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Neuntes Kapitel.

Wie die Königin dasselbe Spiel mit Perpetua anhebet, und ich bei Nacht und Nebel Brüssel verloffen; item: von der erschröcklichen Fastnachtscomödien.

Gott und der heiligen Jungfrauen Dank! die Fahr war glücklich überstanden. Nu war zwar in der Residenzien Alles fürgeschirret, und wollte mir der Castellanus auch ein Erkerstüblein anweisen; doch ich verredete es, aus was Gründen, wird man leicht errathen, und nähme mein Losament bei denen Benediktinern.

Brüssel aber ist eine gar stattliche Residenz, an der Sennen gelegen, hat viele Kirchen und Kapellen und Klöster allerlei Orden. Es herrscht alldorten ein ungläublicher Wohlstand unter den Zünften und Gewerken, und sind vornehmlich die Brüsseler Spitzen aller Welt berühmt. Hätte auch gerne vor meine Julia von diesem fürtrefflichen Gewebe gekäufet, aber da die Königin noch nicht einpassiret, und ich kein Geld hatte, mußt ichs verschieben. Besahe mir Alles, was sehenswürdig, doch weil das meiste Volk gälisch sprache, und es mir nit expliciren konnte, ist mir Manches unverständlich blieben. Die Religion anlangende, so war allhie die neue Lahr auch schon genungsam verbreitet; Lutherische und Calvinisten, Alles durcheinander. Doch hatten die Katholischen die Oberhand, und durften die Anderen nit sonderlich sich rühren. War ihnen noch im Gedächtniß, daß anno 1523, den 1. Juli, zween Augustiner-Mönche, Namens Heinrich Vösch und Johann Esche, weil sie die neue Lahr verkündet, und großen Ufruhr angestiftet, uf offnem Markte waren hingerichtet worden; item: auch anno 41 ein Messerschmied, Egidius Tillemann geheißen. Wenn man sich über dieses strenge Verfahren gegen die Andersgläubigen wundert, so bedenke man, daß die damalige Staatenordnung auf katholischer Grundlage basirte, und demnach jede Empörung gegen die Kirche in den Staatsorganismus mit eingriff. Die Kirche selbst hat nie die Ketzer dem Tode überliefert; sie wurden aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen, und demnächst von der weltlichen Gewalt als politische Aufrührer bestraft. Auch waren, um dem Unfug zu steuren, zween kaiserliche Inquisitores, Franziscus Hulst und Kardinal Nicolaus von Egmund, bestallet, und wurd die Ketzerei mit harten Pönen beleget; summa: konnten noch nit sonderlich ufkommen, wiewohl sie im Geheimen genungsam spuketen.

Umb nu aber Gott dem Herrn, der mir in der Sach mit der Perpetua so überaus mildiglich beigestanden, meine Danksagunge auf besondere Weise darzubringen, so beschloß ich gen Brügge zu ziehen, wo in der Kirchen zum heiligen Basilius eine Partikul von dem allerheiligsten Blute unsres Erlösers ufbewahrt wird, und demnach ein hochberühmter Wallfahrtsort für die Katholischen ist. S. Zedlers Univers. Lex. Tom. IV. S 1560. Machete mich also uf, und kame auch glücklichen an. Und ist sothane Partikul ein Stücklein Schwamm, womit der heil. Joseph von Arimathia nach der Kreuzabnahme das geronnene Blut unsres Heilands uftrocknete. Und hat bemeldeten Schwamm Theodoricus Alsatius, Graf von Flandern, von dem Könige Balduino von Jerusalem, seinem liebwerthen Brudern zum Geschenk erhalten, als welcher es von Jerusalem mit gen Brügge genommen, wo es in besagter Kirchen in gar kostbarem Schreine ufbewahret und gezeiget wird. Und konnt ich noch ganz teutlichen das allerheiligste Blut erkennen, so wie ein Rost anzusehende, den Schwamm durchzogen; bliebe eine ganze Nacht davor uf meinen Knieen liegen; denn wiewohl wir alle Täge im heil. Meßopfer das wahrhaftige Blut des Herrn haben, so ist die menschliche Schwachheit doch also groß, daß sie eine fühlbarere Andacht hat, wann man es auch mit leiblichen Augen siehet, als mit denen geistigen des Glaubens allein. O heil. Blut meines Erlösers, das auch vor mich geflossen, laß mich einstens selig werden!

Ansonsten hab ich allhie in Brügge auch noch das Haus gesehen, wo Anno 1487 die Brügger den Kaiser Maximilianum gefangen hielten, und stunde noch an der Porten, was sie dazumalen ihm zum Hohne geschrieben:

ReX non est hlC, eCCe LoCVs, Vbl posVerVnt eVM. d. i. der König ist nicht hier, siehe den Ort, wo sie ihn einsetzten.

woraus man also teutlichen die Jahreszahl 1487 lesen kann. Als ich nu wieder zurückkehrete, hab ich auch in Damm, einem Flecken nah bei Brügge, das große Mirakul in Augenschein genommen, was alldorten an einem Crucifixe beschehen. Es entwächset nämlich selbigem ganz natürlichen Bart und Haupthaar, ja und was sonderlich merkwürdig, wächset auch wieder, wann es abgeschooren. Weiß nit, wie es mag zugehen, doch Gott ist kein Ding unmöglich! Daß aber kein Aberglauben dahinter, solches beweisen genungsam die vielen Inschriften und Tafeln, worauf zu lesen stehet, wie viele Wunder an diesem Crucifixe den elendiglichen Kranken geschehen; hab auch etliche Haare verehret bekommen. Del- Rio disquisitiones magicae Lib. II. S, 246., welcher es selbst gesehen haben will.

