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Achtes Kapitel.

Wie mich Perpetua versuchet und wir gen Brüssel kämen.

In Speyr hielten wir uns weiters nit uf, und besahn uns nur an der Thumkirchen den steinernen Napf, Schwabenschüssel genannt, wo ehedem die Verbrecher eine Zuflucht hatten. Denn solches hatten die Bischöfe aus großer Mildigkeit gesatzet, daß wann ein Verbrecher vom Volk gejagt wurde, er allhie konnt bis uf weitere Untersuchunge ein frei Asyl haben, und durfte ihm an dieser Schüsseln Niemande nichts thun. Ansonsten wären wohl Viele unschuldig von dem Volk zurissen worden, wasmaßen erst im Verlauf der Zeit die heidnische Blutrache von dem heil. Kreuze konnte verdrängt werden. Nu hat uns aber der Wirth, bei deme wir abfütterten, genugsam verwarnet, uns in der Heiden vor Heidelberg wohl in Acht zu nehmen, wasmaßen es alldorten viel Diebsgesindel und Schnapphanichen hätt, so die ganze Gegend in groß Unruhe versetzeten. Wäre erst vorgestern ein Bauer, so bei ihm eingekehrt gewest, elendiglich im Wald ermordet gefunden worden; summa: es wär nit recht geheuer, und sollten wir nur schnell zureuten, damit wir noch vor Abend das Freie gewännen.

Säumeten darum auch nit, setzeten aber unser Handrohr in Stand, käuften auch frischen Baumschwamm vor die Lunte, und befohlen uns dem Schutze Gottes. Perpetua hatt aber eine große Angst, und mußten wir sie zwischen uns nehmen; so ritten wir in den Wald hinein. Es hatte sich aber ein großer Sturmwind erhoben, daß die Fichten brauseten und wogeten, auch streuens im Walde hin und her ausgerissen wurden, und mit großem Krachen und Getöse niederbrachen; da wir jedoch Ueberwind hatten, verspüreten wir ihn nicht sonderlich, und ritten im scharfen Trabe weiter. Aber das konnte Perpetua nit aushalten, ritten darumb stellenweise Gallop, stellenweise wieder Schritt; als plötzlich ein heller Pfiff, gar nit weit vor uns, sich hören ließe, und horch! war das ein Schrei oder wars der Sturm? Da ritten wir näher und zogen vom Leder, Perpetua aber zitterte wie ein Espenlaub. Unsere Pferde gingen Schritt, prusteten aber und spitzeten die Ohren. Da blitzt es! Hilf Himmel, Perpetua stürzet! ich spring ab: Jungfer seiet Ihr getroffen? Der Zelter krümmte sich mit Blut überströmet auf der Erde; ich heb die Perpetua, so fast ohnmächtig, vor mich ufs Pferd, umfasse sie mit dem linken Arm, und schreie dem Claus zu: reut auf die andre Seite, daß du meine Linke schützest! inwährendem 4 Kerle durch den Busch auf uns einrennen. Da gab ich die Sporen, und im sausenden Gallop jagen wir an ihnen fürüber, sind aber noch nit 100 Schritt, als sich uns noch zween andere quer in den Weg stellen, das Handrohr uf uns anlegende. Aber Claus konnte kein Feuer schlagen, ihm zitterten die Hände; so nimm das Schwert, feiger Schurke! stoße die Sporen dem Pferde in die Seiten, und in wildem Sprunge gehts auf sie ein. Krach, krach! habt fehlgeschossen, Hallunken! und noch hatten sie das rauchende Rohr nit vom Gesichte, so stoße ich auch schon den Einen nieder, aber der Andere hatte im Schusse dem Claus das Schwert zusplittert und reißet ihne vom Pferde. Wie ich mich umwende, umb den Räuber zu morden, sind auch die Anderen schon sprungweit nahe. Hilf, heilige Jungfrau! und noch ist das Echo vom Sturm getrieben, nit verhallet, so stürzet ein mächtiger Tannenbaum mit seinem Nadelwalde und dichtem Gezweige quer über den Weg, und Gott und der hehren Jungfrau Dank! der Weg ist versperret, der Räuber liegt zerquetschet unter dem Baum; zu beeden Seiten jähe Abgründe!

Da greifet mein Claus auch schon nach des Räubers Schwert, und wie sie über die Tanne klettern, springen wir vom Pferde, heben Perpetua bei Seite, und den blinkenden Stahl in der Faust wehren wir dem Durchbruch. Wachte, Ihr sollet mich fechten lehren! Ein Paar Minuten, – und es war öde und der Wind sausete knisternde über stumme Leichen. Da wischte ich mein Schwert abe vom rothen Blute, wurfe mich uf die Kniee, und betete zitternde das Magnificat. Gottlob! wir waren gerettet und vielleicht noch viele Andere!

Da war nu auch Perpetua mittlerweilen wieder zu sich gekommen, saße aber noch weiß wie ein Kalk und sprachlos uf dem Rasen. Vertröstete sie, und daß Alles fürüber, und die Diebsbande ihren Lohn gekriegt. Also, ists kein Traum gewest? Herr Ritter, wie bin ich Euch dankbar! griff meine Hände, und druckete sie schluchzende an ihr Herze.

