Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Schwarzauge

Der Rio San Carlos in Arizona hat zwei Quellarme, von denen der eine auf der Sierra Blanca, der andere im Mogollongebirge entspringt. Steigt man an diesem aufwärts, so gelangt man nach und nach aus tiefen Cañons, auf deren Scheitelhöhen kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm zu sehen ist, auf die Montaña de la Fuenta und zuletzt an die Stelle, wo das Wasser aus dem Felsen sickert. Dort ragen drei einzeln stehende Macollafichten in die Luft. Hinter ihnen fällt die Höhe, deren Kante früher mit Bäumen gleicher Art bewachsen war, fast lotrecht in einem schmalen, aber um so tieferen Cañon hinab, der früher einen anderen Namen hatte, jetzt aber der Cañon de los Apachos heißt.

Schreitet man auf den Steinen, die aus dem Wasser ragen, bis an den Rand des Cañons vor, so bietet sich drüben dem Auge ein Anblick, der vermuten läßt, daß dort die Stätte eines gräßlichen Ereignisses zu suchen ist. Man blickt auf eine viereckige Plattform, die vorn durch den erwähnten Cañon und rechts und links durch ähnliche, senkrecht eingeschnittene Seitenschluchten vollständig abgetrennt ist. Hinten, auf der vierten Seite, ragt eine riesige, unersteigbare Felsenmauer, von der mehrere schmale, klare Wasserfäden rinnen, gen Himmel. Sie wird jetzt in der Sprache der Apatschen Selkhitsé und von den spanisch sprechenden Einwohnern von Arizona Peña del Asesinato genannt. Beides hat dieselbe Bedeutung, nämlich Mordfelsen.

Diese kleine, viereckige Hochfläche ist so vollkommen von der übrigen Welt abgeschnitten, daß man meinen sollte, es hätte nie ein lebendes Wesen dorthin gelangen oder gar da wohnen können. Und doch erblickt man Spuren, die beweisen, daß vor noch nicht langer Zeit Menschen, und zwar nicht wenige, dort ihren Aufenthalt gehabt haben. Man sieht, daß, genährt durch die erwähnten Wasserfäden, da drüben ein Wald gestanden hatte, der nun abgebrannt ist. Die verkohlten Baumstümpfe beweisen es. Zwischen ihnen liegen die geschwärzten Trümmer leichter Adobeshütten und die Überreste halb verbrannter Tier- und Menschenknochen.

Was ist hier geschehen? Durch welches Ereignis ist dieser einst so belebte Ort in eine Stätte des Todes verwandelt worden?

Vor noch nicht langer Zeit standen zwei Männer in der Nähe der erwähnten drei Macollafichten und blickten über den Cañon hinüber nach dem Wald, unter dessen sonnendürren Wipfeln sich das rege Leben eines indianischen Ko-uah-clar Hüttendorf entfaltete.

Sie waren noch jung, aber ihre Gesichter hatten einen strengen, frömmelnden Ausdruck, zu dem auch die enganliegenden und sehr langschößigen schwarzen Röcke paßten, die sie trugen.

»Also«, sagte der eine von ihnen, »du glaubst wirklich, Bruder Jeremias, daß Brigham Young mir diese Indianerin als Frau ansiegeln würde?«

»Ganz gewiß!« nickte der andere. »Wir sind ausgesandt, die roten Heiden zu bekehren, da sie das gleiche Recht wie wir haben, Heilige der letzten Tage zu sein. Diese Gleichheit des Rechts sichert dir die Einwilligung des Präsidenten.«

»Intah-tisle ist eine große Schönheit und braucht sich vor den 58 Frauen unserer zwölf Apostel nicht zu verstecken. Aber ihr Vater, der Häuptling, will sie nur einem tapferen Apatschenkrieger geben.«

»Hast du schon mit ihm gesprochen? Zwinge ihn, so wird er dich bitten, sie zu nehmen.«

»Zwingen? Auf welche Weise?«

»Küsse sie! Eine Indianerin muß die Frau dessen werden, der sie öffentlich küßt. Nur dadurch kann ihre verletzte Ehre wiederhergestellt werden.«