Mittlerweilen ware aber auch schon die Königin Maria von Ungarn in Brüssel einpassiret, und mußt ich auf ihren Befehlich richtig das Erkerstüblein, das mir der Castellanus, wie vorbemeldet, angewiesen, beziehen. Thäts ungerne; die Jungfer durft sich aber nit sehen lassen, hüthete sich auch von selbsten.

So käme denn das liebe Weihnachtsfest, vor Alt und Jung das schönste im ganzen Jahr. Da dachte ich an den grünen Christbaum, den meine Julia unserem herzigen Kindlein würd anzünden; waserlei Knistergold, Paradeißäpfeln und Honigfladen dran hängen würden, und die vielen flimmernden Lichtlein – was das vor eine Freud sein würd, für das Knäblein! und o wehe, ich mußt noch immer allhie verbleiben, und konnt' nit dabei sein! Hätt am End wohl gar traurig in meinem Stüblin gesessen, wann ich nicht von dem hochwerdigen Abt derer Benedictiner eine Einladunge zum heil. Christabende bekommen. Sollt ein feines Weihnachtsspiel ufgeführt werden, und waren auch die Königin Maria benebst vielen fürnehmen Ritteren invitiret.

Sothanes Weihnachtsspiel wurd nu in dem großen Refectorio besagten Klosters fürgestellet. Und ware das Refektorium durch eine große, schwarze Decke, welche von dem hohen Gewölbe bis zur Erden herniederhinge, getheilet, daß man noch nit sehen konnte, was dahinter fürgeschirret wurde; wir Spectäter aber saßen an dem hinteren Ende, also, daß wir den großen, schwarzen Fürhang gerade vor Augen hatten.

Als nu das Zeichen mit der Glocken gegeben, wurden alle Kandelaber bis uf zween hohe Wandleuchter ausgelöschet, und die Porten nach dem Klosterhofe belegen, thäten sich plötzlichen offen, und wohl an die hundert schlooweiße Lämmer mit rothen Halsbändern kämen unschuldig hineingetrieben, blöcketen nach der Lämmlein Art, und schauten sich gar verwundert um, bis vier Brüder als Hirten verkleidet, weiße, hohe Stäbe in ihren Händen, ihnen folgeten, und sie durch die andere Porten uf den Klostergang trieben. Als nu bemeldete Porten verschlossen, inwährendem man die Lämmlein noch uf dem Klostergange aus der Fernen blöcken hörte, legeten sich die Hirten uf das Pflaster, bliesen erstlich vierstimmig gar liebliche Schalmeien, dann wurfen sie sich nidder uf ihre Kniee, und huben an zu singen.

Da hat nu der Abt Alles deutsch ufgeschrieben vor die, so nit lateinisch verstehen mochten, wasmaßen das Weihnachtsspiel in dieser Sprachen fürgestellet wurd, und da ich nu auch einen solchen Zeddul erhalten, kann ich es also berichten. Und sungen die Hirten also:

Herr, dein Volk geht in die Irre,
Wie die Heerden ohne Hirten;
Nimmer schwindet diese Wirre,
Bis du rettest die Verirrten!

Israel sucht seinen Hirten,
Daß er rette die Verirrten.
Der Messias, o wo bleibt er?
Ezechiels Ezechiel 34, 11. 12. Hirt, wann treibt er
Voller Freuden,
Seine Heerde selbst zur Weiden!

So sungen die Hirten voll inbrünstiglichem Verlangen, inwährendem draußen uf dem Klostergange die Lämmlein, klagende fast und rührend anhoben zu blöcken und zu mähen, als ob sie in Wahrheit wie das Volk Israel seufzeten und sich sehneten nach dem guten Hirten; aber es verstörete ihr Blöcken mit Nichten den Gesang, weil er in weiter Fernen sich verliefe.

Wie nu die Hirten ihren Gesang beendet und noch stille uf ihren Knieen lagen, da erscholl es plötzlich, wie aus einem Munde: ach sehet, sehet! Und o Wunder! wie herfürgezaubert erschien an der dunklen, schwarzen Decken ein bunter, farbiger Regenbogen, und wohl an die 20 Knäblein, alle in schlooweißen Linnen mit silbernen Sternen durchwirket, und güldene Kronen uf dem Haupte, stunden auf dem Regenbogen, und sangen mit also unaussprechlich-süßer Liederweise, daß ebenmäßig wir Alle in lauter Freudenschlucken vergingen.

Freuet Euch Ihr Engelchöre,
Preiset eures Schöpfers Ehre!
Seiner Demuth sondergleichen.
Muß der Stolz der Sünder weichen.

Aus des Himmels lichten Hallen
Seiner Allmacht Worte schallen:
Sterne flimmern, Welten kreisen,
Jubelvolle Geister preisen
Ihres Schöpfers Macht und Stärke
Und die Hoheit seiner Werke
Gloria in excelsis Deo. Ehre sei Gott in der Höhe!

Dem des Himmels Lieder schallen
Hört nun in der Krippen lallen Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend. Lucas II, 12.
Schreien nach der Mutterbrust,
Der selber Alles speist mit Lust.