Aber nu vorwärts; wir seien noch nit aus der Heiden! Claus, wo steckestu? Ich komme gleich, gestrenger Herr! Aber er kommt nit; sehe über die Tannen; – hat er sich über die Leichen gemachet, und kehrt ihre Taschen um. »Nehm nur den Aesern allhie ihren Raub ab,« und müge ich doch so lange verziehen, er wär bald fertig. Aber ich befahle ihm zu kommen, denn die Nacht bräch schon herfür, und müßten wir eilen, diesen Mordwald zu verlassen. So kam er denn auch fluchende zurücke; hatt aber in Wahrheit schon bei fast 30 Ducaten in seiner Kappen, und ob mir des Geldes nit gefällig? Ich verredete es aber, und daß das Geld denen Armen gehöre, wann sich etwa die Bestohlenen nit finden sollten; und wir nur so viel behalten dürften, um vor die Perpetua ein neues Pferd zu kaufende. Das wollt meim Claus aber nit beigehen, fletschete die Zähne und hiebe noch fluchende dem Kerl, so ihn vom Pferde gerissen, mit dem Schwerte über die kalte Näse, ehe er sich ufs Pferd schwang. Perpetua aber mußt ich wieder mit aufs Roß nehmen, und gelangeten wir denn auch bei 9 Schlägen sicher aus dem Walde.

So hatten wir denn in Wahrheit erfahren, wie das gemeine Sprichwort allhie saget:

Speyer Wind,
Heidelberger Kind,
Hessen Blut
Thut selten gut.

Nur daß, was den Wind anlanget, wir Gott nit genung danken konnten, denn ansonsten wären wir wohl der Fahr nit entronnen.

Käuften also in Worms ein neu Pferd, ebenmäßig einen Zelter, vor die Perpetua, und gab ich das andere Geld dem Bürgermeister zur weiteren Nachforschunge, und verzählete ihm, was fürgefallen. Aber, o wehe! mein Trauringlein von meiner Julia war weg; hatts verloren, gewiß im Walde bei den Räubern; wie mich das geschmerzet, kann ich nit sagen! Machete mich wohl balde uf, umb es wieder zu suchen; aber es war und ware nit zu finden, warum nit? wird man späters hören.

Aber um nu wieder uf die Perpetua zu kommen, so war ich sider der Unterredunge mit dem Prädicanten, wie vorbemeldet, noch stutziger worden; war also im Reden und Gebahren sehr fürsichtig, nur daß ich sie zu mir ufs Pferd nehmen mußte; aber ich konnt nit anders, hie galts Rettung aus der Lebensgefahr, und wiewohlen sie ihre Arme umb meinen Hals geschlungen, bewahrete mich doch Gott vor der Versuchunge, zumalen auch sonsten, wie jeder hirnhabende Mensch judiciren kann, mir weiter Nichtes, denn die so wunderbar überstandene Gefahr für Augen schwebete. Aber ob die Jungfer sich andere Vorstellung gemachet, weiß ich nit, war mir jedoch gar sehr zugethan, was sie aber uf Rechnunge der Dankbarkeit schriebe, priese mich ihren Engel und ihren Retter.

Mir waren jedoch diese Ehrentitul zuwider, und um ihr zu zeigen, daß ich mich um ihre Freundlichkeit nit schere, gab ich ihr meine Verwunderunge zu verstehen, daß sie mit dem Prädicanten sich unterhalten, und warum sie so erschrocken, als sie meiner ansichtig worden? So versetzete die listige Dirne: Ei, Herr Ritter, hätte nicht gegläubt, daß Ihr bei Eurer christlichen Gesinnunge einem bösen Gedanken Raum gegeben, oder gar eifersüchtig wäret! Weil ich hörete, daß er in meiner Heimath sich einen Posten suchen wölle, hab ich ihm einen Brief an meinen Vettern mitgeben.

Aber warum erschracket Ihr denn also, Jungfer?

Weil er mich mit Euch genärret hatte, und daß wir wohl auf der Brautfahrt wären; da verschaamete ich mich, als Ihr just darüber zu kommen mußtet.

Solches ging mir wieder bei, sagete aber Nichtes. Als wir nu etzliche Tagereisen ohne sonderlich Ebenteuer weiter gerucket, nur daß uns oftermalen entledigte Landsknechte, auch ausgesprungene, fahrende Mönche, so sich nach Prädicantenstellen erkundigten, begegneten, begab es sich, daß Perpetua wieder von meinem Heldenmuth anfinge, und wie doch das Geschlecht derer Ritter von Hager immer gar tapfer gewest; sei also nit zu verwundern, daß ich in dieselbe Art geschlagen; und mußte ich uf ihr Begehr die Historia meines Ahnherrn, weiland Herrn Eberhards, erzählen, und will ich darum kurz selbige hie notiren.

Selbiger Eberhard, mein Ahnherr, aber war mit dem römischen Kaiser Friederico II. von Hohenstaufen gegen die Türken in den Kreuzzug gezogen, und ist ein Ausbund aller Tapferkeit und besonders listigen Anschlags gewest, so daß er bei dem Kaiser in großem Ansehen stunde. Nu war aber dazumalen Kaiser Friedericus in den großen Kirchenbann gethan, und ging es, wie man leicht judiciren kann, in seinem Abwesen im teutschen Lande bunt drunter und drüber. Darum schickete er meinen Ahnherrn mit geheimben Briefschaften und Mandaten gen Teutschland zurück, da er ihn vor Allen am meisten Zutrauen schenkete. Wie er aber sich eingeschiffet, wurd er von Seeräubern fangen genommen, und als elendiger Sklave an einen grimmigen Türkenhund verkäufet. Was er alldorten ausgestanden, mag ich nit wohl erzählen; summa: nach vielen Jahren weiß er aber listigen Anschlags seinem Herrn zu entwischen, und kommet glücklich an die Küste, wo er auch ein Schiff findet, das ihn aufnimmt, und segelt er voll Freud seiner Heimath und seinem lieben Ehgemahl entgegen; doch dieweilen er mit Kaiser Friederico im Kirchenbann gewest und noch keine Buß davor gethan, so ereilet ihn abermals der göttliche Zorn; das Schiff wird von einem fürchterlichen Sturm an ein Felsenriff geworfen und zuschellet, und alle Mannschaft muß elendiglich ersäufen, nur mein Ahnherr gewinnet lebend das Ufer, und kommet nach vielen Ebenteuern und Fährlichkeiten endlich glücklich uf seiner Burg wieder an. Aber, o wehe, er hat einen Mitesser bekommen! Als er frohen Herzens in das Frauenkämmerlein eilet, sein schönes Ehgemahl zu überraschen, siehet er selbige mit dem Herzogen Otto von Meranien Buhlschaft pflegen. Da reißet er das Schwert von der Hüften, und erschläget wüthende sein Weib und den Ehebrecher.

