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Joëssa: Du bist also meiner überdrüssig geworden, Lysias, weil ich dich zu zärtlich liebte? Nur zu wahr! Ich verdiene keine bessere Begegnung, da ich dir niemals Geld abgefordert, dir niemals mit der angenehmen Formel, der Platz ist schon besetzt, meine Tür verschlossen, noch, wie andere, dich genötigt habe, deinen Vater zu hintergehen oder deine Mutter zu bestehlen, um es mir zuzutragen, sondern dich, von Anfang unserer Bekanntschaft an, aus Neigung und ohne die geringste Absicht auf Gewinn, glücklich gemacht habe. Du weißt, wie viele Liebhaber ich um deinetwillen fortgeschickt habe, den Ethokles, der jetzt im Rate ist – den Schiffsherrn Passion – deinen Kameraden Melissus, ungeachtet er neulich durch den Tod seines Vaters Herr über sein Vermögen geworden ist. Ich habe mich dir allein ergeben, dich zu meinem PhaonD. i. dich ebenso inbrünstig geliebt wie Sappho den schönen Phaon. gemacht, bin so ganz dein gewesen, daß ich keinen andern als dich angesehen, geschweige vorgelassen habe. Ich Törin glaubte deinen Schwüren, hing mit der Treue einer Penelope an dir, was mir auch meine Mutter die Ohren vollschrie und wie oft sie mich bei allen meinen Freundinnen verklagte. Und du, sobald du die arme, liebeskranke Närrin in deiner Gewalt sahst, machtest dir so wenig aus mir, daß du bald vor meinen sehenden Augen mit Lycänen schäkertest, bloß um mir weh zu tun, bald, an meiner Seite liegend, kein Ende finden konntest, mir die Sängerin Magidion vorzuloben, ohne dich meinen Schmerz über so empfindliche Kränkungen und meine Tränen im geringsten anfechten zu lassen. Du hast doch wohl noch nicht vergessen, wie du dich neulich bei dem Schmause, den du deinen Freunden Thraso und Diphilus gabst, aufführtest, wo Cymbalion, die Flötenspielerin, und Pyrallis, die als meine Freundin bekannt ist, zugegen waren. Daß du eine Kreatur wie Cymbalion fünfmal küßtest, kümmert mich ganz und gar nichtUnd doch zählte sie so genau?; du beschimpftest bloß dich selbst dadurch; aber der Pyrallis, da du doch wußtest, wie ich mit ihr stehe, immer zuzuwinken, ihr den Becher, aus dem du trankst, zu zeigen, ihn dann dem Bedienten zu geben und ihm ins Ohr zu raunen, daß er, wenn Pyrallis zu trinken verlange, ihr und ja keiner andern in den nämlichen Becher einschenken sollte – das war zu arg! Und nun vollends einen Apfel anzubeißen und in einem Augenblick, wo DiphilusDer damalige Inhaber des Pyralles., weil er eben mit Thraso sprach, nicht darauf acht gab, dich zurückzulehnen und (ohne dich im geringsten zu bekümmern, ob ich es sehe oder nicht) den Apfel mit einem wohlgezielten Wurfe der Pyrallis in den Schoß zu werfen, die ihn sogleich küßte und unter ihrem Halstuch mitten in ihren Busen steckte! – Was für Ursachen habe ich dir gegeben, mich so zu behandeln? Hab ich mich in irgend etwas, es sei großes oder kleines, gegen dich versündigt? Dir jemals etwas zum Verdruß getan? Jemals einen andern angesehen? Lebt' ich nicht für dich ganz allein? Wahrlich, Lysias, es ist eine schlechte Heldentat, ein armes Mädchen, das dich bis zum Wahnsinn liebt, zu peinigen? Aber es ist eine Adrastea im Himmel, die das sieht und dir's vergelten wird. Denn du wirst bald genug hören, daß ich mich erdrosselt oder in einen Brunnen gestürzt habe: ich werde doch wohl ein Mittel finden, aus der Welt zu kommen und dich von meinem Anblick zu befreien! Triumphiere dann immerhin, als ob du eine große herrliche Tat verrichtet hättest! – Was siehst du so stier an mich hin und knirschest mit den Zähnen? Wenn du was über mich zu klagen hast, so rede! Pythias hier soll Richterin zwischen uns sein. – Wie? Er geht fort und würdigt mich nicht einmal einer Antwort? – (Sie weint.) Du siehst, Pythias, wie ich von ihm mißhandelt werde.
Pythias: Welche Gefühllosigkeit! Nicht einmal von ihren Tränen gerührt zu werden! Er ist ein Stein und kein Mensch. – Aber, wenn ich die Wahrheit sagen soll, du hast ihn selbst dadurch verderbt, daß du ihn zu übermäßig liebtest und es ihn sehen ließest. Du hättest ihm nicht zeigen sollen, daß dir so außerordentlich viel an ihm gelegen ist. Das macht sie eben übermütig! – Weine nicht so, armes Kind! Wenn du dir raten lassen willst, so schließe ihm ein- oder ein paarmal die Türe vor der Nase zu: du wirst sehen, wie bald er wieder in Flamme geraten wird, und dann laß die Reihe an ihn kommen, vor Liebe unsinnig zu werden.
Joëssa: Geh mit deinem Rat! Ich dem Lysias die Tür verschließen? Wollte Gott, daß er mir nicht zuvorkommen und mich auf ewig sitzen lasse!