Den die Himmel nimmer fassen
Mit des Auf- und Abgrunds Straßen,
Fässet einer Krippe Raum
Und der Windeln schmaler Saum.

Euch zu Eigen, Euch zu Hulden,
Euch zu frei'n durch bittres Dulden
Aus den bangen Sündenschulden,
Ist das Kindlein Euch geboren; –
– Adams Volk ist nicht verloren!

Et in terra pax hominibus bonae voluntatis! Und Friede auf Erden den Menschen, die eines guten Willens sind.

Inwährendem Solches noch die Engel sungen, rollete plötzlich der große Fürhang in die Höhe und – sehet, sehet, wann Ihr nit seiet erblindet! O Gott, welch Lichtmeer!

Wohl an die hundert flimmernde, funkelnde, brennende Christbäume, mit viel güldenen Paradeißäpfeln und flaggenden, rothen Johannesfahnen führen in heller Lichtgassen, nach einer Grotten, worin aus wallenden Weihrauchwolken das Bilde der Hochgebenedeiten mit dem holdseligen Jesukindlein in Menschengröße fast herfürtaucht.

Das war Bethlehem mit seiner Grotten! Da klatscheten die Englein in die Hände und riefen: Transite usque Bethlehem!

Nu erhuben sich jubelfreudig die Hirten, und auf ihren Flöten lieblich zusammenblasende, traten sie in die brennende, flimmernde Christbaumgasse, inwährendem die Engel also ihnen nachsungen, einstimmende in ihre Schalmeien:

Grüßt auch seine Mutter hehre,
Ueber allen Engeln Ehre!
Wir sind Boten seines Thrones,
Sie ist Mutter seines Sohnes!

Grüßet seine Mutter klare,
Allen Engeln wunderbare!
Gruß Mariä von den Engeln; Der Gruß der Engel kann hier nicht auffallen, da der Erzengel Gabriel die heil. Jungfrau begrüßet Lucas I, 28.
Wer kann ihr den Gruß verwehren,
Ihr, voll Mutter-Gottes Ehren?

Wer trägt Gott in seinem Schooße,
Wer hebt Gott auf seinen Händen,
Wer hat Theil an gleichem Loose,
Wer kann Gott die Nahrung spenden?

Wer ruft Gottes eignem Sohne, Und Er war ihnen unterthan, Lucas II, 51.
Wer steht nächst bei seinem Throne?
Wer hat Mutterrecht gewonnen.
Mutterlieb und Sohnesanrecht?
– » Maria !« –

Darum grüßt die Mutter hehre,
Ueber allen Engeln Ehre!
Selig preist die Benedeite,
Daß sie Euch zu Jesu leite! Und sie fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, Matth. 2, 11. Lucas 2, 16.

