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17.
Man konnte es entmenscht nennen

Hier unterbrach sie der Vorfall mit dem Entlein, der auch sonst Sensation machte. Das Mädchen, eine Kämpferin und Braut, wählte ihren Augenblick: dieser war es. Sie befahl ihrem schönen Blonden, bescheiden hinter ihr zu bleiben. Im richtigen Zeitpunkt dürfe er auffallen, aber ohne Übertreibung.

»Ich werde schon genug übertreiben«, sagte sie. Zu seinem höchsten Erstaunen wechselte sie das Gesicht. Aus einem niedrigen Vogel wurde sie natürlich nicht ohne weiteres ein Geschöpf der Sphären; genug, daß sie den Anfang skizzierte. Um nachzuhelfen, zirpte sie, ja übte Schwalbentöne.

»Was ist denn los?« fragte Nolus; zufällig wohnte er dem Ereignis aus der Nähe bei, er brauchte sich nur umzuwenden: da wurde der Kunstkenner aufmerksam. »Bist du gepiekt, Kind! Ausgerechnet du, ein Guido Reni?«

»Wenn Sie es doch erkannt haben!« zwitscherte das Entlein, nicht ohne Wohllaut, aber noch verhalten. Es sparte sich auf, während es den Hals schon reckte und streckte, um in Verklärung fortzuflattern.

Ihre Bewegungen, geistig in voller Ausführung, wurden von der Stofflichkeit der Körper unleidlich aufgehalten. Niemand rührte sich, um die Kämpferin durchzulassen. Wenn sie die Vorteile ihres mutigen Anlaufs nicht verlieren wollte, mußte sie gegen widerspenstige Figuren ihre Fäuste gebrauchen. Alle Wetter! bemerkte Nolus. »Prügel – und das süße Himmeln der Beatrice! Allerdings –« hier ergriff er den glücklichen Verlobten beim Knopf und sprach intim. »Gerade dieses Himmelskind hat ihren Mann umgebracht.«

Der Blonde erschrak, wenn auch mit Maßen. »Das wußte ich noch gar nicht. Sie war schon verheiratet? Sie hat ihren ersten Mann –?« In seiner Kehle verursachte er ein Geräusch, das Halsabschneiden bedeutete.

Nolus sah mit Verachtung, daß dieser, wenn auch blondierte Geschäftsmann die Geschichte der unsterblichen Beatrice Cenci nicht kannte. »Sie sind kunstfremd«, entschied er und drehte kurz ab.

»Kunst?« murmelte hinter ihm der Jüngling. »Halsabschneiden nennt er –? Aber ja doch. Aber gern.«

Seine künftige Frau war ihm auf einmal um vieles interessanter geworden. Daher nahm er tätigen Anteil an ihren Angelegenheiten, so wenig er sie bis jetzt begriff. Er half ihr, eine Gasse zu öffnen. »Entschuldigen Sie«, bat er die Leute, oder wenigstens »Moment mal!« Sie selbst unterließ dergleichen. Auch wurde ihr keineswegs aus Gefälligkeit Platz gemacht. Manche hatten das deutliche Gefühl, hieraus könnte etwas werden, wenn es fertig wäre. Infolge von Spannung wurden sie gefügig.

Andere benutzten die Gelegenheit um ihren Nächsten zu ärgern. (Sollte die Atmosphäre der Güte so bald entweichen?) Der verantwortliche Unternehmer Arthur beachtete das gewesene Entlein spät. Dann wollte er ihm nachsetzen, wurde aber umarmt. Männerarme zwängten von rückwärts seinen schlanken Leib ein; er vernahm die Anrede: »Endlich, lieber Freund! Schon längst drängte es mich, dich zu beglückwünschen. Von deinem Empfang werden wir reden, bis wir alle abgereist sind! Eine Attraktion jagt die andere. Paß auf, was wir sogleich erleben!«

Die Arme gaben ihn frei, sobald Arthur sie unsanft berührte. Er sah: der Intendant! Was war es mit dem Intendanten aus Porzellan? Und du sagte er! Betroffen blieb Arthur stehen; hiermit ließ er der Braut die Zeit, die sie brauchte, um ihre Szene ganz auszuspielen. Niemand war ihr im Wege, vielmehr zogen alle, die noch einen Fuß drinnen hatten, ihn aus dem Saal zurück: der Saal stand offen und leer.

