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Zweites Kapitel.

Von der Schlacht bei Mühlberg und wie mich der Kaiser zum Ritter geschlagen.

Inwährendem wir nu unsres Wegs immer stromaufwärts den Wald entlang ritten, überfiel uns ein also starker Nebel, daß wir nicht Hand für Augen sehen konnten und acht ich aber, daß dieß unser Herr Gott aus wunderbarer Fürsorge also geschicket. Denn als wir allendlich aus der Heiden in der Nähe an Meißen herfürbrachen, sahen wir oftermalen die Wachtfeuer der Schmalkaldischen kaum hundert Schritt von uns, so in dem dichten Nebel fast haushoch sich wiederspiegelten. Hörten auch in mäßiger Entfernung oftermalen Hufschlag, auch an uns Manches fürüberwischen, so daß wir nicht geringe in Aengsten waren. So irreten und irreten wir herum, nit wissend wohin? als ich das Uhrwerk in einem Thurm 3 Schläge thun hörte. Da kam mir der glückliche Gedanken inne: jetzunder wird etwan balde die Schildwacht abgelöset! kroch also, um bei dem Anschrei des Wachtpostens das Zeichen zu gewinnen, mich näher uf allen Vieren zum ersten Wachtfeuer und legte mich der Länge nach in einer Saatfurchen uf den Bauch. Richtig, währete nit lange, als ich festen Fußtritt verspüre, ducke mich, indem es hart an mir fürüberschreitet. Es war in Wahrheit der Wachtposten und könnt ich deutlich das Zeichen vernehmen: Magdeburg war die Losung! Nachdem es nu wieder links abmarschieret, kroch ich eilends zurücke, hätte aber in dem Nebel balde den Weg verfehlet. Kröche wohl bei einer Viertelstunden voller Aengsten herum, als ich endlich nit weit weg von mir das Geprufte meines Pferdes, so ich am Gekoller erkannte, anerwogen er ein Krippensetzer war, vernahm. So schreiet auch schon die Schildwacht: Halt, wer da! Antwort ich: Magdeburg Kamerad! schwunge mich in den Sattel und ritten wir, umb keinen Verdacht zu erregen, anfänglich in kurzem Schritt, bis wir endlich entwahr wurden, daß die Wachtfeuer weit links von uns blieben, worauf wir denn in schnellem Trabe weiter sprengten.

