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Siebentes Kapitel.

Von einem Schalksknecht in der Heerbergen, und was wir bei dem Propste Balthasar zu Heidenheim erlebet.

Nu kann männiglich schließen, mit waserlei Gedanken ich aus Augsburg ritte. Saße stumm und in mich gekehret, meines armen Vatern und meiner Julia gedenkend, auf dem Pferde, und achtete kaum der Perpetua. Und war es wohl eine sonderliche Fügung des grundgütigen Gottes, daß ich benebst der Stärkunge des hochwürdigsten Nachtmahls, auch einen bittren Trunk in dem Tode meines Vatern bekommen, daß meine Seel ihm nachreisete in die Ewigkeit, und sich nit herumtummelte auf der Erden. Denn ansonst glaub ich, hätt der böse Geist Fleischeslust mir widder das blanke Bilderbuch fürgehalten.

Als ich nu so in Gedanken verloren, stumm wie ein Fisch an der Seiten der Jungfer einherritte, schien selbige sich zu verwundern, daß ich nit redete, besondern nur immer trocken mit Ja und Nein antwortete, und fragete deßhalb leise meinen Claus, was mir geschehen, daß ich so kurzsilbig?

Als sie nu vernommen, daß der Tod meines Vatern mir ans Herze gegriffen, so ritte sie mitleidig an meine Seite. Herr Ritter! Ihr habt Trauerbotschaft? Das thut meim Herzen gar wehe! Hör ich recht, so ist Euer Vater verstorben; da nehmt es nit für ungut, daß ich Euch durch mein Geschwätze in Eurem frommen Andenken verstöret; weiß selber, daß es dem Herzen wohlthut, stille sein und sich im Gebete Trost zu holen! sprachs und lenkete ihren Zelter abseits. Solches war mir angenehme, und daß sie meinen Schmerz auf so christliche und vernünftige Weise ehrete, und wurde abereins zweifelmüthig: ob sie doch nit ein gut, fromm Mensch wäre. Thate mir dahero endlich auch leid, daß sie so stumm und schweigsam meinethalben einherritte, und wollt schon immer anheben, das Stillschweigen zu brechen; aber wann ich den Mund wollt ufthun, war es, als hing mir ein Riegel für; summa: genirete mich, und wußt nit, warum und woher es käme. Hätte mich auch wohl gehüthet, meine Augen auf sie zu richten, der Verwarnunge des Beichtvaters, von dem Haupt der Medusae gedenkend; aber da ich nu immer reden wollt und auch widder nit, so bliebs nit aus, daß meine Augen der Zungen fürauf liefen, und sich unsere Blicke jeweilen begegneten, worauf sie nit minder denn ich, bis an die Wangen verschaamrothete, und ihren Blick gar züchtiglich senkete. Da merkete ich alsbalde, daß mir solch Augenspiel möchte verderblicher werden, denn Reden, wasmaßen die Jungfer gar wonnesam anzuschauen in ihrem hellrothen, goldverbramten Mieder, inwährendem das weite, wehende Reitkleid himmelblau ihren weißen Zelter umschwebete.

Hätte gerne nit gesprochen, und wollt auch alsbalde meine Augen bewahren; aber dieweilen unsre Blicke sich begegnet, gläubete ich: die Jungfer möcht meine stummen Blicke vor beredeter gehalten haben, als sie in Wahrheit, und um nicht einen bösen Verdacht uf mich zu ziehende, fing ich alsbalde die Unterhaltunge an.

Erzählete ihr von meinem Vatern und wie er anfänglich auch bald wär lutherisch worden, nachgehends aber, als ich von Wittemberg heimgekehret, sich widder dem wahren Glauben zugewandt, und als ein wahrer katholischer Christ, wie mir meine liebe Julia geschrieben, selig verstorben sei, was nunmehro mir zu besonderem Troste gereiche.

Da ich nu uf meine Julia gekommen und selbige als den Ausbund aller Tugendhaftigkeit priese, fiel es mir uf, daß Perpetua sich im Antlitz verfärbete und auch ein wing unruhig auf dem Zelter wurd, und wollt ich eben widder zweifelmüthig werden, ob sie nicht doch möchte eine Zuneigunge zu mir tragen. Aber diese listige Jungfer mußt wohl meine Gedanken errathen haben. Gottlob, Ritter! lispelte sie leise; wie freu ich mich, daß Ihr Euer Gemahl so lieb und werth haltet; das versichert mir, daß ich Nichts zu befürchten. Glückselig seiet Ihr zu preisen, daß Ihr solches Weib gewonnen, und ebenmäßig glückselig zu preisen Euer Ehgemahl.

Aber, Herr Ritter! mir lieget noch immer Etwas uf dem Herzen, was mir gar wehe thut. Und als sie solches sprach, ward es ihr naß in den Augen, schluge sich den Schleier über das Antlitz und fing heimblichen an zu schlucken. So verwunderte ich mich nit wing, und was ihr denn widerfahren?

