegen der Darstellunge der Sonderung des Leibes und Blutes unsers Herrn, wie sie am Kreuze geschehen; ansonsten empfingen die Priester, (wie ich es in Wahrheit auch oftermalen gesehen) wann sie außerhalb der heiligen Messe communicireten, auch nur das heilige Sacrament in Gestalt des Brotes allein. Und sei diese Communion unter Einer Gestalt, ein alter, frommer Brauch, zum Ersten: weil man nit mehr, nit weniger unter einer als unter beeden Gestalten empfanget, und zum Andern: damit nit ein Tröpflein Bluts uf die Erd fiele, und mit Füßen zutreten würd.
Aber wiewohlen so Alles dem Schein nach widder katholisch, war's doch meistens nur Blendwerk, und könnt man genugsam verspüren, daß sich die Mehrzahl nur bequemet, um in diesen fährlichen Zeiten Kopf und Kragen, und Hab und Gut zu retten. Summa: die Furcht hatte das Meiste gethan, und wird man balde vernehmen, wie es mit dem Interim betrieben ward.
Als wir ohnweit Schweinfurth in ein Dorf kämen, war schon ein großer Tumult und Ufruhr; der Prädicant allhier sollt fortgebracht werden, weil er das Interim nit annehmen wolle, und wären die Kaiserlichen Executores eben uf den Pfarrhof geritten. So war ich denn nu neugierig, wie das Ding kommen würd, ritt auch uf den Pfarrhof und stieg abe; unter der Linde aber uf dem Hofe war alles Volk zusammengeloffen. Und stunde das Weib des Pradicanten gerade über der Truhen uf dem Hausflur, und packete schluckende ihre Habseligkeiten zusammen, inwährendem zwei kleine Kindlein ihr an der Schürzen hingen und ebenmäßig schrieen, da sie die Mutter weinen sahen. Drinnen aber, in der Stuben, hört ich laut und scharf reden, und da die Thür offen stunde, könnt ich vom Ern aus sehen, was fürging. Zween kaiserliche Reuter hielten mit dem blanken Pallasch die Thür besetzet; zween Andere aber, in bürgerlichem Habit, so eine gülden Kette und weiße Halskrausen trugen, stunden für dem Prädicanten und überwiesen ihn aus dem Büchlein Interim. Und sollt er alsbalde das Interim annehmen, oder sonst würden sie ihne herausbringen. Nu schriee sein Weib immer vom Flur in die Stub hinein: um Gottes Willen, so nimm doch an das Interim! hörest du? erbarm dich doch deines Weibs und deiner Kindlein! Aber der Prädicant wollt nit, und müge man doch ihne in Frieden lassen, angesehen das Volk allhie auch nit das Interim würd annehmen. Ei was, das tumme Volk anlangende, deme werden wir bald was brauchen; entweder Ihr nehmet das Interim an, das ja selbsten von Melanchthon und den Wittenbergischen Gottesgelahrten als nit verwerflich befunden, oder Ihr müsset mit Weib und Kind heut noch aus dem Dorf. Wir haben nit Zeit; was wollet Ihr?
Da ginge der Prädicant jämmerlichen in sich gesunken ein Paar Mal in der Stuben auf und ab: Herre Gott, erbarm dich mein! So stürzete auch schon widder seine Hausfrau mit den schreienden Kindern, händeringende in die Stube; Herzer Mann, erbarm dich doch deines armen Weibs und deiner Würmleins, nimmb doch an das Interim, du bist ja nit der Erste! Aber der Prädicante runge sich los von seinem Weib, riß das Fenster uf, und schriee dem Volk zu: Kinder, wöllet Ihr papistisch werden? Nein, nein, brüllete der ganze Hauf; wir nehmen nit an das Interim, es hat den Schalk hinter ihm!
Hört Ihrs? Da sollt mich Gott strafen, wann ich alleine untreu würd; Weib, wir ziehen!
Da kreischete sie ganz unmenschlich uf, aber die Executores bedräueten das Volk und riefen: Wer sich allhie dem Kaiserlichen und Landesfürstlichen Befehlch widersatzet, den lassen wir binden und von Haus und Hof jagen. Hallunken! wollet Ihr klüger sein, als die Gottesgelahrten in Wittenberg? Entweder Ihr nehmet mit eurem Prädicanten das Interim an, oder wir jagen ihn fort, und lassen euch ein Fähnlein ins Dorf legen, bis ihr mürbe werdet! Machet, daß ihr fortkommet, oder euch soll der Teufel holen!
Wie das die Bauern höreten, und daß das Evangelium ihnen möcht den Schimmelpott leeren, wurden sie allgemach hinterdenklich, traten balde zusammen, schienen sich zu berathen, bis sie letzlich eins Theils ihrer Straßen gingen, andern Theils sich weiter auf die Gasse zogen, zu sehende, was aus der Sach würd werden.
Nu Prädicant, was wollet Ihr? wir fragen zum letzten! Da hube der Prädicant, der so lange stumm und in sich gekehret an dem Tisch gestanden, sein Haupt in die Höhe: Nu wohlan, wanns nit anders ist, in Gottes Namen, ich weiche; Melanchthon, Melanchthon! wehe, wehe! lieber will ich sterben, mit Weib und Kind, denn meint Glauben abtrünnig werden, sprachs und griffe nach seinem Bündel, nahm seinen Stecken, und herrschte mit barscher Stimmen: Komm Weib, und laß das Heulen! Da nahmen ihn zween Landsknechte mit seiner Sippschaft in die Mitt, und zogen abe, inwährendem er vor sich hin mümmelte: Wer Haus und Hof verlässet um meines Namens willen, der wirds hundertfältig ernten! Das Verfahren des Kaisers, durch das Interim die protestantische Kirche mit der katholischen wieder zu vereinigen, war ein unglücklicher Versuch, der auch von vorneherein die laute Mißbilligung des Papstes und der Bischöfe fand.