Sie selbst vermied es, ihren erwählten Partner, den grand cordon, für die Augen des Publikums zu decken. Die Schwingen ausgebreitet den Kopf im Nacken, eine entrückte Selige, schwebte sie um den Alten auf seinem roten Sofa. Er begleitete sie mit gebieterischen Augen. Seine auffallend feinen Hände wendete er um, die Fläche nach unten. Die Regung konnte Entgegenkommen versprechen. Eingehen auf ihre Absichten wurde darin erblickt. Wenige unterschieden, daß er keine Ahnung hatte und sie jeden Unfug verantworten ließ.

Sie beschrieb um ihren erwählten Partner einen weiten Halbkreis. Damit die Figur vollendet ausfalle, mußte sie die abgegessene Tafel streifen. In aller ihrer beflügelten Leichtigkeit stieß sie dennoch ein Glas um. Es zerbrach am Boden, ein Rest Champagner floß aus. Der Alte sah zu, als geschehe es planmäßig.

Jetzt war sie angelangt am jenseitigen Endpunkt ihres angenommenen Bogens. In Front ihm gegenüber, er von allen Seiten sichtbar, wie durchaus anschaulich, so hatte sie es eingerichtet. Völlig schamlos, man konnte es entmenscht nennen, tanzte das arme Geschöpf vor dem Reichen, dem Mysterium des Reichtums, vor dem Inhaber der höchsten Auszeichnung, die entsetzlich funkelte, aber zu allem entschlossen, hielt die Jungfrau es aus. Die törichte Jungfrau tanzte mit Armen und Bauch. Sie stieg auf die Fußspitzen und bis in die Lüfte vor ihrem Greise, zu weise, sie noch zu verstehen.

Dies ihrer Reklame wegen. Man sagt: schamlos, fühlt sogar: entmenscht. Es bleibt aber spannend. Wie sind dergleichen Zustände zu retten? Durch Übertreibung allein. Nur, wenn sie vollends unmöglich werden. Plötzlich, niemand hat sich dessen versehen, liegt die ausgelassene Person vor dem feierlichen Popanz auf ihren beiden Knien, die sie mittlerweile entblößt hat mit manchem anderen Stück Haut. Eine Hand preßt sie auf das Herz, es ist auch schon aus der Schale; und sie kreischt, aber mit Untertönen von Wohllaut, das ist unleugbar.

»Ich soll heiraten. Der schönste Prinz hat meine Qualitäten entdeckt und sichert meine Existenz! Möchte mir eine andere dazwischenfunken, der kratz ich die Augen aus. Bedenke, alter Herr, heiraten! Wenn du dich noch erinnern kannst –?« Ihre zweite Hand weist deutlich nach der Gegend ihres Körpers, die besonders in Betracht kommt. Sie ist außer Rand und Band, es geht um ihre Existenz. Der Alte mit der gesicherten Existenz, gesichert weil abgelaufen, bewegt keine Miene. Aber seine stimmlichen Mittel sind wohlerhalten; man glaubt einen Mann aus der Mitte des Lebens zu hören, als er nun spricht.

»Meine Tochter, du wendest dich an einen Toten.«

»Weiß ich«, sagt sie unerwartet.

Ihr kommt es nicht mehr darauf an. Hier wird verrückt gespielt, obwohl es einige schaudert. Ihr ist nichts zu stark. Als ein schwerer Fall fühlt sie sich selbst. Das Phänomen, das sie zu Hilfe nimmt, will tot sein. »Läge ich dir sonst zu Füßen?« fragt sie. Dabei ist dies das erste was sie hört, von seinem Ableben. Alle Achtung vor so viel Unentwegtheit!

Einen Augenblick gerät das seltene Paar in die Gefahr, an Interesse zu verlieren. Der Bräutigam, getreu der empfangenen Weisung, sich zur rechten Zeit bemerklich zu machen, ist unter dem abgegessenen Büfett hindurchgekrochen: der Weg, der ihm freistand. Er schlägt das Tischtuch zurück, zeigt sich in gewagter Stellung auf allen vieren, die Rückseite nach dem Publikum. Seine Absicht wird vielfach dahin verstanden, als wollte er die Braut, wie sie ist, auf ihren entblößten Knien gleich hier in Besitz nehmen.