»Das weiß ich auch; aber ...«

»Kein Aber!« rief Bruder Jeremias aus. »Sollen wir als ungehörte Prediger zurückkehren? Das wäre eine Schande, und kein Apostel würde uns hinfort ansehen. Du liebst die Indianerin. Mache sie zu deinem Weib, so wird sie Mormonin werden und bei der Bekehrung der Ihrigen deine beste Stütze sein ... oder fürchtest du dich?«

»Fürchten?« lachte der andere verächtlich. »Bevor ich Heiliger wurde, trug ich Gewehr und Bowiemesser und habe manchen Roten und auch Weißen ins Gras gestreckt. Young hat mir nicht ohne Veranlassung den Namen Gideon gegeben, den Namen des größten Helden Israels. – Komm zum Dorf! Ich werde dir zeigen, daß ich keine Furcht kenne.«

Sie gingen bis zum Rand des Cañons, über den damals eine Brücke führte. Sie bestand aus geflochtenen Seilen von ungegerbter, geräucherter Büffelhaut, deren Enden hüben und drüben im Felsen verkeilt waren und auf denen man holzige Kaktusstämme befestigt hatte.

Diese schwankende Brücke bildete die einzige Möglichkeit, nach dem Hüttendorf zu gelangen, das ein Apatschenhäuptling mit dem größten Teil seines Stammes bewohnte. Um sicher vor jedem feindlichen Überfall zu sein, brauchte er nur einen einzigen Wächter an die Brücke zu stellen.

Jetzt stand ein junger Krieger da, der die beiden Mormonen wortlos an sich vorüber ließ und dann dem Bruder Gideon finsteren Blickes nachschaute. Es lag dabei der Ausdruck eines grimmigen Hasses auf seinem bronzenen Gesicht.

Das Dorf faßte einige hundert Krieger mit ihren Familien, Pferden und Hunden. Die Squaws knieten oder saßen arbeitend unter den Zedern. Sie webten Decken, kneteten Ton zu Gefäßen oder stampften Mais und Gerste zu Mehl. Die Mädchen und Knaben spielten oder übten sich im Gebrauch der Waffen. Die Männer aber lagen vor den Hütten und sahen untätig dem Treiben der Ihrigen zu. Den Krieger würde das Arbeiten schänden.

Die größte Adobeshütte lag in der Mitte des Dorfes. Neben der Tür saß Pesch-itschi Eisenherz, der Häuptling, und unterhielt sich mit einer für einen Roten ungewöhnlichen Freundlichkeit mit seiner Tochter.

Ihre schlanke und doch volle Gestalt war ganz in eine leichte, farbenreiche Navajodecke gehüllt. Das Haar hing in langen, schweren Zöpfen weit über den Rücken herab; und das Gesicht hatte einen fast ägyptischen Schnitt. Aber das Schönste an ihr waren die Augen, diese großen, langbewimperten, schwarzen, sammetartigen Augen mit dem schwermütig-ernsten, träumerischen Indianerblick.

Wegen dieser unergründlichen Augen hatte das Mädchen den Namen Intah-tisle, Schwarz- oder Dunkelauge, erhalten.

Da kamen die beiden Mormonen gegangen, und die Häuptlingstochter flüchtete vor Gideon ins Innere der Hütte. Sie wußte, welche Absicht er hegte, aber sie haßte ihn. Sie hörte die beiden Missionssendlinge sprechen von Joe Smith und dem Buch Mormon, von dem neuen Jerusalem und Brigham Young, von den Freuden der Seligkeit, die die Latter-Day-Saints Die Heiligen der letzten Tage nach dem Tod erwarten.

Der Häuptling hörte ihnen schweigend zu wie einer, der den Worten keinen Glauben schenkt, dies aber aus Höflichkeit nicht sagen will.

Schwarzauge trat mißmutig an die fensterähnliche Öffnung der rückwärtigen Hüttenwand und blickte hinaus. Sie sah den Brückenwächter kommen; er war soeben abgelöst worden und mußte an dem Fenster vorüber. Ihr Gesicht erheiterte sich; ihre Augen bekamen einen innigen Glanz, und sie schob das schöne Köpfchen zur Luke hinaus.

Er sah sie und flüsterte ihr im Vorübergehen zu: »Titschi oya – heute abend!«

»Ha-au, schi kahr – ja mein Geliebter!« antwortete das Mädchen.

