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Die Wolken.

Oft sehn wir eine Wolke, drachenhaft.
Oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär,
Der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang,
Gezacktem Berg und blauem Vorgebirg,
Mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt,
Mit Lust die Augen täuschend ...
Des dunklen Abends Prachtgebilde.

Shakespeare.

Ein griechischer Denker hat gesagt, der Mensch sei geboren, um den Himmel und die Gestirne zu schauen, und in gleichem Sinne hat schon die Sprache jenes Volkes den Menschen Sprich: ánthropos. άνϑρωποϛ genannt, »den nach oben blickenden«. Es bedarf keines Hinweises, wie bedeutsam damit das Wesen desselben gezeichnet ist. Denn der Mensch schaut nicht bloß um sich und unter sich, wie das Tier, sondern in sich und über sich, und ehe hierfür noch sein geistiges Auge sich öffnet, erhebt sich verlangend sein leibliches Auge zum Himmel. Und in der Tat, wo in der sichtbaren Schöpfung gäbe es ein königlicheres Bild, als den Aether, der unalternd und unermessen die Erde trägt und hält? In seinen Höhen scheint alles Stoffliche hinweggenommen zu sein; von dort ergießt sich der Strom des Lichts und der Lüfte, und gleich einem ewigen Symbol der Treue begrüßt uns das eine reine Blau, das sich über dem Grün der Fluren so vielverheißend wölbt. Ja eben diese sanfte, lichtdurchdrungene Bläue berührt uns fast unmittelbar wie ein Geistiges. Denn sie vornehmlich ist es, die den Blick nach oben zieht, und indem sie vor ihm und über ihm immer weiter und immer höher sich dehnt, weitet und erhebt sich mit dem Sinne die Seele.

Dennoch zeigt sich uns der Himmel, ebensowenig wie die Erde, als etwas Unwandelbares; vielmehr ist er, um nochmals das Wort eines alten Griechen zu gebrauchen, ein πολϑπόϛωποϛ, Sprich: poly-prósopos. d. h. ein »antlitzwechselnder«, und eben darin haben wir eine wesentliche Schönheit desselben zu erkennen. Das aber, was ihm die vielgestaltige Physiognomie verleiht, sind vor allem die Wolken.

Achten wir derselben zwar auch in der Enge der Städte, so widmet ihnen doch ungleich anteilvollere Aufmerksamkeit der Bewohner der freien Ebene und des Gebirges und mehr wiederum als diese der Seemann. Der letztere hat auf dem hohen Meere außer ihnen kaum noch irgendetwas anderes, das seine Betrachtung anregen könnte; denn sie bilden fast das einzige veränderliche Element in der einförmig ihn umgebenden Szene. Sie verraten ihm nicht nur den Zug der Winde und den kommenden Sturm, sondern auch die Nähe des Festlandes und der Inseln; und von langer Fahrt zurückkehrend, erblickt er oft, bevor er noch die heimatliche Küste selbst wahrnimmt, deren luftiges Abbild, wie es sich als Wolkenmasse am Himmel darstellt. Das alles Grund genug, die Wolken für mehr als launenhafte Hieroglyphen des Luftraums zu halten. Allein ihre Natur ist freilich mit jenen Bemerkungen so wenig erklärt, da wohl noch immer gefragt werden darf:

Was sind also die Wolken?

»Kinder des Zeus und der Gäa«, antwortet der Dichter, und ist nun dieser Ausdruck auch nur ein poetischer, so beruht er doch auf der richtigen Anschauung, daß die Wolken unter Einwirkung der Atmosphäre aus den Gewässern der Erde und des Meeres entstehen. Mit anderen Worten: die Wolken sind Wasser, aber von der Wärme emporgehobenes, in Dampf verwandeltes Wasser. – Allerdings sind nicht alle Wasserdämpfe auch schon Wolken. Denn verdunstetes Wasser schwebt jederzeit in der Luft und ist zum Gedeihen des Lebens unentbehrlich. Wo immer das offene Meer seine Wellen schlägt, ist sie mit demselben erfüllt, und natürlich, daß auch das Klima der Küsten und Inseln den reichsten Teil daran hat; natürlich aber auch, daß derselbe anderseits, nach den wasserärmeren Binnenländern der Kontinente zu, sich fortschreitend vermindert: im Innern Nordamerikas und Australiens, in den sibirischen Steppen, über der Sahara ist die Luft trockener als anderwärts. Dennoch entbehrt sie auch dort jenes Elementes nicht ganz. Denn 7/10 der Atmosphäre ruhen auf dem Ozeane, und selbst über den Sand der Wüste tragen Winde die erquickende Feuchte. Könnten wir wahrnehmen, was wir nicht wahrnehmen, so würden wir, ähnlich den Perlen im gefüllten Weinglase, über Meeren und Strömen, über Seen und Flüssen Milliarden von Dampfatomen in die Atmosphäre emporsteigen sehen, die sie in sich aufnimmt und somit jene indische Sage von der Göttin Mariatale wahr macht, welche das Wasser ohne Gefäß trug. Allein dieses luftgewordene Wasser verrät sich nur der empfindlichen Quecksilbersäule unserer Barometer und anderen noch empfindlicheren Werkzeugen der Wissenschaft, nicht aber den Augen: denn es ist eben noch keine Wolke. Damit diese sich bilden könne, bedarf es vielmehr ganz bestimmter Temperaturverhältnisse.