Das hat er gethan, schriee Perpetua, er hat sein Ehgemahl erschlahn!?

Ja, sprich ich, weil er sie im Ehebruch ertappet.

Aber das ist doch zu hart gewest, Herr Ritter; umb solcher Ursachen willen sein Gemahl zu erschlahn!

Was zu hart? Bei meiner Ritterehren, ich thäts meim Weibe auch, wann ich sie also anträf! Jungfer, das findet Ihr zu hart? Ha, nu habet Ihr Euch verrathen; Jungfer, Ihr seiet nit die fromme Jungfer, und Ihr wollet mich umgarnen, aber, Gottlob! ich erkenn Euch! und hiemit wendete ich unwillig mein Roß um, und ritte abseiten.

Herr Ritter! uf ein Wort; aber ich hörete nit. Herr Ritter, ists müglich, könnet Ihr mich vor so schlecht halten, daß ich den Ehebruch entschuldigen sollt? Meine Herzensangst hat mich so thun lassen, es war nit recht; aber, Herr Ritter! wisset, seitdem Ihr mich uf Euer Pferd genommen, und Euren Arm umb meinen Hals geschlungen, und mich an Euch gedrücket, sider dieser Zeit hab' ich keine Ruh gehabt, hab in Aengsten geschwebet, ob ich auch würd sicher bei Euch sein, und darum, Herr Ritter, darum hab ich mich so verstellet, umb Euch zu prüfen. Aber nu seh ich, sprach sie listig, daß ich keine Fahr bei Euch hab. Herr Ritter! nu bin ich ruhig; Ihr habt Eure Probe bestanden.

Summa: so wußte diese verschlagene Jungfer Alles zum Guten zu drehen, und ich Narre gläubete ihren Worten; ware jedoch immer uf meiner Huth, und danke heute noch Gott, daß er mich also beschützet. Aber man sollt nit glauben, was Weiberlist vermag.

Als wir uns nu endlich der belgischen Greinzen naheten, begab es, daß wir vor eim Dorf schon die Glocken lauten höreten, und als wir hineinreuten, sehen wir ein Laich uf den Kirchhof tragen, und ging ein lutherischer Prädicante fürauf, und folgte ein groß Haufen Volks, Jung und Alt. Da ich nu doch begierig war, wie die Lutherschen ihre Todten begraben mochten, und auch Perpetua absteigen wollt, stiege ich vom Roß, und ginge auch mit. Nachdeme nu das Laich, in einen weißen Sack genähet, Erst im 17ten Jahrhundert wurde das Begraben in Särgen allgemein üblich, während es bis dahin nur bei den Vornehmen gebräuchlich war. – S. Scheide!, das Kloster VI. Band, die gute alte Zeit S. 838. Wenn in jüngster Zeit so viel über die Bedenklichkeit des Begrabens in Särgen, und zwar mit Recht geschrieben und gesprochen wird, so würde die Rückkehr zu diesem uralten Gebrauch in jeder Beziehung am Gerathensten sein; wenigstens wäre das spätere Erwachen im Grabe unmöglich gemacht, indem der etwa lebendig Begrabene von der Erde gleich erstickt würde. In das Grab gesenket war, stimmte der Küster einen Versch an, jewede Strophen erstlich vorsingende, worauf das Volk im Chore dasselbe wiederholete, und lautete der Versch also:

Ich bin ein wahres Rabenaaß,
Ein wahrer Sündenknüppel,
Der seine Sünden in sich fraß.
So wie der Rost die Zwibbel.
Herr Jesu, nimm mich Hund beim Ohr,
Wirf mir den Gnadenknochen vor.
Und schmeiß mich Sündenlümmel
In deinen Gnadenhimmel. Altes lutherisches Kirchenlied.

Als besagter Versch nu zu Ende gesungen, thäte der Prädicante erstlich 3 Hände voll Sand uf das Laich werfen, räusperte sich, und hielt die Laichpredigt. »Und sähe die werthe Gemein allhie das Laich eines gottesfürchtigen, lutherischen Mannes begraben, ohne Schmauch und Rauch, ohne Weihwasser und Geplärr, wie es ehedem im Pabstthum Brauch gewest, und verhoff er, daß selbiger auch ohn dergleichen Affenspiel würde seligen Schlaf halten, bis zum Tage der Uferstehung, wasmaßen er allbereits im Himmel. Und sei es ebenmäßig ein papistisch erlogen Ding mit dem Fegefeuer, so der schnöde Geiz des leidigen Papstesels erfunden, umb vor die armen Seelen Meß halten und den Seckel füllen zu können. Nein, das Fegefeuer ist ein Teufels-Fratze, wie Lutherus saget, S. Luther über die schmalkaldischen Artikel Theil II. Articul. 2. pag. 9. und kommet die Seel alsbalde in den Himmel oder in die Hölle. Darum, ihr werthen Umständer, was ist anjetzo wohl das Geschick des selig Verstorbnen? Ob er auch im Ehebruch gelebet, wie ihr wisset, so mag ihm dieses nit schaden, denn da er verstorben ist im Glauben an unsern Herrn Christum, so hat sein Glaub ihn gerechtfertiget, und dürfen wir seiner Seligkeit gewiß sein, wasmaßen Lutherus saget, daß weder Mord, noch Ehebruch noch Diebstahl mag den Menschen verdammen, besondern der Unglaub allein. S. Luther in der Kirchenpostill am Pfingstmontage. Den Glauben aber hat er gehabt, ergo: er ist selig.«