Ach, Herr Ritter! ich meine die Entweichunge meines Schwähers, des Landgrafen, und daß Ihr uf mich den bösen Verdacht geworfen, ich hätte mit ihme die Flucht ersonnen. Aber, Herr Ritter! der Schein ist wider mich; was soll ich sagen? Ihr gläubet meiner Unschuld nit; aber ich schwörs Euch bei der reinen Magd des Herrn, daß ich Nichtes gewußt; hab ruhig geschlafen, als Ihr ihne widder zurückbrachtet. Sprachs, und konnte für Schlucken nit weiter. Solches erbarmete mich denn, und da mich der alte Klausner gelehret, nimmer nach dem Schein zu urtheilen, gläubete ich ihrem Schwure, vertröstete sie und daß sie nit mehr weinen sölle, und ich ihr gläube, um so mehr ich in den letzten Tagen gesehen, daß sie in Wahrheit eine tugendhafte Jungfer. Als ich sie nun also vertröstet, dankete sie mir und reichete mir schluckende ihre Hand; ritte aber noch immer schweigsam und in sich gekehret einher.

Solches erbarmete mich noch mehr, und weiß nit, wie es gekommen, ob es etwan die Hand gewesen, so sie mir gereichet und die fast brennende in der meinigen gezittert; summa: ich mühete mich noch gar viel, sie wieder ufzuheitern, und merkete kaumb, daß mich ein unmerklich Wohlgefallen beschliche und ich fast warm worden.

So kämen wir denn in einen Tannenwald, als ein stark Weheklage und Gejammer an unser Ohr schluge. Saße ein Jüde uf eim Steine, hätte mit beeden Händen sein Antlitz in den Händen und krümmete sich weimernde und fluchende uf seim Sitze, und mußte er unser wohl nit entwahr werden, zumalen die Pferde in dem tiefen Sande langsam einherschritten.

Aaraun, Aaraun, was hastu gemachet! sei vermaledeiet Aaraun, vermaledeiet sei dein Vater Lewi und vermaledeiet deine Mame Zore, und sei vermaledeiet die Stunde, wo du erboren! Aaraun, Alraun, was hastu gethün! und hiemit schluge er sich mit beeden Fäusten vor den Kopf und zausete sich grimmig in seinem grauen Barth. Da verwunderten wir uns nit wing, konnte mich aber des Lachens nit entwehren. Jüde, was schreist du also? So sprunge der Kerl für Schrecken gleich uf; ah weih geschrieen! hab ich verloren zween Hammel, die ich gekäufet vor schweres Geld; seien sie weggelaufen oder schändlich gestohlen; bin a armer Jüd, a betrogener Jüd! und wollt ich gebeten han den gestrengen Ritter, umb ein klein Geschenk; erbarmet Euch des alten Aaraun, dem zween Hammel seien gestohlen! und hiemit reichete er heulende mir seine Kappen vors Pferd, und küssete mir kriechende den Stiefel. Ei Jüde! sprach ich lachende, die Stiefel sind mit Schweineschmeer geschmieret, daß du dir dein Maul dran wischest; da prallte mein Jüde spuckende zurücke, verschmerzete es aber balde, als ich und die Jungfer ihm einen Batzen in die Kappe warfen, und ritten wir lachende unsrer Straßen.

Aber kaum waren wir aus dem Tannenbusch, als ein groß Wetter sich heranzoge, und wir, umb nit naß zu werden, in den Kretscham einkehrten, und da wir noch nichtes gessen, uns ein Mittagbrot bestelleten. Allhie in der Schenkstuben war schon lustige Gesellschaft, und sollten wir bald hören, wie das Ding mit dem Jüden gewachsen. Und erzählete ein junger Bengel zur großen Kurzweil, wie er sich heut wolle einen lustigen Tag machen, da er ein gut Trinkgeld verdienet, und möchten sich die Anderen nur wacker einzapfen lassen, er würds schon bezahlen. Wisset, sprach er, daß mein Herr ein lustiger Vogel, nit minder denn ich, und absonderlich ein Vergnügen dran hat, denen Jüden einen Schabernack zu spielen.