Man atmet bewegt, man ruft: »Schluß!« Man antwortet: »Abwarten!« – »Er stört. Er ist kunstfremd«, sagt einer. Der Jüngling scheint der Tatsache bewußt. Er rührt sich nur noch, um seinen blonden Kopf über den gesenkten Rücken zu halten. Auch er will sehen, was die beiden Hauptpersonen treiben.

Einen Augenblick verehrt die mehr als Lebendige ihren Toten bäuchlings. »Mein Vater! He is gone, und da ist er wieder! Im Kampf um die Existenz hatte ich weder Vater noch Mutter.« Dies unter Begleitung eines wirklichen Tränenstromes. Nicht viele legen sich Rechenschaft ab, aber das Mädchen ist nunmehr aufrichtig, daher wird es ungeschickt. Es weint zu naß, es heult zu weit hinten, strampelt ohne Rücksicht auf seine fehlerhaften Beine. Kein Zweifel, es droht abzustoßen; das Kriegsglück wendet sich.

Wenn nicht der zauberhafte Alte wäre! Er fühlt auf den Glockenschlag – eine Uhr schlägt eins –, daß er das rote Sofa verlassen, durch hohe Würde den verlorenen Auftritt rechtfertigen und beenden muß. Er erhebt sich, weder übereilt noch unbeholfen. Steht, den Magen mäßig gewölbt, da ein Korsett den Bauch darüber schiebt. Steht hoch und feierlich, ein Geheimrat ex machina, über der hingebreiteten Büßerin. Um ihrer beiden Haltungen willen, wie es sowohl dem Geheimrat als der Büßerin ansteht, läßt er seine segnende Hand schweben. Im Hintergrunde blitzt ein Licht: die Gruppe wird photographiert.

Die Braut kann lachen, aber sie ist busy, wie bekannt. Sie sieht die Hand, stellt die ihren zum Gebet aneinander, ruft: »Vater! Segne mich!« Unüberlegt, wie man meinen kann, hascht sie nach seiner Hand, läßt sie alsbald fahren, schaudert, seufzt. »Oh! Wie kalt!«

Fraglich, sehr' fraglich, welche Temperatur seine Extremitäten wirklich haben. Sein Gesicht jedenfalls zeigt Kälte, es ist streng geworden, bei deutlichem Zusatz von Überdruß. Gutgläubige rechnen damit, daß er sich in Luft auflöst und ohne weiteres verschwindet.

Anastasia, sowie ihr Sänger, der noch da ist, nur hält er Abstand von ihr: diese beiden vermehren keineswegs die Zahl der Anhänger. Gespenster lassen sie gelten, pourvu qu'ils n'insistent pas. Wirklich erscheinen ist taktlos. Aber diese ganze Szene ermangelt bis zu einem unwahrscheinlichen Grade des guten Geschmackes. Ihr Abschluß wird hinter dem bisherigen Verlauf nicht zurückstehen.

Die Hand des ältesten Mitspielenden war, ob man es zugab oder nicht, zu wenig angewärmt, um mit ihr irgend jemand zu segnen. Wie hilft man sich? Die Jungfrau bot vergebens dem Greis ihren Scheitel dar: wenn man vorzieht, ihren fächerartigen Aufbau von Haaren in auburnrot. Auch ihm fiel nichts mehr ein. Indessen war da der Bräutigam – in dienender Rolle, das ist wahr; die Haltung unscheinbar, obwohl sympathisch. Ihm kam die Eingebung. Man überschätze sein Genie nicht! Er lag ohnedies auf allen Vieren und konnte den Nacken nicht beständig versteifen.

Am Boden begegnete er von selbst den Trümmern des Glases, das kürzlich vom Büfett fiel. Es hatte weder Vater noch Mutter, wie er sagte; der Fuß war abgebrochen, der Kelch nicht unversehrt. Spuren der einstigen Flüssigkeit blieben dann übrig. Der Jüngling nahm den Scherben, reckte die Hand hinauf, erwartete, daß der ältere Papa sich bediene. Vermutlich wurde hier segnen mit taufen verwechselt: dieser jugendliche broker führt derzeit ein Traumleben, seine Gedanken entbehren der Schärfe, hervor tritt der innere Sinn.

