Lukian
Hetärengespräche
Lukian

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Dorion und Myrtale

Dorion: Jetzt also werd' ich ausgeschlossen, Myrtale, jetzt, da du mich zum Bettler gemacht hast! Ehemals, wie ich dir immer so viel zu bringen hatte, da war ich dein Liebster, dein Mann, dein Herr, da war ich alles; aber nun, nachdem du mich bis auf den letzten Tropfen ausgedrückt und dafür den bithynischen KaufmannEin bithynischer Kaufmann erregte damals, wie bei uns ein holländischer, sogleich den Begriff des Reichtums. aufgetrieben hast, nun kann ich vor der Tür stehen und heulen, solang' ich will; jener hingegen wird glücklich gemacht und ist Herr im Hause und durchwacht ganze Nächte mit dir, und du gibst sogar vor, schwanger von ihm zu sein!

Myrtale: Höre, Dorion, ich bin es herzlich überdrüssig, dich solche Reden führen zu hören, und am meisten verdrießt es mich, wenn du sagst, ich koste dich so viel und habe dich zum Bettler gemacht. So komm dann her und rechne alles zusammen, was du mir gegeben hast, seitdem wir bekannt miteinander sind!

Dorion: Gut, Myrtale, wir wollen zusammenrechnen. Primo, ein Paar sicyonische Schuhe für zwei Drachmen; schreibe zwei Drachmen!

Myrtale: Aber dafür hast du auch zwei Nächte bei mir gelegen.

Dorion: Ferner, wie ich aus Syrien zurückkam, einen Topf voller weicher phönizischer Pomade, die mich, beim Neptunus! ebenfalls zwei bare Drachmen kostete.

Myrtale: Und ich, gab ich dir nicht die Schifferjacke mit auf die Reise, die der Untersteuermann Epiurus bei mir liegenließ?

Dorion: Die hat nicht lange bei mir ausgehalten; da wir neulich in Samos zusammentrafen, erkannte er sie für die seinige, und ich mußte sie, nachdem wir uns tüchtig darum gezankt hatten, am Ende doch wieder hergeben. Item hab' ich dir aus Cypern Zwiebeln und fünf Heringe und, als ich aus dem Bosporus wiederkam, vier Bärse mitgebracht. Item acht Stück Schiffszwieback, einen großen Topf voll carische Feigen und neulich aus Patarä vergoldete Sandalen, du undankbares Ding du! – Und eben jetzt fällt mir auch der Käse ein, den ich dir aus Gythium mitbrachte.

Myrtale: Und das alles zusammen, Dorion, wird summa summarum etwa soviel als fünf Drachmen wert sein.

Dorion: Das ist auch alles, was ein armer Matrose wie ich, der von seinem Solde leben muß, geben kann. Indessen solltest du mich jetzt weniger verachten als jemals, seit ich es so weit gebracht habe, daß die ganze rechte Ruderbank unter meinem Befehle steht. Und hab' ich nicht neulich an den AphrodisienEinem Feste der Venus, deren gewöhnlicher griechischer Name Aphrodite ist. eine silberne Drachme deinetwegen zu den Füßen der Göttin gelegt? – Hab' ich nicht deiner Mutter zwei Drachmen zu einem Paar Schuhe gegeben und deiner Lyde hier, viel und oft, bald zwei, bald drei Obolen in die Hand gedrückt? Das alles zusammengerechnet macht eines armen Bootsmanns Hab und Gut aus.

Myrtale: Die Zwiebeln und Heringe meinst du?

Dorion: Allerdings! Unsereiner kann nicht mehr geben, als er hat: wenn ich reich wäre, so wär' ich kein Matrose! Meiner leiblichen Mutter hab' ich in meinem Leben nicht eine Knoblauchsbolle gebracht. Aber nun möcht' ich doch auch wissen, was dir denn der Bithynier für Präsente gemacht hat?

Myrtale: Primo, sieh einmal diese Schemise an, sie ist von ihm und dies Halsband dazu, das, wie du ihm ansehen kannst, ein hübsches Gewicht hat.

Dorion: Geh, das hab' ich schon lange an dir gesehen!

Myrtale: Was du gesehen hast, das war viel dünner und hatte keine Smaragden. Diese Ohrringe und der Teppich sind ebenfalls von ihm; auch ist es noch nicht lange, daß er mir zwei Minen an barem Gelde gegeben und unsere Hausmiete bezahlt hat. Das tönt anders als patarische Pantoffeln und gythischer Käse und solche Lumpereien.

Dorion: Aber davon sagst du nichts, was für ein Mann es ist, den du in dein Bett aufnimmst? Ein verheirateter Mann, über fünfzig Jahre alt, kahl am ganzen Vorderkopfe, und eine Farbe wie ein Taschenkrebs. Seine Zähne hast du wohl auch nicht recht betrachtet? Bei den DioskurenEin Schifferschwur, weil Kastor und Pollux Schutzgötter der Seefahrer waren. ein anmutsvoller Liebhaber! Sonderlich wenn er singt und den Artigen machen will! Das steht ihm gerade so an wie dem Esel das Lautenschlagen. Aber, wie er ist, wünscht' ich dir Prosit zu ihm! Du bist seiner würdig, und möchtet ihr einen Sohn bekommen, der dem Vater gleiche! Mir ist nicht leid darum, daß ich nicht eine Delphis oder eine Cymbalion, Mädchen meiner Gattung, finden sollte, oder meine Nachbarin, die Sackpfeiferin, oder irgendeine andere, wie ich sie brauche. Nicht jedermann hat Teppiche und goldene Halsbänder und Hände voll Geld zu verschenken.

Myrtale: Glückliches Mädchen, das dich zum Anbeter haben wird, Dorion! Sie kann sichere Rechnung auf cyprische Zwiebeln machen, und auf einen Laib Käse, wenn du von Gythium zurückkommst!


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