So waren wir nu zwar glücklich entwischet, wo aber der Kaiser stunde, wußten wir noch nit. Ritten darum auf gut Glück vorwärts, und als wir endlich von Fernen ein ziemlich Getöse und starken Hufschlag vernahmen. Da reuten wir näher und horchen. Das seien entweder spanische oder römische Kriegsknecht! rief ich freudig; erkannts am fremden Commandowort. Hielten aber erstlich stille und rieben uns die gehlen Zindel an den Schmeerstiefeln, daß sie braunroth wurden, damit wir nit möchten vor Schmalkaldische gehalten werden, und nu galloppirten wir wieder drauf los. Und hatten wir in Wahrheit recht judiciret; stießen uf ein Commando Spanier, und ließe ich mich directe zum Herzogen von Alba führen, so, wie ich von einem Teutschen hörte, in der Nähe war, umb meine Briefschaften von Trent zu übergeben. Da wurd denn nu bei dem Herzogen grade großer Kriegsrath gehalten, viel hohe Generals und Obristen, auch Herzog Moritz waren gewärtig; mußte darum noch warten, eh ich vorgelassen wurde, konnte aber wohl merken, daß es heut noch blutig würd hergehen. Zoge immer ein Regiment am andern fürüber, bald Teutsche, bald Spanier, bald Italiener und Hungarn, Fußvolk, Artlerei, Reitergeschwader, immer eins nach dem andern; summa: es war Alles lebendig und schlachtgerüstet, marschiereten aber in stillem Zuge und redete Niemand nit. So stehe ich noch und bewundere das herrliche Kriegsheer, als plötzlich eine große Bewegung entstehet, kommt ein Regiment hungarischer Hussers, Husaren. den blanken Pallasch in der Faust haltende, einhergesprenget, schwenket sich rechtes und linkes vor dem Gezelte und senken ihre Schwerter, inwährendem von vielen hohen Officiers umgeben Ihro Kaiserliche Majestät uf ihrem andalusischen Hengste einhergalloppiret kamen. Truge einen Filzhut mit einer Feder und ebenmäßig einen Filzmantel über der Rüstunge und wollt ich eben ehrerbietig mich zurückziehen, als Ihro Majestät sich auch schon aus dem Sattel geschwungen und an mir fürüber in das Gezelte traten. Währete aber nit lange, kaum bei einer Viertelstunden, inwährendem ich es drinnen scharf reden hörte, als die Obristen eilends aus dem Gezelte kämen, sich auf die schäumenden Rosse schwungen und in sausendem Galoppe bald hie, bald dorthin sprengeten. Da schmetterten auch alsbalde die Drommeten und wurden die Trommeln gerühret und könnt man weithin in das Thal hinab das Commandogeschrei vernehmen, so wie ein Echo in der Fernen verliefe. Nu gings los; da waltete und wogte mein Herz, wenn du nur auch erstlich dabei wärest! Da kam aber auch bereits Ihro Kaiserliche Majestät mit dem Erzherzogen Maximilian, dem Könige Ferdinando, Herzogen Moritz und Alba aus dem Gezelte und bestiegen ihre Renner. So faßte ich mir denn ein Herze, trat zum Herzogen Alba ans Pferd und Übergabe ihm meine Briefschaften vor Ihro Kaiserliche Majestät, und: ob Seine Gnaden mir erlauben wollten, mit seinem Häuf zu ziehende. Wenkete mir mit der Hand, und schwunge ich mich also auch uf meinen Hengst, Claus aber war bei mir. Und hielten die durchlauchtigsten Herren annoch stille und hörete ich, wie der Kaiser fast ungehalten über den dichten Nebel war, so ihm die Position des Feindes verhüllete, und daß es wohl nit möglich sei, über die Elb einen Schiffsbrücken zu schlagen, vonwegen seiner Geschwellunge, und meinte Ihro Kaiserliche Majestät: obs denn etwan gar keine Fährt haben sollte in diesem Fluß? So verredete es denn der Herzog von Alba, und hätt er aller Orten die Tiefen messen lassen, ja auch selbsten nachgespähet; aber es sei nit wohl möglich und wolle Niemand nit von einer Fährten Etwas wissen. Sich, da fiel mir mein Müller Strauchmann in Bohrschnitz ein, und was er mir von einer Fährten erzählet; faßte mir also ein Herze und ritte an den Kreis der Herren hinan, sprechende: Allergnädigster Kaiser, ich hoff Ihro Majestät einen Mann zu bringen, der eine Fährte weiß.

Wie das der Kaiser hörete, verzogen sich mit einem Mal seine Runzeln. Wo, wo ist der Mann? bring ihn geschwind anhero, es soll sein Schad nit sein. So begehrte ich denn vom Herzog Alba ein frisch Pferd vor mich und den Müller, und da zur guten Stunde ein Landsknecht gewärtig, der einen Richtsteig nach Bohrschnitz kannte, so war noch keine Viertelstunde vergangen, als wir im sausenden Galoppe uf die Mühle zusprengten.

Ei, wie jubilirete mein Müller, als wir ihm sein Glück verkündeten und daß der Kaiser es ihm selbsten zu lohnen versprochen, und da wir ihn zur Eile antrieben, schwunge er sich, den Sonntagsrock noch uf dem Arme, uf das ledige Pferd und sprengeten wir mit verhängten Zügeln, als die Pferde laufen konnten, zurücke.