Solch Starkmuth griffe mich, hätt ich Geldes gehabt, hätts ihm geben; doch ich verhoff: Gott wird den elendiglichen Mann nit verkommen lassen, und ihme noch bei Lebzeiten die Augen öffnen!
Aber kaum war er heraußer, so käme in vollem Trabe ein Kerl über den Hof gelaufen, stieß einen Jungen, der ihm im Wege stunde, bei Seite, und träte athemlos und gischernde in das Stüblein:
Ob er recht gehöret, daß allhie der Prädicant verjaget, weil er nit das Interim angenommen? Wär auch geistlich, und rechtmäßig geweihet; ob er nit könne die Pfarr kriegen? Sei zwar lutherisch geworden, aber durch das treffliche Büchlein Interim gänzlich bekehret; möchten ihm die Pfarr geben, würd Alles Widder katholisch machen, und damit langete er einen Zeddul von Melanchthon, der ihne recommandiret, herfür; möchten ihm die Pfarr geben. Melanchthon hätt sie ihm verheißen! Und richtig: er wurd Pfarrherr. Mag auch ein schöner Priester gewest sein!
Auf sothane Weis wurde das Interim eingeführet; ja ist noch ärger gewest, und hörten wir wohl, daß man an manchen Orten die Prädicanten, so das Interim nicht gutwillig haben annehmen, aber auch die Pfarr nit räumen mögen, gar todt geschlahn. S. Walch Einleitung in die Religionsstreitigkeiten. I. Thl. 2. Kap. S. 134. Auch wurden ihnen, wann sie je auch sich fügeten, Weib und Kinder von denen Katholischen weggenommen: wären sie widder katholisch worden und wöllten ihre Priester sein, müßten sie es ganz sein, beweibete Pfaffen könnten sie nit brauchen.
Aber die meisten Prädicanten ließen sich nit das Evangelium an den Schimmelpott kommen, schooren flugs ihre Platten, nahmen Rosenkränze und Chorröcke, ließen sich, so noch nit geweihet, ordiniren und lasen Meß wie vor Alters. Was erst des unflätigen Pöfels zu gedenken, der sich balde gab, und gerne gab, um so mehr, als die Prädicanten ihnen fürschwätzeten: es sei nit so schlimm mit dem Interim, und daß man wohl um des gemeinen Friedens willen müge die katholischen Bräuche mitmachen. Blieben ja doch immerhin ächte, evangelische Christen, und seien die Ceremonien, die Sakramente etc. nur Adiaphora, d. i. gleichgiltige Ding, die mit dem wahren Glauben Nichtes zu schaffen. Und ans Fett läßt sich der Bauer auch nit gerne greifen, drum fiele ihm das Interim von selber bei, weil sonsten die Fähnlein gekommen wären.
Aber davor klageten nu die Katholischen nit minder denn die hartnäckig Evangelischen, über die Vermengelirunge der Religion, und daß man kaumb wisse, ob Jemand katholisch oder evangelisch. Denn da die lutherischen Prädicanten nu wiederum Meß lasen, alle heiligen Sakramente spendeten, auch alle Ceremonien der römischen Kirch beobachteten, aber trotzdem sich ächte, evangelische Christen benenneten, so gläubeten die Lutherschen, es sei ein Ding, ob lutherisch, ob katholisch, und ebenmäßig das katholische Volk, da sie Alles in der evangelischen Kirchen wie in ihrer befunden, es sei am End ein Ding, ob sie katholisch, ob lutherisch, und vertrösteten sich endlich: hätten ja Alle denselben Gott, summa: liefen bald in die lutherschen, bald in die katholischen Kirchen, je nachdem sie Lust hätten.
Darumb waren denn auch der Papst und die Bischöfe uf das Interim nit gut zu sprechen, und wärs besser gewest, es beim Alten zu lassen.
Wegen solcher schädlichen Indifferentia und Verkehrunge des Glaubens hat darumb der Hochwürdigste Bischof von Regenspurg eine Jesuitermission anordnen lassen, umb dem katholischen Volk die Augen zu öffnen, und wollts der Zufall schicken, daß wir gerade zu dieser Mission zurecht kämen. Und wiewohlen ich mich nicht verziehen wollte, so verblieb ich doch, zumalen der ganze Kirchhof (es wurd nämlich wegen des großen Zulaufes unter freiem Himmel geprediget) bereits voll Volks, und Pater Canisius, wie man ihn benamsete, eben uf den Predigtstuhle stiege.
So bracht er denn nu die Lehre von Gott, als den Grund und Urheber aller Religion für, und wußte so wunderbarlich, überzeugende, herzdurchdringende und gewaltig zu sprechen, daß sich kein Odem regete und kein Aug von ihm abwendete, es sei denn, um jeweilen eine Thräne zu wischen. Als er nu hiemit zu End, so riefe er mit lauter Stimmen: Wollet Ihr nu Alle diesen Gott gläuben und bekennen? So antwortete es aus einer Kehlen: Ja, wir gläuben, wir wollen diesen Gott bekennen!
Als nu der Wiederhall an den Häusern verschallet, und es allmählig stille worden, wenkete Pater Canisius: Wer an einen andern Gott gläubet, ist der ein katholischer, ein wahrhaftiger Christe? Schriee es abereins: nein, nein, das ist kein wahrhaftiger Christe!
Nu ihr werthen Anwesenden, nu lasset uns im zwoten Theil unsrer Predigt betrachten: obs denn in Wahrheit also, daß wir Katholischen und die Protestirenden an ein und denselben Gott glauben; wanns in Wahrheit der Fall ist, so bleib katholisch, der katholisch, und lutherisch, wer lutherisch, und wollen wir allhie in Regensburg uf ewige Zeiten Frieden machen.