Intah-tisle hatte ihr kleines und doch so stolzes Herz verschenkt; es trieb sie, dem Geliebten nachzublicken, und da sie das vom Fenster aus nicht konnte, trat sie schnell hinaus vor die Hütte.

»Ah, Schwarzauge, warum fliehst du mich?« rief Bruder Gideon ihr zu. »Du sollst meine Squaw werden und die glücklichste aller Angesiegelten sein!«

Dies sagend, schlang er die Arme um sie und drückte seine schmalen, farblosen Lippen auf ihren schwellenden Mund.

Da aber fuhr der Häuptling schnell wie der Blitz empor, riß ihn von der Tochter weg und rief: »Räudiger Hund, wie darfst du es wagen, die reine Tochter der Apatschen zu beschmutzen? Fahre zu Boden und bettle um Gnade!«

Dabei schlug er ihm die Faust ins Gesicht, daß der Übeltäter niederstürzte.

Bruder Gideon raffte sich jedoch augenblicklich auf; die Wut ließ ihn nicht überlegen, was er tat; er drang auf den Häuptling ein und gab ihm den Hieb zurück.

Die Wirkung dieses Schlages war eine unerwartete. Pesch-itschi stand unbeweglich; sein Auge maß den Verwegenen mit einem vernichtenden Blick; dann stieß er einen schrillen Ruf aus, der durchs ganze Dorf erklang.

Im Nu eilten von allen Seiten die Krieger herbei. Ein Wort des Häuptlings genügte; die Mormonen wurden niedergerissen, gebunden, geknebelt und dann ins Innere der Hütte geworfen. Die Knebel hinderten sie, miteinander zu sprechen.

Zwei lange, lange Stunden vergingen; dann wurden die beiden hinaus und in den Kreis der Krieger geschafft, die ernst und still um Eisenherz saßen.

Der Häuptling wendete sich verächtlich von Bruder Gideon ab und sagte zu Jeremias: »Ein Schlag ist eine todeswürdige Beleidigung und kann nur mit dem Blut des Täters abgewaschen werden. Die Krieger der Apatschen haben Rat gehalten und beschlossen, daß der Mormone sterben soll. Auch dich wollten sie töten, aber ich habe für dich gesprochen: du sollst Zeuge der Strafe sein und dann zu deinen Heiligen zurückkehren dürfen.«

Die Weißen konnten sich weder mit Worten noch durch Taten wehren.

Gideon wurde an einen Baum gebunden und, ohne erst gemartert zu werden, erschossen.

Der Häuptling trat zur Leiche, netzte seine Hand mit dem hervorquellenden Blut und strich es sich ins Gesicht. Damit war seine verletzte Ehre wieder hergestellt.

Jeremias erhielt die Taschen mit Lebensmitteln gefüllt, dann trug man ihn fort über die Brücke, nahm ihm den Knebel und die Fesseln ab und ließ ihn laufen.

Er entfernte sich, ohne ein Wort zu sagen oder auch nur zurückzublicken, watete durch das Wasser der Quelle und folgte deren Lauf bis in den zweiten Cañon hinab. Erst da blieb er stehen, ballte die Fäuste und rief knirschend: »Rache, ja Rache! Das Blut dieses Heiligen komme über euch! Ihr habt ihm den Leib genommen, ich werde seiner Seele alle die eurigen nachsenden, daß sie ihr dienen und vor ihr kriechen sollen in alle Ewigkeit!«

Er befühlte seine Taschen und bemerkte zu seiner Genugtuung, daß man ihm das Messer, das unter dem Rock steckte, nicht abgenommen hatte. Dann versteckte er sich, um von etwaigen Nachforschern nicht bemerkt zu werden, in eine schmale Felsenritze.

Diese verließ er erst, als es dunkel zu werden begann, und kehrte nach dem Quellwasser der Montaña de la Fuente zurück. Er schlich an den drei Macollafichten vorüber, bis er den Posten an der Brücke stehen sah, und kroch hinter einen Stein, der ihn vollständig verbarg. Hier wollte er warten, bis die Apatschen schliefen, dann wollte er den Posten beschleichen und niederstechen, da es ihm nur hierdurch möglich wurde, auf die Platte zu gelangen.

Drüben brannten die Feuer vor den Hütten und beleuchteten das Gelände bis an den Cañon und die Brücke. Dabei konnte der Mormone bemerken, daß jetzt der Posten wieder abgelöst wurde. Die Stelle wurde wieder von dem jungen Krieger besetzt, der Schwarzauge für heute abend zu sich bestellt hatte.