Und hier nun hat man sich daran zu erinnern, daß mit der zunehmenden Wärme der Luft auch die Verdunstung des Wassers zunimmt, und daß die Atmosphäre um so mehr Wasserdampf aufzufassen vermag, je höher ihre Temperatur ist, wenn schon jenes Maß immer nur als ein strengbegrenztes gedacht werden darf. Je tiefer dagegen die Temperatur einer Luftschicht herabsinkt, um so langsamer erfolgt die Verdunstung, um so weniger vermag die Luft an Wasserdampf aufzunehmen.

Wenn daher eine warme Luftmasse sich mit einer kalten mischt und dadurch an Wärme verliert, so verliert sie zugleich die Fähigkeit, die ganze Fülle des in ihr gelösten Wasserdampfes festzuhalten: die kältere Luftströmung scheidet ihn aus und verdichtet ihn zu Bläschen, deren Hülle, gleich den Seifenblasen, aus flüssigem Wasser besteht, während die Höhlung noch immer mit bloßem Dampf erfüllt ist. So wird der bis dahin unsichtbare sichtbar: es bildet sich ein Nebel oder eine Wolke. Denn beide sind in Wirklichkeit gleichbedeutend und nur dadurch unterschieden, daß die eine in der Höhe zieht, der andere am Boden ruht.

Die Wolken bestehen daher nicht mehr aus bloßem Wasserdampf, sondern auch aus bereits niedergeschlagenem, frei in der Luft schwebendem Wasser, und sie entstehen durch das Zusammentreffen ungleich erwärmter Luftschichten. Oder um uns einer naheliegenden Veranschaulichung zu bedienen: die Wolken sind ein Aushauch der Wassermasse unserer Erde, der sichtbar wird unter der Berührung kälterer Luftschichten, gerade wie der Hauch unseres Mundes nur sichtbar wird, wenn er in eine merklich kältere Luft entweicht.

Woher aber dieser die Wolkenbildung bedingte Wechsel der Luftschichten? Die Antwort ergibt sich aus der großartigen Zirkulation des Luftmeeres, das gleich dem Ozean in einem beständigen Rhythmus auf- und abflutender Strömungen und Gegenströmungen über uns kreist, und ebensowohl Kälte von den Polen her, als Wärme vom Aequator her mit sich führt. Aber die Antwort ergibt sich nicht allein daraus! Vielmehr erzeugen sich auch, unabhängig von jenen großen tellurischen Gesetzen, wiewohl darum nicht weniger gesetzmäßig, örtliche Luftströmungen sehr verschiedener Temperatur, wie das im Laufe der täglichen Periode überall hervortritt und am augenfälligsten da, wo Meer und Festland unmittelbar aneinander grenzen, oder wo größere Wasserflächen, wo Wälder und Gebirge den Zug der Ebene unterbrechen. Daß Punkte solcher Art zugleich immer Werkstätten der Wolkenbildung sind, bedarf der Andeutung nicht. Man kennt die Fruchtbarkeit der Wälder auch in dieser Beziehung. Unaufhörlich steigt von den Blättern ihrer Kronen, von den Moosen und Gräsern, von den Quellen und Bächen, welche sie in ihrer Tiefe nähren, Wasserdunst auf, um Nebel und Wolken zu bilden, und selbst der zarte Duft, der ihr Fernbild so reizend verschleiert, gibt Zeugnis dieser Tätigkeit. – Doch auch der Gebirge haben wir Erwähnung tun müssen. Nicht zwar, als ob der tote Stein einen belebenden Odem zu entsenden vermöchte. Aber indem sich die feuchtwarmen Luftströme der Ebenen an den hochragenden Felsenbarren stauen und hier in immer kältere Regionen emporschwellen, kühlen sie sich ab, und unvermögend, die bisher getragene Wasserlast ferner zu tragen, lassen sie an den Gipfeln einen Teil derselben in Gestalt eines Nebels, einer Wolkenhaube zurück. Die Gebirge sind demnach recht eigentlich Wind- und Wetterscheiden, sie sind nach einem indianischen Ausdrucke »Vater und Mutter des Regens«, und mit ihrer Beobachtung hat ohne Zweifel die praktische Meteorologie des Volkes begonnen. Wie in der Kapstadt der Tafelberg als atmosphärische Warte gilt, und wenn seine Spitze sich in weißen regenverkündenden Wolkenschichten verbirgt, die Eingeborenen sagen, »das Tafeltuch sei gedeckt«: The table cloth is spread. Die Erscheinung des sogenannten »Tafeltuches« wird übrigens wesentlich durch eine das Kap in der Richtung von Südost nach West (an der Bank Lagoullas) umkreisende Strömung erzeugt. Von diesem Strom eines selbst in kälterer Jahreszeit bis 70 Grad Fahrenheit erwärmten Wassers erhebt sich dann eine starke Dunstmasse, welche, sobald ein kalter Südostwind zu wehen beginnt, von diesem verdichtet wird und so fortziehend an dem Kamme des fast wagrecht abgeschnittenen, gegen 3600 Fuß hohen Tafelberges als eine leichte, geflockte Wolkenschicht, gewissermaßen als ein die Bergfläche gleichförmig bedeckendes Tuch sich anlegt. so hört der Wanderer in den Gebirgen unseres Vaterlandes und der Schweiz allerorten ähnliche Sprüche.