Nu weiß männiglich, daß Lutherus auch gläubet an Einen Gott in 3 Personen, und auch gläubet an den ewigen und allmächtigen Gott, und bis dahin sind wir einig in unserm Glauben. Gläubet und lehrt er auch den heiligen, den gerechten, den barmherzigen, den wahrhaftigen Gott? Wenn dieses also, wollen wir wie vorbemeldet, Frieden machen, uns genseitig die Hand reichen und sprechen: Lieber Bruder Katholik und Lutherischer, dieweilen wir Einen Gott haben, so mag Fried sein unter uns, und Niemand dem Andern wegen seines Glaubens beschwerlich fallen.
Was lehret nu zum Ersten Lutherus von der Heiligkeit Gottes? Er lehrt: es giebt keinen heiligen Gott. Denn dieweilen er ufstellt, daß der Mensch keinen freien Willen hab, besondern Alles, was er thuet, Gott in ihm wirket und schafft, so bekennet er sich zu der schrecklichen Lahr – ich schuddere es auszusprechen: – mala opera in impiis Deus operatur; d. i. Gott wirket die bösen Werk in den Gottlosen S. Lutheri assertiones articul. 36. In den späteren Wittenberg. Ausgaben schämte man sich dieser Lehre, und setzte für operatur – regit, d. h. nun: Gott lenkt in den Gottlosen die bösen Werke. Vergl. Witt. d. A. Thl. VI F. 499. b. und umb dies noch klarer zu machen, sagt er: daß Judas Iskarioth den Herrn verrathen, ist eigentlich nicht Judä. Werk, besondern Gott hat ihn dazu genöthiget. S. Witt. d. A. Thl. VI. F. 503. a. Mit seinem Meister stimmet aber auch Philippus Melanchthon überein, denn dieser bekennet ebenmäßig, daß Gott das Böse vollbringe, denn der Ehebruch Davids und die Grausamkeit des Maulii seien wahr und wahrhaftiglich Gottes Werk. Melanchthon in epist. ad Romanos c. 8. 1522.
Was nu Lutherus und Melanchthon lehren, dem stimmen ebenmäßig Calvinus und Zwingli bei. Summa summarum: wann Gott selbsten das Böse thuet, ist er da nach lutherischem Bekenntniß ein heiliger Gott? Da schudderten Alle und riefen: nein, nein, das ist kein heiliger Gott!
Nu zum Andern. Wie stehet es mit der Gerechtigkeit Gottes nach Lutheri Lahr?
Ich frag: Wann Gott selbsten das Böse im Menschen thut und schafft, und der Mensch wie ein Klotze oder ein Pferd, das dem Reuter folgen muß, wider den göttlichen Willen Nichtes thuen mag, kann da Gott den Menschen, den er selbsten zum Bösen, wie den Judas Iskarioth gezwungen, mit den ewigen Peinen bestrafen? Nein, nimmermehr! Darum lehret auch Lutherus wider die heilige Schrift (und hier führete er alle Stellen an, in denen die Gottlosen sollen verdammet werden), daß weder Mord noch Ehebruch, noch Unzucht, noch Ehrabschneider und Räuber verdammet werden, besonderder Ungläubige allein. S. Luther Kirchenpostill am Pfingstmontage. Capt. babyl. Witt. Cat. Tom. II. f. 284. und Lutheri disput. 1. c. Tom. I. f. 371. Vergl. Hager Th. I. S. 172.
Doch, was meinet Ihr: kann nach Lutheri Lahr auch wohl der Ungläubige verdammet werden? Kann er davor, wann er nit glaubt? Es kann ja nach Lutheri Meinunge kein Mensch etwas thun noch lassen, daß Gott nicht selbsten ihn dazu zwingt. Summa summarum: Es kommen Alle in den Himmel, und es giebet nach Luthero, wenn man sich die Sache klar macht, keine Hölle.
Also zum Andern: Lutherus verwirfet den gerechten Gott, der das Böse bestraft.
Zum Dritten: was wird aus der Barmherzigkeit Gottes?
Wenn nach Lutheri Lahr kein Mensch anders kann, denn Gott will und ihn dazu treibt, und nach Luthero dennoch die Ungläubigen sollen in die ewige Pein kommen; ist da Gott nit ein grausamer, unbarmherziger Gott, wenn er denselbigen Menschen, den er zum Unglauben gezwungen, dennoch auf ewig bestrafen will?
Summa summarum: Lutherus lehret einen unbarmherzigen, einen thürstiglichen, einen grausamen Gott.
Zum Vierten: Wo bleibet nach Luthero die Wahrhaftigkeit Gottes?
Gott der Herr lehret: der Mensch hat freien Willen; siehe, so spricht er: »ich hab vor Euch geleget den Weg des Lebens und des Verderbens;« Gott der Herr lehret: »Ich bin der Herr euer Gott, seid heilig, weil auch ich heilig bin.« III. Mos. 11, 14. item: Heiliger Vater, heilige sie in der Wahrheit, spricht Christus bei Joh. 17, 11. 17. Gott der Herr lehret: Wahrlich, ich sage euch, daß weder Hurer noch Ehebrecher und Verläumder das Himmelreich ererben werden.
Gott der Herr lehret: Gerecht bist du, o Herr, und recht dein Gericht. Psalm 118.
Gott der Herr lehret: »Wie sich ein Vater erbarmet über seine Kinder, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten.« Psalm 103,13. item: wer Barmherzigkeit übet, wird Barmherzigkeit erlangen. Also redet Gott der Herr, und Lutherus: es ist nit also, es ist erlogen! Nach der Consequenz seines Systems. ergo: Wo bleibet die Wahrhaftigkeit Gottes? Nach Lutheri Lahr ist Gott, wie ein unheiliger, ungerechter, thürstiglicher und grausamer, so auch ein lügenhafter, heuchlerischer Gott, von deme er auch geradezu lehret: er hab einen doppelten Willen, einen offenbarten und einen heimlichen. Nach dem offenbarten Willen sagt Lutherus, will er den Tod des Sünders nit, nach seinem geheimen Willen will er des Sünders Verderben; ergo: Gott redet anders, wie er denkt, ist also ein verschlagen, heuchlerischer Gott. Wittenb., d. A. Thl. VI. f. 683 b.