Nu war der Jüdenschächter aus Heidenheim auf den Burghof kommen, und da mein Herr nit bei Gelde gewest, umb seine Schuld zu bezahlen, hat ihme der Jüde einen fetten Hammel genommen, als vor seine Schuld. Solches hatt meinen Herrn schwer geärgert, und daß der stinkende Jüd sich gerade den besten auserküret. Aber hätte es ihme nicht weigern mügen, anerwogen er des Judenbeutels ansonsten noch wohl bedürftig; jedoch unbändig uf den Jüden schimpfiret, als er vom Burghof gewest. So sprich ich zu meim Herrn: gestrenger Herr! ich bring Euch den Hammel widder, ohne daß der Jüd es soll entwahr werden, so Ihr es erläubet. Da freuete sich mein Ritter, und söllt es mein Schad nit sein, wenn ich dem Jüden könnt den Hammel heimblichen durch List abjagen. Nu merket, was ich thu. Renne dem Jüden in die Richt nach einem Buschwerk, durch welches er hindurch mußt, und da ich gesehen, daß er sich den Hammel über die Schulter genommen und uf der Brust die Beine mit beeden Händen umklammert, so zieh ich mir einen Schuch abe, und stelle ihn mitten uf den Weg, ein wing weiter aber den andern, und ducke mich in das Gebüsche, so reichlich zu beeden Seiten stunde. Währet auch nit lange, so kommt mein Jüde mit seim Hammel über dem Nacken angeschlenkert, mit beeden Händen die Beine uf der Brust festhaltende. Siehet alsbalde meinen Schuch, bleibet stehen; kehret ihn erstlich mit seinem Fuße umb und besiehet ihn, ob er annoch zu brauchen; da er solches befunden, läßt er flugs den Hammel fahren und greifet nach dem Schuch. So siehet er nun auch alsbalde den andern in mäßiger Entfernung liegende, und da er Niemand nit entwahr wird uf dem Feld, läufet er eilends, den andern zu holen, wie ich verhoffte, den Hammel absetzende. Hei du tummer Jüd! eh er den Schuch gestohlen, hab ich den Hammel erwischet, und renne mit ihm ins Dickicht. Währete nit lange, so höre ich meinen Jüden weimernde und schimpfirende, rechtes und linkes das Gebüsche durchlaufen. Komme glücklich nach Hause, und hab zur großen Kurzweil meines Herrn den Hammel widder eingesperret, als mein Jüd auch schon uf den Burghof zurücke geloffen kommt, und: ob der Hammel, so ihme entwischet, etwan sich hie wieder eingefunden. Ah weih geschrieen, der Hammel sei fort! würd er doch kommen wieder, und hätt er gebeten den gestrengen Herrn, ihm zu thün einen andern Hammel vor's Fest. So wollt mein Herr nu zwar mit Nichten ihm einen anderen geben; aber mein Jüd gabe sich nit. Na wird er doch kommen wieder, kann er sich doch nit han verlaufen; seiet gebeten um einen andern Hammel; werd ich doch wöllen haben keine graußen Zinsen vor das neue Geschäft; summa: als er nit ufhörete zu weimern, und wir Alle uns schon halb bucklich gelachet über des Jüden Schreien, wenkete ich meim Herrn, und daß er dem Jüden möcht auch den andern Hammel geben, würd schon ebenmäßig auch diesen Zwoten wieder bringen, daß dem Jüden der Hammelschacher allhie vergehen sölle.

Und nu merket, was ich thu. Schleiche widder in den Busch, und als mein Aaraun (denn also heißet er), den Hammel wieder uf dem Rücken, angewackelt kommt, heb ich an im Busche zu meckern (und hie hobe mein Junggeselle so natürlichen zu mähen und meckern an, daß der ganze Tisch, auch Perpetua und ich, uns des Lachens nit mochten entwehren), renne bald hiehin, bald dorthin, mähe und meckere immer als ein irrender Hammel; richtig, mein Jüde, vermeinende, es sei sein fortgeloffener, und daß er könne machen a Geschäft, setzet flugs widder seinen Hammel abe; bunde ihme aber erstlich die Füße, und lief in den Busch der Stimmen nach. Aber wie er uf die Seite, wo ich gemeckert, laufet und im Buschwerk verschwunden, lauf ich geschwind uf die andere, greife den Hammel und renne, was ich kann, von dannen, und gab ihn dem Jungen, so ich mitgenommen, ihn zurücke zu bringen, alsdann aber machte ich mich an den Juden, umb meine Schuhe widder zu bekommen.

Als mein Bengel solches gesprochen, hob er abermals an zu meckern und zu mähen, und war das Gelächter schon groß gewest, so wollts nu fast kein Ende nehmen, soffen und meckerten alle durcheinander, so gut ein Jeder vermochte, so daß man in Wahrheit glaubte, in Mitten einer Schaafheerde zu seiende, und auch zween Hunde, die unter dem Tisch lagen, wie närrisch ufsprangen und bellende in der Stuben hin und herliefen. Summa: es war ein groß, unbändig Geschreie zum Davonlaufen, und mußte der Wirth mit aller Gewalt Ruhe gebieten, bis sich endlich der Lärm legete.

Aber was geschiehet? Eben als wir bei unserm Essen saßen, geht die Thür offen, und wer tritt herein? Mein Jüde Aaraun, triefende vom Regen und ganz durchnässet; machet uns eine tiefe Reverenz und satzet sich stille in einen Winkel; draußen aber donnerte es stark, und der Regen goß in Strömen.

So siehet der lustige Vogel meinen Jüden und bläset den andern ein: seht Ihrs, das ist der Jüde! stille, ich werd ihm was brauchen. Als die Andern nun stille geworden, hebet mein Kerl wieder an zu meckern und zu mähen, inwährendem die Umständer in ihre Becher kichern und den Jüden anschielen. Mein Aaraun, wie ers meckern höret, recket die Ohren und tritt vors Fenster; meckert es wieder; er legt das Ohr an das Fensterhorn. Fensterglas war damals noch eine Seltenheit und galt als Luxusartikel. Man bediente sich gewöhnlich fein geschnittner Hornscheiben statt des Glases, auch wohl des Tuches und in Oel getränkten Papiers. S. Scheible die gute alte Zeit S. 643. Da platzete aber das Gelächter so unbändig herfür, daß mein Jud es wohl merken mußte, daß man ihne zum Narren habe, wurde weiß wie der Kalk an der Wand, griffe nach seim Stecken und rannte zitternde aus der Stuben hinaus in den Regen, inwährendem die ganze Schaafheerde hinter ihm her mähete und meckerte, und des Gelächters kein Ende wurd.