»Und daß mir daher Niemand nit betet allhier für den Verstorbenen; der sei verflucht, der solches thut! Hab letzlich auch Etliche noch am Grab beten sehen, als ich fortginge, will nu aber verhoffen, daß Niemand nit mehr betet, ansonsten müge der Teufel ihm die Zunge verrecken!«

Nachdeme nu noch ein Versch gesungen, nahme letzlich der Todtenbitter die Mütze ab, und: lad er die werthen Trauergäst und den ehrwerdigen Herrn Prädikanten hiemit zu der christlichen Todtenmahlzeit in den Kretscham. Wie er solches gesprochen, wurfen die Todtengräber ihre Schaufeln weg, und rannte Alles, Jung und Alt, über die Gräber in den Kretscham. Da stund ich verwundert uf dem Kirchhof, ging aber noch umher, mir die Laichsteine zu besehende. Waren allerlei Sprüch, sonderlich aus der heiligen Schrift uf denselben, aber auch andere fast lächerlicher Art. Und stunde uf einem Marmelstein folgender Denkspruch:

Wiek, Düfel, wiek wiet von my,
Ick scheer mir nig een Haar um di,
Ick bin en belgisch Edelmann,
Wat geit dir Düfel mein Supen an?
Ick sup mit minem Herrn Jesu Christ,
Wann du Düfel ewig dörsten müßt
Und drink mit em en söte Kolleschal,
Wann du sitzt in der Hölle Qual.
Drum rahd ick, wieck, loop, renn und gah,
Syst up di Düfel ick to slah. d. i. im Hochdeutschen:
Weich, Teufel, weich weit von mir,
Ich scheer mich nicht ein Haar um dich,
Ich bin ein belgisch Edelmann,
Was geht dich, Teufel, mein Saufen an?
Ich sauf mit meinem Herrn Jesu Christ,
Wenn du, Teufel, ewig durstig bist.
Ich trink mit ihm die süße Kalteschaal,
Wann du sitzst in der Höllenqual,
Drum, rath ich, weich, lauf, renn und geh,
Sonst auf dich, Teufel, ich zuschlag.
S. Tedeschi Unterhaltungen. 1825. II. S. 175.

Item: uf eim anderen stunde:

In dieser Welt hab ich mein Lüst,
Allein mit kalten Schalen (Trinken) gebüßt;
Hilf mir, Herr, in den Freudensaal
Und gieb mir die ewige kalte Schaal!

Mußten sich also wohl sonderlich allhie uf die evangelische Zech verleget haben!

Inwährendem ich nu also über den Kirchhof schlenkere, hör ichs hinter der Kirchen husten und schlucken; und wie ich von ungefähr widder bei der Sacristeien herum komme, knieet ein Weibsbilde in einer schwarzen Nebelkappen und Floors um das weiße Häublin, uf dem Grabe, das Vater unser betende, wie ich mitten in ihrem Schlucken deutlich vernehmen konnt. Steh noch ein klein Weil, als ich am Gatter der Kirchhofsporten das rothe Gesicht meines Prädicanten hineinschielen sehe; »wachte, du schandbare Papistin! willstu noch vor deinen Kerl bitten? Daß dir der Teufel ins Maul fahre mit deinem Geplärre!« und hiemit risse er die Porten uf, und rannte drohende uf das Weib zu, die für Schreck weiß wie ein Todter wurd.

Willtu noch beten vor deinen Kerl, zum Dank davor, daß er dir einen Bankert ins Haus gebracht?

Hab ichs nit gesagt: daß das Beten vor die Todten ein abergläubisch, papistisch Ding, dieweil es kein Fegefeuer giebet? Packe dich und mache, daß du hinunter kommest, sonst werd ich den Schöppen rufen, daß er dich in den Stock lege; so eine Papistin, betet zum gemein Aerger noch vor die Todten!

Aber das Weib ginge mit Nichten. Warumb sie nit beten sölle vor ihren Ehemann? hätt es ihr uf dem Sterbbett abgebeten, und könnt sie es unmöglich gläuben, daß es sollt Sünd sein; fänd großen Trost darin, nein, nein, könnt es unmöglich gläuben, daß es sollt Sünd sein, und bete sie nicht allein vor ihre Verstorbenen, thäten es noch viele Andere im Geheimen. Obgleich es der lutherischen Confession absolut zuwider ist, für die Verstorbenen zu beten, straft der religiöse Instinkt, um mich so auszudrücken, die Glaubenslehre Lügen; in meiner Heimath in Pommern, wie auch wohl in Schlesien, wird noch von der Kanzel und am Grabe für die Verstorbenen gebetet, und würde sicher ein großer Sturm in den Gemeinden entstehen, wenn ein Pastor diese Todtenfürbitte sich unterstände, als einen, dem Bekenntnisse widersprechenden papistischen Gräuel und eitle, nichtssagende Ceremonie zu unterlassen. Gibt es keinen Reinigungsort, und nur Himmel und Hölle, wozu das Gebet? Die Seligen gebrauchen des Gebetes nicht mehr, den Verdammten kann es nicht helfen. Ist das nicht ein Widerspruch, ein leerer Werkdienst? Aber, Gottlob! so gibt das religiöse Gefühl, wenn auch dunkel und unbewußt, Zeugniß von der Nichtigkeit der protestantischen Lehre, und Zeugniß von der Wahrhaftigkeit des katholischen Dogma über einen Mittelzustand, wo das Gebet den Hingeschiedenen noch helfen kann. Was, schriee der Prädicante braun und blau für Zorn: ihr wollet klüger sein als Lutherus? Du schandbare Papistin, was betest du vor deinen Kerl; ich sag es dir: dein Kerl ist selig, dieweil er im Glauben verstorben, und braucht dein Geplärr nit, packe dich, daß du mit deinem papistischen Gebet nit in die Hölle fährest, dieweil du Gott versuchst, und hiemit nahm er das Weib beim Arme, und wollt sie vom Kirchhof schleppen, als ich dazwischen sprunge. Mit Vergunst, Herr Pfarr! Warum wehret Ihr diesem Weibe vor ihren Mann zu beten? Ich sollt meinen, sie thut nur, was der heiligen Schrift gemäß ist, da geschrieben stehet: Es ist ein heilsamer und tröstlicher Gedanke vor die Verstorbenen zu beten, daß sie von ihren Sünden erlöset werden. 2. Maccabäer 12, 46.