Bemerkenswerter wäre, wenn der hohe Greis auf die Zumutung eingeht. Er wird doch nicht? Siehe, er tat es mit einem Anstand, daß niemand fragte: Warum wird hier getauft? Sie wollte doch gesegnet werden? Sondern man begrüßte, daß ein echtes Requisit gefunden war, das Stückchen Glas mit einigen Tropfen Champagner, die wirklich oder nur angenommen, auf die auburn-Frisur träufelten. Unter den Zuschauern, die jeder etwas Verschiedenes wahrnahmen, betrachteten Bankier Nolus und der Konservenpräsident den Vorgang auf ihre Art. Nebenbei schielte einer nach dem anderen.

»Richtig«, sagte Nolus. »Auch hier überschreitet man eine Grenze.«

»Wie Sie?« fragte der Graubart, mit dem Ausdruck stupider Unbefangenheit. Nolus wußte, daß seine Flucht von niemand im Ernst erwartet wurde. Traute er selbst sie sich denn zu? Er gestand:

»Es fragt sich immer, ob einer den bürgerlichen Anstand wirklich hinter sich wirft. Eins versichere ich: der Exhibitionismus dieser drei Personen liegt mir fern.«

In ihrem Rücken wurde gesprochen.

»Ce garçon qui nous montre la lune. Cette jeune dévergondée passe d'être sanctifée. Un vieillard inconscient.«

»Pas tant que ça«, erwiderte Nolus über die Schulter. Da enthüllte der Konservengreis einen ungeahnten Scharfblick.

»Der hat es von den drei am nötigsten. Führt uns die Weihe des Besitzes vor, in einem unverschämten Sinnbild. Getauft hat er sie mit einem kleinen Regen von Goldstücken!«

Nolus zweifelte. »Vielleicht Spielmarken? Er, der seit zwanzig Jahren nichts besitzt«, ergänzte der Finanzmann. »Ich muß es wissen.«

Der biederste der Präsidenten, aus Entrüstung verriet er sich. »Der will tot sein. Ich möchte wohl am Sonntag so tot sein, wie er es sich die Woche lang einbildet. Dann muß einer nicht mehr abreisen zu seinem Kapital.« Nolus schwieg, aber er dachte: San Domingo. Weiter dachte er: Mein Kapital ist weder dort, noch ist es schon meines. Mein wird es tatsächlich, daher auch legal, sobald ich wieder einmal gesiegt habe im Existenzkampf ohne Ende.

Über ihrem Gespräch, das sie anregte, sogar mitnahm, hatten diese beiden das dargebotene Schauspiel vergessen. Ihnen unbewußt, bestärkte es dennoch ihre geheimen Antriebe und half ihren künftigen Handlungen an das Licht des Tages. Nicht, als ob dasselbe für alle geschehen wäre. Die junge Adrienne zum Beispiel hatte etwas ganz anderes gesehen als die gewichtigen Geschäftsmänner. Sehr begreiflich, da nicht einmal sie – in betreff des Goldregens – übereinstimmten.

Die junge Adrienne behauptete in starker Abweichung von der Nutte des Rüstungspräsidenten, die auf ihm lehnte: das verzückte Entlein und ihr blondierter Typ haben augenscheinlich einander besessen, wörtlich, augenscheinlich und ausführlich. Das ganze Haus hat beigewohnt. Adrienne ist bereit, Zeugnisse zu sammeln. Nun, sie hätt eine Mehrheit bekommen, immer abgesehen von den unbeirrbar Naturen, die in der Minderheit bleiben. Die lässige Person mit dem Quetschauge bohrte den Zeigefinger in die Schläfe, damit Adrienne auf das einfachste erfahre, wie es um sie stehe

»Ein Idiot bist du selbst«, erwiderte die Künstlerin. Beide hatten unrecht. Nicht jede kann mit Phantasie begabt sein; eine trockene Sachlichkeit ist auch ein Vorrecht. Die eine hätte es aufgegeben, aber die andere tippte ihren Finger nunmehr in das Gesicht ihres Freundes. »Wollen wir ihn fragen?« entschied sie.

Wie gewöhnlich benutzte sie den Präsidenten als Sofa. Ihr eingeatmter Nacken, abgelagert wie er duftete, hatte seinen Sinnen schwerlich Raum gelassen für unparteiische Beobachtungen auf anderem Feld. »Was hast du gesehen, schöner Mann?« fragte sie trotzdem.