Wie aber wirds nu mit den Werken des Menschen stehen, wann nach dieser Lahr Gott selbsten ein unheiliger, ungerechter, grausamer, lügenhafter Gott; werden die Menschen besser sein, als ihr Gott ist? Merket, was aller Orten in diesen Tagen fürgehet, und erkennet daraus: wie der Gott, so auch der Wandel bei den Menschen.
Also christliche Gemeine! siehst du nu, daß es nit wahr ist, wenn man spricht: ob katholisch, ob lutherisch ist ein Ding, wir gläuben ja All an Einen Gott! Nein, nein, der Unterscheid ist so groß, schon in der Lahr von Gott, wie der Himmel entfernet ist von der Erden. Nu aber frag ich, welchen Gott wollet ihr bekennen, den lutherschen oder den katholischen?
Da entstunde ein großes Geschrei, daß es weithin über die Dächer erschallete: Wir glauben und bekennen den katholischen Gott!
Zieht man die Consequenzen aus dem lutherischen Lehrsystem (wenn es anders ein solches gibt), so fallen nicht blos die oben angeführten göttlichen Eigenschaften, sondern auch alle andern, mit Ausnahme der Ewigkeit Gottes.
Um nur noch Eins zu erwähnen: auch die Allmacht muß
per consequens fallen. Denn:
da die Sünde den Menschen, wie Luther will, total verderbt hat, und selbst das Erlösungswerk Christi den einmal in Adam pervertirten Menschen nicht sittlich veredeln, sondern nur blos mit der Gerechtigkeit Christi umkleiden kann, so ergibt sich daraus: »
die Sünde ist mächtiger als Gott.«
Gottlob, daß die Consequenzen des lutherischen Systemes, sich, wie überall nicht, so auch hier nicht in ihrer ganzen Schärfe entwickelt haben! Das Kriterium des religiösen Sinnes oder besser gesagt, ein immerhin religiös-christlicher Instinkt hat noch den christlichen Gottesbegriff in der protestantischen Schule gerettet; aber ein Kriterium der Evidenz läßt sich aus dem ursprünglichen Bekenntniß für denselben nimmermehr finden.
Ueber den Gottesbegriff in der protestantischen Kirche vergl. die treffliche Schrift Rudolf Haserts, einstmals protest. Pastors, setzt katholischen Laien, »war ich vom Teufel verblendet, als ich katholisch wurde.« Wien 1856. II. Auflage, Kap. 11 und 12.
Als nu die Predigt zu End, und der Hauf auseinander ginge, wollt ich auch den Heimweg antreten, als der Pater Canisius mit dem hochwürdigsten Bischofen (den ich aber bis dahin nit gesehen) hart an mir fürüber schritte. War ein herrlich gewachsener, schöner Mann, mit einer Adlernasen und klarem freien Auge, umb seinen Mund aber zoge sich eine Spur von milder Trauer. Da drängete es mich denn doch heranzutreten und den hochwürdigen Herren meine Reverenz zu bezeugende, und da der Herr Bischof vernahme, ich sei ein österreichischer, katholischer Ritter, mußt ich mit in die Residenzien zu einem Fruhstuck. Wie man leichtlich schließen kann, brachte der Hochwürdigste Bischof alsbalde die Predigt und die Lahr von Gott wieder ufs Tapete, und wurd noch Mancherlei von dem lutherschen Bekenntniß, und was daraus werden sollt, geredet. Da vermeinete Pater Canisius: diese Lahr wird die Menschen letzlich ins baare Heidenthum führen, daß Niemand nit mehr wölle an diesen lutherschen Gott gläuben; die Welt aber würd, wann die Fürsten sich nicht ins Mittel legeten und dem Unwesen mit Gewalt steuerten, balde in schrecklichem Ufruhr und Verwilderunge ineinander stürmen. Doch der Trost verblieb noch, daß die menschliche Natur annoch durch Gottes Gnade besser, als daß sie nit sölle zurücke beben vor den Folgerungen und Consequentiis dieser Lahren, als vornehmlich der Lahr von Gott, von der Nichtigkeit des freien Willens und der Nichtigkeit der guten Werk. Es würd darum letzlich wohl, wann die Uebertäubunge sich geleget, und das Herze sich von seiner Uebersättigunge erholet, ein heimlich Sehnen und Drängen nach dem verlorenen und verworfenen Gute sich widder einstellen. Dann möcht man wohl in dem Bettelmantel die Löcher und Fetzlein immer mehr entwahr werden und sich umschauen, wie ihme abzuhelfen, bis man endlich anfangen würd nach dem Muster des wahren, unzertrennten Kleides Jesu Christi, der heiligen katholischen Kirchen, sich die Flicken zu schneiden; bald dies bald jenes der heiligen Kirchen nachmachen, bis letzlich, wann Gott wolle, man des Flickens müde, sich wieder der heiligen Kirche freudig würd zuwenden. Würd kommen, wie mit dem verlorenen Sohn, der auch zurücke gekehret, als er sein Elend entwahr worden und der vergangenen Herrlichkeit gedacht hätte.
Doch um nu wieder uf meine Reise zu kommen, so hatt ich keine Ruhe mehr, träumte auch oftermalen gar schwere Träume, sahe jeweilen meine Julia in schwarzer Trauerkleidunge, und wie sie bitterlich weinete; ja einmal selbsten träumete ich von einem Ritter, so mir wie der Ritter Loos, den ich, wie vorbemeldet, bei der Königin Maria in Augspurg getroffen, fürkam. Selbiger Ritter schluge ein Knäblein, hört meiner Julia Stimme teutlich, als wenn sie riefe: Sigmund, Sigmund! summa: ich hatt keine Ruh, weder bei Tag und bei Nacht; der Ritter Loos schwebete mir immer für Augen; daß aber daheime uf meiner Burg was für sich ginge, darauf hätt ich schwören mügen. Hielt mich also nirgends uf, wo es nit die Nothdurft erforderte; wollt wenigstens in der Nähe meiner Julia sein, bis die – ach, es waren noch zween Monde! fürüber, umb in der Nähe zu sein, wenn etwan was fürfiele.