»Von jedem Menschenkind auf Erden
Maria soll gepriesen werden!« Prophezie der seligsten Jungfrau in ihrem Magnificat Lucas I, 48. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter. Vergl. Psalm 44. »Sie werden eingedenk sein deines Namens von Geschlecht zu Geschlecht.«
Die Marienverehrung der kath. Kirche wurzelt in der Würde der Mutterschaft Gottes. Denn die katholische Kirche kann derjenigen nicht die Ehre versagen, die von Gott selber höherer Glorie gewürdigt, als selbst die Engel. Maria wird verehrt von der kath. Kirche, weil Gott der Herr sie selber tröstend verheißen im Paradiese 1 Mos. 3, 15., weil Er sie durch die Propheten verheißen Jesaias 7, 14., Jeremias 31, 22., Psalm 44 etc., weil Er durch glänzende Vorbilder im A. T., als Sarah, Anna, Esther, Judith etc. auf sie hingewiesen, weil Er sie auserwählt hat zu einer Hoheit, die alle Begriffe übersteigt, weil sie Braut geworden des heil. Geistes und Mutter des Sohnes Gottes, Lucas I., weil ihr Sohn, der Gottmensch Jesus Christus sie selber geehrt und geliebt hat, ihr gehorsam und dankbar gewesen, das 4te Gebot auch in Allem erfüllend, Lucas II, 51. Matth. V, 17., weil Er selber sie zwiefach selig gepriesen Lucas XI, 28., weil Er, gen Himmel gefahren mit Seinem allerheiligsten, aus Maria genommenen Leibe, auch das Kindesherz voll Liebe und Dankbarkeit ihr bewahrt hat; denn: »die Liebe bleibt auch im Himmel.«
Darum ehrt also die katholische Kirche die seligste Jungfrau Maria; die Summa aber von diesem Allen lautet: » Maria wird verehrt, weil sie Mutter Jesu Christi, des Gottmenschen.« Je höher, je tiefer und inniger aber die Wesenheit Gottes und unsers Herrn Jesu Christi erkannt und erfaßt wird, desto inniger und weihevoller muß sich auch die Verehrung Mariens gestalten, die des Unerschaffnen, Ewigen und Allheiligen Mutter nach der Menschheit.
Wer aber immer die Marienverehrung bekämpfet, muß entweder die Gottheit Jesu leugnen, oder sich zum Doketismus bekennen, d. h. einen Scheinleib für Christus annehmen.
Die Anrufung der seligsten Jungfrau betreffend, so verweisen wir auf das von der Heiligenfürbitte überhaupt Gesagte (S. Kap. VII.), und bemerken hier nur noch kurz:
Die Mutter hat vor Allem Anrecht auf Erhörung ihrer Bitten, und Jesus, der trefflichste aller Menschensöhne, wird seiner Mutter Nichts verwehren, und Maria kann nichts Ungeordnetes bitten; denn allweg bleibt das Wort bestehen: Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte Lucas I., und ihre Wünsche, ihre Bitten, ihre Anrufungen fallen zusammen mit dem Wunsche Jesu: Die größere Ehre Gottes und das Heil der Menschen!
Die gegnerischer Seils zuweilen aufgeworfene Behauptung, womit man die Marienverehrung als biblisch ungerechtfertigt zu verwerfen wähnt, – der Herr habe auf der Hochzeit zu Cana sich von Maria losgesagt mit den Worten: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen! – ist wenigstens höchst absurde. Mit dieser Behauptung vindicirt man dem Herrn eine Uebertretung des 4ten Gebotes.
Diese Worte in ihrem Zusammenhange mit den folgenden: meine Stunde ist noch nicht gekommen, sprechen im Gegentheil für die Stellung Mariens als Vermittlerin zwischen Jesus und der Menschheit.
Mit der Begebenheit auf der Hochzeit zu Cana trat Jesus nach Joh. 2, 11. sein Erlösungswerk an, und von diesem Augenblicke ab verschwinden alle persönlichen, individuellen Beziehungen – Er gehört nun der ganzen Menschheit als neuer Stammvater an. Dieß verkündet er der Maria, indem er sie anredet mit dem Worte »Weib« und nicht mit dem Worte »Mutter.« Ihre Vermittlung zwischen ihm und den Hochzeitsgästen, denen es an Wein gebricht, weist er scheinbar noch zurück in den Worten: was habe ich mit Dir zu schaffen? – Denn jede Vermittlung der Heiligen wurzelt nur in dem Erlösungsverdienste Christi, und dieses war noch nicht abgeschlossen. Ist Letzteres aber geschehen, wird Marias Vermittelung angenommen werden; darum heißt es weiter: meine Stunde ist noch nicht gekommen. In diesem Zusatz liegt klar und offenbar ein mildernder, vertröstender Hinweis auf die Zukunft.
In der Todesstunde am Kreuze aber, von welcher es heißt Joh. 13, 1.; » Da Jesus erkannte, daß seine Zeit gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater,« wendet Er sich zu seiner Mutter Joh. 19, 26., und abermals sie anredend wie auf der Hochzeit zu Cana mit dem Worte »Weib«, setzt Er sie feierlich ein als die Lebensvermittlerin, als die Mutter des neuen Menschengeschlechtes in Christo, sprechend: Weib, siehe, das ist dein Sohn.
Das ist die Erklärung des vermeintlichen Absagewortes auf der Hochzeit zu Cana!
Unseren verehrten protestantischen Lesern legen wir aber schließlich noch zwei Fragen an's Herz, von denen wir wünschten, daß sie unparteiisch und tief erwogen würden:
»Wer ist Gott?« und:
»Wenn Er Mensch geworden, wie werdet Ihr Euch Seine Mutter denken?«

Und als nu die Hirten waren zur Grotten gezogen, und sie sich niedersenketen unter wallenden Weihrauchwolken vor dem Bilde, da traten die Benedictiner in großer Prozession in die brennende Christbaumgasse, ebenmäßig vor dem Bilde ihre Andacht zu halten, und ihnen nach drängete sich Alles vor Freuden schluckende, bis mit dem zwölften Stundenschlage der Mitternacht das Orgelwerk in der Klosterkirchen anhobe zu brausen, und wir jubelselig in die Kirche strömeten, um in der heil. Mitternachtsmesse der Christnacht den anzubeten, der nu bald auf dem hohen Altar wiederum sollt der Welt erboren werden in der Gestalt des Brodes, wie ehedem in der Grotten zu Bethlehem in der Gestalt des Kindleins.

O heilige Christnacht! O Julia, was wirstu sagen, wenn ich's dir verzähle!

So wollt ich nu Ihro Königliche Gnade umb Entlassung bitten, aber sie verweigerte es, obgleich ich nit einsahe, was ich annoch noth. Sollt es jedoch bald gewahr werden. Konnt nicht ohne mich seien, und merkete wohl, daß ich ihr gefiele; aber das hätt ich nit geglaubt, daß auch sie uf mich würde Jagd machen. Da kommt eines Tags mein Claus, und daß er mir Etwas im Geheimen zu offenbaren habe, und nu verzählete er, wie er, von ungefähr über den Flur gangen, und da er meinen Namen oftermalen nennen gehört, hab er sich an die Thür gelehnet und gehorchet. Und hätte die Perpetua der Königin, die er teutlichen an der Stimmen erkennet, (wie sie denn auch von der Perpetua mit »Königliche Gnade,« sei betituliret worden,) von ihrem Ebenteuer verzählet, und wie sie mich nit hätte können abwendig machen, und sölle sich die Königin nur keine Mühe umb mich geben, sei doch vergeblich, und würd mich eher umbringen, denn das Gelübde brechen.

Ueber solche Red entsatzte ich mich denn nit wing, wußt nit, was allhie zu thun. Und beschenkete mich die Königin ohne Unterlaß, und bekäme ich insonderheit zum lieben Weihnachtsfest eine ganz neu Bekleidung von Kopf bis Fuß, vom schönsten Brüsseler Tuch. Summa: ich war ihr liebster Ritter. Ich ließe mir aber Nichtes merken, und je mehr ich beschenket wurd, desto eisiger und kälter wurd ich, vermeinende, daß es ihr würd über werden.