Nachdem nu endlich der Regen fürüber, und es sich gekläret hatte, saßen wir widder uf und ritten unserer Straßen weiter, und kämen gen Abend bei 6 Schlägen in Heidenheim an, wo wir bei dem dortigen Propsten Balthasar, an den ich ein Schreiben von der Königin mithätte, ein freundliche Ufnahme fanden. Und war bei demselbigen auch ein lutherischer Prädicante zum Abendbrot, mit dem der Herr Praepositus ehedem gestudiret, und so just aus Wittenberg gekommen.

Als nu das Nachtmahl ufgetragen und wir uns gesatzet, arrivirete der Jungfer ein Malheur; denn als der Diener selbiger den Napf mit der Bratentunke reichen wollt, goß er ungeschickter Weis das ganze Fett über das Kleid, daß sie laut kreischende ufsprunge und: ob er sich nit fürsehen könne, die ganze Tunke zu übergießen? Aber mein Kerl versetzete ganz geruhlich, als ob es nichts uf sich hätte; nu, nu! es ist nit so schlimm; es ist noch genung Tunke in der Küchen, und werd ich gleich andre holen.

Da ich nu gehöret, daß der Prädicante eben von Wittenberg kommen, war ich doch begierig, wie die Sachen dort anjetzo stünden, und insonderheit, was Melanchthon mache, nachdeme Lutherus verstorben, und wär ihm desselbigen Tod nach seiner sanftmüthigen Gesinnunge wohl gar schwer gefallen?

Aber da merkete ich schon, daß er nit gut uf Melanchthon zu sprechen, zuckete die Achseln, und: ob der Tod Lutheri ihm so nahe gegangen, wie er in seiner Leichpredigt gethan, ließ er in seinen Würden. Wär seine Freundschaft zu Lutheri auch nit aus dem Herzen gewest; hätt sich nur vor ihme gefürchtet und ihm nachgeben, so lange er gelebet. Im Geheimen aber sei er anders Sinnes gewest, und würds schon zum Fürschein kommen; man sölle sich nur Zeit lassen.

Da verwunderte ich mich und wie denn solches möglich? Weil Melanchthon sich nur vor Luthero gefürchtet, versetzete der Prädicant, im Herzen aber sei er heimlichen andern Sinnes gewest, und hätt auch hinter Lutheri Rücken vor die Nothwendigkeit der guten Werk zur Seligkeit gestimmet; Corp. Ref. II. 501. 2. Ferner: in der Augsburg. Conf. artic. XVIII.: »Der heil. Geist hilft uns in der Ausübung der geistlichen Gerechtigkeit.« Bei Gelegenheit des Interims trat seine Ansicht von der Nothwendigkeit der guten Werke, wie wir später sehen werden, noch deutlicher hervor. Vergl. Ratzeberger a. a. O. S. 82. insonderheit aber vom Nachmahl hätt er es mit Calvini Lahr im Geheimen gehalten, und auch genungsam mit den Schweizerischen correspondiret; Vergl. Ratzeberger a. a. O. S. 226. dabei aber hätt er gegen Luther kein Wörtlein verlauten lassen. Und als ihme einmal Mag. Aemilius, sein privatus discipulus ufgerucket: ihn wölle bedünken, daß er es in diesem Punkt nicht ganz mit Luthero hielte, und sich doch mit ihme darüber verständigen möcht, hätt Melanchthon zornig geantwortet: Ja, ihr Harzländer habt also harte Starrköpfe, daß, wann man gleich auch Etwas saget, so fahret ihr bald Einem über das Maul, werfet Einem den Sack für die Thür und lasset Niemand nicht gut sein; S. Ratzeberger a. a. O. S. 94. summa: so hab sich Melanchthon vor Luthero gefürchtet, und immer hinten gehalten. Aber so furchtsam er vor Luthero gewest, so herrisch machet er sich gegen Andere, und wann Jemand ihme nicht balde beistimmet, so schimpfiret er Einen Hundsfott und Esel, Dergleichen Schimpfnamen wiederholten sich bei dem sanftmüthigen Melanchthon häufig. So nennt er in seinen Briefen seine Gegner sycophantes (Ränkeschmiede), canes allatrantes (bellende Hunde), zoilos (Bestien), stupidos, nihil intelligentes (dumme, unverständige Menschen). wie es mir selbsten ergangen. Ueber solche Red meines Prädicanten verwunderte ich mich nit wing; hätt immer gehört, daß Melanchthon gar sanftmüthig wär und immer Alles zum Beßten gekehret, daß er aber so schimpfiren könne, sei mir noch nit zu Ohren gekommen.

Ja, ja, Herr Ritter, mit seiner vielbeschrieenen Sanftmüthigkeit ist es nit weit her! nur wo er sich zu fürchten hat, vor großen Herren und vor Luthero, da streichet er aus Furcht die Segel und fähret also linde; Ratzeberger a. a. O. S. 92. auch wann man in seine Kerbe hauet und mit seinen Kalben pflüget, ei da ist Philippus gar holdselig und sanftmüthig und gefällig; aber wann er sich nit zu fürchten hat, und Einer ihm nit gleich beistimmet, da ists mit seiner Sanftmüthigkeit aus; schimpfiret Einen gleich, wie vorbemeldet, Ochsen, Esel und St. Velten!

