Oskar Meding
Die Saxoborussen
Oskar Meding

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Drittes Kapitel

Trotz der dumpfen Betäubung, die auf Herrn von Sarkows Haupt lastete, erhob sich der junge Mann doch sogleich, als der Kellner ihn weckte, um nach seinen Befehlen zu fragen. So unklar auch im ersten Augenblick noch die Erinnerungen an den gestrigen Abend durch seinen Kopf wogten, so wußte er doch genau, daß er auf der Saxoborussenkneipe gewesen, daß er sich zur Aufnahme in das Corps gemeldet, und der für ihn so hochwichtige und bedeutungsvolle erste Tag in Heidelberg mußte ihn wach und gerüstet finden für alle Erlebnisse, die ihm bevorstanden. Die wiederholte Anwendung eines Kopfbades von kaltem Wasser gab ihm bald seine ganze Frische und Klarheit wieder, er vollendete seine Toilette und empfand eben die vortreffliche Wirkung einer ersten Tasse schwarzen Kaffees, als sich nach kurzem Klopfen die Tür des Zimmers öffnete und ein kleiner, schmächtiger und beweglicher Mann von etwa fünfzig Jahren eintrat; er trug einen kurzen grauen Rock und graue Unterkleider, sein lebhaft bewegliches Gesicht hatte eine etwas kränkliche graue Farbe und sein leicht ergrautes Haar fügte sich vollständig in den gesamten Farbenton seiner Erscheinung ein; er trug einen großen Beutel von grauem Wollenstoff unter dem Arm und näherte sich lächelnd mit der freundlich verbindlichen Miene eines alten Bekannten dem jungen Manne, der ihn ganz verwundert ansah.

»Ich dachte wohl, daß ich den Herrn Baron noch treffen und zur rechten Zeit kommen würde,« sagte er mit einer Stimme, deren gedämpfter, leiser Ton in seiner unbestimmten Klangfarbe ganz dem Kolorit der Kleidung, des Haares und des Gesichts des Mannes entsprach – »der Herr Baron sind gestern angekommen und auf dem Riesenstein gewesen. Sie werden natürlich bei den Herren Saxoborussen eintreten, o, ich kenne das, ich sehe den Herren sogleich an, wohin sie gehören – der Herr Baron sind etwas müde und angegriffen – ja, ja, ich sehe das den Augen an, ja, ja, da tut nichts besser als eine tüchtige Waschung mit Honey-Water, vielleicht nachher noch etwas Eau de Quinquina, das verbindet sich zu einer unglaublich nervenstärkenden Wirkung – der Herr Graf von Kronau befehlen es immer so und auch der Lord Fitzgerald, es gibt nichts Besseres, und ich bin gewiß, daß der Herr Baron sich künftig auch für diese Behandlung entscheiden werden.«

Er hatte, während er schnell und lebhaft, aber ohne jede Abwechslung im Tonfall sprach, seinen grauen Beutel geöffnet und eine Anzahl von Flaschen, Schälchen, Schwämmen, Bürsten und Kämmen auf dem Tisch ausgebreitet.

»Was wollen Sie, wer sind Sie?« fragte Herr von Sarkow, den ein leichter Ueberrest von Kopfschmerz nicht besonders freundlich gegen den mit so eigentümlicher Sicherheit auftretenden Unbekannten stimmte.

Dieser hielt einen Augenblick in der beweglichen Geschäftigkeit, mit der er die verschiedenen aus seinem Beutel emporsteigenden Sachen ordnete, inne, sah den jungen Mann halb mitleidig bedauernd, halb vorwurfsvoll an und sagte dann: »Ich bin Schreckenberger, ami de la tête, sollte der Herr Baron nicht von Schreckenberger gehört haben? – Das wäre undenkbar, ich habe doch seit so vielen Jahren die Herren Saxoborussen frisiert und ihnen die Köpfe gewaschen – ich kann mich wohl rühmen, daß ich die Ehre habe, zum Corps zu gehören und dem Corps unentbehrlich zu sein – was wäre Heidelberg ohne die Herren Saxoborussen, und was wären die Herren Saxoborussen ohne Schreckenberger, der es allein versteht, das Haar richtig zu schneiden und vornehm zu arrangieren, der allein die echten englischen Parfüms hat und der es allem versteht, den Kopf zu waschen, daß der Blick auch nach der schärfsten Kneipern scharf und klar wird für die gefährlichste Mensur.«

Während er so sprach, war er mit einem großen Kamm durch Herrn von Sarkows Haar gefahren und schüttelte wie mißbilligend den Kopf; der junge Mann ließ ihn lächelnd gewähren – er berief sich ja auf die Saxoborussen, und dies genügte, um ihm eine freundliche Aufnahme zu sichern.