Nu war aber schon das Morden in vollem Gange, als wir schweißtriefende zurücke kämen; ward immer hin und nüber geschossen und an beeden Ufern stunden sie sich von Angesicht zu Angesicht genüber und die Artlerei der Schmalkaldischen, so am hohen Ufer von Hecken- und Dornbusch gedecket, ufgefahren war, donnerte mit Macht in die Unsern, und war schon viel Volks verloren. Wie freuete sich also der Herzog Alba, als wir den Müller brachten, verhieße ihm gleich, daß der Kaiser ihm 100 Kronen und zween Pferd ausgesetzet; nu sölle er aber sich beeilen, die Fährt zu zeigende.

Um nun aber zur Fährten zu gelangen, mußten wir noch ein ziemlich Stück den Elbfluß hinauf, zogen aber durch einen Hohlweg, um nit unnöthig Volk zu verlieren. Es war eine gräuliche Hitze und brannte die Sonne unmenschlich, sah auch blutroth aus und judicireten wir Alle: es würd viel Blut kosten, wasmaßen dergleichen immer eine Vorbedeutung zu sein pfleget. Aber als uns der Bauer nu zu der Fährten geleitet, hatten die Schmalkaldischen, die von derselben auch wohl Wind bekommen, allhie ihre Schiffsbrücken ufgeschlagen, so von dem Strom geschähet, in einer Hohlbucht lagen; stunde Alles voll Hackenschützen, und hinter ihnen, auf dem hohen Ufer lebte und webte jeder Strauch und Büschlein ebenmäßig voll Schützen, die gar grimmig auf uns herüber blitzeten; auch konnten wir alsbalde merken, daß vom Schloß her das grobe Geschütz uf uns gerichtet wurd; summa: es war ein fährlich Ding und hatten wir schon viel Volks verloren, ehender wir noch am Ufer Posto gefastet. Aber was war zu thuende? hier mußten wir durch. Die Kugeln schlugen wie ein Hagelwetter zur Sommerszeit uf uns ein; wie viele ans Ufer rücketen, blieben liegen. Da hatte Niemand nit rechte Lust und dem Herzogen selber schiens ein Weil unmüglich, allhie überzusetzen. So stehen wir noch ein klein Weil, inwährendem der Herzog einen Kerl uf einen Baum steigen läßt, umb zu sehen, wie viel Volks etwa jenseits des Ufers stehen möchte, als plötzlich das Geschrei weithin durch die Reihen ertönet: ein Adler, ein Adler! Und siehe! in Wahrheit hoch über uns schwebte uf den Pulverwolken ein majestätischer Kaiseradler, so auf uns herniederschauende, geradenwegs gegen die Feinde schwebte. Das ist Deutschlands Aar, das ist des Kaisers Aar! schrie der Herzog, die Hand über dem Helme nach dem Adler schauende; ihm nach, Soldaten, er führt uns zum Siege! Und als ob der Herbststurm den Obstbaum schüttelt, so plumpte es aller Orten und Enden mit dem endlosen Schrei, das ist Teutschlands und des Kaisers Aar! in den Strom hinab. 1000 spanische Hackenschützen, das Rohr hoch im Arm, stunden im Strome, ich mitten unter ihnen; bis an die Brust im Wasser kletterten wir durch die Brandung, ob auch Mancher blutende stromaufwärts triebe und die Kugeln wie Erbisen uf dem Wasser rollten. Wir sahen Nichtes mehr, denn weiße Pulverwolken, Feuer und Leichen, hörten Nichtes als Karthaunendonner und das endlose Geschrei: Jesus Maria! immer vorwärts! Da fassen wir das Bollwerk der Schiffsbrucken. Ein gräulich Gemetzel was hier begonnen, aber wir lassen nicht abe, wir erklimmen die blutige Brucken, die Feinde entfliehen. – Da erscholl es längst den Reihen: Hurrah der Kaiser! und abereins stürzen sich 1000 spanische Hackenschützen in die Fluth und wollten wir wieder vorwärts uf die zweite Schiffsbruck, als sie plötzlich in hellen Flammen stehet und wir vor dem Feuer nit weiter können. Doch siehe, da tummelt sich uf hohem andalusischen Hengste Ihro Kaiserliche Majestät mitten unter dem Kugelregen; von seiner Sturmhauben flatterte der Helmbusch im Winde, da wenket er mit seinem breiten Schlachtenschwerte: vorwärts, vorwärts Kinder, nehmet die Brücke!