Da begiebt es sich, als wir in Auerbach, einem kleinen Stadel in der Pfalz übernächtigen, daß mein Claus mir meldet: er hab den Prädicanten, so wir in Heidenheim bei dem Propst Balthasar kennen gelernt, uf der Gassen getroffen; schiene ihn auch wieder erkennt zu haben, denn er habe sich nach ihme umbgesehen. Da machete ich mich gleich uf und liefe nach dem Pfarrhofe: hatt er den Brief von der Jungfer Perpetua an den Ritter Loos abgegeben, mocht er etwan wissen, wo sothaner Ritter sich anjetzo ufhielt. Aber er war nit zu Hause, obwohlen ich die 3 Malen hinlief, mußt also warten bis zum andern Tag nach der Predigt (denn es war Sonnabend) und gehe darumb bei der 9ten Stund, als es zum Hochamt läutete, in die Kirch. Richtig, es war der Prädicant von Heidenheim her. Hatt aber zu meiner Verwunderunge sich die Platten geschooren, und stunde in einer rothen Casuala am Altar und hielt Meß wie vor Alters; mußt sich also auch wohl bekehret haben. Als er nu das Evangelium gesungen, wendete er sich umb und hielt vom Altare aus die Predigt, worüber ich mich fast verwunderte, sie aber allhie notire, damit man wisse, mit welcher List von denen Prädicanten, dem Interim ein Färblein angestrichen wurd, umb es dem Volk anthunlich zu machen.
»Der werdigen, christlichen Gemein allhie, hab ich heut noch etwas Besonderes fürzubringen. Es ist uns nämlich zu Ohren gekommen, daß sich Etwelche noch nicht mögen dem Interim fügen, vermeinende: daß solches Büchlein und was es fürschreibt, nit mit Lutheri Lahr übereinstimmet. Aber die werdige Versammlung woll ufmerken, wie Alles, was das Interim fürschreibt, als die heiligen Sacramenta, Meß, Verehrunge der lieben Heiligen, Fegfeuer und Ablaß, mit Nichten wider Lutheri Meinung und Lahr.
Was zuvor das Papstthum anlanget, von deme Etzliche gläuben, es sei vom Teufel gestiftet, und sich darumb dem Papst jetzunder nit gütlich unterwerfen wollen, so ist das nit Lutheri eigentliche Meinung gewest. Er lehret vielmehr, daß auch bei der römischen Kirch der heilige Geist der Wahrheit, wasmaßen er saget mit eigenen Worten: Ich sage, daß unter dem Papst die rechte Christenheit ist, und so muß die römische Christenheit wahrlich Christi Leib und Glied sein; ist sie aber sein Leib, so hat sie rechten Geist, Evangelium, Glauben, Taufe, Sacramente, Schlüssel, Predigtamt, Gebet und Alles, was die Christenheit haben soll. S. Jen. Ausg. Band IV. fol. 408 etc.
Item: saget er anno 1538. Wahr ist: im Papstthum ist Gottes Wort, Apostelamt, und wir haben die heilige Schrift von ihnen genommen, so wie auch die Tauf, die Sacrament und den Predigtstuhl; was wüßten wir sonst davon? Darum muß der Glaub, die christliche Kirch, und der heilige Geist bei ihnen sein. Predigt über das 16. Capitel St. Johannis. Zen. A. VII. Band f. 179 B.
Daraus, werthe Versammlung siehstu wohl, daß es nicht verdammlich ist, sich von der römischen Kirch nit gänzlich zu trennen, und hat Ihro Kaiserliche Majestät gar wohl gethan, weil es nit wider Lutheri Lahr, Alles des gemeinen Friedens halber mit der römischen Kirch zu vereinen.
Die heiligen Sakramente anlangende, so sind sie nach Lutheri Meinunge in Wahrheit alle sieben, nämlich die Tauf, Firmung, Buß, Altarssacrament, letzte Oelung, Priesterweihe und Ehestand, wahre Sacramenta, denn wie Ihr eben vernommen, regieret nach LutheriSpruch der heilige Geist die römische Kirch, und von demselben göttlichen Geist schreibt er: Der heilige Geist läßt sich nicht trennen noch theilen, daß er ein Stück sollt wahrhaftig und das andere falsch lehren und glauben. Sen. Ausg. Band VIII. f. 180 a. Es muß also Alles in der römischen Kirch, weil sie den heiligen Geist hat, wahr sein, verstehe also auch die 7 Sacramenta.
Auch die Buß, worauf am meisten geschimpfiret wird, ist nach Luthero in Wahrheit ein Sacrament, denn noch in seinem Todesjahr anno 46 schreibt er: daß die Buß sammt der Gewalt der Absolution oder Löseschlüssel ein Sakrament sei, bekennen wir gern. a. a. O. fol. 419 B.
item: Im selben Jahr: Vor Gott soll man sich aller Sünden schuldig geben, auch die wir nicht erkennen. Aber vor dem Beichtiger sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen. a. a. O. f. 386 B. im kleinen Katechismus.
Siehstu, werthe Gemein, uf solch Bekenntniß ist Lutherus entschlafen. Thut also das Interim zu viel, wann es uns die Beicht fürschreibt? item: Von der heiligen Meß schreibt Lutherus: Wo die Meß geübt wird, da ist der rechte Gottesdienst; Jen. Ausg. Band I. fol. 330 a. darumb, werthe Gemein, schimpfiret nit uf die heilige Meß.
