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Imbrek der Schmied

In der Esse, die an der Heerstraße von Krongen stand, war das Feuer seit Wochen erloschen. Die Gesellen hatten sich verlaufen, und im Haus fehlte das Brot. Der riesenstarke Schmied saß bedrückten Sinnes vor seiner Werkstatt. Im Sand spielte die kleine Irmellin, Imbreks Enkelkind, mit dem zottigen schwarzen Hunde. Der Alte wartete auf sein Weib, das noch einmal in den nahen Bauernhof gegangen war, Nahrung zu erbitten. Seit den letzten Kämpfen lag das Land umher verödet. Keiner besaß Vorräte, und der Winter war nah.

Imbrek sah sein Weib mit leerem Sack herankommen. Stumpf schüttelte sie den Kopf. »Sie wollen nur im Tausch geben. Sie haben selber nichts. Es ist zu Ende mit uns!« Und ließ sich auf die Bank fallen.

Die beiden Alten saßen nebeneinander, ohne ein Wort zu sprechen. Noch nie hatte es dem starken Manne an Arbeit gefehlt. Drei und vier Gesellen hatten vollauf zu schaffen gehabt, denn von weitem waren Ritter und Mannen gekommen, Ringharnische, Schwerter und Helme zu kaufen oder bessern zu lassen. Aber nun war das Land leer. Die Bauern brauchten kein Ackergerät, und ein Fremder ließ sich nicht blicken.

Draußen in der Ebene zeichnete sich die Gestalt eines Reiters ab. Imbreks scharfes Auge sah, daß sein Pferd hinkte. Da griff er nach der Mütze und ging dem Reiter entgegen. Der kam langsam auf der Straße heran. Er trug reiches Gewand, seine Satteldecke war aus dem gefleckten Fell eines afrikanischen Panthers gefertigt. Imbrek gedachte ihn anzusprechen und seine Hilfe zu bieten, wenn das Pferd neuer Eisen bedürfte. Vielleicht ließ sich so ein kleines Silberstück gewinnen.

Tristan hatte in die Ferne gesehen. Wie der Schmied vor ihm stand, wandte er ihm den Blick zu. Imbrek fühlte ein Auge auf sich liegen, das voller Schönheit war und großes Leid barg. Tief in den dunkeln Haarwald hinein schnitt das gelbliche Felsendach der Stirne; es hatte dem Haar an jeder Schläfe ein mächtiges Viereck abgewonnen. Von dem unteren Rand hing dunkles Gebüsch über zwei Abgründe, darin die grauen Augenseen lagen. Zwischen ihnen stieg der gerade Bergrücken der Nase an. Die Wangen senkten sich in steiler Böschung zu dem schmalen Kinn, das zurücktrat. Der rote Streif der Lippen vermochte dem bleichen Bergland keine Farbe zu schenken.

Imbrek sah staunend in dieses Antlitz. Er vergaß, was seine Absicht gewesen, und ließ Tristan vorüberreiten. Doch der wandte sich zurück: »Ich suche einen, der mir das Pferd neu beschlage. Ist hier ein Schmied?« Imbrek führte ihn zu seinem Haus. Er war voll von einer stolzen Freude, daß er diesem Manne dienen durfte; er holte sein Gerät und begann zu arbeiten. Die kleine Irmellin lief herbei und bewunderte Mann und Pferd.

Tristan saß vor dem Haus und starrte zur Erde. Der Schmied aber, der mit der Kraft des riesigen Leibes einen edlen Sinn verband, hielt immer wieder im Hämmern inne und sah zu ihm hinüber. Nie hatte er solch ein Auge, nie solch eine klare Stirn gesehen. Er ahnte von einem großen Leid und empfand Ehrfurcht. Ihm war zumut, als müsse er sich vor dieses Mannes Leid beugen. Er wußte nicht, wer der Fremde war, aber in ihm quoll ein Gefühl des Dankes, daß er einen geringen Dienst von ihm annehmen wollte. Sorgfältig untersuchte er die Hufe des Pferdes und tat seine Arbeit mit Liebe. Tristan erhob sich und ging auf den Weg hinaus. Er kam zurück und versank in sein früheres Brüten.