Aber der Strom war tief, schäumete und brausete allhier gewaltig und konnten keinen Grund mehr unter uns finden. Wer schwimmen kann, der folge mir! ruf ich; werf alle Kleidung abe und nacket, wie mich der Herr erschaffen, springe ich, das blanke Schwert im Maule abereins in die Fluth, 10 Spanier hinter mir her. Mord und Marter! das war eine Haifischjagd! Den Kopf im Wasser, auftauchend wie die Enten, schossen wir unter dem Kugelregen auf die Boote der Feinde los, mehr Blut noch als Wasser soffen unsre Schwerter; kletterten uf die Schiffe, dreie öden wir aus, der Feind entweichet. – Da gäbe ich zween Befehl mit diesen Schiffen ans jenseitige Ufer zu fahren, um die Unseren zu holen, sprungen wieder in die Fluth und enterten aufs Neu.

So kamen denn nu in diesen Booten wieder spanische Hackenschützen uns zu Hülf und währete nit bei einer Viertelstunden, so lebte und webte der ganze Elbfluß von den Unsern. Hungarische Hussers dicht aneinander gedränget, hatten Jeder einen Hackenschützen uf dem prustenden Pferde, zogen wie ein schwimmendes Flötzwerk über die Elben. Als wir solches entwahr wurden, stürmten wir mit Hurrah! uf die andern Schiffe, jageten sie ihnen abe und schicketen sie alsbalde zum jenseitigen Ufer, und weiß nit wie lange; aber als wir das Letzte gekapert und vom Morden müde, ich ein wing Luft schnappe, so sehe ich, haben die Unseren allbereits aus diesen Booten ein Schiffsbrücken geschlagen und rucken in geschlossenen Gliedern, Fähnlein an Fähnlein herüber; mitten unter ihnen am wehenden Banner mit dem Reichsadler Ihro Kaiserliche Majestät, König Ferdinandus, Erzherzog Maximilian, Moritz, Alba etc. summa: der Uebergang ist gewonnen und die Feinde geben den Reißaus.