Am Vierwaldstalter See sagt man:

Hat der Pilatus einen Hut, wird das Wetter gut,
Hat er einen Kragen, kannst du es wagen;
Hat er einen Degen (Windbaum), gibt es Regen.

Fast wörtlich gleich lautet der Spruch vom Niesen am Thuner See. Am Kyffhäuser heißt die Wetterregel:

Bleibt Kaiser Friedrich ohne Hut,
Bleibt das Wetter schön und gut,
Ist er mit dem Hut zu seh'n,
Werdet ihr bald Regen seh'n.

Beiläufig gesagt, widerspricht dieser letzte Spruch dem vorhergehenden nicht. Denn wenn sich Wolken auf so niedrigen Bergen wie der Kyffhäuser lagern, so ist dies ein Zeichen der mit Wasser gesättigten tieferen Luftschichten.

»Mach' hurtig!« ruft im Tell der Fischer seinem Buben zu –

»Mach' hurtig, Jenni! Zieh die Naue ein!
Der graue Talvogt kommt; dumpf brüllt der Firn;
Der Mythenstein zieht sein Haube an,
Und kalt her bläst es aus dem Wetterloch.
Der Sturm wird, mein' ich, da sein, eh' wir's denken.«

Aehnliche Gründe endlich erklären, warum auch über den eisbedeckten Polarmeeren fast zu jeder Jahreszeit jene undurchdringlichen Nebel lagern, welche dem Schiffer nicht selten verderblicher werden als Sturm und Brandung.

So wenig diese flüchtigen Bemerkungen einem wissenschaftlichen Anspruch genügen, und so vieles hier übergangen werden mußte, um den anscheinend einfachen Prozeß nicht zu verwickeln, so wird doch klar sein, daß die Wolke den entschiedenen Gegensatz zu allem Festen und Bleibenden bildet. Sie besteht vielmehr nur dadurch, daß sie entsteht und vergeht. Ward nämlich derjenige Grad der Feuchtigkeit erreicht, welchen eine Wolke zu fassen vermag, ist sie nach dem gebräuchlichen Ausdrucke »gesättigt«, dann erfolgt eine neue Verwandlung, indem das noch immer halb luftartige Wasser aus dem bisherigen Uebergangszustande völlig in seine ursprüngliche Gestalt zurückkehrt: die Nebelbläschen rinnen in wirkliche Tropfen zusammen und fallen, vermöge ihrer Schwere, als Regen herab. Die Wolke selbst aber löst sich damit auf.