Seiet Ihr ein Papiste? und hiemit trat er einen Schritt erschrocken zurücke.

Ja, der bin ich, und verwundert es mich, daß Ihr als lutherischer Prädicante das Fegefeuer und die Vorbitt vor die Todten verwerfet, da doch Lutherus selber sagt: vom Fegefeuer soll man fest glauben, und ich weiß, daß es in Wahrheit, daß die armen Seelen unsägliche Pein leiden, und man ihnen zu helfen schuldig ist mit Beten, Fasten, Almosen und was man vermag. S. Wittenb. deutsche Ausgabe Thl. II. f. 6. B.

Ja, das hat Lutherus gesaget, als er noch im Pabstthum steckete, was Ihr, wenn Ihr Hirn habet, merken könnet, weil er annoch auch vom Fasten spricht; letzlich aber hat er es offen als wider die Schrift erkannt, und ist es Nichtes mit dem Fegfeuer und der Vorbitt vor die Todten. Eine Teufelsfratze ist das Fegfeuer und was daran klunkert! Luther, schmalkaldische Artikel Thl. II. §. 9.

ego: Aber es stehet doch in der heiligen Schrift, und was müget Ihr dagegen fürbringen?

ille: Daß solches nit im Evangelio stehet; was gehet uns das alte Testament an?

Da verwunderte ich mich; aber es stehet doch auch im Evangelio, wann auch nit das Wort Fegefeuer oder Purgatorium, so ist doch klärlich von einem Mittelort die Rede, wo auch nach dem Tode noch die Sünden können vergeben werden; ufs Wort aber kommts nit an, wenn die Sache selber sich fürfindet.

Wisset Ihr nit, daß der Herr selbsten spricht Matth. 12, 31., daß die Sünden wider den heiligen Geist weder in dieser noch in jener Welt mügen vergeben werden? Lieget darin nit klar wie der Sunnenschein, daß andere Sünden annoch im Jenseits können vergeben werden?

ille: Ei was, solches geschiehet gleich nach dem Tod, und braucht darumb kein Fegfeuer zu sein.

ego: Wenn solches balde mit dem Tode geschiehet, wie redet der Herr dann von einem Kerker, Matth. 5, 25. woraus Niemand nit herauskomme, ehe bevor er den letzten Heller bezahlet? Hab noch nimmer weder gelesen noch gehöret, daß der Himmel ein Kerker benamset wird, oder daß man alldorten noch abbüßen könne, wasmaßen geschrieben stehet: Nichts Unreines darf ins Himmelreich eingehen, item: wär allhie der Himmel gemeinet, wärs nit unsinnig, daß welche den letzten Heller bezahlet, d. h. abgebüßet haben, sollten im Himmel sein, als wie lange sie nit abgebüßt, und aus dem Himmel heraußen gebracht werden, als wann sie abgebüßet? Sprechet, kann nit der Himmel der Kerker sein, so muß es nach Eurer Lahr die Hölle sein, weil Ihr kein dritten Ort acceptiret. Aber wisset Ihr nit, oder wollet Ihr strittig werden, daß aus der Höllen keine Erlösung? Stehet nit geschrieben: Wer in die Hölle fähret, kommt nit wieder herauf, Tob. 7, 9., und heißet die Hölle nit an allen Orten der heiligen Schrift ewig und nimmer ein End habend? summa: dieser Kerker kann weder der Himmel noch die Hölle sein, sondern ist offenbar das Fegefeuer oder Purgatorium damit gemeinet. Und, Herr Prädicante, spricht der heilige Apostel Paulus nit selbsten, daß das Feuer eines Jeden Werk prüfen wird, wie es beschaffen, und daß Etzliche selig werden, aber nur wie durch Feuer? 1. Corinth. 3, 15.

iIle: Lasset mich in Ruh! Ihr Papisten verstehet die Schrift nit; ist vordem nimmer in der ersten Kirchen geglaubt worden an ein Fegfeuer, und hats der schnöde Geiz erstlich erfunden, um den Seckel zu füllen, wie das Liedel sagt:

Wenn das Geld im Kasten klingt.
Die Seele aus dem Fegfeuer springt.

Dieweilen ich aber seit dem Tode meiner Muttern und Vatern seliger Viel über das Fegefeuer gestudiret, so ließ ich ihn nit alsbalde fortloffen: Was, Ihr vermeinet, in der ersten Kirchen habe Niemand nichts vom Fegefeuer gewußt? St. Augustinus spricht deutlich vom Fegefeuer, nachdem er vorher von den Höllen geredet, also: O Herr, züchtige mich auch nit in deinem Zorn, sondern reinige mich in diesem Leben, und richte mich also zu, damit ich keines Fegefeuers bedürfe, wegen derer, welche zwar selig werden, aber als durch Feuer; St. Augustin, in der Auslegung des ersten Verses des 37. Psalms. item: St. Cyprianus: Es ist ein Andres, der Vergebung gewärtig sein, ein Andres, zur Gloria kommen, ein Andres, nit aus dem Kerker kommen, bis der letzte Heller bezahlet, ein Andres, den Lohn von Stund an empfangen, ein Andres, mit langwierigen Schmerzen gepeinigt und vom Feuer lang gereinigt und gesäubert werden, ein Andres, durch das Leiden Alles schon gereinigt haben. Cyprianus Liber IV. epist. 2. ad Antonianum. Und daß auch schon in ältesten Zeiten derer Verstorbenen gedacht wurd, bezeuget St. Chrysostomus: Von den Aposteln ist nicht vergebens verordnet worden, daß man unter der Feier der ehrwürdigen Geheimnisse Gedächtniß halten soll derer, die von hinnen geschieden; denn sie wissen, daß ihnen solches sehr nützlich Homil. III. in epistola ad Philipp. und hoch ersprießlich; item: der heilige Dionysius: Es ist uns überliefert worden von den göttlichen Lehrmeistern, daß der Bischof vor die Verstorbenen betet; item spricht Johannes Damascenus: die Jünger unseres Heilandes haben verordnet, daß in den erschröcklichen, reinen und lebendig machenden Geheimnissen derer gedacht werde, die im Glauben ihr Leben beschlossen; In oratione de fidel. def. item: Tertullianus im II. Saeculo: den abgeschiedenen Seelen bringen wir jährlich an einem bestimmten Tage Linderung. De corona militis.