So zeuch ich mir die Rüstung eines erschlagnen Landsknecht an und nun gings mit Halloh das steile Ufer in die Höh', was sich noch sehen ließ, mußt über die Klinge springen, und als wir das Ufer erklommen, sagen die Feinde in hellen Haufen bunt durch einander über das Feld; doch schwärmeten churfürstliche Reuter hinter ihnen her, umb das Fußvolk vor den Unseren zu decken. Da bekamen wir nu gleich Befehl zum Nachsetzen. Herzog Alba, als er an mir fürüberfloge, schrie mir zu: Junker! heut habet Ihr Euch die Sporen verdienet! Hei! das war eine Hetzjagd. Uns zur Seiten flöge der Kaiser mit flatterndem Helmbusch; von seiner güldenen Rüstunge glitzerte und blitzerte funkelhell die Sonne. Muth, Kinder, die Victoria ist unser! und in sausendem Sturme gings in die feindlichen Reuter. Das war ein gräulich Blutbad; Freunde und Feinde Alles durcheinander, ein Blitzen und Gefunkel der Schwerter, ein Gewieher und Gestampfe der Rosse, ein Hauen, Stechen und Würgen. Da trieben wir die Reuter vor uns her, die in wilder Jagd über die Felder sprengten, und nu konnten wir sehen, daß sich das feindliche Fußvolk, so wohl im Trabe einen Fürsprung gewonnen, sich an der Lochauer Heiden aufgestellet hatte. Aber da brülleten auch schon unsere Karthaunen, und schmetterten in die schwarzen Massen; von allen Seiten rückete unser Fußvolk im Sturmschritt gegen die Feinde; die ganze Ebene erdröhnte und bebete. Aber wir säumeten nit; durch Koßdorf gings mit verhängten Zügeln quer in den Feind hinein. Hier stund ein Crucifixbild am Wege; der Arm des Heilandes hinge von einer Kugel zerschmettert vom Holze hernieder. Als der Kaiser daran fürüber sprengete, schriee er mit lauter Stimmen, inwährendem er sein Schwert zum Gruße senkete: Sehet, Sehet! Himmlischer Vater, du bist gewaltig solch Frevelwerk zu rächen! Da fletscheten die Spanier ihre Zähne, zucketen ihre Schwerter grimmig in die Höhe und die Sporen wild in die Seiten stoßende, gings mit Hurrah! in die Reuter, so sich abereins gesammelt, um das Fußvolk zu decken. Aber unsere Schwerter schwangen Feuerfunken, Pinke, Pauke uf die eisernen Küraß, daß sie ihnen uf dem Leibe brannten, wie Eisen in der Schmiedeessen; und in wilder Flucht jagten wir sie mitten in ihr eigen Fußvolk. Da ward die Verwirrunge und Unordnunge allgemein und weithin über die Ebene wogte Fußvolk und Reuter, Alles streuens durcheinander. Hier sah ich den Herzog Alba und Herzogen Moritz wie ein Kriegsgott wüthen, Mehrere vom Adel fielen unter ihrem Schwerte. Aber fast wärs dem Letzteren übel bekommen; denn im tichten Kugelregen sanken rechtes und linkes seine Begleiter. Da seh ich, wie ein churfürstlicher Hackenschütze gerade in die Seiten des Herzogs Moritz sein Rohr setzet; ich könnt ihn nicht erreichen, Etliche waren vor mir; schon schwingt er die Lunten uf die Pfannen, Herre Gott! – aber das Kraut puffet auf und das Rohr versaget. Somit habe ich mich auch schon an den Kerl gedränget und hau ihn nieder und fiel er röchelnde unter die Pferd, so ihn wohl zerstampfet. Inwährendem sprengt ein feiner junger Herr an uns fürüber. Das ist Johann Friedericus, der Sohn des Churfürsten! schriee ein sächsischer Landsknecht. Da gab ich meinem Pferde die Sporen und jagte ihm nach; er flog wie der Wind, aber mein langer Pallasch sauste ihm durch die Locken, er fiel vom Rosse, aber während dem Sinken schoß er noch einen der Unsern nieder. Da kamen schon feindliche Reuter gesprenget, so daß wir ihn lassen mußten und schwärmeten wieder umher, Teutsche, Spanier, Hungarn, Italiener, Alles durcheinander; was den Spaniern in den Weg kam, mußt ins kalte Eisen rennen.

Da entwahren wir etliche 100 Schritt seitwärts eine Gutsche Halten, springet in Hast ein starker Ritter heraus, schwinget sich uf ein Pferd und jaget davon. So judicire ich denn uf den Churfürsten selbsten, anerwogen ich wußt, daß er fast dicke, meist in einer Gutsche fuhr, schriee: der Churfürst, der Churfürst! und jagten ihm nach.