Die Zeit verging; ein Feuer verlöschte nach dem anderen, und das Geräusch des Lagerlebens verstummte mehr und mehr. Endlich erstarb auch der letzte Flammenschein, und tiefes Dunkel lag nun rundumher.

Die Zeit war da. Jeremias kroch hinter dem Stein hervor und nach dem Cañon. Geräuschlos wie eine Schlange glitt er an seinem Rand hin und nach der Brücke. Sie war höchstens zwanzig Schritt lang.

Eben hatte er sie erreicht, als er ein Flüstern vernahm, das von drüben herüber immer näher kam. Es befanden sich also Leute auf der Brücke, über dem gähnenden Abgrund in stockdunkler Nacht. Er wich zur Seite und wartete.

Intah-tisle hatte sich bei dem Geliebten eingestellt.

Da sie drüben doch immerhin von jemand überrascht werden konnten, so pflegten sie, wenn der Geliebte auf Posten stand, über die Brücke und dann durch den Quelleneinschnitt zu gehen, wo es hinter den Felsen ein lauschiges Plätzchen gab, von dem aus man zwar nicht nach dem Dorf blicken, dafür aber ganz ohne Sorge vor Überraschung plaudern konnte.

Das war allerdings eine kleine Pflichtverletzung, aber keine gefährliche. Wozu die Brücke bewachen? Der Apatschenstamm lebte gerade jetzt mit jedermann in Frieden, und hätte es einen Feind gegeben, der sich heranschleichen wollte, so mußte er unbedingt an dem Liebespaar vorüber und wäre ganz gewiß von ihm entdeckt worden.

So schritten die beiden auch heute über die Brücke und wendeten sich plaudernd nach der Schlucht der Quelle.

Der Mormone kehrte um und schlich ihnen nach, um zu wissen, wo sie bleiben würden. Als sie sich niedergesetzt hatten, huschte er wieder zurück. Nun kroch er auf allen vieren über die Brücke und machte sich daran, seinen teuflischen Plan auszuführen. Er wollte die Apatschen in den Flammen umkommen lassen. Nahrung für das Feuer gab es genug. Die Wipfel der Bäume waren halb verdorrt, dürre Ranken und Schlinggewächse waren auch da, und überall stand das hohe, breite Espadagras in saftlosen Büscheln. Wenn das Feuer sich schnell verbreitete, waren die Indianer verloren.

Er zog das Feuerzeug aus der Tasche und kniete nieder. Ein Funken glühte auf, ein kleines Flämmchen zuckte ins Gras und fraß sich weiter. Schnell kroch der Mormone über die Brücke zurück und zog das Messer, um die Seile zu durchschneiden. Sie waren außerordentlich hart, und er mußte alle seine Kraft anwenden; es gelang ihm aber doch.

Als der letzte Strang entzwei war, rutschte das Hängewerk ab und flog prasselnd gegen die jenseitig Cañonwand. Der einzige Rettungsweg war den Apatschen abgeschnitten.

Jetzt konnte Bruder Jeremias seine Aufmerksamkeit wieder dem Feuer zuwenden.

Wie hatte der eine kleine Funken sich so schnell vergrößert! Bereits säumten hohe Flammen die ganze Cañonseite ein; rechts und links fraßen sie sich an den Schluchten hin, und schon leckten auch feurige Zungen an den vordersten Bäumen empor.

Und die Apatschen schliefen alle, alle, weil sie sich auf den Wächter an der Brücke verließen! Aber es gab noch andere Wächter, die Pferde und Hunde. Diese begannen zu schnauben und zu wiehern, zu bellen und zu heulen; die Roten mußten erwachen.

Jeremias duckte sich eng an das Gestein, um mit teuflischer Freude das Fortschreiten seines Werkes zu beobachten.

Die beiden Liebenden konnten, wie bereits gesagt, die Platte nicht sehen, aber sie hörten das Wiehern und Bellen. Sie sprangen auf und eilten nach der Quelle. Durch die offene Schlucht blickten sie in das Flammenmeer, das bereits den Himmel zu röten begann.