»Das ist nicht der richtige Schnitt,« fuhr Schreckenberger fort, »das paßt nicht für Ihr Gesicht, das ist zu eckig, zu pedantisch, zu philiströs – mein Gott, wie ist es nur möglich, daß es Künstler gibt, die so wenig Verständnis für die Harmonie zwischen dem Haar und der Physiognomie haben.«

Ohne Herrn von Sarkow Zeit zu einer Einwendung zu lassen, hatte er bereits mit einer Schere den unteren Teil der Haare am Hinterkopf verkürzt, dann den Scheitel höher hinaufgerückt und noch einige Schnitte an den Schläfen getan; er hielt dem jungen Manne einen Spiegel vor, und in der Tat mußte derselbe mit einem leichten Anflug von selbstgefälliger Eitelkeit den von dem Haarkünstler vorgenommenen Aenderungen seinen Beifall ausdrücken. Schreckenberger füllte darauf einige kleine Schälchen mit den duftigen Essenzen aus seinen Flaschen, übergoß Herrn von Sarkows Kopf mit dem von ihm gerühmten Honey-Water, ließ eine zweite Abwaschung von Eau de Quinquina folgen und bearbeitete dann mit harten Tüchern und starken Bürsten den Kopf so energisch, daß Herrn von Sarkow nichts übrig blieb, als die Augen zu schließen und sich der über ihn verhängten Operation stillschweigend zu unterwerfen, was ihm um so leichter wurde, als er in der Tat eine auffallend erfrischende Wirkung von der gerühmten Prozedur verspürte; Schreckenberger rieb den Kopf mit einer Pomade ein, deren Vortrefflichkeit er nicht genug rühmen konnte, und wußte dann trotz des ziemlich kurzgeschnittenen Haares einige Griffe mit dem Brenneisen zur Vollendung der neuen Frisur auszuführen, worauf er endlich abermals dem jungen Manne den Spiegel mit den Worten vorhielt:

»Es war in der Tat Zeit, Herr Baron, daß Ihr Kopf in meine Hände kam, es wäre schade um ihn gewesen. Nun,« sagte er dann, indem er die benutzten Gerätschaften wieder einpackte, »bleibt nur noch die Wahl des Parfüms. Die meisten Herren benutzen Eßbouquet, der Herr Baron von Helmholt zieht Springflower vor und der Herr Graf von Kronau nehmen nur Vetivert. Ich werde von jedem eine Flasche hier lassen, der Herr Baron werden dann später Ihre definitive Wahl treffen, wenn Sie nicht die Abwechslung vorziehen; ich stelle noch zwei Flaschen Eau de Cologne hin, die man ja immer braucht, und hoffe, daß der Herr Baron damit für den ersten Augenblick versorgt sein werden. Ich werde natürlich an jedem Morgen kommen, denn ich bin gewiß, daß Sie die Wichtigkeit meiner Waschung begriffen haben; es ist nicht nötig, nach mir zu schicken, ich werde es sogleich erfahren, sobald der Herr Baron eine Wohnung gewählt haben.«

Er hatte seinen Beutel wieder unter den Arm genommen und wollte sich mit einer tiefen Verbeugung entfernen, Herr von Sarkow öffnete sein Portemonnaie, aber die Frage nach der Rechnung des wohltätigen Haarkünstlers erstarb auf seinen Lippen bei dem wohlwollend belehrenden Blick, mit dem Schreckenberger schnell abwehrend sagte:

»Bitte, Herr Baron, diese Kleinigkeiten machen wir später ab, wie es die andern Herren auch tun – ich habe die Ehre, mich dem Herrn Baron auf Wiedersehen zu empfehlen.«

Er ging zur Tür hinaus, indem er auf der Schwelle mit einem andern Mann zusammenstieß, der gerade in diesem Augenblick die Tür von draußen geöffnet hatte. Der Neueintretende mochte etwa in dem gleichen Alter stehen wie Schreckenberger, es war eine gedrungene, kräftige Gestalt mit scharfgeschnittenem, pockennarbigem Gesicht, dünnem Haar und scharfblickenden Augen.

»Donnerwetter!« rief der Eintretende, indem er den Friseur Schreckenberger unsanft auf den Flur hinausschob – »das muß wahr sein, das ist ein vortrefflicher Zuwachs für das Corps; ja,« fuhr er fort, indem er sich dicht vor Herrn von Sarkow hinstellte und denselben musterte, wie es etwa ein alter Korporal mit einem Rekruten getan haben würde – »ja, man steht es den Herren gleich an, wohin sie gehören und was in ihnen liegt; der junge Zuwachs, das ist es, darin liegt es, in Ihnen, Herr von Sarkow, da steckt ein erster Chargierter – ich sehe das gleich – ich täusche mich nicht –, Sie erinnern mich an den Herrn von Burgdorf, ganz gewiß, vor fünf Jahren war er hier, solch ein erster Chargierter kommt nicht wieder – ich will zwar nichts gegen den Grafen von Kronau sagen, bei Gott im Himmel nicht, aber Donnerwetter noch einmal, der Herr von Burgdorf, das war auch ein Herr, wie er sein muß; wenn er durch die Straßen ging, dann sahen ihm alle Philister nach und die Mädchen standen hinter den Gardinen, und wenn er auf der Mensur stand, dann war die Abführung sicher – in der Tat, Sie haben eine merkwürdige Aehnlichkeit, war es vielleicht ein Verwandter von Ihnen?«

»Nein, mein Herr,« sagte Herr von Sarkow ebenso erstaunt als belustigt über die Art und Weise des ihm völlig unbekannten Mannes; »ich habe wohl seinen Namen gehört, aber ich habe ihn nicht persönlich gekannt.«

