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Die Wehrhaftmachung eines Ortes durch Mauern und Türme war eine Voraussetzung der Verleihung des Stadtrechtes, von der es keinen Dispens gab. Denn für die Privilegien, die der Landesfürst, teilweise unter Verzicht auf eigenes Recht, den Städtern geben mußte, wollte er von diesen einen Gegenwert in der Wehrhaftmachung des Ortes empfangen. Je mehr befestigte Orte ein Land aufwies, um so schwerer wurde es einem Feind, es seinem gottgewollten Fürsten zu entreißen, während im Flachlande fast regelmäßig um die Stadtmauer zu deren besseren Schutz ein tiefer Graben angelegt wurde, sah man bei manchen Tirolerstädten mit Rücksicht auf die großen Terrainschwierigkeiten hiervon ab. Gruppierte sich die Stadt, was meist der Fall war, um eine erhöht liegende Burg, so wurde eine doppelte, sogar eine dreifache Mauer erbaut. Eine äußere, die die gesamte Stadt umgab, dann eine innere, die den Burgfelsen verteidigte, und zuweilen eine dritte, die, ein Stück höher postiert, die Burg selbst umgürtete. Eine solche dreifache Ummauerung ist z. B. auf dem Bilde der Stadt Kufstein aus dem Jahre 1649 (Abb. 20) gut sichtbar, ebenso aus dem Bilde von Klausen und Säben (Abb. 19). Letzteres war besonders gut geschützt, denn hier mußte zuerst die Stadtmauer, dann die vor dem Aufgang gelagerte Burg Branzoll, hierauf das starke, mit drei Türmen bewehrte Vorwerk auf halber Höhe des Felsens genommen werden, bis der Feind an die höchste, wieder durch Türme und Mauern geschützte Stelle vorzudringen vermochte.
Ein im Palazzo vecchio in Florenz befindliches Fresko (Abb. 23) zeigt sehr anschaulich die Befestigung der Stadt Innsbruck im Jahre 1565, also zu einer Zeit, da man aus Belagerungskanonen bereits Kugeln bis zu 2 Zentner Gewicht und darüber zu schießen vermochte. Aus dem Bilde ist zu ersehen, daß der Graben, wenigstens auf der dem Innflusse zugekehrten Seite bereits ausgefüllt wurde, und daß längs der Brennerstraße, außerhalb der Stadtmauer bereits eine stattliche Reihe von Häusern entstanden war. Die Stadtumschanzung hat also bereits ihren ursprünglichen Zweck der Verteidigung verloren und dient nur mehr zur Absperrung gegen Landstreicher und fremdes, verdächtiges Volk, sowie zur Kontrolle der Spaziergänge der ehrsamen Bürger. Anno 1239 aber, als die Befestigung angelegt wurde, da konnte man den der Mauer vorgelagerten Graben nur an den vier Toren, die gegen Süd, Ost, West und Nord sich öffneten, auf Zugbrücken passieren. Über den Toren, den schwächsten Punkten der Befestigung, erhoben sich mächtige, wappengeschmückte Türme, die den Torwärtel und in unruhigen Zeiten auch ein Fähnlein gewappneter Knechte beherbergten. Die vier Tortürme zu Innsbruck führten folgende Namen: der Pickenturm, der St. Jörgenturm, der Wappenturm und der Innturm. Die Türme waren durch einen auf der Innenseite der Mauer herumlaufenden Wehrgang, der zur Besetzung der Schießscharten diente, miteinander verbunden. Leider ist keiner der Innsbrucker Tortürme uns erhalten geblieben, obwohl die von ihnen eingeschlossene Altstadt Gott sei Dank unversehrt die gefährlichen Tage der Stadtvergrößerung und Straßenverbreiterung überstanden hat und heute das Kleinod der Innstadt bildet. An der Stadtmauer und auf ihr erhoben sich, als der Graben ausgefüllt und damit die Mauer als Fortifikation aufgelassen wurde, Wohnhäuser, die noch heute dort zu sehen sind (Abb. 49). Auf dem Graben selbst errichteten Schmiede, Schlosser, Wagner, niedere, nach außen offene Schuppen, die sich langsam mit der Vergrößerung der Stadt in geschlossene Gewölbe umwandelten. Schließlich wanderten die Handwerkers als sie sich von allen Seiten umbaut sahen, wieder weiter ins Weichbild hinaus und an ihrer Stelle zogen die Kaufleute in die Gewölbe ein. Da die Innsbrucker Stadtgemeinde vor kurzem ihren Beschluß, diese Gewölbe niederzuschlagen, widerrufen und sich für deren Erhaltung ausgesprochen hat, so bleiben erfreulicherweise diese Zeugen aus Innsbrucks vergangenen Tagen der Nachwelt erhalten.
Andere Tirolerstädte haben von ihren Befestigungen mehr gerettet. Die gesamte Ringmauer und sämtliche Tortürme weist noch heute das Städtchen Glurns im obersten Vintschgau (Abb. 17, 37 u. 36) auf. Die einfachen, aber in ihren Massen außerordentlich schönen Türme tragen die Namen der in ihrer Himmelsrichtung gelegenen nächsten Ortschaften. Glurns, das 1308 zur Stadt erhoben wurde, diente den tiroler Landesfürsten als Bollwerk gegen die Engadiner, mit denen sie in steter Fehde lagen. Außerdem besitzen Klausen (Abb. 38), Feldkirch (Abb. 16 u. 44), Sterzing (Abb. 43 u. 42), Bruneck, Trient (Abb. 4) noch ihre gut konservierten Türme, ja selbst der Kurort Meran hat sich seine Tortürme (Abb. 46), trotz mancher Anfeindung seitens der Verkehrsfanatiker, zu erhalten gewußt. Von der einst so gewaltigen Befestigung Arcos (Abb. 127) sind seit dem Jahre 1703, da die Franzosen die Stadt und Festung nach mehrtägiger Belagerung einnahmen, nur mehr Ruinen vorhanden, die den Burgfelsen von Arco malerisch schmücken.
Den schönsten historischen Turm besitzt unter allen Tiroler Städten Hall in dem »Münzerturm« (Abb. 39), so benannt, weil er in späterer Zeit als Münzwerkstätte dienen mußte. Er ist in seiner kraftvollen, originellen Bauweise – auf einem runden Fundament sitzt ein zehneckiges, vorgekragtes dreistöckiges Mittelstück, das dann wieder in ein rundes, von einer spitzen Haube bedecktes Schlußstück endet – ein Gleichnis des Charakters der alten Haller Bürger, die die Freiheit ihrer Stadt mit großer Tapferkeit zu verteidigen wußten und mehr als eine Belagerung durch bayrische Invasionstruppen erfolgreich abschlugen. Mit ihm in enger Verbindung steht das Münzertor (Abb. 41).
Daß mitunter auch zu anderen Zwecken als zu kriegerischen erbaute Mauern ein Stadtbild angenehm umrahmen können, zeigen die Klostermauern von Cavalese (Abb. 45).