Nu, Herr Prädicante, wollet Ihr noch mehr? Ists nit klar, daß das Fegfeuer und Todtenvorbitt eine apostolische Anordnunge, und von jeher in der heiligen Kirchen ist geglaubt worden? Die katholische Kirche lehret über das Fegefeuer, daß alle jene Christen, welche im Stande der Gnade zwar gestorben sind, denen aber noch irdische Mängel ankleben, in einem Zwischenort, Purgatorium genannt, erst gereinigt werden, ehe sie der seligen Anschauung Gottes theilhaftig werden können. Matth. 5, 26. 12, 32. 1. Corinth 3, 15 ff.

Aber mein Prädicante wollte nit mehr Stich halten: ei was kummt Ihr mit denen Vätern, es seien stinkende Pfützen, aus denen die Papistischen Wasser gesoffen; wir werden selig durch den Glauben allein, und brauchen darum keins Fegfeuers und keiner Vorbitt; ich hab kein Zeit mehr und muß widder in den Kretscham sehen, und hiemit valedicirete er sich. Bedräuete aber noch einmal das Weib, vor ihren Kerl nit zu beten, und nähme sie mit hinunter vom Kirchhofe.

Aber als ich uf der Gassen hinunterginge, trate das Weibsbilde noch einmal zu mir heran, küssete mir die Hand und: daß sie von Stund ab widder wölle katholisch werden, wasmaßen sie es nit über das Herz bringen könne, vor ihre verstorbenen Eltern und Eheliebsten nit beten zu dürfen; und ihr nu offenbar worden, daß das Pabstthum nit unrecht hätt. Das fromme Andenken an die Verstorbenen in der katholischen Kirche ist häufig erste Veranlassung zur Conversion, wie dem Verfasser selbst mehrere Fälle bekannt sind.

Weiß nit, ob sie Wort gehalten, doch sollts mir fast lieb sein.

Als ich nu widder in der Schmieden, wo wir eingekehret, wasmaßen wir ein Hufeisen verloren hatten und daselbsten auch geschenket wurde, ankäme, war die Jungfer nit fürhanden, und wußt auch Claus nit, wo sie verblieben, bis letzlich ein klein Töchterlein des Schmiedes vermeinete: sie sei im Pferdstall. Verwunderte mich also, was sie dorten zu thun, und fande sie in Wahrheit bei der Krippen stehen und ihrem Zelter Hafer ufmengen; gedachte nit Arges, und »daß es nu Zeit wär, daß wir widder uns ufsatzeten;« bezahleten also unsre Zech, und ritten abe.

Nu war aber unser Geldsack schon schlaff worden wie ein Lämmerschwanz, und hatten wir freilich Sorge, wie wir würden bis Brüssel kommen. Schränketen uns also ein, und nahme ich für meine Part und Claus mit trögem Brote und holländischem Käse, den es allhie gar schmackhaften hatte, fürlieb; miethete auch nur immer eine Kemenate vor die Jungfer, und verbliebe meistens bei den katholischen Pfarrherrn, oder lage auch im Pferdestall. Sollte mich zwar nit geniren, wie Perpetua vermeinete, aber ich bliebe dabei, es zieme sich nit; konnts ihr aber anmerken, daß es ihr unlieb.

So kämen wir denn Brüssel immer näher, und je näher wir kämen, desto mehr freuete ich mich, Perpetua aber wurd immer unruhiger, immer schmeichelhafter und beredter. Summa: da sie mich mit ihren Listen nit fangen konnte, so triebe sie es offenbarlich. Merket also was geschahe, und wie sie das Netze fein säuberlich eingefädelt und gewebet, worin sie mich fangen wollte. Hatte sie bis dahin die Fromme gespielet, umb mein Wohlgefallen zu gewinnen, finge sie listigen Anschlags allmählig das Widerspiel an; denn Brüssel käme immer näher.

Da mußt es Satanas karren, daß wir dicht hinter dem Dorfe uf einen Ledderwagen stießen; darinnen saßen 3 Mönche und ebenmäßig 3 Nonnen, annoch in ihrem Habit, nur daß das Scapulier feihlete; wenketen mir zu, als ich fürüber reuten wollte; hielte also an, und was sie begehrten? Aber ich konnts nit verstehen, dieweil sie Gälisch sprachen, merkete aber so viel, daß sie entloffene Klosterleut wären und eine Prädicantenstelle suchten. Aergerte mich über die Unverschaamtheit, daß Beides, Mönch und Nonn zusammenfuhren, sahe sie verächtlich von oben bis unten an, und ritte meiner Straßen. Das aber kam Perpetua recht, schimpfirete erstlich uf diese schaamlosen Menschen, daß sie zu gemeinem Aergerniß zusammen im Lande herumkarreten; ja, es wär schon eine liederliche Zucht in den meisten Klöstern, und nun hube sie an allerlei närrische Dinge von dem ärgerlichen Leben derer Mönche und Nonnen zu verzählen; erstlich verblümet, nach und nach aber immer teutlicher; so daß mir das Geblüte ins Antlitz stiege; wußte dabei aber Alles so lieblich und schmeichelhaft fürzubringen, daß ich in Wahrheit allmählig ein geheimb Wohlgefallen daran hätte, und nit merkete, daß mir der böse Engel das blanke Bilderbuch zeigete. Ritte wie vom Feuer beschienen, an ihrer Seite, sagete Nichtes, hörete aber Alles mit gespitzeten Ohren an. Ja, vermeinete sie lispelnden Tones; wie freu ich mich, daß ich nit bin eine Nonne worden; hätt davor auch gar nit getauget, und spüre wohl in meinem Herzen, daß ich vor die Heurath bestimmt bin.