Unsere Zone ist reich an Regen, reicher als die meisten anderen, und ebendeshalb mag uns derselbe oft nur als Störer und Unhold erscheinen; ja schon die einzelne Wolke ist uns als Gleichnis des Neides und der Sorge geläufig. Wir reden von umwölkter Stirn, umwölkten Augen, und ein Landregen gar gilt vielfach nur als eine alle Geduld überbietende Episode. Aber kehren wir das Bild um! Welch ein Anblick, wenn statt tage- und wochenlangen Regens, wochen- und monatelang unbewölkt und ungeregt das Kristallgewölbe des Himmels steht! Wie ergreifend schildert das alte Testament die Schrecken der Dürre in dem fluchbeladenen Lande! – die Bäche versiegt, das Gras verdorrt, Roß und Stier verschmachtend, die Erde berstend unter dem glühenden Strahl der Sonne. Da aber, als Jehovas Zorn gesühnt ist, steigt Elias hinauf zum Karmel und sendet seinen Knaben aus nach dem Meere zu schauen, und sendet ihn siebenmal. Es ist nichts! lautet immer von neuem die Antwort. »Aber am siebenten Male kam der Knabe und sprach: Siehe, es gehet eine kleine Wolke auf aus dem Meere, wie eines Mannes Hand, und ehe man zusahe, war der Himmel schwarz von Wolken und Winden und kam ein großer Regen.« In Wahrheit, es bedarf keiner weiteren Worte; die Dichter haben nicht umsonst die regnende Wolke als die segnende gepriesen, denn sie spendet in jedem Tropfen Leben um Leben. Ich erinnere, um noch ein großartiges Beispiel zu nennen, an Südamerika. Hier treiben vom atlantischen Ozean die warmen Winde eine Regenmenge heran, welche alle uns gewohnten Vorstellungen übertrifft. Mit Dampf beladen ziehen dieselben landeinwärts und obgleich sie bereits an den niedrigen brasilianischen Gebirgen einen Teil ihrer Fülle zurückgelassen, entleeren sie sich doch vollständig erst dann, wenn die schneestarrende Mauer der Kordilleren ihnen den Weg vertritt. Und nun wiederholt sich, kaum auf Stunden unterbrochen, ein Schauspiel von nicht selten erschütternder Gewalt. Denn fast scheint es, als stürze unmittelbar die schwere schwarze Wucht der Wolken zur Erde, und das Ohr vernimmt betäubt nur den donnernden Katarakt einer einzigen Wasserflut. Die Ansiedler aber nennen eben diesen Wind el criador, »den Erzeuger«. Und wer wüßte auch nicht, daß jetzt die neugetränkte Steppe ein Uebermaß der Vegetation entwickelt, welches sich nur erhält, indem es sich endlos vernichtet, und daß aus diesen Wassergüssen genährt drei der größten Ströme der Welt, der Laplata, der Orinoko, der Marannon ihren Ursprung nehmen? Zugleich zeigt sich hier in überraschender Weise das, was man als die aufsaugende Kraft der Gebirge bezeichnet hat. Denn derselbe Passat, der ostwärts der Kordilleren die Llanos in einen einzigen Wasserspiegel verwandelt, tritt jenseits, aus den Westabhängen des Gebirges, als ein vollkommen trockener Wind und treibt an den Küsten von Peru und Bolivia die Dünen der Medanos, die nie mehr ein Regentropfen netzt, im wilden trügerischen Spiele vor sich her. In Europa liefert derartige Beispiele die skandinavische und pyrenäische Halbinsel. Auf jenen bilden die Kjölen den Damm, der sich dem feuchten, vom atlantischen Meere hereinwehenden Westwinde entgegensetzt, und dadurch empfängt die norwegische Westküste eine für so hohe Breiten ganz außerordentliche Regenmenge (am verrufensten ist Bergen mit einem jährlichen Niederschlag von 83 Zoll), während in Schweden innerhalb Jahresfrist kaum 20 Zoll Regen fallen. – Aehnlich sind die Verhältnisse an der nördlichen und westlichen Küste von Spanien, wo die asturischen und gallizischen Gebirge eine Art von klimatischer Scheide bilden. Hier gießt der Regen oft à cantaros (in Krügen), und bei Bilbao fallen jährlich gegen 100 Zoll; noch mehr aber in Santjago de Compostela, das daher den unschönen Volksnamen orinal de España – die »Wasservase von Spanien« führt. – Die östlichen Abhänge der Kordilleren heißen übrigens eben der im Text geschilderten Verhältnisse halber »der Regenschatten des Gebirges«.

Bedürfte es noch der Erwähnung, daß auch der »weiße Regen« des Winters im Haushalte der Natur von höchster Wichtigkeit ist? Wenn dieses zarte Meteor in sanfter Wallung niedergleitet oder im wirbelnden Tanze herabfliegt, und wenn es alles überdeckt mit seinem stillen keuschen Weiß, so webt es kein Leichentuch, wie man so oft sagt, sondern den festlich strahlenden Teppich. Jubelnd begrüßt der Kindermund die stäubenden Flocken:

Die Engeli hend's Bettli g'macht,
Die Federli fliegen herunter –

und »unbewußter Weisheit froh«, trifft er auch hier das Rechte. Denn dieser Schnee ist das Bett, in dem das Frühlingskind schläft. Unter der wärmenden Schneehülle – wie viele Hundert Riesel und Quellen! wie viele tausend und aber tausend des kriechenden Gewürms! wieviel Millionen mal Millionen keimender Samen, grünender Sprossen!

Und endlich auch die Wolke an sich selbst, die Wolke ohne Schnee und Regen, ist nicht ein müßiges Spiel des Himmels, sondern wartet gleicherweise eines Dienstes im Reich der ewig schaffenden Natur. Denn sei es, daß sie die Flur vor der sengenden Glut des Sommers oder vor der erstarrenden Kälte des Winters decke, sei es, daß sie ihren weiten Mantel über das Meer werfe und einer allzureichen Verdunstung Einhalt tue, oder daß sie berührt vom Sonnenstrahl sich wieder in Dampf verwandle, um anderen Zonen zuzueilen: immer sind die Wolken die stillwirkenden, aber mächtigen Ausgleicher des Klimas, die Schirmer und Pfleger alles tierischen und pflanzlichen Lebens. Käme es auf Beispiele an, so würde ein bloßer Hinweis auf unsere Hochalpen genügen, in denen schon die reichliche Wolkenbildung das Eintreten einer wirklichen Dürre unmöglich macht und der Vegetation jene Frische des Duftes, jene Fülle der Würze und jene Kraft der Farbe gibt, durch welche dieselbe in so hohem Grade ausgezeichnet ist.