Er antwortete: »Wenn in der Südsee nicht Krieg wäre!« worauf ihr Finger schon wieder die Richtung ihrer Schläfe nahm. Adrienne wendete sich fort von diesem hoffnungslosen Paar. Sie ihrerseits begriff. Der Präsident hatte geträumt? von einem Leben in gnadenlos er Bläue, das gleichwohl eine späte Entschädigung gewesen wäre für alle seine Geschäfte mit der Welt, für diesen letzten Empfang bei ihr. Vergebens, in der Südsee ist Krieg.

»Wenn du sonst nichts weißt«, bemerkte seine Freundin. Hiermit verließ sie ihre Lagerstatt, in der unschuldigen Absicht, den blonden Bräutigam nun zu empfangen. Natürlich befand er sich in einem der Zimmer; der Saal schien kein menschliches Wesen aufzuweisen, oder sie hatten sich versteckt. Zum Beispiel konnte der Jüngling zurück unter den Tisch gekrochen sein, während der Alte auf eine, ihm allein bekannte Methode, unsichtbar geworden war und das Entlein heimlich geschlachtet hatte.

Hierüber verständigten sich die Herren Poulailler und Nolus, die ihre Erklärung in Umlauf setzten und ihr eine gewisse Glaubwürdigkeit sicherten. Wer leugnete, konnte darum nichts beweisen. Was er gesehen hatte, erzählte der Nächste ganz verschieden. Die Klugen, wie auch die anderen, einigten sich auf Eindrücke, die niemand gehabt hatte.

Die präsidentielle Nutte fand den Jungen, auf den sie ihr offenes, ja auch das geschlossene Auge geworfen hatte, unbeachtet und allein. Die zahlreichen Verehrer seiner Verlobten trennten das Paar. Ihren einfachen Sitten gemäß eröffnete sie ihm: »Nachher komme ich mit dir.«

»Aber es sind fünf Treppen«, gab er ihr zu bedenken, da er doch frisch verlobt war.

»Egal«, sagte sie. »Wenn mir einer gefällt, muß ich es mit ihm wissen.«

Hier durchbrach die Braut den Kreis ihrer Anhänger, sie nahte gefährlich. Die Anregerin des nächtlichen Beisammenseins entwich alsbald, sie wünschte kein zweites Quetschauge. Einen Blick des Einverständnisses hinterließ sie dem blondierten, so stattlichen Manne, der indessen schlotterte. Aus Angst vor seiner künftigen Beherrscherin schlugen seine Beinkleider große Falten, ihm zuckte das Gesicht. Seine Verlobte nahm ihn freundlich an ihren Arm.

»Siehst du wohl, das kommt davon«, sprach sie im Ton einer mütterlichen Warnung. »Versprich mir, mein kleiner Edgar –.«

Unbesehen versprach der kleine Edgar: »Ich tu es auch nicht wieder!«

Ein einzelner Herr, es war nur der harmlose Möbelpräsident, spendete lauten Beifall. Aber alle, Adrienne ausgenommen, waren voll stiller Anerkennung für das Entlein, die entschlossene Braut. Ihn stellt sie nicht weniger bloß als sich selbst; das verbindet. Nach allem, was die beiden öffentlich getrieben haben, kann er nicht wagen, sich loszumachen … Denkt er auch nur daran? Ihm ist wohl, je tiefer er sinkt.

Fürstin Anastasia verglich das Paar mit dem großen Tenor, worauf sie noch kürzlich nicht verfallen wäre. Auch er stellte seinen Buckel aus und trug den Erfolg heim. Wo war er übrigens hingekommen?

Adrienne, es steht zu vermuten als einzige, war beleidigt, sie hätte nicht benennen können wodurch. Alles, was sich zugetragen hatte auf dem Empfang, ging ihr auf einmal schändlich nahe: auch das längst Geschehene, so viel. Selbstentäußerung, damit sie zugelassen werde, ihre Stimme zu zeigen, und daß dafür ihre Mutter mit dem Intendanten schlafen mußte.

»Warum weinst du?« forschte ihre Mutter, bei der sie Schutz suchte gegen ihr eigenes Gefühl: noch war sie nicht verhärtet. »Weinst du, weil du die Treppe fegen mußt und nicht engagiert bist?«

»Ich bin es«, schluchzte Adrienne.

»Dann können wir dankerfüllt heimgehen. Genug gerackert für heute!«

Nach dem toten Balthasar fragte niemand mehr.


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