So hatt ich denn nu vergeblich uf einen Brief von meiner Julia gehoffet, kam nit und kam nit, so daß ich nit geringe in Aengsten war. Da sitz ich traurig in Gedanken versunken uf meim Erkerstüblein, als der Burg-Caplan mich besuchet, und da er mich traurig siehet, fraget: Ihr habt wohl Trauerbotschaft von Hause bekommen? dacht mir gleich nichts Gutes, als ich das schwarze Insiegel sahe.

Was, ist ein Brief an mich eingelaufen?

Ja, gestern schon; hat die Jungfer Perpetua Euch selbigen noch nit geben?

Mord und Marter! schickete sogleich den Claus zur Jungfer und ließe mir das Brieflein ausbitten; aber er kam widder, und hätt sie es verredet, einen Brief vor mich zu haben.

Da stieg mir der Pfeffer in die Nasen; der Caplan aber verwunderte sich, und: hätt er doch mit eignen Augen die Ufschrift gelesen: An meinen lieben, ehrbaren Eheherrn, den festen, gestrengen Ritter Sigismund Hager; und: hie müsse etwas im Werk sein!

Da sprunge ich uf und rannte spornstreichs, vor Zorn bebende in das Gemach der Perpetua; stunde gerade am Kamin und lase. Entfärbet sich, als sie mich siehet, aber hui! wie der Wind flieget ein Zeddul rückwärts in die Flammen. Ei Herr Ritter, wie freu ich mich, daß Ihr mich einmal besuchet!

»Jungfer, meinen Brief!«

Was vor einen Brief? Ich hab keinen.

Du leugst, du Weib! und hiemit stieße ich sie von der Seiten, und kehrete aus dem Kamine mit dem Schwerte das Brieflein herfür; aber o wehe! es war allbereits eitel Kohle und Nichtes mehr zu lesen, als alleinig ein Wort: »Ritter Loos« und – das war meiner Julien Handschrift!

Ha du Weib! du niederträchtige Schlange! und meiner nit mächtig, reiß ich das Schwert aus der Scheiden, »fahre zum Teufel!« – und hiemit hohlete ich aus zum Streiche. Da flieget das Crucifix, von meinem Schlage rückwärts vom Gesimse gefeget, klingende zwischen mich und die Jungfer. O Jesus Maria! Da entsinket das Schwert meiner Faust; hebe das Crucifixe zitternde von der Dielen: Das ist dein Glück, du Schlange; aber wachte! Perpetua, Perpetua hörstu? reiz mich nit weiter! Da bebete die Jungfer wie ein Espenlaub, und stunde weiß wie ein Kalk; ich aber ging schnaubende vor Wuth und Wehe in mein Stüblein zurück; hätts der Königin gesaget, aber sie webete ja gleichfalls mit am Netze, und zweifelte nit, daß sie auch vom Briefe Kundschaft habe. So verdroß mich nu aber das Ding, und könnt es nit mehr ertragen; o daß ich erst aus dieser Umstrickunge heraußer! aber, Gottlob, es dauerte nit mehr lange.

Nu muß man wissen, daß allhie in Brüssel am 19. Januarii die Damen ein großes Fest haben, und schreibet sich solches Fest aus den Zeiten der Kreuzzüge her. Es soll nämlich dazumalen, als Alle die Kreuzfahrer schon für todt gehalten, am 19. Januarii der Herzog von Brabant mit seinen Begleitern glücklichen zurückgekehrt sein, und sind, wie man erzählet, die Weiber also erfreuet gewest, daß sie selbige, ihre Eheherrn, in voller Freuden haben aufs Ruhelager getragen. Zum Andenken an diese Historia geschiehet solches auch noch jetzo, daß die Damen ihre Eheherrn uf das Ruhebettlein tragen, wofür diese aber ihnen müssen ein Geschenk versprechen, und zwar wie sie begehren. S. historische Nachrichten über die österreichischen Niederlande von M. Gottfried Martel Thl. II. S. 192. Köthen 1790. So wars denn am 18. Januarii, als die Königin bei der Abendtafel uf dieses Fest zu reden kommt, und wie sie es auch wölle mitfeiern. Denk mir nit Arges; aber wie erschreck ich, als die Königin schelmisch lächelnde anhebet: dieweilen mein Königlicher Gemahl nit mehr am Leben, so sollet Ihr, Ritter Sigmund, morgen meinen Eheherrn fürstellen.

Da bate ich in Unterthänigkeit mit bebender Stimmen, Ihro Königliche Gnade müge mich hiemit verschonen. Aber die Königin lachete und wischete mir mit ihrem Tüchlein den Schweiß von der Stirne; es verbleibt dabei! Da merkete ich wohl, nu sollt dasselbe Spiel, was die Perpetua getrieben, sich wiederholen. Doch nu war meine Geduld zu End! Nu gehts abe! ließ mir heimlichen meinen Hengst satteln, steckete bei mir, was ich an Geldeswerth hatte, und um Mitternacht, da Alles schliefe, stürmeten wir hinaus in die Nacht, von wannen wir gekommen.