Wehrete sich tapfer der alte Herr, und that mirs fast wehe, war schon streuens mit Blut bedecket, hiebe aber immer rechts und links um sich. So ruf ich ihm zu: Ergebet Euch, ergebet Euch! aber er achtete es nit. Da plötzlich spritzete es ihm roth durch die Wange und er ist rings von den Unseren umringet. Da springet der Edle Thilo v. Trott geheißen, hart an den Churfürsten, umfasset ihn mit beeden Armen, inwährendem ich mit dem Schwerte das unflätige Volk abwehre, und schreiet: Ergebet Euch, Ihro Gnaden! Ihr könnet nit mehr entfliehen! So würd er ein Weil hinterdenklich, wischete sich das Blut mit dem Arm vom Gesichte: seiet Ihr ein Deutscher? nun denn, einem Deutschen geb ich mich fangen, zöge zween Ringe vom Finger und gäbe sie dem von Trott. So zogen wir denn mit unserem fangenen Churfürsten abe. Nu könnt ich mirs auch balde erklären, warum der sich nur einem Deutschen hat ergeben wollen; denn als wir langsam über das Schlachtfeld ritten und das Schießen sich schon fast verloren und die Trommeter allbereits zum Sammeln bliesen, wurden wir genugsam entwahr, wie die Spanier, so meist zusammengeloffenes Gesindel, das Kriegshandwerk trieben. Lagen um die Todten, zerreten und rissen mit Händen und Zähnen zugleich ihnen die Kittel vom Leib, und Alles, was sie an Geld und Geldeswerth bei ihnen fanden, stecketen sie zu sich.

Da stießen wir denn uf den Herzog Alba und übergaben ihm unseren Gefangenen. Als derselbe sein ansichtig wurd, wie er so jämmerlich mit Blut bedecket, gebücket uf seinem friesischen Hengste saße, schien ihm Solches durchs Herze zu gehen, bot ihm die Faust und sprach: Euer Liebden seien wund worden, ich werd Euch ins Läger senden, daß der Feldscheer Euch verbinde. Aber mein Churfürst wollte alsbalde zum Kaiser; solches verredete zwar der Herzog, und daß Ihro Kaiserliche Majestät annoch möchten zu ufgebracht sein, solle nur ins Lager reuten. Doch der Churfürst ließe nicht ab, worauf denn der Herzog ihm endlich willfahrete und ritten wir mit ihme zum Kaiser. Und säße denn die Kaiserliche Majestät in der Lochauer Heiden uf einem Baumstamm, als wir ankämen, und stund noch der römische König Ferdinandus, Erzherzog Maximilian und noch viel hohe Fürsten um ihn her. Da pochete meinem Churfürsten das Herze, als er von seinem Hengst steigen mußt, schwankete auch etwas, als er herunter war, und nahm ihn der Herzog Alba bei der Hand. Sähe gar jämmerlich in seiner rothbebluteten, schwarzen Rüstunge aus und sickerte ihm annoch das Blut von der Wangen. Als er des Kaisers ansichtig ward, schnalzete er ein wenig mit den Lippen, schlug die Augen gen Himmel und mümmelte: Herr Gott, erbarme dich mein, nu bin ich hier! Fastete sich aber balde, zöge seinen Blechhandschuh aus, neigte die Kniee und wollt dem Kaiser die Faust geben. Aber Ihro Majestät wenkete ihm ufzustehen und behielte kalt seine Arm gekreuzet. So stunden sie sich eine Weil stillschweigende genüber, inwährendem Alles uf sie schauete, bis letzlich der Churfürst anhob: Allergnädigster, Allergroßmächtigster Kaiser! – So, bin ich nu Euer allergnädigster Kaiser? so habet Ihr mich lange nit geheißen, fiele ihm der Kaiser barsch in die Red, inwährendem sich die Augenbramen in die Höhe zogen und sich sein Brustharnisch hobe. Also jetzunder Euer gnädigster Kaiser? Da wurd der Churfürst fast verwirret, konnte nit mehr sprechen, als stotterte nur: Eure Majestät! ich bin Euer Gefangener und bitt um ein fürstlich Haft. Wie wollen Jü hollen, as Jü et verdeenet, Wir wollen Euch halten, als Ihr es verdienet; der Kaiser Carl V. sprach meistens in der plattdeutschen Mundart. und somit stunde der Kaiser uf und wenkete, worauf ihn der Herzog Alba wieder an seine Hand nahm und ihn ins Lager schicken wollt; aber der König Ferdinandus schimpfirete noch gar heftig uf ihn, daß er ihm und seinen Kindern Land und Leut hätt' nehmen wollen. Der Churfürst sagte jedoch Nichtes, besondern ritte er stumm und in sich gekehret, nebst den übrigen Gefangenen, als dem Ritter von Plauen, Martin von Pohlheim und Jobst von Hain, dem Kanzler des Churfürsten, unter Bedeckung eines Fähnleins von dannen ins Lager. Halt' ich aber den Kaiser finster gesehen, als wie lange die Sach mit dem Churfürsten dauerte, so wurd er nu ebenmäßig freudig, zumalen immer noch Boten angesprenget kämen, die Gefangene brachten und daß der Feind allbereits uf allen Punkten geschlagen und verjagt wär. War insonderheit gnädig gegen Herzog Mauritium und Alba. Aber vor Allem seien Wir nächst Gott Dank schuldig den spanischen Hackenschützen, so Uns die Schiffe han zugeführet, und wollen Wir ihrer, wann sie noch lebend, in Gnaden gedenken. Aber wer war denn der teutsche Junker, so mit ihnen; der war kein Spanier, ich hab ihn schon sonsten gesehen, wie heißet er?