Kommet mir nit mit Melanchthon! will anjetzo nach Lutheri seligem Absterben, den Evangelisten spielen, und soll Alles nach seiner Pfeifen tanzen. Will Euch doch eine Historie erzählen, woraus Ihr ihne bald möget kennen lernen.

Wisset, als der fromme Churfürst Johann Friedrich gefangen, und sein Land und Wittenberg verloren hatt, und ihn mehr denn dieses Alles, der Untergang der Academiae zu Wittenberg schmerzete, so hat er Melanchthon bitten lassen, in Jena nunmehro eine hohe Schul zu gründen. Solches hatt denn Melanchthon auch mit Hand und Mund zugesaget. Aber wie er in Weimar wegen der Einrichtunge der Academiae mit den beeden Söhnen des Churfürsten und Dr. Ratzeberger sich unterredet und Alles in vollem Werk war, da bekommt Philippus Briefe von Wittenberg, zum Theil von den Gelehrten, zum Theil von Herzog Moritzens Hofe, die er nit wollte sehen lassen. Durch diese Brief aber wird er so eilends und geschwinde stutzig gemachet und umbgewandt, daß er alsbalde Alles verredet, und sich heimlichen ein Paar hohe Fleischersschuhe zu halben Knieen käufet und sich aus dem Staube gen Wittenberg machet. So war ich just in Halla, als Philippus von Nordhausen kommet, und gabe ihme mit den dortigen Kirchdienern und Dr. Chilian Goldstein das Geleite durch das Steinthor. Inwährendem verzählete uns Philippus, wie er wölle zu Wittenberg wiederum die hohe Schul ufrichten; und nu sei doch einmal die Zeit kommen, wo er auch seine Meinung frei würd lehren können, was er bei Luthero Lebzeiten nimmer gekonnt. Ratzeberger a. a. O. S. 186. Ueber solche Red verwunderten wir uns nit wing, und antwortete ihm Dr. Goldstein: Ei, Domine praeceptor; wann du mit Luthero in welchen Dingen nit überein gestimmet, da hättest du es müssen bei seinen Lebzeiten fürbringen. Anjetzo aber möchtest du gar Viele finden, die dir nit beistimmen werden, wann du etwas Anderes wirst fürbringen.

Da hätt Einer sollen Philippum sehen; entfärbete sich gar plötzlich unterm Angesicht, liefe ihme auch gleich seine vena bifurcata an der Stirn uf, wie wann er zornmüthig, wendete sich stutzig von ihm abe, und redete kein Wort mehr, sondern zog seiner Straßen. Muß wohl in dem Briefe von Herzog Moritzen, so er Niemand hat zeigen wöllen, gar lecker gerochen haben; denn hat alsbalde eine sammtene Pumpmützen voll Thaler verehret bekommen, was ihm freilich der arme Churfürst Johann Friedrich nit hat geben können, und ist ihme auch alle Gnade und Gunst reichlich verheißen worden. Hat auch alsbalde mit Dr. Pommerano, so den alten Churfürsten von der Kanzel einen Bluthund geschimpfiret, dem neuen gnädigen Herren Moritzen zu lieb, uf den gefangenen und verrathenen Johann Friedrich gelästert, ja, und gar fein ironice all seine Handlunge und den ganzen Kriegszug getadelt und beschrieen. Was saget Ihr dazu?

Erstlich hat er ihn dazu vermahnet, Dr. Majoris Acht und Oberacht und Justi Mennii Schriften und Ufruf zum Krieg, item Lutheri Meinunge und Anrathen öffentlich trucken lassen, und nu – als sein gnädiger Herr in der Tinten und er ihme selbsten es eingebrocket, lässets er ihn aussaufen, und schimpfiret noch uf ihn; und Herzogen Moritz, den er ehender mit dem bösen Absalom und einem schändlichen Kukuk verglichen, Corpus Reform. Vol. X. pag. 589 et 594 Ratzeberger a. a. O. S. 162. der ist nunmehro ein ganz lieber, theurer, gnädiger Herr. Aber solches machet die Pumpmütze! Dr. Majorem aber, so sich forchtete von wegen seiner Acht und Oberacht, hat Philippus also rein gewaschen, als daß er Nichtes vom Kriege gewußt, auch nimmer dazu gerathen habe. Solches schriebe Melanchthon von Dr. Majoris gänzlicher Unschuld, obwohl er doch selbsten sie hat trucken lassen. Der ganze Passus über Melanchthon ist fast wörtlich dem gleichzeitigen protest. Ratzeberger entnommen a. a. O. S. 184.