»Schade, schade,« sagte der Fremde, »ich hätte darauf gewettet, daß Sie mit ihm verwandt wären. Sie haben so etwas von ihm. Ihre Familie ist in Hinterpommern ansässig – Sie haben ein schönes Wappen, in der Tat ein schönes Wappen; quadriertes Feld, rote Rose in Gold, gekreuzte Schwerter in Rot. zwei Helme mit der Rose und den Schwertern, zwei Greife als Wappenhalter.«

»Ganz recht« sagte Herr von Sarkow erstaunt, »ich begreife in der Tat nicht –«

»Ich bin nämlich Lieber, Herr von Sarkow,« fiel der Fremde ein, »Sie wissen ja, Lieber, der Porzellanmaler, bei dem die Herren ihre Dedikationen malen lassen,« es werden prachtvolle Sachen bei mir gearbeitet, wirklich prachtvolle Sachen – natürlich für die Herren Saxoborussen – die andern,« sagte er achselzuckend, »nun ja, – es sind ganz vortreffliche, sehr brave und ehrenwerte Herren, aber Donnerwetter noch einmal, ich gehöre nun einmal mit meinem ganzen Herzen zu den Saxoborussen, und wenn ich die Farben sehe, dann geht mir das Herz weit auf, Donnerwetter – Virtus sola bonurum corona – wenn ich jung wäre und ein vornehmer Herr, nichts andres wäre ich geworden als Saxuborusse! Nun,« fuhr er fort, »Sie werden wohl bald einige Dedikationen zu machen haben, Herr von Sarkow, die Herren wetten und Würfeln ja oft um ein hübsches Stück Porzellan, und bei den Paukereien kommen dann die Dedikationen für die Sekundanten; es wird mir eine große Freude sein, Ihre Wappen zu malen, ich habe schon die Zeichnung entworfen nach dem Wappenbuche. Sie werden sich natürlich ein Teeservice anlegen – für die Teekanne empfehle ich Ihnen das Corpswappen, wenn Sie dazu nicht einen großen Präsentierteller wählen und vielleicht mit dem Herrn Grafen Steinborn eine Teekanne auswürfeln – er hat zwei Steinböcke als Wappenhalter und vier Helme, das macht sich vortrefflich auf der Teekanne, ich habe noch ein Teebrett mit dem Corpswappen fertig, das könnten Sie gleich nehmen als Grundlage für das Service, ich werde es Ihnen schicken, auch ist eben eine Tasse mit dem Schloß fertig geworden, ich sage Ihnen, Donnerwetter, es ist eine Pracht, kein andrer soll sie haben als Sie, ich werde sie Ihnen auch schicken, sobald Sie eine Wohnung haben.«

Es klopfte an die Tür.

»Sie bekommen Besuch, ich gehe,« sagte der Porzellanmaler, indem er Herr von Sarkows Hand ergriff und sie kräftig schüttelte; »ich wollte Ihnen nur guten Morgen sagen, ich kann es nicht anders – der Lieber gehört nun mal dazu – aber noch eins,« sagte er, sich zu Herrn von Sarkows Ohr neigend, während das Klopfen draußen wiederholt wurde, »hören Sie einen guten Rat – nehmen Sie sich in acht, alle Welt wird Sie überlaufen, man wird Sie anschmieren wollen, seien Sie vorsichtig – da ist noch so eine Porzellanmalerei, die Witwe Rosenberg – elende Schmiererei, keine Kunst, kein Verstand darin, fallen Sie ja nicht darauf herein, halten Sie sich an den Lieber, der nun einmal zu den Saxoborussen gehört. Das Teebrett mit dem Corpswappen und die Tasse mit dem Schloß ist also für Sie zurückgestellt, natürlich, wenn sie Ihnen gefallen, aber das versteht sich ja von selbst – ja, ja, ein erster Chargierter steckt darin,« sagte er noch halblaut wie für sich, indem er, den jungen Mann mit einem letzten Blick musternd, das Zimmer verließ.

Unmittelbar nach ihm trat ein junger, schmächtiger, gebückter Mann von etwa sieben- bis achtundzwanzig Jahren ein; er war mit einer gewissen Eleganz gekleidet, sein blasses, mageres Gesicht mit glänzenden schwarzen Haaren und schwarzen, klugen, beobachtenden Augen zeigte stark ausgesprochen den jüdischen Typus.