Vor Entsetzen aufschreiend, rannten sie vorwärts, nach der Brücke hin, er voran und sie hinterdrein. Den Blick nur hinüber auf die Flammen gerichtet, kam er bei der Stelle an, wo sie befestigt gewesen war; schon im Sprung, bemerkte er zu spät, daß sie nicht mehr vorhanden war – ein entsetzlicher, markdurchschneidender Schrei, und er flog in die grausige Tiefe hinab.

Schwarzauge kam nahe hinter ihm gerannt, aber sein Schrei und sein Fall warnten sie; sie vermochte noch, die Schritte anzuhalten, blieb stehen und blickte, als ob sie es nicht glauben könne, starr in den schwarzen, gähnenden Abgrund hinab.

Da richtete hart neben ihr der Mormone seine dunkle Gestalt auf und fragte: »Ist er hinab, dein Bräutigam? Auch du mußt hinunter! Dein ganzer Stamm verbrennt, und dich werde ich dem Tod ansiegeln!«

Da zeigte sich das Indianerblut, das selbst im höchsten Schreck nur einen einzigen Augenblick zu stocken vermag. Noch hatte Jeremias nicht ganz ausgesprochen, so trat Intah-tisle einen Schritt zurück und rief: »Du bist's, Ungeheuer? Fahre du selbst hinab!«

Sie sprang blitzschnell auf ihn ein – ein kräftiger Stoß von ihr, ein unbeschreibliches Gebrüll aus seinem Mund, und er stürzte seinem zerschmetterten Opfer nach.

Schwarzauge sank zusammen. Händeringend starrte sie hinüber.

Die Flammen bildeten jetzt eine einzige wogende Masse. Dunkle Punkte rannten darin hin und her; es waren die Tiere und die Menschen, die brüllend aus ihren Hütten stürzten. Rettung konnte es nur dann geben, wenn man die Brücke erreichte; aber schon nach wenigen Schritten fielen sie geblendet, versengt und gebrannt zu Boden. Nur einige erreichten die Stelle, wo sich die Brücke befunden hatte: das Feuer trieb sie hinab in die Tiefe des Cañons.

Das Wiehern und Bellen, das Heulen, Brüllen und Rufen wurde schwächer und schwächer und verstummte endlich ganz. Nur eine einzige Stimme war zu hören, die der Flammen: ein tiefes, dumpfes Brausen wie von einem fernen, brandenden Meer.

Die Wipfel der Bäume waren verzehrt; nun ergriff das Feuer die Stämme und nagte sich tiefer und tiefer an ihnen nieder. Hellglühende Rauchschwaden wirbelten empor und bildeten eine mächtige schwarze, schwer über der Brandstelle lagernde Wolke, durch die vereinzelte Funkenraketen zuckten. Diese Wolke schien die Flammen niederzudrücken, sie senkte sich langsam herab. Die Stämme brannten nicht mehr, sie glühten und kohlten nur noch.

Auch diese Glut erlosch, nur hier und da sprühte es ab und zu auf, dann wurde es Nacht, eine schreckliche Nacht des Todes, in dicken, erstickenden Rauch gehüllt.

Als am Morgen die Sonne die Stätte des Verderbens beschien, saß Schwarzauge noch immer an derselben Stelle. Sie hatte keine Träne, keinen Seufzer, kein Schluchzen, kein Wort für ihren Schmerz.

Der heisere Schrei eines Aasgeiers weckte sie aus ihrer seelischen Erstarrung. Sie stand auf und wankte fort, durch die Quellenschlucht hinab, immer weiter, bis sie nach Stunden die Tiefe des Cañons erreichte, wo der Mormone mit seinen Opfern lag. – Dort saß sie den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht bei den entstellten Überresten des Geliebten.

Am nächsten Tag erschien sie, der Schatten ihrer selbst, auf der Estanzia del Trigo. Eintönig und scheinbar ohne innere Bewegung erzählte sie, was geschehen war.

Man bot ihr Essen und Trinken an; sie schüttelte den Kopf. Sie wollte weder Speise noch Trank, sie wies auch jeden Trost von sich. Sie ging und niemand hat sie seitdem gesehen.

Von diesem Tag an wird jene Felsenspalte Cañon de los Apachos, die Schlucht der Apatschen, und die sich über ihr erhebende Felsenmauer die Peña del Asesinato, der Mordfelsen, genannt!


 << zurück weiter >>