Nein, gehet mir mit Melanchthon! er ist ebenso feige, als geizig, heuchlerisch und hochfährtig. Aber merket: wir werdens noch erleben; wann der Kaiser erst widder ernstlich Alles wird katholisch machen, wie verlautet, wird Philippus Melanchthon sich auch bequemen, Ist geschehen. S. das 11te Capitel II. Thl. wann ihme ansonsten das Messer an der Kehle stehet, oder etwan widder eine Pumpmütze voll Thaler zu gewinnen. Hat sie in Wittenberg so schon widder Alle uf seiner Seiten, und söllte man es nicht gläuben! aber es ist also: Was Melanchthon saget, ist so gut, als wenns. unser Herr Gott selbsten gesprochen, äffen ihme auch Alles nach und spielen den leibhaften Philippum; weil er lispelnden Tones redet, S. Camerarius vita Melanchthonis. so lispeln ebenmäßig ihme die Studiosen nach, weil er mit den Achseln zucket, und mit den Händen herumficht – zucken sie ebenmäßig mit den Achseln und fechten mit den Händen, verlegen sich ebenmäßig auch uf das Traumdeuten als ihr Präceptor; summa: es werden numehro in Wittenberg lauter junge Philippsen gemachet, die ihme in Allem nachbeten: » praeceptor, praeceptor dixit, ergo;« und wann er möcht etwan Alles widder katholisch machen, ich zweifle nit; sie werden alsbalde ihr: » praeceptor dixit, ergo;« wir werden widder papistisch! ihm nachschreien.

Da verwunderten wir uns beede, der Praepositus Balthasar und ich, was wir von Philippo höreten; verzählete noch Vieles, so mir aber wieder entwischet. Gläubete aber, der Prädicante würd numehro, da die Sachen zu Wittenberg also stünden, sich vielleicht widder zur heiligen Kirchen bekehren; aber da konnt ich bald merken, daß ich falsch judiciret; ansonsten aber war er ein lustiger, freundlicher Herr, ließ sichs auch wacker munden, und hatten wir allerlei Kurzweil an der Tafel. Da lude ihn denn nun der Praepositus ein, zu übernächtigen, anerwogen morgen das Fest St. Wunibaldi patroni Ecclesiae gefeiert würd, wo er, verstehe den Propst, ein groß Bankieth geben wölle. So meinte der Prädicante: er hielte zwar mit Luthero Nichts von denen Heiligen; aber wanns ein Patrocinium gäbe, wär er auch gerne widder uf einen Tag katholisch, und habe er sich schon schwer geärgert, daß es in der lutherischen Kirchen nit mehr bräuchlich sei, den Heiligen zu Ehren einen guten Trunk zu thun und leckeren Imbiß zu fassen.

St. Wunibald soll leben! und hiemit erhobe er sich, mit uns anzustoßende.

Pfui doch! versetzete der Praepositus, was das vor ein Trinkspruch! Lasset uns lieber trinken, daß St. Wunibald uns leben lasse! denn wir brauchen seiner Hilf, und er nit unsrer. Da lachete der Prädicante laut in die Höhe: meines Gefallens, Herr Collega, aber Spaß bei Seit; mich verwunderts, daß du noch gläubest, die Heiligen können uns helfen. Was ihre Verehrunge anlanget, so lasse ich es mir noch gefallen, aber daß sie uns helfen mögen, ist ein erlogen Ding, und stehet kein Wörtlein davon in der heiligen Schrift.

Wie Ihr Lutherischen doch immer uf die Schrift pochet, replicirete Balthasar; ich weiß nit, ob Ihr schon einmal hineingesehen, denn sonsten könnts nit möglich sein, daß Ihr die Hilf und Vorbitt der Heiligen leugnen könnet; aber ich gläub: es erfüllet sich an Euch das Wort des Herrn: »mit sehenden Augen sehen sie nit!« Wenn ich es dir nu aus der heiligen Schrift klärlich beweise? Aber es wird unseren werthen Gästen (uf mich und die Jungfer weisende) zu langwierig werden. Solches verredete ich aber, und auch Perpetua klatschete, sich freudig stellende, in die Hände, und: wie es vor sie gar angenehm sei, denen lieben Heiligen zu Ehren Etwas zu hören, und verhoffe sie auch Etwas zu profitiren, umb ihren Schwäher bekehren zu können. So hobe denn Herr Balthasar seine Information an. Wenn du meinest, Herr Collega, daß in der heiligen Schrift Nichtes stehet von der Hilf und Vorbitt der Heiligen, so antwort mir zunächst: ob du gläubest, daß wir uf Erden hieselbsten vor uns genseitig Vorbitt thun können? Als er nu solches bejahete, und der Herr uns im Vater unser selbsten gelehret, vor einander zu beten, fragete er ihne weiters: ob denn solches Gebet auch helfe? kunnte der Prädicante auch Nichtes dawider fürbringen, weil ansonst die Fürbitt ja wider die Vernunft, und man es klärlich aus der Schrift sehe, exempli gratia: wie das Volk Israel auf die Vorbitt Moysis siegete, wie wegen des Gebetes der Judith es befreiet worden sei von dem grausamen Holofernes, item im N. T.: wie der Glaube der Träger, den Gichtbrüchigen gesund gemachet, Matth. 9., und die Vorbitt und der Glaube des Hauptmanns den Knecht gesundet habe, wie zu lesen Matth. 8. etc. Nun, Herr Collega, sprach Pater Balthasar: wird derer Gottlosen Vorbitt mehr helfen, oder derer Frommen?

hic: Verstehet sich, derer Gottesfürchtigen, wann sie den Glauben haben; denn es stehet geschrieben: das Gebet der Gerechten vermag Viel, wann es ernstlich ist; aber das gilt nur, als wie lange sie lebend; von denen Abgeschiedenen wissen wir nicht, ob sie vor uns beten; es kann müglich sein, aber wer weiß es?