Von der Vorbitt und Verehrunge der lieben Heiligen lehret Lutherus anno 44, zween Jahr vor seinem seligen End: So magstu nu sprechen, was sollen wir mit denen Heiligen anheben? Das sollst du thun, was du mit deinem Nächsten thuest. So wie du zu deinem Nächsten sagest: Bitt Gott vor mich; so magst du auch sagen: lieber St. Peter bitt vor mich! Du sündigest nit, wann du sie also anrufest. S. Luthers Kirchenpostill Thl. II. fol. 18 a.
Auch selbsten mit dem Ablaß, werthe Gemein, ist es nit so schlimm, und hat Lutherus ihn ja selbsten, als er die 95 Sätze an die Schloßkirche zu Wittenberg anschluge, im 71sten Satze bekennet: Wer wider die Wahrheit des päpstlichen Ablasses redet, der sei im Fluch und vermaledeiet. Jen. Ausgabe Thl. I. fol. 5 B.
Sich, werthe Gemein, so hast du keine Ursach, dich wider das Interim als wider Gottes und Lutheri Wort zu setzen, und ists ein erlogen Sprüchlein, das im Schwange gehet:
Selig ist der Mann,
Der Gott vertrauen kann.
Und willigt nit ins Interim,
Denn es hat den Schalk hinter ihm.
Es ist Alles in ihme enthalten, was Lutherus gelehret, und den Kelch, worumb es sich handelt, habt ihr ja; item: ist Euch ja die Grundlahr Lutheri, daß der Glaub allein rechtfertiget, im Interim nit angetastet. Darumb lasset uns Gott und dem Kaiser danken, daß die gemein Unordnunge der Religion, so durch reinen Unverstand gekommen, numehro beschwichtiget, und lasset uns wie vor Alters einmüthiglich beisammen leben, und das Credo von Herzens Grund anstimmen.«
Ists da zu verwundern, daß dem Volk das Interim maulrecht wurde?
Als nu das Amt zu End und der heilige Segen gegeben, machete ich mich gleich hinter den Prädicanten her, um zu erfahren: ob er etwan vom Ritter Loos Kundschaft habe, wo er blieben? So freuete er sich denn, mich wieder zu sehende, und sollt ich zu Mittag bei ihm bleiben; hätt einen guten Schweineschinken, der sollt uns munden. Und verzählete mir denn, daß er freilich von der Jungfer Perpetua ein Brieflein an den Ritter Jobst von Loos überkommen, was aber darin gestunden, wisse er nicht; hab aber der Ritter balde, nachdeme er ihn gelesen, freundlich geschmunzelt und aus dem Fenster gerufen: Hans, wir fahren morgen gen Oestreich! und sei er auch in Wahrheit Tags darauf abgereiset. Solche Red machte mich noch mehr hinterdenklich; hörete kaumb, was er mir noch erzählete, wie er durch das Interim sei bekehret worden. (Mag auch wohl andre Ursach gehabt haben; denn unser Wirth hatt mir gesaget: daß es eine gar gute Pfründ allhie, doch laß ich es in seinen Würden.) Valedicirete mich also balde, und machten wir uns noch am selben Tage weiter.
Aber o wehe! ich gläubete, numehro alle Gefahr glücklich überstanden zu haben, und wogete und wallete mir schon mein Herze, je näher ich meinem theuren Vaterland käme, als ein neu Unwetter hereinbräche, also groß und erschröcklich, daß es in Wahrheit ein Wunder des barmherzigen Gottes, wann ich anjetzo noch lebend. Denn als wir uns der baierisch – österreichischen Greinzen naheten, ging das Geschrei: in Oesterreich wär die Pest ausgebrochen, und ein schrecklich Sterben unter Menschen und Vieh! Und sollten wir bald erfahren, daß es in Wahrheit also; kämen schon ganze Rollwagen voll Weiber und Kinder mit ihrer Hab schreiende und weheklagende, Reuter, Fußgänger aus allen Ständen füllten die Straßen. Summa: Alles wimmelte und wogete voll flüchtigen Volks; sollten um Gotteswillen nit weiter reuten, wann uns unser Leben lieb!
Aber meine Angst um Julia ließ mir keine Ruh. Sollt ich sie alleine lassen mitten im Sterben? Da befahl ich mich Gott und seiner gebenedeiten Mutter, und zog meines Wegs. Claus jedoch sollt zurücke bleiben, und befahle ich ihme seiner Straßen zu ziehen und sich zu retten; würd ichs überstehen, und er heimbkehren gen Altensteig, wollt ich ihm seine Treu schon lohnende; zog auch einen Ring vom Finger, den sollt er meiner Julia geben, als Unterpfand seiner Treu. Aber Claus wollt nit; hätt er so lange die Fahr mit mir getheilet, würd ers auch ferner. Da half Alles nichts; ich mocht befehlen, mocht drohen, er bliebe. Da machete ich mich über ihn mit der flachen Klingen, daß er fort sölle; aber er ließe sich wamsen, bis ich selbsten für Thränen wegen seiner Lieb und Treu nit weiter könnt; mußt ihn also lassen!
Aber o wehe! es war noch erschröcklicher als wir gehöret, und ist der Jammer kaumb zu beschreiben.