Pythias: Da kommt er ja schon wieder!
Joëssa: Du hast mich zugrunde gerichtet, Pythias! Er wird gehört haben, daß du mir rietest, ihm die Tür zu verschließen.
Lysias: Nicht dieser Kreatur zu Gefallen, die nicht einmal meines Anblicks wert ist, sondern deinetwegen, Pythias, komm' ich zurück, damit du mich nicht ungehört verdammst noch sagen könnest, Lysias sei ein hartherziger Mensch.
Pythias: Das sagte ich eben jetzt, Lysias.
Lysias: Du verlangst also, daß ich diese Joëssa dulden soll, die jetzt in Tränen zerfließt und die ich doch vor kurzem mit diesen meinen Augen über der Untreue erwischt und bei einem jungen Menschen schlafend angetroffen habe?
Pythias: Darauf, mein guter Lysias, könnte ich kurz und gut antworten, sie ist eine Hetäre. Aber wie lange ist es denn, daß du sie in einer solchen Lage angetroffen hast?
Lysias: Es wird heute der sechste Tag sein. Mein Vater, der in Erfahrung gebracht hatte, daß ich seit langer Zeit in dieses tugendhafte Frauenzimmer hier vernarrt sei, hatte mir die Haustür verschließen lassen und dem Türhüter verboten, mir aufzumachen. Aber ich, dem es unerträglich war, nicht bei ihr zu sein, befahl meinem Sklaven Dromo, an der Hofmauer, wo sie am niedrigsten ist, unterzustehen, so daß es mir nicht schwer war, von seinem Rücken über die Mauer hinüberzukommen. Daß ich's kurz mache, ich stieg hinüber und langte glücklich an Ort und Stelle an. Ich fand die Haustür sorgfältig verschlossen. Da es schon um Mitternacht war, wollte ich nicht anklopfen, sondern hob die Tür, wie ich schon mehrmals getan hatte, ganz sachte aus den Angeln und kam also ohne Geräusch hinein. Alles schlief. Ich tappte so lange herum, bis ich endlich ihr Bette fand.
Joëssa: Heilige Ceres! Was wird noch herauskommen? Ich stehe Todesangst ausSollte man nicht aus dieser Unruhe der Joëssa schließen, daß es mit ihrer angerühmten Treue nicht so ganz richtig gewesen sei. Die Sache ist wenigstens problematisch, und in zweifelhaften Fällen ist die Präsumtion immer gegen die Joëssas und Pythias. .
Lysias: Wie ich nun merkte, daß hier zwei Personen atmeten, glaubte ich anfangs, ihr Mädchen Lydia schlafe bei ihr. Aber das war es nicht, Pythias. Denn indem ich so herumtastete, fand ich, daß es ein glattes, unbärtiges, bis auf die Haut abgeschorenes, parfümiertes Bürschchen war. Hätte ich einen Degen bei mir gehabt – so könnt' ihr leicht denken, daß ich mich nicht lange bedacht haben würde. – Nun, was soll das? Was lacht ihr? Kommt dir die Sache so belachenswürdig vor, Pythias?
Joëssa: Das war es also, was dich so böse gemacht hat, Lysias? Es war diese nämliche –
Pythias: (ihr die Hand auf den Mund legend) Ich bitte dich, Joëssa, sag es ihm nicht.
Joëssa: Und warum sollt' ich's nicht sagen dürfen? Pythias, mein Liebster, diese nämlich hier gegenwärtige Pythias war es, die ich hatte bitten lassen, bei mir zu schlafen; denn es war mir so traurig, daß ich dich nicht bei mir hatte.
Lysias: Pythias wäre der Bursche gewesen, dem die Haare bis auf den Kopf abgeschoren waren? wie ist ihr denn binnen sechs Tagen wieder so mächtig viel Haar gewachsen?
Joëssa: Die Haare waren ihr in einer Krankheit so stark ausgefallen, daß sie sich vollends abscheren lassen mußte; und nun trägt sie eine Perücke. Zeig es ihm doch, Pythias, damit er den Glauben in die Hand bekommt. (Sie nimmt ihr die falschen Haare ab.) Hier präsentiere ich dir den zarten, unbärtigen, jungen Buhler, auf den du so eifersüchtig wurdest!
Lysias: Aber sage selbst, Joëssa, mußt' ich's nicht werden, da ich ihn mit meinen eigenen Händen zu betasten glaubte? Ich müßte dich nicht geliebt haben, wenn ich es weniger geworden wäre.
Joëssa: Du bist also zufriedengestellt? Wäre nun die Reihe nicht an mir, dich wieder zurück zu quälen, und hätte ich nicht bessere Ursache als du, mit dir zu schmollen und die Eifersüchtige zu machen?
Lysias: Tu es nicht, liebe Joëssa! Laß uns jetzt zusammen trinken und fröhlich sein, und Pythias soll uns unser neues Bündnis feiern helfen! (Zu Pythias:) Wieviel hab ich deinetwegen ausgestanden, edelster der Jünglinge, Pythias!
Pythias: Dafür hab' ich euch aber auch' wieder ausgesöhnt, und eure Liebe gewinnt so viel dabei, daß du unmöglich auf mich zürnen kannst. Aber noch eins, Lysias – laß die Perücke ein Geheimnis unter uns bleiben!