Was soll ich nu Viel berichten von der elendiglichen Fahrt, so wir mitten im Winter hätten? Der Schnee lag überall mannshoch und drüber, und ließe sich auch Nichts nit uf der Landstraßen sehen, als der Voß und der Haase, und jeweilen Bauern, so Holz aus dem Busch holeten; summa: keine Fährt, kein Weg und Steg. Konnten vor hohem Schnee, da es kein sonderlich Frostwetter war, meist nur Schritt reuten, und kamen darumb immer nit weit. Doch mir wars fast gleich, und scheerete mich wing darumb, da ich weiter Nichtes fürhätt, und die Zeit, wo mein Gelübd ablief, leider noch nit um war. Ritten aber natürlichen wieder gen Teutschland, weil wir das Gälische nit recht verstunden, und muß ich doch allhie berichten, welch närrisch Ebenteuer wir annoch im belgischen Lande erlebten.

Es begab sich nämlich, als wir an einem tunklen Abend, wo man fast nit Hand für Augen sehen konnte, in der nächsten Herbergen zu übernächtigen gedachten – es mocht aber umb die 6te Stund sein – daß wir uf einen tunklen Fleck stoßen, so wohl ein Haus uns zu sein schiene; Licht aber konnten wir nit sehen, und gläubeten, die Leut wären schon ins Nest gekrochen.

Sprich also zu meim Claus: lauf hinan und frag, was der Stundenschlag? ob wir etwan noch mügen heut Abend in die nächste Stadt kommen. Klopft an und schreit auf gälisch: ah messieurs, quelle – heûre – est-il? So antwortete es drinnen: neuf, neuf! Was, schon in der neunten Stund? Das ist nit möglich, frag weiters; tappet er also nach der andern Pforten, klopfet abereins und fräget: ah messieurs, quelle – heûre – est-il? Antwortet es drinnen: huit – huit! Indeme ich nu gläubete, daß es doch schon zu spät, umb noch gen Löwen zu kommen, so stiegen wir abe, und da ich mich mußt durch Gebehrden verständlich machen, wegen des Nachtquartiers, weil ich nit so viel gälisch verstund, so ließe ich Claus die Pferd halten, und tappe nach der Hausthür. Doch wie erschreck ich; schnarchet es grunzende vor mir uf, und kam schnobernde uf mich angewatschelt: schöne Messieurs! waren an einen Saustall gerathen, und als ich mich des hellen Lachens nit entwähren kann, fangen im andern Stall auch die kleinen Messieurs-Ferkel an zu quitschen. Ah bon soir messieurs! und schluge lachende die Thür widder zu. Hätte nicht geglaubt, daß die Schweine hier zu Lande auch gälisch sprechen. Claus aber vermeinete, er hätts immer gesaget, daß das Gälische eine wahre Säusprache wär.

Nu war aber auch die liebe Fastenzeit gekommen, und sollten wir unser Wunder erleben, von deme ich schon genungsam hatt verzählen hören, wasmaßen das Sprüchlein sagt:

Vier Fest bei ihnen am Gängsten sein,
Die trefflich sein gerissen ein,
Als Lästerfest und Martins-Gans,
Sammt Fastnacht und St. Kirchweihstanz. Joan. Nass. Cent. IV. Evangel. Wahrh. pag. 303.

Wußt zwar, daß auch an katholischen Orten von jeher die letzten Täge vor Aschermittwoch gar gräulichen gehauset würd, und hab mich selbsten oftermalen daran geärgert; hätten sich ja freuen mügen in Zucht und Ehren, auch einen guten Trunk thun, ehbevor die Fastenzeit anbricht; aber daß auch die Lutherschen würden Fastnacht halten, hätt ich nit geglaubt, dieweilen sie ja ansonsten nit fasteten, besondern selbsten am Charfreitag Fleisch fraßen. Aber die guten Zeiten, wo es zu fressen und saufen gabe, hatt ihnen das Evangelium nit genommen, besondern nur allein die magern Zeiten.

Aber nu höre man, was ich unterweges erlebet.

In einem fränkischen Stadel kamen wir gerade zur Fastnacht zu rechte, so allhie aber nit Fastnacht, besondern Faßnacht benamset wurde, wie mein Wirth sagete: weil wir Lutherschen nit fasten, besondern einen guten Trunk fassen zu Ehren des reinen Evangelii, wie schon Lutherus gethan. Gen Nächten aber würd ein großer Mummenschanz ufgeführet werden, und hätten sie solches ihrem Pfaffen zum Possen gethan, dieweil er am Sonntage uf der Kanzel das Volk mit dem jüngsten Gericht bedräuet, und daß sie das unflätige Saufen lassen söllten. Würden also ihm zum Hohne heut Abend die Comödia vom jüngsten Gericht ufführen.

Nu war aber schon Alles uf den Beinen, und jede Schankstube also vollgepfropfet, daß das Gebrülle an den Bierbänken von jeder Straßen her lärmete. Uf den Gassen selber liefen Weiber und Männer, so aber die Kleider gewechselt, mit vollen Bierhumpen umher, balgeten sich und trieben gräulichen Unwesens, tanzeten über die Straßen, dreheten Narrenmäuler, rannten in die Häuser, prügelten die Hunde, quetschten die Katzen mit den Schwänzen zwischen die Thüren, Alles aber, ohne ein Wort zu sagende, daß es noch schandbarer, aber lachhafter wurd, und dazwischen jubilirete die ganze Schuljugend, balgeten sich ebenmäßig, und machten den Erwachsenen allen Gräul und Narrenspossen nach; summa: man hätte mügen gläuben, es sei die ganze Stadt verrückt worden. S. Arnold unpartheiische Kirchen- und Ketzerhistorie »von dem Fastnachtsgräuel.« Aber das war erst das Fürspiel, nu sollt die Comödia vom jüngsten Gericht noch ufgeführet werden.