Wen könnte es nach dem allen noch befremden, daß das Auge der Völker sich früh diesen wohltätigen Gebilden zugewandt und ihnen gläubig-dichtend Gestalt und Leben geliehen hat?

Wenn noch heute der Araber in den ziehenden Wolken das Bild desjenigen Tieres wiederfindet, dem er alles verdankt, so sah einst schon der Inder in ihnen die Herden des Aethers. Indra, der Luftgott, weidet sie; darum heißt er gavâm gôpati, »der Kühe Hüter«; mit dem flammenden Streithammer melkt er sie, und nicht weniger als die dürstende Erde labt er sich selbst an den verjüngenden Tropfen. »Du trinkst von den Kühen, du trinkst vom Himmelstau, o Held! Der Flüsse Rauch füllt klingend dir den Kelch!« heißt es in den Liedern der Veden. Und noch reicher vielleicht gestaltete sich dieser Glaube bei den heidnischen Germanen. Denn nicht bloß, daß Thor, der blitzgewaltige, gleich Indra, die Wolkenrinder vor sich her treibt und von ihrer Milch schlürft; auch die goldhornigen Böcke, mit denen er über die Himmelshalle fährt, auch das Roß Odhins, des Sturmgotts, auch die Rosse der Walküren, von deren Mähnen der Hagel in die Wälder fällt, und die riesigen Katzen selbst, die Freias Wagen ziehen, sind nichts anderes als Wolken. Endlich die Griechen! Wie sinnig haben sie die Bühne ihres schönen Himmels gestaltet! Zeus, Hermes, Pan, Apollo, Athene – ein ganzer Chor von Wolkengöttern tritt uns hier entgegen. Auf dem Berge Lykaion, da, wo drei Quellen zugleich entspringen und ununterbrochen Wolken emporschicken, ist nach arkadischer Sage die Geburtsstätte des großen Göttervaters. Aber wie der Lykaion, so sind alle ragenden Berggipfel dem »Wolkensammler« geweiht, und er führt nach ihnen allen die heiligen Namen. Und wenn er zürnend die Aegis schwingt, daß die Sterblichen zittern, wenn Apollos goldener Pfeil den nachtgeborenen Drachen erlegt, wenn Athene waffenstrahlend aus dem Haupte des Kroniden hervorspringt, wenn Hermes aus dämmernder Höhle schleicht, die Sonnenstiere zu stehlen: so sind auch das insgesamt wieder Anschauungen, welche auf das Leben der Atmosphäre und insbesondere der Wolken zurückgeführt werden dürfen.

Es ist wahr, diese mythischen Vorstellungen liegen unserem Denken fernab. Aber die poetische Schönheit derselben empfinden auch wir, eben weil sie auf dem lebendigsten Natursinn und auf der vollsten Naturwahrheit beruhen. Und fragen wir nun, nachdem wir uns die physikalische Tätigkeit der Wolken in Erinnerung gebracht, worin denn ihre ästhetische Bedeutung bestehe, so scheint es, dieselbe bedinge sich ebensowohl durch ihre Gestalt, als durch ihr« Bewegung und Färbung. Ja, wir dürfen vielleicht, noch einen Schritt zurückgehend, den eigentlichen Reiz des Geheimnisvollen betonen, der schon ihr Entstehen umspielt.

Denn wenn wir auch das Gesetz der Wolkenbildung kennen, so entzieht sich doch der Vorgang selbst zumeist unseren Augen. Wir sehen die Wolke; aber wir sahen nicht ihr stilles Werden: sie ist da, plötzlich und wie durch Zauber hervorgerufen. Und gerade darin spricht sie uns mit einem Widerscheine des Geistigen an. Oder wäre der Ursprung unserer eigenen Seelenbewegung uns nicht oft genug ein ähnliches Rätsel? Ein Gedanke erwacht in uns; ein Gefühl ergreift uns, und ein unwiderstehliches »Ich muß!« ist die Wirkung; aber woher sie gekommen? wie sie entstanden? – wir wissen es kaum. Darum ist die Wolke in der Sprache der Dichter zu einem Bilde des Seelenlebens, vor allem zum Bilde des Gedankens geworden, und eine verwandte Anschauung scheint in dem skandinavischen Mythus vom erschlagenen Riesen Ymir anzuklingen, aus dessen Blut das Meer, aus dessen Hirn die Wolken entstanden. Die Wolken sind Ymirs Gedanken.