Das Pferd war neu beschlagen und Tristan stieg auf. Da sah der Alte, daß Tristans Waffen zerhauen waren. »Herr, Euer Schwert ist schartig! Es muß in manches Mannes Schädel gebissen haben!« »Du sprichst wahr!« »Erlaubt, Herr!« Der Alte besah das Schwert. »Und seht, die Spitze ist abgebrochen! Hört mich an! Wie ich jung war, schmiedete ich ein Schwert. Das hab ich keinem gegönnt bis heute. Es ist mein bestes Stück und ich halte es nicht um Gold feil. Ich will es Euch zeigen!«

Imbrek verschwand im Haus und trug dann ein Schwert her. Er trug es in den Armen wie ein Kind, das man liebt, und bot es Tristan: »Beseht es, Herr!« In seiner Stimme klang der Stolz auf sein Werk, denn er wußte, daß es eine gute Arbeit war, die vor jedem Kenner bestehen durfte. Das Schwert war lang und schmal, aber hart und klingend wie reines Silber. Auf dem Kreuzgriff sah man Menschengestalten und mancherlei Getier, zart in Gold getrieben. »Ein sarazenischer Meister hat mich diese Kunst gelehrt, bei dem ich zu Palermo im Dienst gestanden.«

Tristan wog die Waffe in der Hand und wandte sie nach allen Seiten: »Ein schönes Stück! Wie hast du's genannt?« »Joyeuse, Herr!« Um Tristans Mund zuckte es düster. »Ein guter Name! Ich will dein Schwert kaufen!« Aber der Alte schaute ihm offen ins Auge. »Herr, seid nicht böse! Ich kann kein Geld von Euch nehmen! Wenn Euch mein Schwert gefällt, so ist es Euer. Ihr macht mich damit froh.«

Tristan sah zu dem Alten nieder; ein Lächeln ging über das starre Antlitz und hob aus dem Grund seiner Felsen weiche, blumige Täler. »Wer seid Ihr?« fragte Tristan. »Der Schmied Imbrek! Ich bin ein freier Mann, und mein Haus steht hier seit meines Großvaters Tagen.« Tristan zog den Handschuh ab und bot dem Schmied seine Rechte dar: »Ja, Ihr seid ein freier Mann! Ihr seid freier als mancher König, dem ich gedient habe und der nur seinen Nutzen wollte. Euch aber ist die seltenste Gabe verliehen, die auf Erden gefunden wird: Ihr erkennt den Wert des Menschenblicks, der mit nichts bezahlt werden kann! Ich bin Tristan, Herr von Lonnois, und suche jetzt neue Länder auf. Ich danke Euch, alter Mann, für Euer reiches Geschenk! Ich will Euch nicht mit Lohn kränken.« Imbrek hielt Tristans Hand fest in der seinen. »Ist das Euer Kind?« fragte Tristan. »Mein Enkelkind, Herr!« Tristan hob das liebliche Mädchen auf und küßte ihm die Stirne. Dann zog er einen goldnen Reif hervor, wie er zu eines reichen Kleides Armschmuck dienen mag, und setzte ihn dem Kind aufs Haar. Er nickte dem Alten zu und ritt weiter nach Süden. Irmellin lief jubelnd neben dem Pferde her, und der Pudel bellte hinterdrein.

Der starre Schmerz schien aus Tristans Auge gewichen, Friede lag über seinem Antlitz. Er dachte Imbreks, des Schmiedes, der ihn geliebt hatte nach dem Widerschein seiner Seele, den jeder Mensch in den Augen trägt; der arm war und Gold verschmäht hatte, weil er das frohe Bewußtsein nicht missen mochte, einem Edlen edel gedient zu haben, sondern der frei in ein freies Auge schauen wollte.

An diesem Tag konnte Tristan zum andernmal, seit er aus Cornwall gegangen, von seinem Schmerze fortblicken und etwas sehen, das nicht sein Schmerz war. Dieses Wunder hatte der adelige Sinn des alten Schmiedes gewirkt.


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