So hätten sie denn gerade vor der Pfarrwohnung sich den Platz auserküret; große Bündel Stroh mit Pech beschmieret, stunden in einem runden Zirkul, dazwischen aber in der Mitten hätten sie, gerade so hoch, wie das Fenster ihres Prädikanten war, eine Art Predigtstuhl ufgeschlagen, so fein säuberlich mit Knistergold und grünen Tannenzweigen verzieret war. Oben druf aber stunde ein rother Sessel; wie ich hörete, vor unseren Herr Gott.

Als denn nu endlich die 11te Stund, wo solche Comödia sollt für sich gehen, gekommen war, drängete ich mich auch unter das Volk, so von allen Seiten herbeiliefe, diese Comödien zu sehende. Als nu das Uhrwerk 11 Schläge thät, und Alles grabesstille geworden, erdröhnete mit einem Male ein also schrecklicher Posaunenstoß, daß er in der ganzen Stadt mußt gehöret werden, und unwillkürlich Alle erzitterten, ja Etzliche auch davon laufen wollten, vermeinende, unser Herr Gott selbsten ließe seine Engel blasen. Aber mit diesem Posaunenstoße, der das jüngste Gericht sollt fürstellen, erhobe sich mit einem Male von dem Predigtstuhle feierlich, langsam emporwachsende unser Herr Gott, eine güldene Krone uf dem Haupte und ebenmäßig gänzlich in Gold verkleidet, und mit ihme die heiligen Erzengel in weißen Hemden, brennende Fackeln, daß man's sehen konnte, in den Händen tragende.

Da erdröhnete abereins die schreckliche Posaune, und Etzliche, wie der Teufel verkleidet, rabenschwarz mit großen Hörnern uf dem Kopfe und lange Kuhschwänze an dem Hintern baumelnde, rannten mit großem Geheule unter das Volk, packeten Diesen und packeten Jenen, und zerrten sie zum großen Gelächter in den runden Kreis, wo die Strohbündel stunden. Als sie nu ihrer sieben beisammen hatten, wurfen sich alle Teufel uf ihr Angesicht, unserm Herr Gott die Reverenz zu bezeugende, sprangen widder uf, griffen nach ihren Kuhschwänzen, und bliesen und fingerirten uf selbigen, inwährendem etzliche Bierfiedler ufgeigten, und der Nachtwächter uf seinem Kuhhorne Tusch dazu bliese.

Als nu das gemein Gelächter ein wing fürüber, trate der Erzteufel für den Thron, schoß erstlich Kobold und hube an:

Allhie, o Herr Gott Sabaoth,
Bring ich, der Teufel und der Tod,
Die sieben Sünd vor dein Gericht,
Daß ihnen jetzt die Pein geschicht;
Die Hoffahrt und der schnöde Geiz,
Der Neid, Wollust und Sündenreiz,
Fraß, Völlerei und Trunkenheit,
Der Zorn und die Nachlässigkeit,
In jedem guten Werk fürwahr!
Hie stell ich dir die Sünden dar.

Und hiemit stellete er die sieben, so er gegriffen, beedes, Manns- und Weibsbilder, je nach ihrer Sünd verkleidet, in eine Reihe uf. Und stellte die Hoffahrt ein Weibsbilde für, glitzernde und blitzernde von güldnen Ketten, Armspangen etc., und hielte sich einen Spiegel fürs Antlitz; item der Geiz: einen Bettler mit einer Krücken, so einen Beutel Golds in der einen Hand hätt und mit der andern Schwarzbrod fraß; item der Neid: einen dürren gelben Bengel, so sich die Haare raufte; item die Unzucht: ein schaamloses Weibsbilde in gar schändlichem Ufzuge; item der Zorn: einen Kerl mit einem Messer in der Hand; item Fraß und Völlerei: einen dicken froschbäuchigen Kerl, der ein Bierachtel uf den Armen hätte, und in dem Gürtel lauter Wurste bummeln; endlich die Trägheit im Gottesdienst: einen Jungen, der die Bibel uf dem Hintern truge.

Nachdeme nu wieder ein gräulicher Tusch geblasen, wenkete der Kerl oben, so unsern Herr Gott vorstellete, und sunge unter Posaunenbegleitunge:

Den Richterspruch und mein Urtheil
Mit St. Luthero ich jetzt theil,
Dieweil er ein Evangelist, Luther nannte sich bekanntlich einen Apostel und Evangelisten, und mußte daher auch auf Grund Matth. 18, 29 im Glauben des Volkes mit Christus das Richteramt theilen.
Apostel und ein Heiliger ist.
Lutherus richt! nach deinem Wort
Komm jeder Mensch an seinen Ort.

