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Noch immer sah man die weiße Gestalt, die auf dem Turme von Tintaguel stand. Sie lehnte sich weit über die Brüstung, doch sie wurde kleiner und kleiner und verschwamm in den fliehenden Wolken. Der kalte Wind sprang auf die Segel und jagte das Schifflein ins Meer hinaus. Langsam versank die Burg. Die Kreidefelsen von Cornwall dämmerten ferne.
»Schütz uns der Himmelskaiser! Wir sind auf freier See!« sagte der Schiffsmann.
Tristan neigte sich über den Bord. Seine Tränen fielen ins weiß aufschäumende Wasser, eine nach der andern. Sie zeichneten den Weg, der ihn von Isolde führte. Unter jeder Träne zuckte das Meer auf wie unter einem Tropfen Feuer; denn Tristans Schmerz brannte nicht weniger heiß als lodernde Herdglut. Aber die Tränen sanken und wurden zum Grund des Meeres hinabgezogen. Sie sickern ins Gestein und treiben blutigrote Korallenbäume, die nächtlich aus den Tiefen leuchten.
Der Nordwind kam von Isoldes Land geflogen und ereilte das Schiff. In den Armen trug er verwehtes Weinen. Tristan bog sich ihm entgegen, Isoldes letztes Lebewohl zu empfangen.
Das Meer sang sein uraltes Lied, das alles Leid der Erde in sich aufgenommen hat. Es stirbt nicht, das Leid, das einmal dem Meere gegeben ward. In Mondnächten singt es aus der dunkelgrünen Tiefe. Isoldes verklingendes Weinen, Tristans Tränen mengten sich dem ewigen Leid der Welt.