Da sie solches gesprochen, fuhr es mir durch alle Glieder, ward von da ab meiner nit mehr recht mächtig, klunge mir immer vor Ohren, was sie sagete: bin vor die Heurath bestimmt; summa: saße wie ein Träumender uf meim Pferde.

Mochten so etwan bei zween Stunden gezogen seien, als die Jungfer anhebet: weiß ich nit, was mit meint Zelter geschiehet; er schuddert sich ja, als hätt er das böse Fieber, und will nicht vorwärts. Herr Ritter, sehet doch einmal, was meim Thiere fehlt. Und wars in Wahrheit also, stunde das Thier und zitterte, prustete aus den Naslöchern, und schnoberte uf der Erden, immer mit dem Vorderbein den Sand scharrende. Stiegen also abe, rieben ihm die Seiten und legeten ihm die Decken über; aber es war vergeblich, wurfe sich stöhnende endlich nieder, wälzete sich, schluge mit allen Vieren und wieherte gar kläglichen, und kaumb war eine halbe Stunde vergangen, so verreckete das arme Vieh für unseren Augen.

Da hub Perpetua ein groß Gejammer an, streichelte das arme Thier, legete sich den Kopf in ihre Schooß und küssete die kalte Näse. »Wär sie doch nit Schuld an dem armen Vieh! Ob ihme der Hafer auch sollt geschadet haben, den sie ihm ufgemenget? Ach, hätts noch zu guter Letzt so gut gemeinet, und müßt nu für ihren Augen verrecken! Aber wehe, wie mügen wir anjetzo weiter kommen; Herr Ritter, was thun wir? Wenn wir nur Gelds hätten, ein ander Pferd zu käufende.«

Nu, sprich ich: es wird schon Rath werden, seiet unbekümmert, hieße meinen Claus absteigen, satzete die Jungfer uf das Meine und mich auf Clausens Pferd, und: kämen wir schon noch gen Brüssel, und würd ich und Claus abwechselnd ein Eck reuten, ein Eck laufen.

Aber das wollt nit gehen; dieweilen mein Pferd ein starker, muthiger Hengst, war ihm die Jungfer nit gewachsen, stiege mit ihr immer kerzengerade in die Luft. Nein, nein, lasset mich absteigen, er wirfet mich abe! Ich werd zu Fuß gehen, so schwer es mir wird.

»Beruhiget Euch Jungfer, ich werd ihn Euch leiten,« sprunge also abe, und nahme den Hengst bei dem Zaume; aber er wollt sich nit bändigen lassen, schluge immer hinten aus, so daß die Jungfer, ob mit oder ohne Absicht, laß ich noch in seinen Würden, zu zween Malen kreischende vom Pferde glitte. Ach nein Herr Ritter! wir kommen nit weiter; Ihr müßtet mich denn widder ufs Pferd nehmen.

Ufs Pferd nehmen? halt – da fuhr mir ein Gedanke durch den Kopf; hat die Jungfer etwa auch das Pferd vergeben? Da erwachte ich plötzlichen aus meinem Traume; hatt schon wollen ihr selbsten den Fürschlag machen, im geheimen Kämmerlein meines Herzens noch von dem blanken Bilderbuch träumende; aber Gottlob! da sie selbsten den Fürschlag machte, erschrack ich vor mir selbsten.

Nein Jungfer, das ziemet sich nit! satzet Euch uf Clausens Pferd, obs besser geh, sprach ich, sie scharf ansehende. Da verfärbte sie sich unter den Augen unmerklich, sagete aber Nichtes, und ließe sich auch uf das Pferd satzen: »wanns nur besser ginge, wie sie vermeinete.« Doch da kam dasselbe Spiel für; obwohlen sonsten geduldig, stiege er ebenmäßig kerzengrade mit der Jungfer in die Höhe, so daß sie kreischende herunterfiele. Da verwunderte ich mich nit wing; wollts auch beim Zaume nehmen, aber es ging widder nicht, schlug ebenmäßig hinten aus. So Etwas war mir noch nit fürgekommen.

Claus aber stunde und zitterte wie ein Espenlaub. Gestrenger Herr Ritter, es wird ein Spuck sein; ist meinem Vettern auch fürgekommen, als er gen Weitra geritten. Doch da fällt mir was ein; gebet mir nur die Peitschen von meim Sattel; schlunge darauf, leisam mümmelnde 3 Kreuzknoten in die Peitschen, und knallete zu dreien Malen mit Macht, rechtes, linkes und vorwärts. Ein Aberglaube, wodurch die Fuhrleute die Gespenster verscheuchen wollen.

»So, nu wirds schon weiter gehen!« Aber als wir die Jungfer, so sich nit wing sträubte, widder ufsatzten, hube das Ding von Neuem an.