Da erhobe sich Lutherus von der Rechten Gottes, in Wahrheit, wie er leibt und lebte, und ich ihn in Wittenberg gesehen; hätt darauf schwören mügen: er wärs selbsten, wann ich nit gewußt, daß er todt; und nachdem nu Alles mäuschenstille geworden, räusperte er sich und sprach:

Die Wort sie sollen lassen stahn:
Was gehn den Teufel die Werke an?
Scheert unser Herr Gott sich nit drum,
So bleib der Teufel ewig stumm.
Kein Werk den Mensch verdammen kann,
– Und wärs aufs Allerärgst gethan, –
Als nur der Unglaub ganz allein S. Luther Capt. Babyl, Witt. lat. Tom. II. f. 284. und disp. l. c. I. f. 371., wonach weder Mord noch Diebstahl, noch Ehebruch den Menschen verdammen, sondern der Unglaube allein; der Fundamentalartikel seines Glaubens.
Stürzet die Menschen in die Pein!
»So frag ich jetzt als Evangelist:
Ob unter die ein Ungläubger ist?«

Da klatschete und jubilirete das Volk, heulte, tanzete, sprunge und lachete, bis endlich Alles stille worden. Da knieeten die 7 Todsünden nidder, und sprachen:

Wir glauben All an Jesum Christ,
Der vor uns gestorben ist,
Kein Ungläubiger und Papist
So unter uns zu finden ist.
Die Werke, die wir han gethan,
Schürt unser Herr Gott in uns an! Sie berufen sich auf die Lehre des Reformators: mala opera Deus in impiis operatur, d. h. Gott wirkt die bösen Werke in den Gottlosen. S. Lutheri assertiones articul. 36. Mit ihm stimmt Melanchthon überein, welcher lehrt: der Ehebruch Davids und die Grausamkeit des Manlius sind wahrhaftig Gottes Werk. S. Melanchthon in der ersten Auflage seiner loci communes von 1520 und 21. Später schämte man sich dieser schmachvollen Lehre, und corrigirte das operatur durch regit, das heißt nun: Gott lenkt die bösen Werke in den Gottlosen.

So schriee denn das ganze Volk aus vollem Halse ihnen nach:

Die Werke, die wir han gethan.
Schürt unser Herr Gott in uns an!

Da schmetterten wiederumb die Posaunen, und sangen unser Herr Gott und Lutherus mit einer Stimmen:

So kommt denn mit dem armen Schächer,
Ihr Mörder, Dieb und Ehebrecher,
Und was man Sünder nennt auf Erden,
Ihr Alle sollt gerettet werden.
Nehmt in Besitz das Himmelreich,
Das Allen ist bereitet Euch!

Da kamen die Engel alsbalde heruntergestiegen, umarmeten die Todsünder, satzeten ihnen Kronen von Gold-Papier uf, und führeten sie zu den Freuden des Himmels, zu Gott dem Vater und Luthero, inwährendem das ganze Volk unmenschlich jauchzete und jubilirete und des Lärmens kein End wurd.

Aber wie der Erzteufel merkete, daß ihm alle diese Sünder aus dem Rachen gerissen, fing er gräulichen an zu heulen und schriee:

O weh, mein Reich zu Ende geht,
Wenns mit dem Sünder also steht,
Daß Jeder kommt ins Himmelreich,
Und nur der Unglaub ganz allein
Die Menschen stürzet in die Pein.
– Doch Einen, Herr, den läßt du mir, –
Das ist der Prädicant allhier.
Sich! dieser eitle Bösewicht
Zu lehren sich hat unterficht:
Daß Jeder, der das Böse thut,
Muß fahren in der Höllen Gluth;
Er glaubet nit,
Den nehm ich mit
!

Und inwährendem schleppten andere Teufel meinen Prädikanten, so aus einem Wachsbilde geformiret, in den Kreis, die Posaune bliese, der Herr Gott und Lutherus sangen:

Er glaubet nit? So schlepp ihn fort.
So nimm ihn mit an seinen Ort.

Hellauf loderten die Strohbündel gräulichen durch die Nacht, der helle Wiederschein spiegelte sich am Fenster des Prädikanten (ob er den Spectakel gesehen, laß ich in seinen Würden), die Teufel aber tanzeten um die Flammen, worin das Wachsbilde zuschmolze, und das unflätige Volk brüllete und schriee: Hurrah, da brennt er!

Da schreiet es oben: Rettet, wir verbrennen allhie, helfet, helfet! Der Himmelsthron brennet über und über, vom Strohe erfasset, rettet, rettet! Sie konnten nit mehr herunter, alles Volk rennet zusammen, läufet nach Stangen und Leddern. Rettet! Da krachet das Gerüste zusammen, und hinab in die Lohe fahren der falsche Herr Gott, Lutherus und die 7 Todsünder.

Gott im Himmel, das war ein gerecht Werk! Mußten elendiglich verschmooren und verkohlen, konnten sie nit mehr retten; uns aber triebe ein gräulicher, süßer Wind entgegen, und gingen wir schuddernde in unser Losament. Irret Euch nit, Gott lässet Seiner nit spotten! Die oben beschriebene Fastnachts-Comödie hat eine historische Grundlage. Man sehe Crusius annales suev. Liber XII. p. III. S. 744. Bei einem ähnlichen Fastnachtsspiel auf dem Schlosse Waldenburg, in der Grafschaft Hohenlohe, verkleideten sich Ritter und Damen als Teufel und Engel; die schwarze Pechumhüllung der Teufel aber fing Feuer, und mußten Einige elend verbrennen. S. Arnold l. c. Lib. XVI. Cap. 16, §. 12.



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