Aber auch da, wo der Beginn ihrer Bildung uns unmittelbarer vor Augen tritt, in dem Nebel unserer Herbst- und Frühlingsabende findet die Phantasie den ergiebigsten Stoff. Geh' über die Wiese, geh' durch den Wald und betrachte das leise Spinnen und Weben. Es fließt um dich wie feuchte Fäden, es gährt und wallt, und jetzt hängt's schon im Geäst mit grauen Flügeln, während dort aus dem Wasser sich bleiche Schemen recken. Ueber den Hügel zieht gespenstisch eine Büßerprozession in schleppenden Gewanden, drunten im Tal wälzt sich ein Leviathan heran, und doch im Nu

verschwemmt's der luft'ge Zug; unkenntlich wird's,
wie Wasser ist im Wasser.
(Shakespeare.)

Wem brauchte das Spannende und Aufregende eines solchen Anblickes noch weiter geschildert zu werden? Es ist ein Etwas und ein Nichts zugleich, ein Gestaltlos-Gestaltetes, ein Bild wiederum des mächtig, aber verworren in sich ringenden Geistes.

Allerdings kann nun dieser Luftalp auch lähmend wirken, indem er, massenhafter aufsteigend, mit dem Auge zugleich das Gemüt bindet, das dann hier nur für die Stimmungen der Verlassenheit und Entsagung einen Nachhall sucht; und daher verfolgen wir wohl um so freudiger den Wechsel, welchen der Morgen bringt, wenn im Strahl der Sonne das Nebelmeer sinkt und versiegt oder nur hier und da in leichten Schleiern aufwärts schwebt.

Allein damit stehen wir bereits vor der Wolke.

Darf man nun auch sagen, daß dieselbe formenbestimmter erscheine als der Nebel, so sind doch auch ihre Linien insgesamt fließend und zerrinnend, und wenn es daher schwer ist, Wolken zu zeichnen, so ist es noch schwerer, sie mit dem bloßen Worte zu charakterisieren. Inzwischen hat der Quäker Howard im Anfange unseres Jahrhunderts, zufolge langer sorgsamer Beobachtungen, eine Reihe von Wolkenformen aufgestellt, welche selbst von der Wissenschaft anerkannt worden sind, da sie in der Tat für gewisse atmosphärische Verhältnisse Maß geben und gleichsam die Urtypen aller Wolkenbildung enthalten.

Ohne der Theorie Howards in ihren Einzelheiten nachzugehen, begnügen wir uns hier, im allgemeinen mit demselben eine dreifache Form zu unterscheiden: eine locker zerfaserte – den cirrus –, eine massig aufquellende – den cumulus –, und eine ruhig geschichtete – den stratus.

Wolken der ersteren Art ( Federwolken, cirri) zeigen sich bald als lockiger Flaum, bald in größeren Linien schweifartig auseinanderwehend. Da sie die äußerste Grenze der Wolkenregion bezeichnen und noch hoch über den höchsten Gipfeln der Erde ziehen, so bestehen sie wahrscheinlich nicht mehr aus flüssigen Wasserbläschen, sondern aus feinen Eisnadeln, wofür vielleicht auch ihr reines Weiß sprechen dürfte. Es gehören hierher die milchigen Gewebe, welche den kommenden Föhn verkündigen, die Wind- oder Wetterbäume, Adams- oder Abrahamsbäume, Die Engländer nennen sie Roßschweife (maretails) da nach Goethes Wort, der Himmel »wie mit Besemen gekehrt« ist: ausdruckslose unfertige Formen, und doch auch sie in ihrem linden Fließen nicht ohne Reiz. Bei ihrem Erscheinen mögen wir uns an Hebels Lied erinnert fühlen, das die Frau Sonne über die Himmelsstraße wandeln und aus Dunst- und Duftfäden die Wolken stricken läßt. Freilich sagt man, Stricken sei ein Attribut nicht bloß der Häuslichkeit, sondern auch der Langeweile, und jedenfalls sind unsere wohlbekannten »Lämmerwölkchen« ober »Schäfchen« ungleich lebendiger und anmutiger. Die faserige Flocke hat sich da bereits verdichtet, aber ihre Form ist ebenso zart als ihre Farbe, und beides im Verein mit dem lichten Blau des Himmels bringt jenen Eindruck des Lieblich-Naiven hervor, den ihr Volksname so treffend bezeichnet. Denn in der Tat ziehen sie dort oben gleich einer stillen Herde, oft in Reihen und Gruppen, denen dann wohl ein oder das andere Wölkchen verloren folgt: das Sinnbild eines unschuldig heiteren Friedens. Wahrhaft festlich aber gestaltet sich's, wenn sie den Abendhimmel mit einem Frühling von Rosen überstreuen oder wie ein Reigen von Genien um die hinabtauchende Sonne schweben. So, in ihrer leuchtenden Verklärung, lassen sie uns die großen Meister Correggio und Raffael verstehen, welche sie auf ihren Madonnenbildern in Engelschöre transfigurieren.