Was blieb übrig? Mußt sie also in Wahrheit mit mir ufs Pferd nehmen, und schlunge sie, um sich festzuhalten, wie sie meinete, ihren Arm mir umb den Leib. Da wurd mir warm und heiß, und das blanke Bilderbuch tanzte mir widder für Augen. Aber Gottlob! indeme mich von hinten die Versuchunge umschlungen hielt, umfassete mich von Vornen die gebenedeite Mutter. Denn Perpetua, so fest sie mich umschlungen hielte, druckete ohn ihr Wissen mir die Medaglien uf die Brust, und da merkete ich plötzlichen, in wie großer Gefahr und Versuchunge ich war. Betete also inbrünstiglich um Stärkunge; aber o wehe! ich wurds endlich müde, und schon wollt die Versuchunge mich bezwingen, als ich uf der Erd eine Pferdestriegel gewahr. Da kommt mir plötzlichen der alte Klausner für, und daß Frau Castigatio müßt zur Hilf kommen, wann die Versuchunge zu groß würde! »Claus, gieb mir die Striegel herauf!«

Sie ist nichts werth, gestrenger Herr, und wollt sie fortwerfen; aber ich bestunde darauf, und schobe sie mir uf die bloße Brust unter das Brusttuch. Da mußt die Jungfer wohl erschrecken, denn ich merkete, wie ihre Arme mir umb den Leib zitterten, sagte aber Nichtes. Das kratzete gewaltig; aber ich hielte aus; fühlte wohl, daß mir balde das Blut hernieder sickerte. So bekam ich Ruhe und die Versuchung wiche.

Nu gläubete ich Narre, ich hätt gesieget, und bekam ein geheimb Wohlgefallen, daß ich mich so starkmüthig überwunden: summa: da ich die Striegel fast nit mehr leiden mocht für Schmerzen und ich ja Ruhe hätt, wurf ich sie endlich von mir.

So sitze ich noch in Gedanken der Hoffahrt versunken und des Betens vergessend, als mich die böse Lust widder umschleichet und mich so umringelt, daß ich endlich offenbar Wohlgefallen an der Jungfer hätte. Solches mußte sie wohl verspüren, und ich duldete es, daß sie ihren Kopf, weil sie müd sei, wie sie lispelte, mir uf die Schulter legete. Waren so ein Weil geritten, als die Jungfer plötzlichen anhebet: aber wo ist mein Körblein? Claus, hastu mein Körblein mitgenommen? Nein gnädige Jungfer, ich habs nit! »Ach Gott, da hab ichs verloren! ja gewiß, es lieget bei meinem Zelter.« »Claus, reute geschwinde zurücke, wir werden allhie so lange verbleiben,« und hiemit umfassete sie mich merklichen mit Inbrunst.

Schon wollt Claus lächelnde abreuten, als von den Thürmen Brüssels das Ave Maria anhob zu läuten. Da sprunge ich mit gewaltigem Sprunge vom Sattel, nu war mir Alles klar! Claus, wo ist deine Peitsche! Claus, ehe du zurücke reutest, bläue meinen Rücken, daß er schwiele; denn wisse, diese Jungfer will mich verführen! Da kreischete Perpetua in die Höhe, Claus aber wollte nit schlagen. »Schlägstu nit, so schlage ich dich!« und als er sich noch weigerte, riß ich ihm die Peitschen aus der Hand und schluge ihn also erschröcklich, daß er sich winselnde uf der Erden krümmete, beede Hände in die Höhe streckete, und: wölle er mich doch schlagen, sölle nur ufhören!

Da knieete ich nieder, und ließe mich bläuen, daß das Blut mir hernieder liefe; so lange es Ave lautet, solltu schlagen! und mit meinen Thränen und meim Blute betete ich den englischen Gruß. »Nu magstu reuten, und du Jungfer sitzest allein uf dem Pferd oder laufest; keinen Schritt mehr kommst du mir nahe!« Aber die Jungfer saß blaß und zitternde mit ufgelöstem Haare uf dem Pferde, bis Claus zurücke käme und in Wahrheit das Körblein brachte. Gestrenger Herr Ritter, jetzt hab ich den Spuck entdecket! und damit reichete er mir zween große, blutige Nadeln, so er dorten gefunden, wo die Pferd nit hätten gehen mügen. Als Perpetua die Nadeln sähe, kreischete sie von Neuem auf, zitterte und bebete. Ha du Schlange! ginge an die Pferde, und siehe, hinter dem Sattel war im dicken Fleisch Alles blutig zustochen.

Ich aber sagete kein Wort, sahe nur die Jungfer mit fürchterlichen Blicken an, und ohn daß ich das Pferd beim Zaume fassete, ging es jetzt ganz geruhlich.

Mittlerweilen war es tunkel worden, hörten aber ein fern Getöse, sahen auch streuens hin und wieder ein Lichtlein flimmern, und summa: Brüssel war, Gottlob! nahe. Mir aber brannte mein Herz für Inbrunst, hätte mügen für Freuden weinen, daß mich Gott so gnädiglich beschützet; mein Zorn aber uf die Jungfer, lösete sich in groß Erbarmen, und: obs denn nit möglich wäre, daß sie sich bekehre! Unter sothanen Gedanken mochten wir stillschweigende etzliche 100 Schritt gezogen seien, als plötzlichen die Jungfer laut aufschriee und ebenmäßig mein Claus: Herr Gott, welch Feuer! Wo denn? ich sehe nichts. Euer Helm brennet von milden Lichtlein! Ihr strahlet über und über!

Da erzitterte ich und bebete; wars ein himmlisch oder irdisch Licht! Ein St. Elmusfeuer.

Ritter Sigmund, Ihr seid ein Heiliger! Das ist der Heiligenschein, betet vor mich! rief Claus, und küssete meinen Mäntel; die Jungfer aber bedeckete ihr Antlitz mit beeden Händen, und schluckete noch, ohne ein Wörtlein zu sprechen, als der Glanz uf meinem Helm erlöschete, und wir glücklichen in Brüssel einträfen.



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