»Ich kann nicht unterlassen,« sagte er, sich tief verbeugend, »dem Herrn Baron meine Aufwartung zu machen; ich habe schon gehört, daß Sie gestern sind angekommen und eintreten werden bei den Herren Saxoborussen – nun, das versteht sich ja von selbst bei solch einem vornehmen Herrn – und da bin ich denn auch gleich gekommen. – Sie werden gehört haben von Salomon Nürnberger, mein Vater ist der Nathan Nürnberger, der berühmte Sammler von Antiquitäten und Raritäten, und ich bin jetzt eingetreten ins Geschäft, weil der Alte nicht mehr so beweglich ist und frisch wie früher. – Freilich,« sagte er achselzuckend, »das Geschäft ist schlecht, der Alte versteht sich nicht darauf, Geld zu machen, er ist zu nobel, ich sage Ihnen, Herr Baron, zu nobel. Wenn er hat ein schönes Stück, wofür ihm die Engländer würden bezahlen viel Geld, hundert Pfund und mehr, so gibt er's den Herren Saxoborussen für den Einkaufspreis, denn es ist sein Stolz, daß seine Sachen in würdige Hände kommen und Verständnis finden für Kunst und Altertum. Und ich bin ebenso; wenn ich auch einsehe, daß der Alte unrecht hat, ich mache es auch wie er; und wenn ich habe ein schönes Stück und ein Engländer würde mir bieten Gott weiß was für eine Summe, so gebe ich es doch wahrhaftig lieber einem von den Herren Saxoborussen, wenn er Gefallen daran findet. Nun, man muß sehen, wie man weiter kommt, der Herr Baron werden gewiß eine gute Kundschaft für mich werden und mit mir zufrieden sein – da habe ich zum Beispiel ein ganz vorzügliches Stück,« fuhr er fort, indem er eine außerordentlich kleine Genferuhr mit einem Emaildeckel von kunstvoller Arbeit hervorzog – »der Herr Baron von Souza, der Brasilianer, hat so eine ganz besondere Vorliebe für kleine Uhren, sie können ihm nie klein genug sein! er wird mir böse sein, wenn ich ihm diese nicht bringe, aber da der Herr Baron eben angekommen sind, so möchte ich doch gleich machen ein erstes Geschäft, damit wir uns kennen lernen; – was sagen Sie zu dem Stück? Wie? – Zweihundert Gulden – ich darf es eigentlich gar nicht tun für den Preis, aber es mag sein wegen der ersten Bekanntschaft. – Nun – was sagen Sie?«

Wahrend Herr von Sarkow noch die allerliebste kleine Uhr betrachtete, öffnete sich nach bescheidenem Klopfen abermals die Tür, und ein blonder Mann von einigen dreißig Jahren, dessen Kopf, mit krausem Haar bedeckt, ebenfalls in außerordentlich ausgeprägter Weise den jüdischen Typus zeigte, trat in das Zimmer. Nürnberger fuhr zurück wie bei der Annäherung einer Schlange, ein Ausdruck unaussprechlicher Verachtung zuckte über sein Gesicht, und schnell sich zu Herrn von Sarkow hinneigend, flüsterte er:

»Der Rauchthaler, Herr Baron, ein ganz gewöhnlicher Mensch, nehmen Sie sich in acht vor ihm, fallen Sie nicht darauf herein! –Hat er was? – Nichts hat er,– altes Gerümpel kauft er sich zusammen und dann versucht er es anzubringen bei den Herren für hohe Preise – Gott, der Rauchthaler! – Nu – der Herr Baron werden sehen, was ist der Rauchthaler!«

Rauchthaler schien ebenfalls wenig freudig überrascht durch Nürnbergers Anblick, er streifte ihn mit einem giftigen Blick und trat zu Herrn von Sarkow heran, indem er sich ihm auch seinerseits zum Ankauf von Antiquitäten und Raritäten empfahl. Plötzlich warf er wie erstaunt einen prüfenden Blick auf die kleine Uhr, die Herr von Sarkow noch in den Händen hielt.

»Gott, Herr Baron,« sagte er, »was haben Sie da für ein kleines Uehrchen, vielleicht ein Erbstück von irgend einer gnädigen Großmama oder Tante, man hat in früheren Zeiten wohl so etwas gehabt, wollen der Herr Baron machen ein Geschäft damit? Ich würde Ihnen raten, das Uehrchen zu behalten zum Andenken, einen Wert hat ja so was nicht. Nu, was kann es für einen Wert haben an Gold,« fuhr er achselzuckend fort – »wollen wir sagen fünfundzwanzig Gulden – eine große Rarität ist es nicht – werden mir angeboten alle Tage eine Menge solcher Dinge – aber wenn der Herr Baron das Uehrchen will loswerden, so will ich es ihm abnehmen, um ein erstes Geschäft zu machen, ich will dem Herrn Baron geben zwanzig Gulden und einen alten Degen mit einer Toledoklinge, worauf eingegraben ist das Wappen von Isabella der Katholischen.«

Er streckte die Hand aus, als wolle er die Uhr zu näherer Prüfung Herrn von Sarkow abnehmen.

Nürnberger, der mit zornsprühenden Blicken zugehört hatte, sprang schnell heran und rief:

»Herr Baron, lassen Sie nicht anfassen die Uhr, er wird einen Schaden daran tun, er wird sie hinfallen lassen aus Bosheit! – Fünfundzwanzig Gulden sagt er – wo ich doch habe gegeben selbst hundertundfünfundneunzig Gulden, und will sie nur verkaufen für zweihundert dem Herrn Baron, um nur zu machen ein erstes Geschäft mit fünf Gulden Profit! – Nun freilich – aber was kann er wissen von dem Wert, was kann er verstehen von seinen Sachen? – Wenn er hat ein Stück, was wert ist zehn Gulden, und er verkauft es für fünfundzwanzig, dann ist's ein Festtag bei ihm. – Lassen Sie ihn nicht anrühren die Uhr, Herr Baron,« sagte er noch einmal, sich zwischen Rauchthaler und Herrn von Sarkow drängend, der nicht umhin konnte, über diesen Streit der beiden Nebenbuhler laut aufzulachen.