Dieser zartesten Luftgestaltung gegenüber spricht sich die höchste Energie des Wolkenlebens in den plastischen Formen der zweiten Art, der balligen Haufwolke (cumulus) aus. Ihre Bildung mag ganz besonders von dem senkrecht aufsteigenden Wärmestrome abhängig sein; denn während sie am arktischen Himmel fast niemals gesehen werden, gehören sie zu den täglichen Erscheinungen der Tropenzone und treten bei uns am großartigsten auf in den Gewitterwolken des Hochsommers. Wer hätte nicht schon mit staunendem Auge ihre scharfen Umrisse betrachet, wie sie sich stumm über den Horizont emporschieben und in wenigen Minuten ein Gebirge türmen mit Schluchten und Gletschern, mit steilen, blendenden Zacken! Die mächtig aufstrebende, in ihrem Kerne dunklere Massengestalt trägt den Charakter des Majestätischen, Feierlichen, und wenn sie, scheinbar ihre luftige Form verlierend, gleich einer ehernen Wand über den Himmel wächst, so vermag sich ihre Wirkung zum Dämonischen zu steigern. Ich erinnere ferner an den Moment, da die Wetterwolken, terrassenartig wider einander gelagert, lauschend die schwarzen Häupter erheben, und plötzlich der Blitz zuckt und der Kampf der Elemente beginnt. Nun stürzen sie Himmel und Erde in Nacht, als solle wieder das alte Chaos hereinbrechen. Aber siegend schmettert der Gott die erdgeborenen Riesen nieder; im Lichtsturm zerreißen die wilden Massen, fliehend noch ihre Blitze verschleudernd, bis auch der letzte erloschen und der letzte Donner verrollt ist.

Und jetzt im silberklaren Aether des Abends erscheint wohl die dritte der vorhergenannten Formen: die Schichtwolke (stratus). Welch eine ganz andere Gestalt ist das! Streifen und Bänder, Dämme und Bänke, in matten halbverblichenen Farben und fast ohne einen Zug von Bewegung. In Wahrheit, weit mehr als für die überquellende Pracht des Sommers, sind sie die bezeichnende Szenerie für die in sich versinkende Stille des Spätjahres. Oft ruhen sie da ganze Nachmittage über dem Himmelsrande: ein sanft elegisches, selbst schwermutvolles Bild. In ihren einförmigen, wie zum Schlaf hingestreckten Gestalten, in ihrem gedämpften Licht atmet die Erschöpfung, die ihr Werk getan hat. Es kann daher auch nicht geleugnet werden, daß diese Wolkenform, zum mindesten wo sie eines Gegensatzes entbehrt, leicht ein Gefühl der Leere erzeugt, wie das in humoristischer Weise Immermann im »Tulifäntchen« hervorgehoben hat.

Gesellen wir endlich hierzu aus der Reihe der äußerst mannigfaltig zusammengesetzten Uebergangsformen nur noch die Regenwolke (nimbus). Eine solche entsteht zwar immer, sobald eine Wolke sich in Wasser niederschlägt; allein ihr voller Charakter tritt doch erst in jenen größeren Dunstmassen hervor, die sich oft über ganze Landbreiten hinwälzen. Diese Bewölkung übt schon infolge ihrer Schwere – denn oft hängt sie mit zerfetzten Rändern wie unmittelbar über uns herab – einen Druck auf das Gemüt; sie verschließt die Himmelsweiten und das Himmelslicht, ohne durch die Kraft der eigenen Farbe, Gestalt oder Bewegung zu spannen. Es sind bleigraue, bleischwere Schwaden.

Miserable Wolken! Nirgends
Stehen sie so dicht und breit,
Als am Firmament, das schaut
Auf das Land der edlen Deutschen!
(Immermann.)

Und doch welche gesunde Frische wehet aus dem Regen entgegen! welche verschiedenen Bilder, wenn er ruhig herabströmt in flüssiger Säule, oder wenn der Wind ihn peitschend schwingt! wie einlullend rieseln die Tropfen in lauer Sommernacht! wie energisch klatscht ein Aprilschauer! und endlich mitten in der farblosen Wüste emporspringend das Triumphtor des Regenbogens – wie erhaben-freundlich schließt es die Szene!