ille: lächelnde: seiet Ihr Lutherischen in der heiligen Schrift so sehr bewandert und wisset nicht, daß der Prophet Jeremias nach seinem Tode gesehen wird, wie er vor das Volk und die heilige Stadt betet, wie er im Leben gethan, 2 Macchabäer 15., und dann ferner im N. T., lesen wir nit, daß der reiche Prasser im Evangelio schon wegen natürlicher Liebe vor seine Brüder in den Peinen der Hölle gebetet? Lucas 16.; sollten denn die Heiligen im Himmel der heiligen Liebe vergessen, daß sie vor uns nit beteten, da doch St. Paulus sagt: die Liebe bleibet auch im Himmel?

hic: Nu, nu, mögen sie immerhin vor uns beten; aber daß Gott uns um der Heiligen Willen erhöret, ist ein erlogen, papistisch Ding; wir haben anders keinen Mittler als Christum allein.

ille: Solches gläuben wir auch, denn alles Verdienst, auch das derer Heiligen kommet kommet durch Christum, und sind sie nicht durch eigne Kraft selig worden, sondern durch Christi Blut und seiner getreuen Nachfolgunge; aber in denen Heiligen siehet der barmherzige Gott die Glieder Christi, wie er selbsten spricht: »Ich bin das Haupt und ihr die Glieder.« Aber, Herr Collega: wann sie beten dürfen, aber nit erhöret würden, wär dann ihr Gebet vor uns nit Thorheit? wie wärs aber, wenn es auch in der heiligen Schrift klärlich stünde, daß Gott uns erhöret, umb der Heiligen willen?

hic: Das gläube ich nit, das stehet nit darin!

ille: Ich fange an mit dem A. T., im 4. Buch der Könige Kap. 19. heißet es, daß Gott der Herr die Stadt schützen und retten wolle, um wessentwillen? Um Seinetwillen und um Davids willen, so doch schon längst verstorben. Item: die 3 Jünglinge im Feuerofen bitten Gott, Abrahä, Isaacs und Jacobs wegen seine Barmherzigkeit nit von ihnen zu nehmen. Daniel 3. Selbige waren auch schon gar lange todt; item: Moses erinnert Gott gleichfalls, umb des Verdienstes der Erzväter Abraham, Isaac und Jacob willen, gnädig zu sein, und die heilige Schrift setzet hinzu: et placatus est Dominus; Und der Herr wurde versöhnet. item: im N. T. bedräuet Christus die Juden: daß Moyses sie verklaget vor dem himmlischen Vater. Joh. 5, 45. Dürfen also die Heiligen verklagen, dürfen sie wohl auch bitten! Was meinstu nu, Collega: wenn die Heiligen des A. T. vor uns bitten, und Gott die Erinnerung an dieselben wohlgefällig ausgenommen, wie kann man noch zweifeln, daß Gott die Heiligen des N. T., denen er doch größeren Lohn, denn jenen verheißen hat, erhöret, oder ihre Vorbitt und Anrufunge verachten sollt?

hic: Rede, was du magst; aber die Heiligen sind doch nit allwissend, daß sie auf die Anrufung der Menschenkinder sollten merken können; ihr machet die Heiligen ja zu allwissenden Göttern!

ille: Daß die Heiligen im Himmel von uns auf der Erden Kenntniß haben, hast du ja eben gehöret, indem Moyses die Jüden bei dem himmlischen Vater ihres Unglaubens halber verklaget; willstu noch mehr? Freuen sich die Engel im Himmel nit über einen Sünder, der Buße thuet? Lucas 15, 10. Wissen sie es also nit? und doch seien sie auch nit Gott; item: sollen die heiligen Apostel einst richten die 12 Stämme Israels, Matth. 19, 28. müssen sie da auch nit wissen, worüber soll gerichtet werden? – item: hat nit der Erzengel Raphael das Gebet des Tobiä vor den Herrn gebracht? Tobias 12, 12.; hat er also nit Kenntniß gehabt von seinem Gebete? item: wenn du frägest, wie solches müge geschehen, daß sie von uns wissen, sag an: wodurch merket deine Hand es, daß du eben nach dem Becher greifest? nit wahr? weil dein Haupt, deine Augen ihn entwahren. Nu saget aber Christus, daß er das Haupt sei und die Heiligen seine Glieder; also mügen sie wohl auch durch den Herrn als ihre Augen sehen, was auf der Erde geschiehet; doch das lasse ich in seinen Würden!

hic: Mit Euch Papisten ist Nichts anzufangen; ihr bleibet in Eurer Tummheit, ihr entzeuchet Gott die Ehr!