Ehe Rauchthaler, der wie von Zorn erstickt nach Luft schnappte, eine Antwort fand, traten Franz von Helmholt und Charles Clarle in das Zimmer, um Herrn von Sarkow abzuholen.

»Ah, da seid ihr schon,« rief Helmholt lachend, »macht, daß ihr fortkommt, und laßt den Herrn von Sarkow in Ruh', Nimm dich vor den beiden in acht,« sagte er zu Sarkow, »das ist die Scylla und die Charybdis, hereinfallen wirst du doch noch bei ihnen, aber jetzt ist keine Zeit dazu.«

»Der Herr Baron von Helmholt,« sagte Nürnberger lächelnd, »ist ein sehr scherzhafter Herr, das muß wahr sein – Scyllus und Charybda – mag der Rauchthaler sein Scyllus, ist der Nürnberger noch lange nicht Charybda. Der Herr Baron von Helmholt weiß, was der Nürnberger wert ist, hat er ihm doch verschafft eine Sammlung von Meerschaumköpfen, wie sie zum zweitenmal nicht da ist in der Welt, und wenn ich sagen sollte, daß ich hätte gemacht einen Gewinn, so müßt' ich lügen! Nun – es ist mir genug mit der Ehre, daß, wenn jemand kommt und bewundert die Sammlung beim Herrn Baron von Helmholt, der Herr Baron kann sagen, das habe ich vom Nürnberger, und es gibt nur einen Nürnberger, der mir hat verschaffen können solche Stücke.«

»Lassen Sie Ihre Sammlung holen. Nürnberger, für fünfzig Gulden,« sagte Helmholt, »so rette ich wenigstens noch zehn Prozent von meinem Schaden.«

»Gerechter Gott!« rief Nürnberger entsetzt, »fünfzig Gulden, das wäre ein Straßenraub, wenn ich das annehmen wollte, ich könnte reich werden bei dem Geschäft – aber wie würde ich den Herrn Baron berauben von einer Sammlung, wie sie nicht zum zweitenmal da ist in ganz Deutschland. Behalten Sie die Uhr, behalten Sie die Uhr,« rief er lebhaft, als Sarkow die kleine Genferuhr zurückgeben wollte, »Sie können ja sehen, wie sie Ihnen gefällt, und wenn Sie sie mir wollen zurückgeben, so können Sie sich jeden Tag etwas andres aussuchen in meinem Laden dafür.«

»Jetzt genug,« rief Helmholt, »Clarke, wirf die Kerle hinaus!«

Clarke öffnete die Tür, Rauchthaler eilte schnell, gebückt, über die Schwelle, Clarke aber faßte Nürnberger am Arm und beförderte ihn, während er noch fortwährend lebhaft sprach und gestikulierte, in beschleunigtem Tempo bis an die ersten Treppenstufen, wo er ihn mit einem letzten, so kräftigen Druck entließ, daß man nur noch seine hastig herabpolterndcn Tritte vernahm.

»Der Corpskonvent,« sagte Helmholt zu Sarkow, »hat einstimmig deine Aufnahme als Renoncen beschlossen; wir kommen, dich abzuholen, die übrigen sind bei Kronau, um dich zu rezipieren.«

Herr von Sarkow errötete vor Freuden; er nahm mit einem gewissen Widerstreben seinen Hut, den er zum letzten Male tragen sollte, und folgte seinen beiden Freunden. Unterwegs kaufte er eine kleine Cerevismütze, die in Silber und schwarzem Sammet die Renoncenfarben der Saxoborussia trug – denn erst die Corpsburschen hatten das Recht, die vollen Farben zu führen –, und klopfenden Herzens trat er in den eleganten Salon der Wohnung des Grafen Kronau, in einem dem Karlsplatze nahegelegenen Hause der Hauptstraße. Das Zimmer war mit Pauk- und Kneipbildern und Porträts von Mitgliedern der Saxoborussia und befreundeter Corps sowie mit Schlägern und kostbaren alten Waffen verschiedener Art dekoriert; Lehnstühle und bequeme Diwans standen umher, einige riesige Hunde von der Ulmerrasse lagen auf dem Teppich ausgestreckt, auf einem Diwan lag ein kleiner, häßlicher gelber Pintscher, der sich mit kühler Gleichgültigkeit die Liebkosungen gefallen ließ, die die Herren von Wilberg und von Steinwald an ihn verschwendeten.