Schon vor dem ersten Dorf war eine große Grube gemachet, und triebe uns ein so gräulicher Gestank entgegen, daß wir uns mußten ein Tüchlein vor Mund und Nase halten. Und lage das Dorf gar verödet und wüste; kein lebend Mensch, kein Hund, kein Thier ließ sich sehen, als wir hineinritten, nur die Raben zogen krächzende über den Kirchthurm. Die Häuser schienen Alle verödet, die Hausporten standen offen, an den Fensterladen waren rothe Kreuze gemalet und darunter die Wort zu lesen: Herr, erbarme dich unser! Jeweilen aber triebe uns wieder aus den Häusern ein gräulicher Gestank entgegen; mußt wohl eine Laich drin liegen, das noch nit beerdigt. So reuten wir die Straß hinunter; war Alles todtenstille, daß uns schudderte. Herr Gott! da lieget ein Mensch mitten im Wege todt, sein Bündel noch uf dem Arm; da sprungen die Pferde scheu bei der Seit; aber sieh, streuens im Niederdorf entwahrten wir noch Etzliche liegen; auch ein Priester, das heilige Oel in Händen haltende und das Kreuz an den Lippen, lage todt uf dem Rucken. So wollen wir nu im Gallop durch das schreckliche Dorf sprengen, als wir plötzlichen ein jämmerlich Weheklagen aus einer Hütten vernehmen. Da gedenk ich an meine Christenpflicht, springe vom Pferde und laufe an das offne Fenster und schau hinein. Lieget ein Mannsbild gräulich geschwollen uf dem Strohe, konnt sich nit rücken und rühren, sahe mich gar kläglichen an und wimmerte: seiet Ihr ein Priester, so erbarmet euch mein! Ich kann nit sterben, ohne meine Sünd zu offenbaren! Da ließe ich Claus ufsitzen, im nächsten Dorf wär Einer, meint der Kranke, und ob ich um Gottes willen ihme wollt einen Trunk reichen.
Aber pfui! das Wasser im Brunnen glitzerte grün und gelbe, roch auch abscheulich, und mußts widder ausgießen; konnt ihme nit helfen, vertröstete ihn aber, daß der Priester bald kommen würd.
Inwährendem ich nu umbhersahe, ob etwan noch mehr Kranke im Dorf, die der Priester versehen möcht, da höre ich in einem Garten ein Hündlein bellen, lauf also an einen Zaun und schau hinüber. Lieget das Thier und säuget ein Kindlein, lecket ihme das Antlitz, und wedelt mit dem Schwanze, als es mein ansichtig. Solches erbarmete mich, nahm das Kindlein in meine Arm, herzete und küssete es, ja küssete vor Freuden auch das treue Hündlein, das an mir heransprunge, holete Stroh aus dem Stalle, deckete dem Kindlein mein Wamms über, und ließe es schlafen; wollts meiner Julia mitnehmen, daß sie es auffüttere.
Ansonsten aber funde ich nichts Lebendes; nur noch 4 Laichen lagen in den Häusern. So will ich widder zu dem Kranken zurücke gehen, und ihme vorbeten, bis der Priester käm, als ich am Kirchhof fürübergehende an der Pforten die Inschrift lese:
Da du die Tobten begrubst, bracht ich dein Gebet vor den Herrn.
Tobias XII, 12.
Solche Inschrift brannt mir wie Feuer uf dem Herzen; merkete balde, daß es mich anginge. Was sollstu thun, begräbst du sie, oder nit? schudderte, an die gräulichen Laichen gedenkende. O hätt ichs doch nit gelesen, Herr, Gott! was thust du? Schon will ich mich losringen von meim Gewissen; könnt ja sterben, und was aus meiner lieben Julia und dem elenden Kindlein werden sollt – als das Hündlein, so mit mir geloffen, plötzlich vor einem Mausloch anhebet zu schnubbern und zu graben.
Grabet das Hündlein im Sande? Sigmund, du sollt graben! Da wurf ich mich uf die Kniee, daß Gott sich mein und meines armen Weibs möcht erbarmen, wann ich nit sollt davon kommen, legete das Kindlein in die Straße, daß es der Priester, wenn er käm, sehen mußt, und machete mich an die Laichen, schleppete sie eines nach dem andern, sieben an der Zahl, in die Gruben für dem Dorf. Aber, o Grauen! wie ich hinabschau, regen sich unter den Todten (waren noch nit mit Erde überschüttet) zween Köpf, und stieren mich erbärmlichen an; hätt ihnen gerne herausgeholfen, aber es ging nit, lagen mit den Leibern unter den übrigen.
Da endlich, als ich alle die Laichen in die Grube gebracht, und zu meim Kranken zurück will, kommt der Priester mit dem heiligen Oele uf Clausens Pferd angejaget. Kriegte schon einen steifen Schreck, wo Claus verblieben, als er mir zurufet: der Knecht würd gleich kommen, wo der Kranke war? So weise ich ihm denn gleich, und ginge er auch alsbald hinein. Als nu der Priester seine Sach verrichtet, verzählete ich ihm, wie draußen in der Gruben noch zween lebendig; würden aber nit mehr beichten können, hatt sie angerufen, aber vergeblich. Jedoch mein Priester wollt gleich zu der Gruben; würd ihnen doch können die heilige Oelung geben, damit sie nit dahinstürben, wie das liebe Vieh.
Richtig, sie lebeten noch, und als sie des Priesters ansichtig wurden, verklärete sich für Freuden ihr Antlitz. So riefe er sie an, ob sie annoch laut beichten könnten? Schüttelten mit dem Kopfe, regeten zwar die Lippen, jedoch konnten wir Nichtes verstehen. Da machete der Priester über sich ein Kreuze, zoge das Wamms aus, nahme das heilige Oel hoch in die Händ, und sprunge, eh ich michs versahe, hinab in die Grube, daß es dampfete und gräulichen ufgährete. Da bebete ich wie ein Espenlaub. Er aber verzoge keine Miene, wiewohlen er sich sein Nasentüchlein vorhielt; legete sein Ohr fast hart an den zugeschwollenen Mund der elendiglichen Menschen, gabe ihnen die Absolution, und salbete sie mit dem heiligen Oel uf der Stirn. Das heil. Sacrament der letzten Oelung. S. Jacob 5, 14-15. Auch in der protest. Kirche werden jetzt Stimmen laut für die Wiedereinführung der Krankenölung, als biblisch durchaus begründet. S. Nr. 13. des Schlesischen Kirchenblatts 1858, Beilage. Kaumb war er mit Beeden fertig, so sanken ihre Häupter zurücke und starben.