ille: Ja, ja, das ist das End vom Lied, uf der Papisten Tummheit zu schimpfiren! Aber nu sag mir ein Wort: wenn Ihr also klug seiet, warum betet Ihr denn vor einander, vor Weib und Kind, Oberkeit etc. und Vernichtung des Pabstes und der Türken Mord? Ich sollt meinen, daß Ihr, nach Euer Lahr zu schließen, dem Herrn noch mehr mit Eurer Vorbitt die Ehr entreißen wüßt, weil Ihr, als noch der Sünde unterworfene Menschenkinder betet, als die Heiligen, die nit mehr sündigen können, und an denen Gott sich erfreuet; entreißen nach Eurer Meinunge die Heiligen im Himmel mit ihrer Vorbitt Christo die Ehre, warum nit auch Ihr auf Erden mit Eurer Vorbitt? Ja, gebrauchts keiner Vermittlung durch die Vorbitt, da Christus allein der Mittler, warum betet Ihr denn überhaupt für Euch selbsten, da Christus doch Euer Mittler? Ihr müsset ihm ja auch die Ehr entziehen; da würd ich also auch nit für mich beten, umb Christo nit die Ehre zu entziehen. Aber merk, Herr Collega, du bist schon weit fürgeschritten, daß du die Vorbitt der Heiligen leugnest. Wissest du nit, daß in der Confessio saxonica, so von Melanchthon, Johann Bugenhagen, Johannes Pfeffinger etc. selbsten unterschrieben worden, es klärlich stehet: et non dubium est, beatos orare pro ecclesia; item: in der ersten Apologia der Augspurgischen Confession: concedimus, angelos et sanctos in coelis apud Deum orare pro ecclesia; d. i. es ist kein Zweifel, daß die Heiligen für die Kirche bitten. – Wir gestehen, daß die Engel und Heiligen im Himmel bei Gott für die Kirche bitten. item: selbsten Martinus Lutherus saget: So wie du zu deinem Nächsten sagest: bitt Gott für mich, so magst du auch sagen: lieber St. Peter, bitte vor mich; du sündigst nit, wann du die Heiligen also anrufest, Siehe Luther Kirchenpostill Thl. II. fol. 18. a. am Tage St. Johannes des Täufers, vergl. Thl. I. fol. 165. a. Von der Heiligen Fürbitte, wo er also schreibt: sag ich und halte fest mit der ganzen Christenheit, daß man die lieben Heiligen ehren und anrufen soll, denn wer mag doch das widerfechten, daß noch heutigen Tags sichtiglich bei der lieben Heiligen Körper und Gräber Gott durch seiner Heiligen Namen Wunder thut. Was er hier anno19 geschrieben, bestätiget er, wie oben angegeben, noch 2 Jahre vor seinem Tode. und hat selbiger es offen bekannt, daß, wann er diese Postill einstmals anders werd erklären, männiglich dafür halten solle, daß es aus Teufels Eingebunge geschehen, und unrecht sei. S. Luther im Buche: daß die Worte noch feststehen, am Ende. Jen. Ausg. Thl. III. f. 423. Und solch Bekenntniß von der Anrufung der lieben Heiligen hat er Anno 44 gethan, also zween Jahre vor seim End. Also stille, Herr Collega! wann du nit willst klüger sein als Lutherus. Aber Ihr machet es wie Lutherus, kümmert Euch, wie er, nit um die Autorität der Kirchen, so Ihr nit um seine, und wird es schon so weit kommen, daß so viel Köpfe, so viel Meinungen sein werden, und nach etlichen saeculis Ihr nur noch einmüthig sein werdet, wann es gegen die katholische Kirche geht, wie es auch anjetzo schon genugsam der Fall ist.

Da saße mein Prädicante ganz verlegen uf seim Stuhle und kratzete sich hinter den Ohren: müge Lutherus sagen, was er wölle; er verbliebe bei der Meinunge der übrigen Theologen, und verdamme und verwerfe die Heiligen-Anrufung und Fürbitt' als ein abergläubisch, gottesschänderisches Ding.

Ob solcher Red merkete ich, daß dem Propste alles Geblüte in das Gesicht stiege und er uf seinen Collegen einfahren wollte, als es plötzlichen draußen uf dem Klostergange läutete, und die Brüder das Miserere betende, mit dumpfer Stimmen fürüberschritten. Da stunde der hochwürdige Propst von seinem Sessel uf, und: daß die Stunde der Abendruhe gekommen, und nachdeme wir das Deo gratias gebetet, wiese er unser Quartier an, und begaben wir uns zur Ruhe. Nu gläubete ich am andern Morgen, mein Prädicante hätte, um nit der vermeintlichen Gottesschändung in der Verehrunge des heiligen Wunibaldi Zeuge zu sein, sich davon gemachet; aber er war noch da, und stunde in der Küchen und schwätzete mit dem Koche, als wir in die Kirche gingen, umb unsere Andacht zu verrichten. Nachdeme wir mit Inbrunst die Reliquien St. Wunibaldi geküsset, schickten wir uns an zum Ufbruch, und ginge ich in den Stall, um satteln zu lassen. Als ich zurückkomm, stehet Perpetua mit dem Prädicanten im Kreuzgange und reden sie miteinander; aber als sie meiner ansichtig wird, fähret sie zusammen und wird blutroth, fasset sich aber balde und rufet ihm nach: besorget mir nur das Brieflein balde! machet mir einen Knickbein, und ob die Pferd bereit wären, daß sie sich ufkappe? Das ging mir im Kopfe herum; was hatt sie mit dem Prädikanten zu reden, und warum erschricket sie also, da sie meiner ansichtig wird? Da wurd ich hinterdenklich, Und beschlosse je mehr noch uf meiner Huth zu sein.



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