Die drei Chargierten und die sämtlichen Renoncen waren versammelt. Graf Kronau begrüßte Herrn von Sarkow herzlich, aber mit einer gewissen ernsten Zurückhaltung; er las ihm das Statut der Renoucen vor, das ihn vor allen Dingen verpflichtete, überall und zu allen Zeiten die Ehre des Corps in jeder Weise hochzuhalten und zu vertreten und den Anordnungen des Senioren- und des Corvskonvents unbedingt Folge zu leisten; er verpflichtete den jungen Novizen durch Handschlag auf die Befolgung des Statuts und sprach die Hoffnung aus, daß dieser sich bald würdig machen werde, das Band zu erhalten; alle übrigen begrüßten ebenfalls den nunmehr ihrer Gemeinschaft Angehörigen mit brüderlicher Herzlichkeit, und zitternd vor Stolz und Freude bedeckte er zum erstenmal sein Haupt mit der Cerevismütze.

»Jetzt wollen mir frühstücken,« sagte Graf Kronau, »und dann auf den Fechtboden, das Semester beginnt, und wir müssen uns zusammennehmen, denn die Vandalen haben schon ausgezeichnete Schläger, und ich höre, daß auch unter ihren Renoncen ganz tüchtige Kräfte sein sollen.«

Der kleine gelbe Pintscher, der anfangs Herrn von Sarkow mißtrauisch, mit halb unterdrücktem feindlichem Knurren betrachtet hatte, sprang nun freundlich wedelnd an ihm empor.

»Ah.« sagte Franz Helmholt, »sieh ihn, das ist unser Corpshund Moses, er hat sich vor Jahren einmal angefunden, niemand weiß, woher er kommt, und jetzt gehört er zum Corps. Gestern abend hat er die Kneipe geschwänzt, in den Ferien erlaubt er sich das zuweilen, sonst ist er regelmäßig da und sucht sich dann immer einen von uns aus, mit dem er nach Hause geht, besonders gern geht er mit den Füchsen, die ihn am besten Pflegen, gegen alle Fremde ist er feindlich, vorhin würde er dich gebissen haben, hättest du ihn angerührt, jetzt sieht er die Farben auf deinem Kopfe, – nun begrüßt er dich und wird wahrscheinlich heute bei dir bleiben.«

»Er frühstückt am liebsten Milch mit Zucker und frischem Weißbrot,« sagte der Fuchs von Wilberg mit einer gewissen Wichtigkeit, und Herr von Sarkow streichelte eifrig den kleinen Hund, der freundlich wedelnd an ihm emporsprang.

Man begab sich in die Konditorei von Louis Walz, in der Mitte der Hauptstraße, dem regelmäßigen Frühstückslokal des Corps, wo auch die übrigen bereits anwesend waren. Dies Lokal führte eigentlich mit Unrecht den Namen einer Konditorei, denn in dem kleinen Laden mit einem noch kleineren Hinterzimmer fand man außer einigen leichten Kuchenbäckereien und frischen Südfrüchten alle Arten von pikanten Delikatessen vereinigt, die auf kleinen Tellern zierlich angerichtet, das im Halbkreise das Zimmer einschließende Büfett bedeckten; Messer, Gabeln und kleine Löffel lagen daneben, Flaschen mit Bordeaux, Sherry und Portwein standen geöffnet, von Gläsern umgeben da, so daß jeder Gast ohne weitere Frage und Bestellung sich an Speisen und Getränken wählen konnte, was ihm beliebte, kleine Stühle und Tischchen standen umher.

Alle in Heidelberg anwesenden Mitglieder des Corps waren versammelt, sie hatten teils an den Tischen Platz genommen, teils ihre Stühle vor die Tür auf das Trottoir getragen, um dort während der angenehm und nützlichen Beschäftigung des Frühstückens zugleich die Vorübergehenden Revue passieren zu lassen; alle jungen Damen, die um diese Zeit durch die Hauptstraße gingen, bogen infolgedessen schon weit vor dem Walzschen Lokale ab und gingen auf der andern Seite der Straße vorüber, wobei es jedoch häufig vorkam, daß die zur Erde gesenkten Augen einen flüchtigen Blick nach der Walzschen Konditorei herüberschießen ließen, und daß ein ebenso flüchtiges Lächeln, das man füglich für einen verstohlenen Gruß halten konnte, über manche schöne Lippen hinglitt.

Herr von Sarkow, der nunmehr rezipierte Fuchs, wurde von allen Saxoborussen freundlich begrüßt und leerte manches Glas Sherry, das ihm als Willkommensgruß zugetrunken wurde. Aus dem Fenster eines schräg gegenüberliegenden Hauses blickten zwei reizende Mädchenköpfe – die eine der beiden jungen Damen war blond, die andre brünett, sie mochten etwa sechzehn Jahre alt sein und plauderten eifrig miteinander, ohne daß sie der gegenüberliegenden Walzschen Konditorei die geringste Aufmerksamkeit zu schenken schienen; dennoch bemerkte Herr von Sarkow, der in der Tür stand, daß zuweilen ein flüchtiger Blick herüberstreifte, und ohne übertriebene Eitelkeit konnte es ihm nicht entgehen, daß er der Gegenstand neugieriger Beobachtung von seiten der beiden hübschen Kinder war.