Indessen hat unsere Betrachtung hiermit bereits das Gebiet der typischen Wolkenformen verlassen und ein Beispiel jener Metamorphosen gegeben, durch welche die Wolke eine neue ästhetisch wirksame Bedeutung erhält. Die Wolke ist – wir müssen wiederholen – in keinem Augenblicke dieselbe, sondern in ununterbrochener Wandelung und Wanderung begriffen; und dies gilt selbst noch von der Schichtwolke. Nun gestaltet sich diese Bewegung allerdings sehr mannigfaltig. Bald kriecht die Wolke träg am Horizonte hin, bald richtet sie sich vulkanartig auf, bald treibt sie wie scheiternd durch den Luftraum. Im allgemeinen aber wird, je schneller die Bewegung ist, der Eindruck ein um so aufregenderer, beunruhigenderer sein. Man denke an die Tage des Vorfrühlings, da der Himmel mit hastig ziehenden Haufenwolken überdeckt ist und die ganze Feste zu wandern scheint. Man denke an die Nächte des Spätherbstes mit den heulenden Chören der Stürme und den grinsenden jagenden Wolkengeschwadern. Das ist ein Himmel, das sind Wolken, wie wir sie uns zu den Wahnsinnsszenen im Lear oder zu der Mordnacht im Macbeth vorstellen; ja ihr bloßes Schattenbild, wie es sich fließend über beleuchteten Fluren und Berghängen zeichnet, ruft in uns noch verwandte Empfindungen hervor. Ist dagegen die Luftstimmung eine ruhigere, so ändert sich demgemäß auch ihr psychischer Reflex. Die stillhinschwimmende Wolke wird mehr als irgend etwas anderes Symbol und Erwecker der Sehnsucht; nur daß auch hier, je nach der rascheren oder langsameren Bewegung schwächere und stärkere Grade unterschieden werden müssen. Schon der Fluß, der Bach, wie wundersam ziehen sie uns an! in welche Träume wiegt uns das Kommen und Gehen der Wasser! Und nun erst die Wolke im weiten blauen Himmelsplan! Einer anderen Welt angehörend, wandelt sie hoch über dem Schicksal der Menschen, unhörbar, unerreichbar. Aber wie sie über deinem Haupte zieht, so zieht sie weit und weiter zu fernhinwohnenden Geschlechtern; und wie sie ihren Schatten zur Erde herabsendet und alles Harte und Schroffe in weichen Duft legt: mag sie nicht so auch um dein Leid den Schleier breiten und dich entrücken in ein Land des Friedens und der Freiheit? Darum sind die Wolken, wie die Vögel, Boten sehnender Liebe; darum ruft zu ihnen am fremden Strand, in Haft und Banden die jugendliche Königin; darum betet im schmerzlichen Kampf der Seele Iphigenie:

Du hast Wolken, gnädige Retterin,
Einzuhüllen unschuldig Verfolgte,
Und auf Winden dem ehr'nen Geschick sie
Aus den Armen, über das Meer,
Ueber der Erde weiteste Strecken
Und wohin es dir gut dünkt, zu tragen!
(Goethe.)

Wir dürften unsere Betrachtung schließen, wäre nicht in wenigen Worten noch der Farbe der Wolken zu gedenken. Denn gerade ihr kommt ein erheblicher Teil an der poetischen Wirkung derselben zu. Und wie nun der majestätischste aller Laute in diesen körperlosen Gebilden wohnt, so sind auch die majestätischsten aller Farben über sie ausgeschüttet; zugleich entfalten sie in einem Wechsel, der demjenigen der Gestalt nichts nachgibt, alle Abschattungen derselben vom Heiterlieblichen bis zum Düsterdrohenden. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß dies letztere vor allem von der schwarzen Wolke gilt; denn sie ist die Finsternis selbst. Aber schreckend wird der Eindruck, sobald mit der nächtlichen Farbe eine grelle Beleuchtung sich mischt, wie in jenen brandroten, schwefligen Tönen, welche nicht selten die Spätherbstabende durchglühen. Unter dem schwarzen Wolkendrachen verblutend die Sonne: so verkehrt sich das herrlichste Phänomen der Natur in ein furchtbarprächtiges, aber wüstes Bild des Grauens. – Im Gegensatz dazu erscheint weißes Gewölk fein und zart. Doch läßt es, wo nicht zierliche Formen sich hinzugesellen, kalt, und erst wenn ein wärmeres Farbenleben es rosig und golden durchdringt, gewinnt es volle Schönheit. Wiederum wirkt das trübabgedämpfte Weiß, zumal in größeren Massen, phantomartig, geisterhaft, und so besonders in den fahlen Haufwolken der Mondnacht, deren groteske Züge niemand beredter geschildert hat als Heine. Trifft dagegen der milde Glanz des Mondlichts unmittelbar die Wolke, quillt er gleichsam aus ihr hervor, so regt sich's sofort mit heimlichem, magischem Leben; und mag nun das freundliche Gestirn wie schlummernd auf dunkler Himmelsinsel ruhen oder sich lauschig hinter luftigen Floren verstecken und sie silbern umsäumen: es bleibt ein Anblick, in dem die ganze Romantik der Nachtwelt umschlossen liegt. Ich schweige von der Glorie des Sonnenaufgangs und -untergangs. Hier, wo die Schöpfung selbst den Vorhang des Allerheiligsten entrollt und feiernd in ihr eigenes Werk versinkt, schmilzt alle Sehnsucht und aller Glaube zusammen in ein beseligt ahnendes Schauen. Das ist Licht von Seinem Licht, ist Vorbedeutung und Vorbereitung des neuen Himmels und der neuen Erde, die Er aufrichten wird am Ende der Tage, wann Er kommt mit Kraft und Herrlichkeit, daherfahrend in den Wolken.


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