Als nu der Priester widder herausgekrochen, wobei ich ihm die Hand, geben mußt, stieße er erstlich seine Schuhe von sich in die Grub, dann nahme er die Schaufeln, so annoch dalagen, und inwährendem der Priester das Miserere betete, schaufelten wir etzliche Fuß hoch die Erde drüber. Gott sei ihren Seelen gnädig!
Inwährendem war Claus auch angekommen, truge einen Krug mit frischem Master, item: – ein Fläschlin mit Baumöl und em Brod für den Kranken. Das bracht der Priester dem Kranken herein, hörete ihn noch beten, und verhieße ihm heut noch einen barmherzigen Bruder aus dem Kloster zur Verpflegunge; würd selber sein warten, aber er müßt bei seiner Gemein verbleiben.
Ueber solchen Hochmuth des Priesters war ich fast bis zu Thränen gerühret! Claus aber hatt mir unterdeß verzählet, wie er zuerst im nächsten Dorf gefraget; aber alldort sei auch die Pest, und hab der Priester eben mit Weib und Kind uf dem Rollwagen gesessen, und »er käm nit: hätte Weib und Kind, und möcht er nur ins nächste Dorf reuten, allwo ein lediger Priester.« Darumb hätt sichs so lange verzögert. Luther selber beklagt sich in seinen Briefen sehr häufig über die unglaubliche Todesfurcht, welche die Pest unter den Anhängern des reinen Evangeliums hervorgerufen. S. den Brief an Conrad Cordatus vom 22sten November 39. V. f. 225. Vergl. Luthers Brief von De Wette V. 209.
Wie nu der Priester fertig, und wir das Kindlein mit dem Hunde zu uns genommen, ritten wir abe, und wollts der Priester sich nit nehmen lassen, das Kind ufzuziehende; lüde uns aber ein, übers Feld mit ihm in sein Dorf zu kommen, wo es annoch ruhig, und könnten wir von dort unsers Gefallens weiter reisen.
So schimpfirete nu Claus unterwegs immer uf den beweibeten Priester, der nit hätt kommen wollen, und wie wir auch schon viele Prädicanten hätten mit Weib und Kind fliehen sehen, die doch billig bei ihrer Heerd hätten verbleiben sollen; lobete aber unseren Priester, und daß der Kranke ja nit einmal aus seiner Gemeind gewest sei, und er doch so barmherzig sich seiner angenommen. Ueber solche Red verschaamrothete sich der Priester, und versetzete:
Wir katholischen Priester haben kein Weib, als die heilige Kirche, und keine Kinder, als die Seelen der Menschen, und was ists da Großes? Welcher Vater lässet nicht sein Leben vor seine Kinder? Schimpfire nit uf den flüchtigen Prädicanten, so nit hat kommen wollen; hätt er kein leiblich Weib und keine leiblichen Kinder gehabt, möcht er auch wohl kommen sein. Ich aber habe Nichtes denn meine Schuldigkeit gethan, und wenn ich sterben sollt – das wird mir wohl beschehen, hab Nichtes zu verlieren, besondern nur zu gewinnen!
Die Idee der Jungfräulichkeit und des Cölibates, welche im Protestantismus gänzlich untergegangen, die katholische Kirche aber auf Grund Matth. XIX, 12. und Lucas XIV, 26. 33. (vergl. 1 Cor. 7.), und der Ueberlieferung der ersten Jahrhunderte, des Origenes
homil. 23.
in lib. Num., des heiligen Justinus und Athenagoras, des heiligen Cyprian
lib. de habit. virg. (um nur einige Zeugen anzuführen) stets festgehalten hat, findet sich schon im A. T. in der vorschriftsmäßigen Enthaltsamkeit der hebräischen Priester vorgebildet. Selbst den Heiden war die Idee der steten Enthaltsamkeit nicht fremde; so mußte z. B. der Hierophant der Griechen, die Priesterinnen der Ceres zu Athen, die vestalischen Jungfrauen des heidnischen Roms, die äthiopischen und ägyptischen Priester in steter Enthaltsamkeit leben.
In Peru und Indien haben Reisende Vestalinnen gefunden. Makenzins in seinen Reisen berichtet, daß selbst die Huronen und Irokesen vor der Feier des Kalumet strenge Enthaltsamkeit üben.
Der Protestantismus allein widerspricht wie den ausdrücklichen Worten des göttlichen Heilandes und der steten Ueberlieferung der Kirche, so dem Consensus aller Zeiten und Völker. Was selbst die Heiden für ehrfurchtgebührend und möglich gehalten, vermag die sittliche Kraft des Protestantismus nicht zu fassen, und erklärt es für naturwidrig und unvernünftig. Aber große, vorurtheilsfreie Protestanten erkennen selber, wie die Möglichkeit, so die sittliche Erhabenheit des Cölibates an. So sagt Hufeland in seiner
Macrob.: Die Tugend der Enthaltsamkeit ist die erste Grundlage moralischer Festigkeit und Mannheit des Charakters; der unsterbliche Johannes von Müller hält vollkommene Keuschheit, als Sieg über den mächtigsten Reiz, allzeit für ehrwürdig. Cobbet sagt: Wenn wir das Gesetz der katholischen Kirche, welches von denen, die den geistlichen Stand wählen (denn Niemand wird dazu gezwungen) – ein Gelübde der Keuschheit fordert, aus einem religiösen, moralischen, bürgerlichen oder politischen Standpunkt betrachten, so finden wir, daß es auf Weisheit gegründet, und eine große Segnung für das Volk im Allgemeinen war.
Da gingen mir die Augen über, und kämen wir glücklich in sein Pfarrdorf, allwo er uns mit Speis und Trank erquickete; auch vor das Kindlein und den Hund gleich Sorge trüge. Gott der Herr aber hatt uns wunderlich beschützet, daß weder den Pfarrherrn, weder mich noch Clausen die Pestilenz ergriffe.