»Es ist unerhört,« rief Fritz von Helmholt, »wie dieser Walz uns ausplündert, ihr merkt das gar nicht, weil ihr niemals bezahlt, mein Bruder am wenigsten, der auf seinen Vormund rechnet, aber ich als ordentlicher Familienvater rechne nach, er verdient eigentlich, daß man gar nicht mehr herkommt.«

Herr Walz, ein kleiner Mann mit einem freundlich gutmütigen Gesicht, der hinter dem Büfett stand, protestierte feierlich und versicherte, daß er bei seinem Geschäft kaum etwas verdiene.

»Ja, es ist wahr,« rief Herr von Lindenberg neckend, »wir werden ausgeplündert, ich werde einen Vorschlag machen: wir erklären Walz den Krieg, seine Höhle soll von heute an vogelfrei sein, und wir nehmen seine Sachen mit List, er soll aufpassen, was er nicht bemerkt, wird ihm nicht bezahlt, dann wird sich die Sache ungefähr ausgleichen.«

Alle jubelten diesem Vorschlage Beifall zu, einige gingen hinter das Büfett, umarmten den sich heftig sträubenden und protestierenden Walz, drehten ihn laut lachend um sich selbst, und während er so von dem Büfett abgewendet wurde, bemächtigten sich die übrigen verschiedener kleiner Teller und Gläser, um sich mit ihrer Beute in das Hinterzimmer oder auf die Straße zurückzuziehen.

»Gut, meine Herren,« rief Walz, als er endlich losgelassen wurde, zwar ein wenig unwillig, aber doch mit heiterem Verständnis auf den Scherz eingehend, »tun Sie, was Sie wollen, das ist schlimmer als Faustrecht – gut, ich werde nun jedem von Ihnen, der die Lippen bewegt, dreißig Kreuzer anschreiben.«

In der Tat nahm er seine Notiztafel und machte, die jungen Leute scharf beobachtend, auf dieser seine Notizen, während jeder eifrig bemüht war, sich seinen Blicken zu entziehen, – eine Art der Kriegführung, die durch die verschiedenen, mit List erbeuteten Gläser ungemein zur Erhöhung der allgemeinen Heiterkeit beitrug und auch Herrn Walz trotz der erzürnten Miene, die er anzunehmen sich bemühte, sehr zu amüsieren schien; sein Griffel war unausgesetzt in Bewegung, und die Totalsumme, die er nach seiner Schätzung notierte, blieb wohl kaum hinter der auf diese Weise vermehrten Konsumtion zurück.

»Wer fährt heute abend mit nach Mannheim?« fragte Franz von Helmholt, »es ist Ball beim Grafen Schwertheim, maskierter Ball,« fügte er hinzu, indem er listig lächelnd den Finger an die Lippen legte, »Steinborn hat ganz besondere Intriguen vor, er hüllt sich in ein undurchdringliches Geheimnis und will sein Kostüm nicht verraten, damit er völlig unerkannt bleibt.«

»O, ich bin gewiß,« sagte Graf Steinborn, indem er die Spitzen seines Schnurrbarts emporwirbelte, »ich bin ganz gewiß, daß niemand mich erkennen wird; ich habe einigen Damen in Mannheim gesagt, daß ich als Türke kommen würde, andern als Spanier, aber niemand kennt doch mein wahres Kostüm, auch ihr nicht, und ihr sollt's auch nicht erfahren.«

»Es ist ein vortrefflicher Spaß,« flüsterte Franz Helmholt dem Grafen Kronau zu, »der Schwertheim gibt einen ganz einfachen Ball, und wir haben Steinborn eingeredet, es sei ein Maskenball, nun will er alle Welt intriguieren und wird ganz unkenntlich vermummt in die Gesellschaft treten.«

»Macht nur, daß er's nicht übel nimmt,« sagte Graf Kronau lächelnd.

»Er wird etwas schelten, aber er versteht Spaß,« sagte Franz Helmholt.

»Wie ist es mit dir, Sarkow,« fragte er dann, »gehst du mit?«

»Wie kann ich? Ich bin in der Gesellschaft ganz unbekannt.«

»O, das tut nichts,« rief Franz, »du fährst am Nachmittag mit uns hinüber, du gibst deine Karte ab, und ich bin gewiß, daß Graf Schwertheim dich sogleich einladen wird, denn sie freuen sich dort über jeden Zuwachs an jungen Herren, Luiz Antonio geht auch hin und mein Bruder, wir werden uns vortrefflich amüsieren – die Großherzogin Stephanie wird da sein, Graf Schwertheim ist ihr Hofkavalier, unverheiratet und gibt vortreffliche Bälle, bei denen dann immer eine Dame aus der Gesellschaft die Honneurs macht – komm mit, ich übernehme deine Einführung.«

Herr von Sarkow stimmte ein wenig zögernd zu. Dann begab man sich auf den Fechtboden, wo alle sich mit Kopfmasken, ledernen Bruststücken und hohen Stulphandschuhen versahen, um sich mit stumpfen Korbrapieren in der Handhabung der kommentmäßigen Corpswaffe zu üben und für die gleich nach der Eröffnung des Semesters beginnenden Paukereien vorzubereiten. Der neue Fuchs von Sarkow wurde einer scharfen Prüfung unterzogen, Graf Kronau und Lord Fitzgerald, die beiden besten Schläger des Corps, machten selbst jeder einen Gang mit ihm; der junge Mann aber hatte sich schon auf der Schule fleißig geübt, und seine Handhabung der Waffe fand die allgemeinste Anerkennung, so daß Lord Fitzgerald, der zweite Chargierte, welche Würde etwa dem Waffenwart und Marschall der alten Orden entspricht, ihm freundlich zunickte und die Hoffnung aussprach, daß der Fuchs eine Zierde des Paukbuches, in das die Resultate aller Corpspaukereien eingetragen werden, bilden würde.