Als ich das hörete, verkroch ich mich hinter die Umständer und' pochete mir mein Herze; und stiege mir alles Geblüt ins Antlitz, als der Herzog Alba antwortete: Ihro Majestät! der Junker war derselbe, so uns den Müller verschaffet und auch Ihro Majestät die Briefschaften von Trent gebracht; er ist ein adlicher Junker, Namens Sigismund Hager, ist heut früh zum Haufen gestoßen, hab ihn fast bewundert, nit minder im Fluß als auf dem Schlachtfeld, war auch mit bei dem Haufen, so den Churfürsten gefangen; er muß hier in der Nähe sein. Begehren Ihro Kaiserliche Majestät seiner sichtig zu werden? – So mußte der Kaiser es denn wohl bejahet haben, denn alsbalde riefe der Herzog: Sigismund Hager! Da mußt ich denn nu vor. Nu Junker! Ihr seiet ja roth wie ein schamhaft Mädlein; tretet herzu, Ihr habet nit Euch zu schämende.

Da stund ich nu vor der Kaiserlichen Majestät; ich, ein armer Junker unter den fürnehmen Fürsten, wußte nit, wie mir beschahe. Ihro Majestät aber schaute mich freundlich an: »Nu Junker, es ist Uns angenehm, dir schon allhier die Tapferkeit zu lohnen. Die Rittersporen hast du dir wohl verdienet,« sprachs, und inwährendem ich mich nach Brauch und Ehren uf die Kniee senkete, zog er raffelnde sein Schwert, annoch roth und umblutet aus der Scheiden, und mit ihm alle Ritter, stund auf und schlüge mich mit der flachen Klingen kreuzweise über den Rücken. »Und nu Ritter Sigismund Hager, da du Uns gefällst und Wir dich ansonst noch brauchen mügen, bleibest du Unseres besondern Dienstes gewärtig.«

So stunde ich vor dem Kaiser uf als ein Ritter und war mein erster Gedanke, als ich wieder bei meinem Haus: was wird nu Julia sagen! Ritte, als nu der Kaiser gen Nächten ufbrach, stolz das Haupt in dem Nacken tragende, ins Lager, könnt aber die ganze Nacht nit schlafen; ging mir mein junger Ritterstand immer durch den Kopf und vergaß auch zum ersten Mal sider langer Zeit mein Nachtgebete.



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