Nach dem Schluß des Fechtbodens trat Luiz Antonio de Souza, der sich meist still und schweigsam zurückhielt, zu Herrn von Sarkow heran und sagte, indem er ihn mit seinen dunkeln, schwermütigen Augen ansah: »Du gefällst mir, Sarkow, du bist frei und offen und fröhlich, und ich bin oft traurig, das paßt zusammen und gibt einen guten Accord, ich glaube, wir werden gute Freunde werden; in meinem Hause ist eine Wohnung frei, komm mit mir, du kannst sie nehmen.«

Herr von Sarkow stimmte freudig zu und begab sich, von Luiz Antonio geführt, nach der Unterwasserstraße, wo dieser zwei Zimmer in dem Hause des jüdischen Tuch- und Kleiderhändlers Treuberg bewohnte. In diesem Hause war noch ein großer, eleganter Salon mit daranstoßendem Schlafzimmer zur Vermietung an die Studenten frei; schnell wurde Herr von Sarkow mit dem alten Treuberg, einem einfachen, biederen Geschäftsmanne, einig: es wurde verabredet, daß am Nachmittage schon seine Koffer in seine neue Wohnung gebracht werden sollten. Als er mit seinem neuen Hausgenossen die Treppe herabstieg, trat ihnen aus dem im unteren Stockwerk gelegenen Ladenraum ein junges, mit geschmackvoller Einfachheit gekleidetes Mädchen entgegen, in dem Herr von Sarkow sogleich die Blondine erkannte, die er vorhin an dem Fenster gegenüber der Walzschen Konditorei gesehen hatte. Hier in unmittelbarer Nähe frappierte ihn noch mehr die außerordentliche Schönheit des Mädchens, auf deren zartem Gesicht noch der liebliche Schmelz der Kindheit lag deren rehbraune Augen vertrauensvoll herzlich und zugleich übermütig neckisch in die Welt hinausblickten, die in vollem Sonnenschein der jugendlichen Hoffnung vor ihr lag.

»Fräulein Dorchen Treuberg,« sagte Luiz Antonio, »meine kleine Hausphilisterin – hier ist Herr von Sarkow, unser neuer Fuchs, der eben die Wohnung neben der meinigen gemietet hat.«

»O, das ist hübsch von Ihnen, Herr von Souza,« rief Dorchen, »daß Sie den Herrn hierher geführt haben; ich habe Sie schon gesehen, Herr von Sarkow,« fügte sie mit schalkhaftem Lächeln hinzu, »als Sie drüben bei Walz vor der Tür standen. Sie werden zufrieden bei uns sein, Sie sehen so solid aus, da passen Sie zu dem Herrn von Souza, der immer still und ruhig nach Hause kommt.«

Sie reichte dem jungen Mann herzlich die Hand, und dieser blickte entzückt in das liebliche Gesicht und die strahlenden Augen seiner neuen Hausgenossin. »Nun komm, wir müssen zu Tisch gehen,« sagte Luiz Antonio, »ihr werdet künftig noch Zeit genug haben, eure Bekanntschaft zu machen, und du wirst dich bald genug in Fräulein Dorchen verlieben.«

»Sie sind ein abscheulicher Mensch, Herr von Souza,« sagte Dorchen, indem sie sich schmollend abwendete, wobei sie aber dennoch Zeit fand, Herrn von Sarkow mit einem flüchtigen Blick zu streifen, dessen Ausdruck deutlich erkennen ließ, daß sie selbst die angedeutete Möglichkeit nicht für ausgeschlossen hielt.

Im Badischen Hof war die eine Ecke der im großen Speisesaal gedeckten Tafel für die Saxoborussen reserviert; der kleine Corpshund Moses, der Herrn von Sarkow nicht verlassen hatte, erhielt in einer Ecke des Saales auf kleinen Tellern sein dîner à part. Unter fröhlicher Unterhaltung verlief der Mittagstisch, manche Flasche wurde geleert, und beim Kaffee wurde der getrunkene Wein gegeneinander ausgewürfelt, bis die ganze Rechnung an einem der Herren hängen geblieben war, ein Schicksal, das heute wie häufig den in jedem Spiel unglücklichen Charles Clarke traf.

Nach Tisch packte Herr von Sarkow einen Gesellschaftsanzug in eine Reisetasche, gab Befehl, seinen Koffer nach seiner neuen Wohnung zu schaffen, und fuhr dann mit Luiz Antonio de Souza, Franz von Helmholt, dem Grafen Steinborn und Herrn von Lindenberg nach Mannheim, um in der dortigen Gesellschaft, von deren reizendem, ungezwungenem Leben er ebenfalls durch seine älteren Freunde bereits viel gehört hatte, sein Debüt zu machen.


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